Nach langer Schreibabwesenheit bin ich endlich soweit die letzten 10 Tage nachzutragen. 10 Tagen in denen sich erst mal alles verändert hat.
Blick zurück auf den 16.06. Rutesheim. Dort musste ich ja abbrechen. Der Tag nach, da sei vorweg gegriffen, meinem vorerst letzten Wettkampf (dem Parkrun Ultra- Esslingen.) Weiter als die 2,5 km durchquälen, konnte und wollte sich mein Körper nicht. Stand heute, hat damals mein Schweinehund alles richtig gemacht. Denn der Druck auf den Brustkorb war keine Magenverstimmung. Auch kein Corona in dem Sinne wie wir das gerade tagtäglich hören (zur Erklärung: als ich von meinem Unwohlsein in unserer „RUR WhatsApp-Gruppe“ berichtete wurde das gemutmaßt). Im eigentlich medizinischen Sinne schon. Als Korona bezeichnet man auch die Herzkranzgefäße. Wer das nicht wusste der braucht sich nicht zu genieren. Ich wusste das bis heute vor einer Woche auch nicht.
Aber langsam, von Anfang an. Nach dem kleinen Ultra über 50 km (für meine Begriffe, sorry wenn das arrogant klingen mag) ging es mir solange gut, bis es in Richtung Bett ging. Ich hatte (zugegeben nicht zu ersten Mal) einen etwas leichten, aber durchaus unangenehmen Druck in Brustmitte (habe eine ausgeprägte s.g. Trichterbrust). Das nahm nachts zu. An vernünftigen Schlaf war nicht zu denken. Am nächsten Morgen trotzdem, nach ordentlichem sonntäglichen Frühstück mit der Frau, gemütlich losgefahren. Die Muskeln fühlten, sich in Anbetracht dessen was sie gestern geleistet hatten, ganz gut. Mir war klar das es kein Spaziergang werden wird, und ich in Rutesheim, statt der ursprünglich geplanten 3 Runden Halbmarathon (63 km), 2 und damit nur ein Marathönle absolvieren kann. Um kurz nach 10 am individuell gestartet und extrem langsam angelaufen. Ich merkte schon, dass der leichte Brustkorbdruck nun etwas zunahm. Nun gut, nach ca. 100 Meter kommt ein langer steiler Anstieg Denn werde ich gehen, statt wie sonst üblich gemächlich hochzujoggen (zumindest die 1.Runde), dann wird das schon nachlassen. So dachte ich mir. Als ich dann am oberen Ende angekommen war, wollte ich langsam beginnen. Das klappte auch, aber schon nach kurzer Zeit wurde es "oben rum unangenehmer" Also in der Brustgegend. Gleichzeitig ging mir im wahrsten Sinne des Wortes die Luft aus. Ich versuchte das zu ignorieren, doch nach ca. 1 km war der Ofen aus. Stehenbleiben und pumpen wie ein Maienkäfer vorm Abflug. Die Idee, die Zeit mit Gehen sinnvoll zu nutzten, musste ich schnell begraben. Also warten. Etliche Minuten zähes warten. Der Puls ging viel zu langsam runter um ein Weiterlaufen erträglich zu machen. Als es endlich wieder ging, ganz langsam weiter. Aber nicht lange, dann ging das Spielchen wieder los. Und nach 1 km ein Dejavu. Ich musste erschreckt erkennen. Hier ist was oberfaul. Ich breche den Lauf ab. Laufend? Ging auch nur gut mit dem notwendigen Zwischenstopp auf der Hälfte. Also 2,5 km in 20 Minuten. Angekommen am Auto. Erst mal: schnaufen, schnaufen, schnaufen. Etwas mit mulmigen Gefühl in die Karre gesetzt und die gut 40 km nach Hause gefahren. Den Restsonntag dann mit leichten Brustschmerzen verbracht. Ich beschloss den nächsten Tag abzuwarten.
Da ging es mir soweit wieder gut. Ich habe gearbeitet und nach dem Abendessen bin ich zu meiner Hausrunde aufgebrochen. Das Spielchen vom Sonntag wiederholte sich. Trotzdem habe ich mich soweit gequält meine Hausrunde zu 3/4 zu absolvieren. Also statt 10 km eben nur 7,75 km, in 52 Minuten. Da war klar ich muss zum Hausarzt. Habe dann einen arbeitnehmerfreundlichen Termin am Donnerstagabend gebucht. Davor wollte ich am Mittwoch nochmals einen Test, direkt von der Arbeitsstelle aus, machen. Also der Magen war leer, ich lief los. Und? Na ja den Rest kennt ihr euch jetzt ja schon denken. 2,88 km in 43 Minuten. Am nächsten Morgen als ich die Wohnung verlassen will, piept meine Uhr wie verrückt und zeigt mir das
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Meine Anspannung was die Diagnose sein wird stieg. Klar hatte ich zwischenzeitlich gegoogelt. Aber da gab es viele Gründe die mir besser gefielen als Herzprobleme. Schien so weit weg und nicht im Rahmen dessen was ich dafür tat, mein wichtigste Organ, zu überwachen. Im Rahmen der Vorsorge im Juli 2021 waren die Blutwerte und die des Ruhe-EKGs doch „tippitoppi“ gewesen.
Als letzter Patient sitze ich im Wartezimmer. Mein Hausarzt wundert sich, dass ich mal ausser der Reihe, (akute Beschwerden) in die Sprechstunde komme. Und freut sich wahrscheinlich insgeheim über die Schilderungen meiner letzten Laufabenteuer. Ich muss natürlich die Story in allen Details loswerden. Er tastet meine Brust ab. Tut es da weh? Ja da tut es heute weh. Ist aber nicht immer so. Dann hat er den Fehler. Da hinten am Rücken ist eine leichte Blockade, die drückt sicher auf diese Gegend. Ich bin erleichtert. Ein bisschen Physio und dann flutscht das wieder. Mit sowas bin ich zufrieden. Und jetzt vielleicht noch etwas um die Luft aus dem Magen zu kriegen. Habe in letzter Zeit oft ausstoßen müssen beim Laufen, was ich früher nie hatte und öfter auch an anderer Stelle Dampf ablassen. Er gibt aber noch keine Ruhe. „Trotzdem“, höre ich ihn sagen. „Das Herz kann ich nicht ausschließen. Das müssen wir sicherheitshalber untersuchen. Kommen sie morgen früh nüchtern ins Labor. Wir machen eine Blutanalyse und ein Ruhe EKG.“
Nun denn, auch das. Wenn es uns alle glücklich macht denke ich mir. Also am nächsten Morgen den edlen Saft gezapft und per Express ins Labor geschickt. Ergebnis sollte bis abends da sein. Blöd das halt Freitag ist und die Praxis dann nicht mehr besetzt. Jetzt noch das Ruhe-EKG. Wenn das passt. Passt es? Der Doc schaut Minute um Minute auf die Spitzen. Dann murmelt er. „Sieht ganz gut aus, aber da gibt es eine Abweichung vom letzten Mal.“ Und ab da beginnt der Albtraum und nimmt sehr schnell an Fahrt auf. „Ich gebe ihnen eine Überweisung zum Kardiologen. Der macht in 20 Minuten seine Praxis auf. Gehen sie gleich hin und erklären sie im die Dringlichkeit.“ Ich also raus aus der Hausarzt-Praxis und schnurstracks in die nur ca. 1 km entfernte Facharzt-Praxis. Natürlich nicht gelaufen, sondern gefahren. Ab jetzt war ich mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass mir ein ganz besonderes Wochenende bevorstehen könnte. Das Wort schön nach dem besonders lasse ich mal, zu Recht weg. Dort angekommen, Ernüchterung. „Sind sie schon Patient.“ „Nein“. „Tut uns leid. Keine Termine mehr frei am Vormittag, Und Freitagnachmittags ist...“ „Schon klar.“ Bleibt die Alternative. Klinik. Notaufnahme. Erst mal zurück zum Hausarzt und berichten. Der wundert sich, aus leidvoller Erfahrung, nicht. Meldet mich dafür telefonisch bei einem ihm bekannten Arzt direkt in der kardiologischen Ambulanz an. Da ich noch "nüchtern" bin, fahre ich aber erstmal kurz heim. Frühstücke und nehme außer den Unterlagen, noch was zu lesen wird (das noch nicht ganz gelesene "Ultramagazin" werde ich noch bis zum letzten Buchstaben verschlingen). Für einen längeren Aufenthalt nehme ich nichts wird. Die werden schon nicht so gleich was unternehmen müssen, so mein Gedanke. Ein Irrglaube, oder war es "Nicht darüber nachdenken wollen".
Also mit dem Auto nach Winnenden gebraust. 30 km. Die Ambulanz ist fast leer. Und das am Freitagmittag! Es geht rein in die Abteilung. Nochmal wird Blut gezapft, nochmals die Elektroden für das Ruhe-EKG angelegt. Kurze Wartezeit nur, dann mit dem Ultraschall Herzecho. Das schaut nach Arbeit für die Ärzte aus. Sehr schnell sind die Ergebnisse da. Und dann nimmt es seinen Lauf. Die Regie über mein Leben übernehmen ab jetzt andere für mich. Wir müssen eine Herzkatheteruntersuchung machen, so höre ich halb im Nebel. Eine Herzwas? Ihre Herzkranzgefäße sind verkalkt, wir müssen uns das anschauen. Die Kollegin wird sie jetzt über die Risiken aufklären. Hm. „Kann ich nicht einfach Entkalker trinken?“ Sollte ein Scherz zur Entspannung werden. Aber keiner lacht. Ich selbst über meinen Galgenhumor am wenigsten.
Ich kriege stattdessen eine 3-seitige Erklärung in die Hand gedrückt. Bitte am besten gleich auf allen Seiten unterschreiben. Ich erläutere ihnen solange nebenher alles. Upps, die müssen es eilig haben. Wollen die in ihren Feierabend? Ehe ich mich versehen befinden mich im OP. Entblöße ich, ziehe mein Flügelhemdchen an (bin ich bald im Himmel?) lege zuerst Ehering, dann mich (auf die Liege) und dann unters Messer (die hübsche junge Schwester schabt mir die Haare an Scham und rechtem Handgelenk an). Eine örtliche Betäubung am Handgelenk, das ich drehen muss, damit die Nadel ihre Fahrt durch das innere meines Körpers aufnehmen kann. Ich bin noch so perplex, dass mich das in keinster Weise beängstigt. Das kann aber vielleicht auch an dem Beruhigungsmittel liegen, das wohl auch in der Spritze war.
Über meinem Kopf bewegt sich ein Schlitten, links und rechts herum, auf und ab. Der Doc schaut auf seinen beiden riesigen Bildschirme und gibt Anweisungen. 2-mal fällt das Wort. Stent. Who the Fuck it is? Die Schwester neben mir souffliert mir. Wir haben jetzt 2 Stents gesetzt. Schön für euch denke ich mir. Aber das reicht doch dann auch. Oder. Aber die wilde Fahrt des Schlittens über mir geht weiter. Manchmal kommt der Kopf, meinem Kopf bedrohlich nahe und ich ertappe mich dabei, denn selbigen dann einziehen zu wollen um keinen Treffer im Gesicht abbekommen zu wollen. Aber natürlich kann das nicht passieren, so beruhige ich mich.
Nach gefühlt ewig langer Zeit ist Schluss. Wie ich später erfahre haben sie noch 2 Stents verbaut. Und dann ist bestimmt der Vorrat ausgegangen
Denn ein verengtes Gefäß konnte nicht durchstoßen werden. Da muss ich dann noch mal ran in ein paar Wochen. Fürs erste ist damit Schluss für heute. Leider gibt es kein Erwachen und alles war Fake. Ich höre noch das Wort Intensiv. Und dann werde ich dorthin abgeschoben. Angeschlossen an die Überwachungstechnik findet mein Bettchen seinen Platz neben einer Frau, abgeschirmt durch einen blickdichten Paravent. Wie wird es nun weitergehen denke ich mir noch. Dann gebe ich das auf und bleibe erst mal stumm liegen.
Ich habe keinerlei Schmerzen und fühle mich erstaunlich gut. Das es trotzdem dauern wird bis der nächste Lauf ansteht dämmert mir so langsam. Wie es sonst so weiter ging werde ich im Teil 2 der Story berichten.
23.03. Frühlingsultra 50 k
31.03. Rössle by night 56 k 1200 hm
14.04. LIWA-Mara
27.04. Tri-speck 69 km 1100 hm
05.05. Trolli-Mara
11.05. Albtraum 115 k 3000 hm
06.07. Heuchelbergtrail 50 k
28.07. Schönbuch Trophy 47, k 1300 hm
17.08. 100 M Berlin