Hallo JJ,Jolly Jumper hat geschrieben:Ein Orthopäde machte einmal die treffende Aussage:
Ich verstehe nicht, warum die Leute, die Beschwerden mit dem Bewegungsapparat haben, weil sie sich nicht bewegen, meinen, die Beschwerden könnten wieder weggehen, indem sie sich noch weniger bewegen....
zu dem Orthopäden würde ich niemand schicken. Das für den Fall, dass er nicht einfach nur einen schlauen Spruch zum Zwecke der Effekthascherei absondern wollte, sondern den Zusammenhang tatsächlich nicht nachvollziehen kann. Dann versteht der vielleicht den Körper seiner Patienten, aber nicht den Menschen an sich. Was für einen Arzt nicht unbedingt eine Empfehlung ist ...
Es beginnt schon damit, dass die wenigsten Menschen sich des Zusammenhangs zwischen Wohlbefinden und Bewegung wirklich bewusst sind. Dass sie das vielleicht sogar mehrfach anders erlebt haben. Dass sich zu bewegen für sie nur Anstrengung oder gar enttäuschendes Erleben bedeutet und nichts, was Spaß macht. Nur ein Beispiel und wirklich nicht repräsentativ, nur um zu zeigen, wie es "laufen" kann: Aus heutiger Sicht hätte ich es gut gefunden, wenn meine Eltern mich dazu ermutigt hätten in einem Verein Sport zu treiben. Wobei es mutmaßlich gleichgültig gewesen wäre, wohin sie mich geschickt hätten. Egal, ob zum Fußball, Handball, Leichtathletik, etc. Die Idee hatten sie auch. Nur leider, leider wollten sie, dass ich den einzigen Sport treibe, zu dem ich infolge Körperbau und fehlender Geschmeidigkeit am allerwenigsten tauge: Sie schickten mich in einen Turnverein. Das war schlichtweg der nackte Horror. Ich brachte da gar nichts zustande, tat mir auch mehrmals weh. Also habe ich das nach kurzer Zeit abgebrochen und damit war das Thema "Sport" für meine Eltern durch ... "Unser Sohn hat keine Lust Sport zu treiben ..." Das war eine andere Zeit damals, außer Bücherlesen und Fernsehen gab's keine Ablenkung, die einen zur Unbeweglichkeit hätte verleiten können. Für mich nicht genug. Weswegen ich auch ohne organisierten Sport den Spaß am Draußen- und Aktivsein nicht verlor. Seit etlichen Jahren allerdings ist die Wahrscheinlichkeit in der Schiene der Nichtbewegung zu enden für Heranwachsende riesengroß und sie wächst weiter. Das ist das eine.
Das andere ist, dass den Menschen nicht erklärt wird, warum es wichtig ist sich zu bewegen sich auch körperlich anzustrengen. Also lassen sie's oft aus Bequemlichkeit sein. Wiewohl ein schlanker Körper nicht zwingend Bewegung voraussetzt. Jeder kennt schlanke Menschen, die keinen Sport treiben und auch sonst nicht sonderlich körperlich aktiv sind. Wenn dann Beschwerden auftreten, gleich welcher Art, ist es Aufgabe des behandelnden Arztes aufzuklären und den Betreffenden zur Bewegung aufzufordern. Wobei es einfach nicht reicht sich auf Formeln zu beschränken: "Sie müssen sich mehr bewegen!" - Da muss ein konkreter Handlungsauftrag her. Eine Verordnung. Der Doc kann sich beim Verordnen von Pillen auch nicht darauf beschränken zu sagen "Davon müssen sie welche einnehmen!" - Er legt exakt die Dosis fest.
Es ist vor allem Aufgabe des Arztes dem Patienten klar zu machen, dass er sich trotz Beschwerden bewegen soll, so nichts Akutes dagegen steht. Ihm zu versichern, dass das die Heilung nicht verhindert, das Leiden gar verschlimmert, sondern mittel- bis langfristig hilft. Ihm darüber hinaus klarzumachen, dass das keine "Verordnung" für ein paar Wochen ist - bis es "wieder gut ist" - sondern lebenslange Aktivität über das Abklingen der Beschwerden hinaus gefordert ist. Bei bestehenden Beschwerden wird jeder Patient instinktiv versuchen die schmerzenden Partien zu schonen. Der Arzt muss ihm versichern, dass es richtig sein kann trotz Zipperlein den Sessel zu verlassen und zu gehen, laufen, was immer.
Schlussendlich auch noch das: Wenn Menschen im Alter rasch abbauen, dann nicht zuletzt, weil sie in eine Abwärtsspirale geraten: Sich bewegen tut weh - irgendwo, irgendwas ... also bewege ich mich weniger ... dadurch werde ich inaktiver, unbeweglicher, auf jedwede Art weniger leistungsfähig ... und wenn ich wieder versuche mich zu bewegen, tut es aller Voraussicht nach noch mehr weh. Also lasse ich es sein, denn ich bin alt, das ist der natürliche Lauf der Welt ... Nicht alle, vielleicht nicht mal viele, reagieren auf körperliche Einschränkungen wie die steinalte Frau, die mir über Jahre immer wieder begegnete. Immer dann, wenn ich mein Lauftraining von zu Hause auf in eine bestimmte Richtung begann, wo sich am Ende unseres Dorfes noch ein asphaltierter Radweg ein paar hundert Meter bis zum Fluss hinzieht. Die alte Frau schob einen Rollator vor sich her. Mühsam, langsam, aber sie war bei jedem Wetter unterwegs. Wie oft habe ich ihr parallel zum Gruß innerlich applaudiert. Frenetisch applaudiert. Kurz davor hatte ich noch innerlich gejammert: Scheißwetter, warum tue ich mir das jetzt an ... Ihrer ansichtig geworden packte mich Demut und meine Schritte wurden leichter. Sie wird mir immer Vorbild sein, mich nicht hängen zu lassen, egal wie schwer mein Körper es mir dereinst machen wird in Bewegung zu bleiben!
An die Adresse jenes Orthopäden und vieler anderer: Statt wohlfeiler Sprüche sollten jene, die es besser wissen und ausreichend Autorität besitzen - wodurch auch immer - versuchen, den Menschen Klarheit über die Natur ihres Körpers zu geben, was der braucht, um möglichst lange gesund zu bleiben.
Gruß Udo