19Markus66 hat geschrieben:
Ich finde diese Formulierung genau so problematisch, wie die "Damit müssen wir leben" Formulierung von UDO.
Da steht doch die Abwertung zwischen den Zeilen..
Die "Abwertung" bezieht sich doch nicht auf den Menschen sondern auf die Evolution als solches wie sie den modernen Menschen hervor gebracht hat.
Der Mensch hat nun als einziges Geschöpf der Evolution die Fähigkeit erhalten sich von der Evolution in großen Bereichen los zu lösen.
Wenn es wärmer wird müssen wir uns nicht mehr anpassen sondern bauen uns Klimaanlagen.
Wenn der Meeresspiegel steigt müssen wir uns nicht anpassen in dem wir zum Meeressäuger werden, sondern bauen Deiche, Schiffe, künstliche Inseln ,..
Früher passte die Evolution "uns" an die Umweltbedingungen an.
Heute passen wir die Umwelt an unsere Bedürfnisse an.
Nun könnte man meinen, dass wäre ein Segen für die Menschheit - der Mensch selbstbestimmt und von der Evolution unabhängig.
Und ebend da widerspicht der Wissenschaftler.
Die eingeschränkte Evolution beim Menschen hat ebend auch Nachteile.
Niemand würde auf die Idee kommen und einen Mensch der erblich bedingt kurzsichtig ist zu diskriminieren.
Auch andere erblich bedingte Schwächen eines Menschen sind bei uns auch kein Bewertungsurteil.
Aber es ist ebend Fakt, dass ebend genetische Anormalien häufiger weiter vererbt werden und viele Betroffene dank heutiger Medizin und heutiger Sozialsysteme trotzdem ein würdiges Leben leben.
Denn wir sind uns alle einig:
Die Würde des Menschen ist unantastbar!
Das Problem ist ein anderes:
Wir leben in einer alternden Gesellschaft und mit einer steigenden Weltbevölkerung.
Auch in Deutschland sterben jährlich duzende von Säuglinge und Kinder an erblichen Stoffwechselstörungen, die theoretisch behandelbar sind, dessen Behandling aber nicht finanzierbar sind.
Wir haben eine steigende Altersarmut und wir haben rund 13 Millionen Menschen in Deutschland die unter der Armutsgrenze leben.
Weltweit sterben Millionen Menschen noch heute an Hunger und noch mehr Menschen haben keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser.
Weltweit ist der Mensch gezwungen immer größere Eingriffe in die Natur vorzunehmen um der wachsenden Weltbevölkerung Platz für Lebensmittelproduktion, Wohnen und Arbeit zu schaffen.
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In anbetracht dieser steigende Probleme ist die Aussage:
"Damit müssen wir leben" gerechtfertigt.
Alles andere wäre ein Angriff auf die Würde des Menschen.
Wir dürfen nicht selektieren welcher Mensch "würdig" ist zu leben und welcher nicht!
In den "Wohlstandsgesellschaften" werden die Menschen bei der Geburt ihres ersten Kindes aufgrund der kulturellen Entwicklung immer älter.
Das Risiko für genetische Anomalien bei neugeborene Kinder steigt und damit auch die sozialökonomischen Kosten für die Allgemeinheit.
Die Kosten werden meist gerne von der Gesellschaft übernommen.
Ausnahmen sind die oben genannten seltenen Stoffwechselerkrankungen, die als "unbehandelbar" - da zu teuer abgeschrieben werden.
Und da sind wir wieder an den Punkt, wenn die Würde des Menschen unantastbar ist, wer bezahlt die steigenden Kosten für die unter umständen lebenslange Pflege und Versorgung schwer behinderter Menschen?
Daher kann ich persönlich akzeptieren, wenn Menschen die bestehenden Möglichkeiten nutzen um gesunde Kinder zu bekommen.
Alle werdenden Eltern muss es frei gestellt sein, ob sie die medizinischen Möglichkeiten für gesunde Nachkommen in Anspruch nehmen wollen oder nicht.
Das hat nichts damit zu tun, ob ich einen Menschen mit gendefekten weniger achte.
Ein Schwangerschaftsabruch aufgrund eines Gendefektes des ungeborenen mag für manche Menschen ein Angriff auf das Lebensrecht von Behinderten sein.
Aber solange niemand zu einem Schwangerschaftsabruch gezwungen wird, muss es eine alleinige Entscheidung der Eltern sein.
Die Gesellschaft hat jede Art der Entscheidung zu respektieren.
Und ja, moralisch ist dies eine schwere Entscheidung und die meisten Eltern werden sich diese Entscheidung auch nicht leicht machen.
Ich schreibe dies, weil Markus schreibt: "
Ich meine wir müssen nicht damit leben, sondern wir leben zum Glück damit."
Ja, wir leben zum Glück noch in einer Gesellschaft die auch schwerbehinderte Menschen in Würde versorgt und diese achtet.
Aber viele schwerbehinderte Menschen sind auf die Solidarität der Gemeinschaft angewiesen und erhalten diese zu Recht auch.
Wir sollten jedoch keine Menschen verurteilen, die mit Hilfe des medizinischen Fortschritts, sich gegen ein erblich bedingt behindertes Kind entscheiden.
Die Sozialsystem unserer Gesellschaft knirschen auch so schon vor den steigenden Lasten.
Wenn wir uns gegen medizinischen Fortschritt endscheiden,
weil wir als Gesellschaft jedes ungeborene Leben als Glück empfinden und dessen Behandlung im Mutterleib ablehnen,
dann müssen wir aber auch erklären wie wir die Sozialsysteme in 50 oder 100 Jahren erhalten wollen.
Jeder der jetzt schimpft ich wäre gegen den Schutz von Behinderten, so soll dieser für sich überlegen wo sein Aufschrei ist,
wenn jährlich in Deutschland fast 100.000 gesunde Embryonen abgetrieben werden, weil sie nicht in der Lebensplanung der Eltern passen!