Fjodoro hat geschrieben:Was mich an der Diskussion aufregt ist, dass Leute wie DerC immer jemanden aus dem Hut zaubern, der sich gegen die Standardmeinung erhebt, dann alles verteufeln weil diesem hochangesehenem Experten nicht gebührend zugehört, und sich dann auf der anderen Seite hinstellen und andere Experten dann einfach als shit produzierende Leute hinstellen ohne sich überhaupt damit befasst zu haben. Da lass ich auch nicht gelten, dass Drosten sich schonmal geirrt hat oder die Sache zu düster sieht. Das mag sein, diese Auffassung teile ich teilweise sogar, das rechtfertigt aber nicht ihn per se zu kritisieren.
Es ist quatsch, dass ich mich nicht damit befasst hätte. Ich habe mich sehr wohl damit befasst, sonst wäre ich ja gar nicht in der Lage, die 100000 als Bullshit einzuschätzen.
Und es ist ein „Hüftschuss“, wie Dirk H richtig sagt, wir meinen (fast) das selbe, meine Wortwahl ist nur drastischer. Serös formuliert: Es ist eine extrem unsichere Prognose mit einem riesigen Fehlerbereich. Das man den Fehler angeben sollte, habe ich vor Jahrzehnten mal in Physik in der Schule gelernt. Ist heutzutage offensichtlich vielen Journalisten und Wissenschaftlern leider weniger wichtig, trägt aber nicht zu deren Seriosität bei.
Drosten wird von mir nicht per se kritisiert, sondern weil er ganz offensichtlich Angst machen und eine bestimmte Politik stützen will - und das bei den 100 000 nicht das einzige mal mit eher dünner wissenschaftlicher Grundlage. Wenn das die Herren Hinz und Kunz am Stammtisch machen, ist das eben etwas anderes, als wenn das Drosten mit seiner Reichweite macht.
Dirk_H hat geschrieben:
Und muß er dafür ein Paper schreiben? Nein, muß er nicht. Aber seine Aussagen haben halt politische Konsequenzen. Ich finde eine Nachfrage da durchaus legitim.
Am Anfang habe ich Drosten für seriös gehalten. Ich halte ihn immer noch für einen klugen Kopf. Aber mittlerweile denke ich, dass er eben ganz bewusst Politik macht mit seinen Aussagen, dann aber gerne so tut, als wäre das nicht der Fall oder als wolle er das gar nicht, sondern würde nur seine Virologen-Epertise sprechen lassen. Dabei äußerst Drosten sich ja hier z. B. eben auch eher zur Epidemiologie. Und er macht eben bewusst einen simple Rechnung auf, die fast jeder nachvollziehen kann, wenn er die Voraussetzungen nicht hinterfragt - in Kombination mit seinem Expertenstatus verschafft das der Aussage bei vielen Rezipienten Glaubwürdigkeit.
Dirk_H hat geschrieben:
Übrigens erzeugt es bei mir ein Kopfschütteln, wenn jedes Wort eines Experten unreflektiert akzeptiert wird. Und da ist leider Herr Drosten gerade das Paradebeispiel. Und bevor das jemand da hereinlesen will, damit sage ich nicht, dass alles falsch ist was er sagt. Es ist nur nicht automatisch alles richtig.
Vollkommen richtig. Drosten ist auch nicht der einzige, dem viel zu viel per se geglaubt wird. Hier z. b. mehr dazu
https://reitschuster.de/post/der-politi ... phaenomen/
Man kann nicht so tun, als hätte die Angst keine negative Wirkung. Angst tötet Menschen in dieser Pandemie - nicht immer so schnell wie Covid-19, aber es mit der Zeit eben doch. Ob es jetzt die Herz- oder die
Krebspatienten sind, die nicht zur Untersuchung gehen, es könnten am Ende eben auch zigtausende Opfer sein. Und dann wird man wohl behaupten, man habe nix gewusst, nix wissen können, oder aber es sei alternativlos gewesen und man habe das nicht abschätzen können etc. Und es ist ja nur noch wichtig, wie viele an bzw. mit Covid-19 sterben.
Und die Zahlen könnten wir viel besser einordnen, wenn wir regelmäßige Test zur Abschätzung der Dunkelziffer hätten. Nicht nur hier, sondern EU weit oder weiter z. B. über die WHO. Da könnte man ganz andere Aussagen machen von wegen 100000. Warum haben wir diese Studien nicht schon längst? Geld spielt doch gar keine Rolle mehr. Wir könnten viel besser international vergleichen, hätten Hinweise, wo man die Einreise besser steuern muss etc etc.
Dirk_H hat geschrieben:Ich stelle die Zahl ja nicht in den Raum. Und wie man das macht, sollte sich jeweils der fragen, der es in die Welt setzt. Das Prinzip ist belegen und nicht widerlegen.
Genau so ist es. Leider verstehen das viele offensichtlich nicht, aber das ist eben das problematische Wissenschaftsverständnis, von dem ich hier schon schrieb.
@Fjodoro
Wenn man so ein Wort wie "Standardmeinung" benutzt und die Problematik dabei nicht sieht ... puh ... dann sieht es wirklich nicht gut aus für eine plurale Gesellschaft mit einer akzeptablen Diskussionskultur.