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99 Luftballons auf ihrem Weg…Ballon-Ultralauf 100 Meilen Unna 2020

99 Luftballons auf ihrem Weg…Ballon-Ultralauf 100 Meilen Unna 2020

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21….Rums. Blitz und Donner folgen innerhalb eines Wimpernschlags. Der Regen prasselt mit voller Wucht gegen das viel zu kleine Vordach des Signalhäuschen gleich neben der Bahnschranke unter der ich Zuflucht gesucht habe.
https://de.wikipedia.org/wiki/Streckenfernsprecher
Ich ziehe den Kopf ein und beginne so langsam zu frösteln. Die Uhr zeigt halb eins. Nachts. Wie lange wird das Unwetter wohl noch andauern….

Rückblende.

Vor 2 Tagen bin ich in Unna angekommen. Nun, ja besser gesagt. Herausgeschleudert und Abgeworfen ins Nirgendwo - im peripheren Schatten - der A1. Auf dem UNI-Campus einer Hochschule für Management im Sportbereich, Studiengänge wie z.B. eSports. Was man halt so benötigt, wenn man in Deutschland etwas Sinnvolles mit Sport machen will. :zwinker2: :P
https://www.fham.de/studienorte/hochschulcampus-unna/

Direkt auf dem Campus befinden sich in den Gebäuden einzelne Gästezimmer, die früher sicher an Studenten vermietet wurden und in der heutigen Zeit vermutlich, „home-studying“ sei Dank, nicht mehr alle benötigt werden. Insgesamt 3 Zimmer sind über einen Flur verbunden und teilen sich ein separates Bad. Da die beiden anderen Zimmer aktuell nicht vermietet sind habe ich das meinige für mich exklusiv.

Anschließend schaue ich mir den morgigen Startort an. Kreuz und quer fahre ich durch die westfälische Pampa - oder ist das noch Pott? - und lande im Industriegebiet in der Einflugschneise des Dortmunder Flughafens. Wieder so ein besonderer Ort. Ein ehemaliger Fußballplatz mit Vereinsheim ist die Location der nächsten 2 Tage. Bürgerhaus Unna, eine Initiative die sich um Anliegen der Unnaer kümmert, hat diesen Platz dem Veranstalter Jan-Philipp Struck für „seinen Ballon“ überlassen.

Dort kann auch gecampt werden und einige Womos und Zelte sind schon auf der Wiese versammelt. Das hat ein bisschen was von Woodstock-Feeling und erinnert mich an den 24-h Lauf von Dettenhausen, der dieses Jahr leider dem Virus zum Opfer gefallen ist. Nicht der einzige Lauf den die Ultra-Laufgemeinde schmerzlich vermisst. Auch die Mitte August stattfindenden 100 Meilen von Berlin bleiben 2020 vakant, was nicht nur mich, sondern auch einige andere dazu verleitet hat sich nach Alternativen umzusehen. Und so stehen heute 27 Teilnehmer in der Meldeliste die „Unlimited“ laufen wollen. Dazu eine kurze Erklärung zum Ablauf der „Ballon Ultralauf 100 Meilen Sommeredition“.

Gelaufen werden 4 verschieden lange Runden rund um Unna, jede wird 2-mal durchlaufen.
Start und Ziel ist immer das Bürgerhaus. Es geht zuerst im Uhrzeigersinn rum immer länger von 5, 10, 15 bis 20 Meilen steigernd den roten Pfeilen folgend und danach das gleiche nochmal in grün (farblich gesehen), dann in umgekehrter Reihenfolge.

Jede Runde wird zeitlich gewertet und bis zur erneuten gemeinsamen Startzeit hat man als Teilnehmer eine mehr oder weniger lange Pause zur Erholung. Die Zeitdauer für das Erledigen einer Runde ist sehr üppig gewählt mit 100, 200, 300, 400 Minuten für die jeweilige Distanz zwischen 5 und max.20 Meilen. Es bleibt einem also die Wahl hier zu taktieren wie man seine Kräfte ressourcenschonend einteilen will. Man kann auch einzelne Runden aussetzen oder sich von vornherein dazu entscheiden als „Herausforderer“ sich unter den 8 Loops bis zu max. 3 auszuwählen und deutlich weniger Startgebühr zu zahlen. Wobei dann immer noch die Möglichkeit besteht während der Challenge „upzugraden“ und den Aufschlag von 30,- nachzuzahlen. Für jeden ist also quasi das passende Angebot dabei. Im Gesamten ist das Vergnügen aber nach 33 Stunden und 20 Minuten zu Ende, um 19:40 spätestens ist Schluss mit lustig. Gewertet wird dann die gelaufenen Gesamtzeit und damit die Rangfolge für die Wertung. Leistungsstress entsteht aber nicht, da alle, die mindestens die Hälfte (50 Meilen oder mehr) absolviert haben, bei der Siegerehrung mit Platzierung persönlich ausgerufen werden und ruhmreich über den auf dem Rasen ausgerollten roten Teppich laufen dürfen.

Bei einer herrlichen Pizza sitze ich abends bei lauen Temperaturen beim nahe gelegenen Italiener den wir morgen und übermorgen mehrmals auf den ersten oder letzten Metern vorm Zieleinlauf passieren werden, bevor es dann zurück ins „Studie“-Zimmer auf dem Campusgelände geht.

Nach einem einsamen Frühstück kurz nach 8 in der verwaisten Campus Kantine mache ich mich wieder auf den Weg zum Bürgerhaus. Um 10:00 Uhr ist der erste Start angesetzt, aber auch jetzt schon, über eine Stunde zuvor, wimmelt es am Start. Gegenüber dem Vorjahr ist die 3-fache Teilnehmerzahl gekommen. Das bedeutet, dass ich im Industriegebiet gerade noch einen Parkplatz ergattern kann und nicht allzu weit zum Start latschen muss. Schließlich will ich mich häuslich einrichten auf dem Rasenplatz und baue meine Strandmuschel und einen Gartentisch nebst Klappstuhl auf um meinen persönlichen VP zu angenehm wie möglich zu gestalten. Eigentlich war die Ausrüstung im Nachhinein etwas zu overstyled, aber ich wollte halt sicher gehen das ich auf meine gewohnten Goodies vertrauen kann um körperlich und mental optimal vorbereitet zu sein. In der Ausschreibung stand das es gegenüber dem Vorjahr weniger und mehr abgepacktes an fester Verpflegung gebe werde, aber letztlich hatten Teilnehmer Leckerlies wie Kuchen und Salziges mitgebracht um 5,- Teilnehmerrabatt zu bekommen. Das Getränk konnte im Start und Zielbereich mit personifizierten Bechern aus Kanistern mit Wasser und Isomischung gefasst werden. Aufgrund der hochsommerlichen Hitze, habe ich mir wie viele andere auch meinen, gefüllt mit 1 Liter Wasser, ab der 10 Meilen Runde mitgenommen.

Auf dem Rasenplatz ist genug Platz Coronakonform die 150 Gesamteilnehmer starten zu lassen. Samstag 10:00 Uhr, es hat schon über 30° und es herrscht eine schwüle Luft. Die ersten Runden läuft ein frisch vermähltes Ehepaar mit, sie hat sich das Braukleid über die Laufsachen gezogen. Schnell wird klar. Die Strecken haben es in sich. Schon nach ein paar Metern verlassen wird das wohltemperierte Asphaltband und verziehen uns in den schattigen Unnaer Urwald und hüpfen über umgestürzte Bäume und ziehen den Kopf ein, wenn ein Ast diesem mal wieder gefährlich nahekommt. Das wird nachts wohl noch lustig werden. Wenn es heißt keinen der doch häufig heftigen Richtungswechsel im Wald zu verpassen. Die Konzentration wird bei zunehmender KM-Zahl und einsetzender Müdigkeit sicher nicht besser werden. Zusätzliche reflektierende Streckenmarkierungen gibt es nicht, sondern nur die Farbpfeile an den Abzweigungen, die meistens am Boden aufgesprüht sind. Gut erkennbar zumindestens, da es zum Glück seit Tagen trocken ist Anderenfalls wären meine Straßenschläpple (Adidas Ultra Boost bzw. Hokas Clifton) mit dem dann rutschig, schlammigen Terrain wohl auch überfordert gewesen.

Nach 57 Minuten und 56 Sekunden komme ich wieder im Ziel an. Eigentlich fast eine dreiviertel Stunde Zeit um in aller Ruhe sich zu versorgen und es sich gemütlich zu machen. Aber irgendwie bin ich zu angespannt und krame nervös und unkonzentriert in meinen Sachen herum. Ich stecke mal wieder hoffnungslos im Rennfieber fest.

Die 2.Ballonrunde startet um 11:40. Die Wärme hat noch zugenommen. Zum Glück hat sich der Himmel zugezogen und der solaren Direktstrahlung Einhalt geboten. Trotzdem läuft mir das Wasser aus allen Poren und die dämpfige Luft steht wie Blei. Ich bin froh, dass es auf dieser eigentlich läppisch kurzen Runde nun erstmals einen unbemannten VP auf ca. halber Strecke gibt. Diese SB-Trinkstationen bestehen unterwegs aus einer Holzkiste in der 2 Wasserkanister mit je 22 Liter Inhalt und ein paar Flaschen Cola bereitgestellt sind. Die dann bei Bedarf von Helfern nachgefüllt werden. Je nach Streckenlänge sind es 1-4, bei den längeren Stecken gibt es auch größere Holzkisten, in der zusätzlich eigene Verpflegung, die man zuvor in einen Butterbrotbeutel gepackt und bis spätesten ca. eine halbe Stunde vorm Start abgeben konnte, entnommen werden. Der Veranstalter hat sich da logistisch und kreativ echt was einfallen lassen.

Diese Runde hat noch mehr Outdoor Charakter, es geht sogar über ein Verbindungstück vom Waldrandweg einige hundert Metern weglos durchs Unterholz bis der eigentliche Single Trail beginnt. Nach nicht ganz 16 km und 2:04:01 habe ich mich wieder zurück zum Startplatz durchgekämpft. Obwohl es nur knapp 70 hm zu bewältigen galt habe ich mir fast einen 8er Schnitt und kurze Geh-Abschnitte gegönnt. Megagrottenlahm, aber ich will das ganze Programm heute. Auch wenn es hart werden wird. Die Sonne kommt zurück durch die Wolkendecke und knallt so richtig runter. Dazu passend kommt jetzt die vermeintlich einfachste Runde über knapp 26 km, die damit um satte 2 km von der meilentechnisch errechneten Solldistanz abweicht .Jan hat die Runde großzügig aufgerundet und dies vorm Start eher beiläufig erwähnt. Weite Strecken führen schattenlos, kilometerweit kerzengerade, auf der Trasse einer ehemaligen Zechenbahn. Monotonie und Hitze. Aber es gibt ein unerwartetes Highlight bei Km 9. Ein Eis-VP. Ja richtig gelesen. Eine Helferin verteilt Wassereis, dass ich mir erstmal auf die Stirn und in den Nacken lege um kurzzeitig runterzukühlen. Dann erreichen wir die Stadt Kamen. Durch Fußgängerzonen und Ladenpassageb durch schlagen wir wilde Haken. Ich bin froh das direkt vor mir ein Läufer unbewusst für mich die Führung übernommen hat. 3 h und 35 und total überhitzt schmeiße ich mich unter eine der beiden Freiluftduschen vorm Bürgerhaus. Blickschutz gibt es keinen, aber nachdem sich ein Mädel neben mir nicht geziert hat lasse ich das Wasser an alle versalzten Körperstellen. Ultraläufer und -läuferinnen sind nicht prüde, sondern praxisorientiert. Hauptsache es reibt nicht irgendwann an empfindlichen Hautpartien die nicht ständig Luft und Tageslicht genießen dürfen. Mit komplett frischen Häs und der vollgeladenen Stirnlampe kann es nun in die Nacht gehen zu Königsetappe über etwas mehr als 34 km.

…..und nun stehe ich bedröppelt im Regen und bin mir unschlüssig. Warten oder starten? Der Starkregen hat nachgelassen und Blitz und Donner sind nun gut 3 Sekunden voneinander entfernt. Leider ist auch das Grüppchen Läufer weg, das mir lange als Scout das nächtliche Laufen erleichtert hat. Das Gewitter hatte um halb 12 begonnen, mittlerweile ist es eine gute Stunde später und die Geisterstunde dauert nicht mehr lange. Noch etwas unentschlossen verlasse ich mein trockenes geschütztes Plätzchen und hoffe das der Regen weiter nachlässt. Eine Regenjacke hatte ich gar nicht im Gepäck und die Neopren Socken liegen jetzt im wohl in der gefluteten offenen Strandmuschel. Gar nicht dran denken ob die mitgebrachten Leckerlis gerade aufgeweicht davonschwimmen. Das herumhirnen über Dinge die jetzt eh nicht mehr zu ändern sind sorgt dafür das ich mich erstmals etwas verlaufe. Ich lande unbewusst im angrenzenden nahen Ort und hätte es besser wissen müssen. Soweit möglich gingen die vorgesehenen Loops bisher immer um größere Ansiedlungen herum. Nach der 2. Straßenkreuzung ohne Pfeilmarkierung drehe ich endlich um und suche den Fehler. Aaah, kurz nach meinem unfreiwilligen Unterschlupf geht es ab auf einen kleinen Weg, ca. 700 Meter extra gesammelt. Es hätte schlimmer kommen können. Nicht umsonst sprach Jan-Philipp beim Briefing davon, dass noch fast jeder bei ihm Bonusmeilen gesammelt hat obwohl es bei ihm keine Freiflüge dafür gibt..
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Weiter geht es auf schwierigen Single Trails durch den finsteren Wald. Meine superhelle Stirnlampe tut da gut. Es gibt ein paar fiese kurze Steigungen die sich auf ca. 400 hm ansammeln. Völlig durchnässt komme ich nach 5:25:40 ins Ziel. Um gleich wieder zu duschen. Meine trockenen Sachen wurden durch das Unwetter leider auch etwas in Mitleidenschaft gezogen. Ich hatte meine Tasche nur notdürftig mit meiner Isomatte in der Strandmuschel abgedeckt. Da die Muschel vorne natürlich komplett offen war hat sich aber auf dem Boden eine Pfütze gebildet und die Sporttasche von unten aufgeweicht. Nun nach längerem Kruschteln finde ich noch was halbwegs Trockenes. Allerdings auch etwas Kurioses. Beide Kurz-Tights und die „Schlüppers“ sind feucht, entweder vom Schweiß oder vom Nass das von oben gekommen ist. Watt soll ich denn jetzt untenrum anziehen, gerade da wo ich mir keine Maläsen an den Weichteilen holen will. Aaah ich hab ja mein ultraenges Kompressionshösle kurz vor der Abfahrt noch eingepackt. Das Ding hat mir beim verregneten Sparta treue Dienste geleistet, das kommt mir doch gerade recht. Reingeschlüpft und ääh. Teufel was schaut mich da an. Was ist denn da los. Völlig aller Konventionen befreit lacht an strategisch optimal platzierter Stelle mich mein kleiner Buddy an. :teufel: Zum Glück sind wir unter uns. Denn das Hösle würde jedem Exhibitionisten Freude bereiten. Als ich dieses Schauläuferische Malheur :klatsch: später zuhause gestehe meint meine Frau die Hose sollte ich noch nicht gleich in die Altkleidersammlung geben, da sie anderweitig dazu beitragen könnte, andere Aktivitäten rationeller zu gestalten. Foto. In der Not beschließe die unzüchtige Hose drunter zu tragen und darüber eine der klammen Tights, so als Lendenschurz quasi.

Vielen hat die Nacht und das heftige Gewitter den mentalen Stecker gezogen. Mir nicht. Ich bin von mir selbst überrascht. Früher hätte ich als nächtliche Mimimi mir in die kurzen Hosen ge… Ich bin nach wie vor hellwach und sehe das ganze positiv. Eine heftige Abkühlung hat das lange Gewitter gebracht. Die Temperaturen sind über mehr als 10 Grad gesunken. Und es kommt leichter Wind auf. So kann ich frohgemut um 2:40 Uhr, mit vom Regen etwas in Mitleidenschaft gezogenen neuen Socken und Schuhen, in die zweite lange Runde starten.

Nochmal die gleiche Distanz, linksrum. Von der anderen Seite aus wirkt alles wieder ganz anders. Nur die Länge von gut 35 km bleibt in etwa gleich. Und an einer Abzweigung mit mehreren Optionen. wieder denn Weg nicht gleich gefunden. Es sind nur wenige 100 Meter mehr, aber es kostet viel Zeit das Zeichen zu finden. Kein Wunder. Der langanhaltende Gewitterregen hat dafür gesorgt, dass die nun grünen Wegmarkierungen teilweise, undeutlich verwaschen oder weggeschwemmt worden sind. Wäre mir alles erspart geblieben, wäre ich bei der Gruppe geblieben, die bis kurz davor lange meine Vorhut bildete. Geführt von einem sicher leitenden Fährtensucher, der entweder seinem aufgespielten GPS-Streckentrack oder seinem Instinkt sicher vertrauen konnte.

Nun gut, die waren mir zu lange am ca. 1 km zurückliegenden VP geblieben. Nutzt jetzt auch nichts mehr. Nach einigem Hin- und Herlaufen finde ich einen kaum erkennbaren grünen Punkt. Ein undeutlich erkennbarer Pfad geht vom Hauptweg weg. Hätte ich mir ja denken können. Die Hauptwege durften wir in den seltensten Fällen lange Zeit benutzen. Sie dienten eher als Verbindungglied zum nächsten Single Trail. Eine Ausnahme bildete nur der bei Tageslicht gelaufene 15 Meilen Track (Ballon 3 und 5). Also so zwischen 500 und 700 Meter und eine Viertelstunde Zeit hat mich die Schnitzeljagd bestimmt gekostet. Zwischenzeitlich hat mich die von mir verlassene Truppe unbemerkt überholt. Etliche Kilometer weiter schließe ich wieder zu ihnen auf begleitet von entsprechenden Kommentaren. Von nun ab beschließe ich fremde Hilfe anzunehmen. Sofern es sich ergibt.

Der Wind hat aufgefrischt nach dem Regen. Es tut gut mal nicht im eigenen Saft zu braten. Durch den bedeckten Himmel dauert es lange bis es hell wird. Sonnenaufgang soll um 5:36 Uhr sein. Gegenüber dem schönen Sonnenuntergang von gestern, bekommt man heute davon nichts mit. Ich bin froh als ich die Lampe endlich in den Ruhestand schicken kann. Da dieses Mal keine ungeplanten Gewitterstopps nötig sind erreiche ich sogar etwas schneller die Homebase in 5:18 Stunden. Es ist kurz vor 8:00 Uhr in der Früh. Fast 1,5 Stunden Zeit bis zum nächsten Start. Ich nehme eine Morgendusche und wechsle meine „Feuerwehreinsatzhose“ gegen die zwischenzeitlich getrocknete sittliche Laufgarnitur. Aufgrund des windigen Wetters überlege ich länger ob Kurz/Kurz genügt und entscheide mich - letztlich richtig - dafür. Ich haue mich schnell noch auf die Massagebank und lasse meine harten Waden kräftig durchkneten. Herrlich diesen Luxus bereits während eines Rennens in Anspruch nehmen zu können. Die letzte Möglichkeit gab es beim Spartathlon 2018, da hatte ich aber weder Nerv noch ausreichend Zeit das auszukosten,

Jan-Philipp teilt für alle die bisher alle 5 Runden, also 70 Meilen mitgelaufen sind und noch die Chance haben die Komplettdistanz zu schaffen, gelbe Schärpen mit dem Aufdruck: „Mission 100 Meilen Finisher“. Ich werde dazu nicht aufgerufen. Moment mal, warum eigentlich nicht? Während ich noch grübele ergreift der spätere Sieger und LG Ultralauf-Vereinskamerad Matthias Kröling für mich das Wort. „Klaus du bist doch bisher auch alle Runden gelaufen“ und bindet mir eine der Schärpen um. Ich bitte Jan-Philipp er solle mir das prüfen. Weil die große Monitoranzeige nur die jeweils letzten 3 Runden anzeigen kann belassen wir es in der Kürze der verbleibenden Zeit bis zum nächsten Start erst mal dabei. So ganz beruhigt mich das noch nicht, aber jetzt wird erst mal losgelaufen. Das muss ich nochmal Checken wenn die 15 Meilen – roundabout - im Sack sind.

Schon wird wieder gemeinsam heruntergezählt. Wir sind jetzt wieder viel mehr Starter als auf den beide nächtlichen Königsetappen. Der 15 Meiler ist nun bei den erträglichen Temperaturen auch deutlich ‚easier‘ zu laufen wie am Vortag. Die Stadt Kamen fordert nochmals volle Konzentration, aber ohne weitere Vorkommisse kehre ich zurück zum Anfang (mit 3:38 h nur unmerklicher langsamer, der zunehmenden Ermüdung sind halt mehr Gehpassagen geschuldet).

Jetzt ist mir auch klar was ich klären muss. Die erste 5 Meilen Runde bin ich wohl nicht über die Zeitmessmatte gelaufen, sondern seitlich dran vorbei. Die Starts von der grünen Wiese aus waren halt immer geprägt von der versuchten Einhaltung eines ausreichenden Mindestabstands auf den ersten Metern. Blöderweise wurde das umzäunte Gelände über ein kleines geöffnetes Zugangstor verlassen wo sich alles zurückstaute. Da war nicht sehr geschickt, man hätte das große, mit Absperrband versehene, Schiebetor freigeben sollen. Das ist aber auch schon der einzige Kritikpunkt denn ich zu der Veranstaltung nennen kann.

Jan-Philipp fehlt zwar meine persönliche Startzeit, die Endzeit der Runde wurde aber protokolliert. Damit kann er die Runde mit 57:56 nachtragen. Glück gehabt, Ist so eine alte Urangst von mir das bei Rundenläufen die Anzahl nicht stimmt. Aber alles gut. So langsam wird es absehbar, dass ich heute die geplanten Kilometer, ääh Meilen einsammeln kann. Oder – unfreiwillig - auch ein paar mehr. :peinlich:

Der vor ein paar Stunden aufgebaute Schokobrunnen sieht zwischenzeitlich etwas derangiert aus. Der aufkommende Wind hat Schokospritzer auf dem Stehtisch und angrenzenden Rasen in alle Richtungen versprüht und für ein künstlerisches Meisterwerk gesorgt. Ganz nach dem Geschmack von Jan-Philipp der ein Hang zu Unikaten hat. Denn die Teilnehmer die nach der Hälfte mit ihrem 50 Meilen das Rennen beenden wurden aufgerufen einen Fußabdruck mit Fingerfarbe auf eines der bunten Plakate machen und dazu seine Zeit eintragen. Das gleiche gilt natürlich auch für die 100 Meilen Finisher am Ende der Veranstaltung. Was ganz Besonderes stellt auch das zusätzlich bestellbare individuelle Laufshirt mit den vielen Ballons und dem Barometer auf dem Rücken wo am Ende händisch die Laufleistung dokumentiert werden kann. Hätte ich nicht schon so viele im Kleiderschrank vor sich hin staubende Finishershirts jeder Couleur… Aber der Platz dort ist endlich und ich habe nicht vor mit meiner Frau Ärger zu bekomme mit einer feindlichen Übernahme ihres Anteils am Schlafzimmerschrank zu nehmen, noch mit der Wettkampflauferei in absehbarer Zeit aufzuhören. Was bedeutet das ausreichend Platz für künftigen Zuwachs bleiben muss. (Oder einen zusätzlichen Schrank).
10 vor halb 3 geht es gut ausgeruht und mit zurückgewechselten Schuhen auf die vorletzte Runde. Zwischenzeitlich haben mich schon viele – vorher unbekannte Teilnehmer – zu meiner erbrachten Leistung ehrfurchtsvoll beglückwünscht. Immer wieder betone ich das ich nicht das erste Mal so ne Strecke unter die Hufe nehme. Wenngleich ich diese Distanz schon deutlich schneller heruntergehoppelt bin. Dazu noch die Kunstpausen um die Gräten zu lockern und den Akku nachzuladen.

Ich versuche mich weiter zu konzentriere mich mich nicht mehr vom richtigen Weg abbringen zu lassen. Auch jetzt trägt noch das Adrenalin keinerlei Anzeichen von Müdigkeit an mir festzustellen. Alles geht glatt und nach 2:13 h bin ich wieder am altbekannten Platz. Noch Eine und dann hat sich’s für heute. Jetzt also nur noch schlappe 8 km und ich lasse mich doch noch dazu verleiten davor eine Bratwurst vom Grill zu schnappen. Wenn sein muss wird halt nur noch gewandert. Jan-Philipp bittet dann alle kurz vorm letzten Start um 17:40 sich einen Luftballon aufzublasen und zur gemeinsamen Abschiedsrunde am Arm oder Rücken zu befestigen. Da die Lautsprecheranlage schon vor Stunden ihren Geist aufgebenden hat sollen wir gemeinsam ein mir unbekanntes Lied intonieren was mehr schlecht als recht gelingt.

Auf jeden Fall scheint es mir neue Energie zu geben und die strapazierten Beinchen laufen plötzlich wieder wie geschmiert. Ist es der nahende Stall der mich so zügig lostraben lässt. Zwischenzeitlich knallt die Somme wieder am Firmament, zum Glück steigt die Temperatur nicht mehr so hoch wie gestern. Ein letztes Mal im Wald durch das weglose Dickicht und dann ist es nicht mehr weit bis zur Straße Richtung Bürgerhaus. Großer Empfang im Ziel mit persönlicher Ankündigung durch den zwischenzeitlich fast heiseren Jan-Philipp. So muss das. Ein richtige schöne Challenge geht zu Ende. Bis zur Eingangs erwähnter Ehrung aller 50 und 100 Meilen-Finisher reicht es gerade nochmals für die „Open Door Dusche“. Während einige der 50 Meilen Mehrfachtäter schon abgereist sind und ihr Aufruf ins Leere geht sind alle die gestern und heute eine Großtat vollbracht haben noch da. Nacheinander sollen die glorreichen sieben 100 Meiler auf den großen über 1 Meter hohen Holztisch steigen damit alle sie sehen und feiern können. „Auffi muast“, der Berg ruft. Die zu überwindbare Hürde gleicht der Watzmann Ostwand. Aber wo ein Wille ist, ist... Oben angekommen. Hoffen und Bangen. Die grob zusammengezimmerte Konstruktion wird doch wohl halten und - irgendwie sollte ich da wieder halbwegs elegant oder zumindest unfallfrei – wieder herunterkommen. Zurück auf den Niederungen des Lebens angekommen wird es schnell wieder nüchtern und real. Das große Aufräumen beginnt. Da es nun schon später Abend geworden ist kann ich nach Rücksprache mit dem Veranstalter sogar noch innerhalb des Geländes in meinem Auto übernachten und muss mir nicht nochmals eine Unterkunft suchen. Nach ner weiteren üppigen Pizza beim Italiener meines Vertrauens verbringe ich eine einsame ruhige Nacht im abgeschlossenen Stadion bis mich am nächsten Morgen das Klappern der Helfer weckt, die die restlichen Sachen zusammenpacken.
Diese Erfahrung schreit nach Wiederholung. Jan-Philipp, der im Übrigen trotz Veranstalterstress auch die ersten 7 Runden mitgelaufen ist, hat sich noch ein kleines Zusatz-Bonbon für 2021 ausgedacht. „Ballon-Ultralauf 10.000 Meilen Challenge - 200km - 42 Stunden“. Schon nach wenigen Tagen sind über 60 Teilnehmer gemeldet. Scheint wohl nicht nur nach meinem persönlichen Eindruck eine rundum gelunge Veranstaltung gewesen zu sein.
Der Zeitpunkt 2021 liegt etwas früher, trotzdem noch sehr nahe an den 100 Meilen von Berlin, die nächstes Jahr hoffentlich wieder planmäßig stattfinden können. Sollte ich beides so kurz hintereinander machen? Ich befürchte mal mein Teufel, der jetzt schon begeistert ja schreit, wird mal wieder die Oberhand behalten. Ich habe da erst neulich den passenden Spruch gelesen.
„Den Teufel im Blut, den Engel im Herzen und den Wahnsinn im Kopf"
13.04. 12h Lauf Grüntal 53,55k
14.04. LIWA-Mara 04:56:44
27.04. Tri-speck 69 km 1100 hm
28.04. Ditzinger Lebenslauf
05.05. Trolli-Mara
11.05. Albtraum 115 k 3000 hm
06.07. Heuchelbergtrail 50 k
28.07. Schönbuch Trophy 47, k 1300 hm
17.08. 100 M Berlin

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Ein toller Bericht mit herrlichen Lachpassagen (ich sag nur Kompressionsshort) :hihi: .
Und dann noch 100 Meilen gelaufen, Respekt. :daumen:
5 km - 21:44 (09.09.2023 - Tierparklauf)
10 km - 44:40 (16.10.2022 - The Great 10K)
HM - 1:39:18 (28.08.2022 - Die Generalprobe)
25 km - 02:02:00 (15.05.2022 - S 25)
M - 03:38:13 (25.09.2022 - BM)
50 km - 04:32:07 (17.03.2024 - Werderseelauf)

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Ein toller Bericht mit herrlichen Lachpassagen (ich sag nur Kompressionsshort) :hihi: . Und dann noch 100 Meilen, Respekt. :daumen:
5 km - 21:44 (09.09.2023 - Tierparklauf)
10 km - 44:40 (16.10.2022 - The Great 10K)
HM - 1:39:18 (28.08.2022 - Die Generalprobe)
25 km - 02:02:00 (15.05.2022 - S 25)
M - 03:38:13 (25.09.2022 - BM)
50 km - 04:32:07 (17.03.2024 - Werderseelauf)

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Danke Heikchen,

ist mir übrigens immer noch ein Rätsel wie das Loch in die Buxe reingekommen ist :teufel: :zwinker2:
13.04. 12h Lauf Grüntal 53,55k
14.04. LIWA-Mara 04:56:44
27.04. Tri-speck 69 km 1100 hm
28.04. Ditzinger Lebenslauf
05.05. Trolli-Mara
11.05. Albtraum 115 k 3000 hm
06.07. Heuchelbergtrail 50 k
28.07. Schönbuch Trophy 47, k 1300 hm
17.08. 100 M Berlin

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Hallo Klaus
Danke für den Bericht. Ich liebe deine (läuferischen) Verrücktheiten und noch mehr deine Berichte darüber...
Danke
Grüße
Cornelius
Bestzeiten: 17.08.2019 Mauerweglauf 100 Meilen 19.36.35 Stunden. 08.09.2018 RUNWINSCHOTEN (Holland) 100 km 9:33.30. 16.06.2018 Karlsruher Nachtlauf 80 km 7:55:45. Marathon 3:22.10. HM 1:34:32. 10 KM 43:37
Laufberichte: www.corneliusrennt.de

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Hallo Cornelius,

freut micht wen du Spaß am Lesen hatttest. So wie ich beim Laufen. Der 100 Ballon schreit nach Fortsetzung 2021. Schade das wir uns letztes Wochenende nicht über den Weg laufen konnnte. Aber aufgehoben ist nicht....2021 Berlin. Ich hoffe das bis dahin es möglich sein wird eine meiner Lieblingsveranstaltungen wieder unter die Huffe zu nenehmen, denn frei nach Ben Zucker: Du bist mein Berlin.... :geil: nd als WarmUp Unna :teufel: :teufel:, das wärs
13.04. 12h Lauf Grüntal 53,55k
14.04. LIWA-Mara 04:56:44
27.04. Tri-speck 69 km 1100 hm
28.04. Ditzinger Lebenslauf
05.05. Trolli-Mara
11.05. Albtraum 115 k 3000 hm
06.07. Heuchelbergtrail 50 k
28.07. Schönbuch Trophy 47, k 1300 hm
17.08. 100 M Berlin

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Santai hat geschrieben:Unterhaltsamer Bericht, viel Erfolg auf Deinem Weg :)
danke dir und ja ich hab noch was vor 2020. Erfolg heißt für mich da mich so teuer wie möglich zu verkaufen, Zeit oder Platzierung sind nebensächlich

LG
Klaus
13.04. 12h Lauf Grüntal 53,55k
14.04. LIWA-Mara 04:56:44
27.04. Tri-speck 69 km 1100 hm
28.04. Ditzinger Lebenslauf
05.05. Trolli-Mara
11.05. Albtraum 115 k 3000 hm
06.07. Heuchelbergtrail 50 k
28.07. Schönbuch Trophy 47, k 1300 hm
17.08. 100 M Berlin

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schauläufer hat geschrieben:Hallo Cornelius,

freut micht wen du Spaß am Lesen hatttest. So wie ich beim Laufen. Der 100 Ballon schreit nach Fortsetzung 2021. Schade das wir uns letztes Wochenende nicht über den Weg laufen konnnte. Aber aufgehoben ist nicht....2021 Berlin. Ich hoffe das bis dahin es möglich sein wird eine meiner Lieblingsveranstaltungen wieder unter die Huffe zu nenehmen, denn frei nach Ben Zucker: Du bist mein Berlin.... :geil: nd als WarmUp Unna :teufel: :teufel:, das wärs
wir werden beide noch viele Jahre laufen und aufgeschoben ist nicht aufgehoben, man sieht sich definitiv und ich freu mich drauf, in Berlin wäre genial.....
Bestzeiten: 17.08.2019 Mauerweglauf 100 Meilen 19.36.35 Stunden. 08.09.2018 RUNWINSCHOTEN (Holland) 100 km 9:33.30. 16.06.2018 Karlsruher Nachtlauf 80 km 7:55:45. Marathon 3:22.10. HM 1:34:32. 10 KM 43:37
Laufberichte: www.corneliusrennt.de
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