Dan818 hat geschrieben:Wie das nun mal als Anfänger so ist. Man hat keine Ahnung, liest sich ein, will alles einigermaßen richtig machen usw.
Hallo Dan818,
zwischen der Welt des Jahres 2020 und derjenigen vor ... sagen wir mal 40 Jahren, als ich mit dem Laufen ernsthaft anfing, gibt es einen gravierenden Unterschied. Ausnahmsweise rede ich jetzt mal nicht von Corona. Damals war ich ein junger Mann, heute bin ich ein laufender aber alter Sack. Das ist der Welt von damals egal gewesen - dass ich jung war, meine ich - wie es der Welt von heute egal ist, dass ich alter Sack noch in ihr lebe und laufe. Aber weil ich diese 40 Jahre erlebt habe, kann ich Vergleiche anstellen. Und im Ergebnis weiß ich, warum ich mich heute manchmal so hilflos fühle, wenn ich was "Neues" anpacke. Dieser Tage ist alles so furchtbar kompliziert, meist irgendwie mit digitaler Technik verknüpft. Und dann helfe ich mir schon mal, indem ich ein Stichwort der Verzweiflung in die Suchmaschine packe oder gleich bei Youtube. Dann findet sich meist was, das mir weiterhilft. Also verstehe ich dich, wenn du sagst "man will halt nichts falsch machen". Vermutlich aus dem Erlebnis heraus oftmals schon was falsch gemacht zu haben, oder hilflos gewesen zu sein, wenn man Neuland betrat.
Und genau da liegt der Unterschied dieser Tage zu jenen vor fast einem halben Jahrhundert. Die Welt damals war um einiges simpler, weniger komplex als heute. Damals gab es kein Internet und auch Literatur, die einem hätte weiterhelfen können, war erst verfügbar, wenn man Freunde fragte, eine Buchhandlung betrat oder mit dem Leseausweis in eine Bücherei ging. Das alles war aber weder für mich noch die meisten anderen Menschen jener Zeit üblich. Schon gar nicht, wenn es um etwas ging, was man im Grunde genommen gar nicht lernen musste, weil man es schon konnte. So was wie laufen ... Ich ging raus und lief. Ich habe nicht nach Herzfrequenzen, Laktatschwellen (den Begriff kannte niemand damals) und ähnlichem Schnickschnack gefragt. Learning by doing! war angesagt. Und das klappte in den meisten Fällen auch. Jedenfalls so weit es mit dem eigenen Körper zu tun hatte. Als Junge habe ich mir sogar das Schwimmen selbst beigebracht. Zugesehen am Weiher wie Leute sich im Wasser bewegen, die nicht untergehen. Dann im hüfttiefen Wasser so lange geübt, bis ich selbst genug Auftrieb hatte, um nicht zu ertrinken. Dann allen Mut zusammen genommen und ein paar Meter dort geschwommen, wo man nicht mehr stehen konnte. Schließlich zur anderen Weiherseite, als ich mich stark genug fühlte. Dann hab ich mir von meiner Mutter zwei Mark geben lassen, fuhr mit dem Rad ins Schwimmbad und hab mich zum Freischwimmer angemeldet. Den bestanden und fortan das Interesse am Schwimmen verloren ... konnte ich ja nun.
Natürlich bin ich mit diesem Learning by doing auch manchmal auf die Schnauze gefallen. Je komplexer etwas war (zum Beispiel am Auto, wo ich lange meinte alles selbst machen zu können), umso häufiger musste ich dann doch jemanden fragen oder bemühen, der sich mit sowas auskennt. Aber als Mensch jener Zeit wäre ich nie auf die Idee gekommen bei etwas so normalem wie "Laufen" erst nachzulesen, bevor ich anfange zu trainieren. Hab's nicht mal Training genannt. Bin einfach raus und losgelaufen, stellte fest, dass es geht, dass es mir gut tut und dann hat sich das eingespielt ... Nachgelesen und gefragt hätte ich vermutlich dann, wenn es mir sehr schwer gefallen wäre, wenn sich mir grobe Widerstände in den Weg gestellt hätten. Nachgelesen habe ich schließlich Jahrzehnte später, als ich mir einbildete mal einen Marathon laufen zu wollen. Das war dann schon eine andere Hausnummer. 42 km auf der Straße ... läuft man sich da nicht alles kaputt? Da kaufte ich mir ein kleines Buch mit Trainingsplänen und Anleitungen dazu.
Natürlich kann man sich vorm ersten Laufschritt erstmal zig Bücher reinziehen und von oberschlauem Gequatsche im Forum verunsichern lassen. Das ist aber gar nicht erforderlich. Denn tatsächlich ist "Laufen" die natürlichste, normalste Sache der Welt - für einen Menschen, weil wir die Fähigkeit zu laufen in den Genen vererbt bekommen. Irgendwann als Kleinkinder stehen wir auf und machen die ersten Schritte, alsbald die ersten unsicheren Laufschritte. Das muss uns niemand beibringen. Die "Software" dafür ist einprogrammiert. Wir können das. Als Erwachsene, wenn wir plötzlich meinen nun "sportlich" laufen zu müssen, kommt dann plötzlich Unsicherheit auf: Kann ich das? Wieso eigentlich. Ich konnte es immer und werde es nie verlernen.
Einfach rausgehen und laufen - nachfragen erst, wenn Schwierigkeiten auftauchen oder wenn längere/schnellere Laufziele angesteuert werden.
Gruß Udo