Liebe Forums-Gemeinde,
ich mache mal wieder ein Tagesbuch auf - diesmal ganz ohne Ziel.
Vor einer Woche hätte mein Jahreshöhepunkt stattfinden sollen, die 24 h von Delmenhorst. Hier wollte ich endlich mal einen 24-Stunden-Lauf ordentlich zu Ende bringen. Aber dann kam Corona und alles war Makulatur...
Ich habe diese Zeit aber gut für einige grunldegende Gedanken über mich und den Laufsport genutzt, meine läuferische Identität und meinen Status als Familienvater zu checken. Und das Ergebnis lässt sich wohl mit dem Titel dieses Fadens gut beschreiben: Im Moment ist mein läuferischer Weg ein Weg ohne Ziel.
ich bin 38 Jahre alt und damit für einen Ultraläufer noch relativ jung. Und dabei bin ich schon seit 2009 auf den langen Strecken unterwegs. Ich bin also nicht ganz unerfahren und meine Konsequenz in der Vorbereitung gepaart mit zumindest minimalem läuferischen Talent und einer gewissen orthopädischen Stabilität haben mich auch einige für mich sehr beachtliche Ergebnisse erzielen lassen. Ich würde sagen, meine Läuferische Identität ist ganz klar: ich bin Ultraläufer!
Aber gleichzeitig habe ich ja noch zwei andere sehr zentrale Rollen in meinem Leben: ich bin Pastor einer Gemeinde mit gut 200 wöchentlichen Gottesdienstbesuchern und 150 ehrenamtlichen Mitarbeitern. Und das ist nicht nur mein Beruf, sondern meine Berufung. ich liebe es, Menschen zu begleiten, sie zu fördern, mit ihnen unterwegs zu sein. Und so fordert mich mein Job zeitlich und kräftemäßig doch deutlich mehr, als es ein "8-to-5-Job" tun würde.
Und ich bin Familienvater. ich habe 5 kinder im Alter von 1-13 und im Dezember kommt Klein nachtzeche Nummer 6 zur Welt. Und ich vermute, ihr könnt erahnen, dass auch das nicht spurlos an meinem Zeit- und Krafttank vorbei geht.
Und in den letzten Wochen musste ich erkennen, dass die Kombination dieser drei Rollen in meinem Leben nicht immer leicht überein zu bringen ist. Oder auch gar nicht. Als meine Frau und ich diskutiert haben, ob wir die Familienplanung abschließen oder noch ein Kind wollen, war klar, dass ich, wenn noch ein Kind kommt, 2021 ein läuferischen Sabbathjahr einlegen muss. Das erste Jahr mit kleinem Kind ist für Frau nachtzeche immer das schwierigste, und da werde ich keine Wettkampfvorbereitung bestreiten.
Allerdings gingen die Überlegungen dann weiter. kann ich es in dieser Lebensphase verantworten, mich auf Wettkämpfe von 100 Meilen und mehr vorzubereiten? Diese langen kanten sind meine Leidenschaft, aber die Vorbereitung dauert jedes Mal 2 Jahre und mindestens ein Jahr davon ist sehr zeitintensiv. Und ich bin zu dem Ergebnis gekommen: nein, das ist jetzt nicht die Zeit. Ich werde in absehbarer Zukunft keine 100 Meilen mehr laufen, nicht über die Tortour nachdenken, nicht nach Sparta fliegen, und auch keine 24 Stunden im Kreis laufen.
Ich habe mir den Rennsteig SM als Limit gesetzt. 74 km. Das wird das maximale sein, was ich in den nächsten Jahren angehe. Wahrscheinlich sogar kürzere Dinger. Und auch das erst wieder 2022, wenn überhaupt. und dann auch nicht jedes Jahr. Meine Priorität muss jetzt wo anders liegen.
Und im Moment geht es mir mit dieser Entscheidung gut. Sehr gut sogar.
Und diesen Faden möchte ich nutzen, um euch mehr oder weniger regelmäßig an meinem Leben als Fitnessjogger teilhaben zu lassen, meine (mehr oder weniger) philosophischen Gedanken zum Thema Laufen mit euch zu teilen und einfach ein bisschen rumzublödeln.
Ich freue mich über jeden Mitleser und Mitschreiber!
Liebe Grüße,
nachtzeche
Mein Weg ohne Ziel
1"Die auf den Herrn harren kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden!" (Die Bibel, Jesaja 40,31)