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Mein Weg zum Marathon? Ich, mein Kopf und mein Puls...

Mein Weg zum Marathon? Ich, mein Kopf und mein Puls...

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Moin zusammen,

ich bin ganz neu hier und möchte eigentlich nur meine Gedanken mit ein paar weiteren Läufern teilen und loswerden. Evt. gibt es ja zu dem einen oder anderen ein Kommentar oder Tipp von anderen Läufern. Ich würde mich freuen.

Ein wenig zu mir:
Ich bin schon mein ganzes Leben lang (40jähriger IT-Drehstuhlakrobat) sportlich unterwegs. In meiner Jugend war ich im Leichtathletikverein und in meiner Freizeit schon als Jugendlicher immer mal wieder laufen. in den 20ern wurde es dann etwas weniger mit dem Sport, dafür mehr Party. :party2:
Gegen Ende der 20er, Anfang 30er habe ich mich dann wieder etwas mehr bewegt und mit dem Badminton spielen angefangen. Nebenbei habe ich für einen Triathlon trainiert und 2012 zwei olympische Distanzen im Wettkampf absolviert (geiles Gefühl!). 2015 kam unsere Tochter auf die Welt, diverse Umzüge Vereinswechsel, etc. Danach blieb es dann erst mal beim Badminton (1mal pro Woche plus Ligaspiele im Winter). Im Sommer 2020 musste ich leider das Badminton spielen aufgeben. Schulter und Ellenbogen machen das nicht mehr mit. Also habe ich im Oktober 2020 das Laufen wieder angefangen und was soll ich sagen...3km gelaufen (8min/km) und fast gekotzt :-D Ich war sehr überrascht, dass meine Fittnes so schlecht war. Dabei ist meine Statur seit gut 25 Jahren unverändert: 75kg bei 185cm.
Da ich aber nicht der Typ bin der aufgibt, bin ich das komplette Jahr 2021 einfach immer weiter gelaufen, ohne richtiger Pulsuhr, nur mit einer App um Kilometer zu tracken. Treu dem Motto Höher schneller weiter immer nach Gefühl. Folgendes konnte ich lt. App erreichen:

05km in 23:28
10km in 48:57
HM: 1:48:36
weiteste Strecke: 30km in 2:54:45
(Alles nur mit dem Handy getrackt, wer weiß wie genau das ist)

Wie habe ich mich nach den Läufen gefühlt? Mein Kopf hat gedröhnt, die Beine haben gebrannt, Geschwitzt wie ein Wasserfall...Oft ging es mir nicht wirklich gut. Aber wie gesagt, ich mache einfach immer weiter. Ein Tag Pause und los gehts wieder. Standardstrecke sind Minimum 11km. Länger als eine Stunde war ich im Sommer auf dieser Runde nie unterwegs, eher im Bereich 55 Minuten.

Anfang des Sommers hatte ich mir dann das ehrgeizige Ziel gesetzt im Oktober einen offiziellen Marathon zu laufen. Ich war ja gut dabei. Dazu ist es aber nie gekommen. Nach dem 30km Lauf ging meine Leistung sehr schnell wieder runter und ich habe meinen Plan, meiner Gesundheit zur Liebe, schnell verworfen. Ein weiterer Grund ist, dass bei meiner Schwiegermutter ein vermeintlich fitter Läufer auf dem Bürgersteig direkt vor der Haustür zusammengebrochen und verstorben ist. Das gab mir doch zu denken.

Ich bin das Ganze sehr engstirnig angegangen. Kein Trainingsplan, Keine Pulskontrolle, keine Wettkämpfe als Vorbereitung...nichts. Vor allem habe ich aber nie auf meinen Körper gehört. Ich bin immer wieder los. Immer schneller, immer weiter. Das war bei mir schon immer so. Egal ob Sport, Beruf oder Sonstiges. Kein Wunder also, dass ich mein Ziel nicht erreicht habe.

Also gut, sagte ich mir, fang "von vorne" an. Gefühlt habe ich das halbe Internet durchgelesen und mir Tipps aus diversen Foren zusammengesammelt und mir einen eigenen groben Fahrplan erstellt, wie ich das Projekt Marathon im Oktober 2022 erneut angehen kann.

Grob kam folgendes dabei heraus:
  • ich MUSS LAAAAAAANGSAMER laufen...Was heißt das eigentlich und was genau für mich??
  • ich sollte nach Pus trainieren--->>> Ich brauche Technik!! und dann, was heißt das??
  • ich sollte Abwechslung in mein Training bringen -->> Das scheint mir das Leichteste zu sein
  • Trainingsplan?? Ich weiß nicht...da fühle ich mich wieder eingeengt und kann nicht tun was ich will, schauen wir mal.
:gruebel: Training....alles bisher war für mich kein Training, sondern einfach nur Laufen. Nagut dann los.

"Neu" begonnen habe ich etwa Anfang Dezember im vergangenen Jahr. Als erstes habe ich mir also eine Pulsuhr (Forerunner 745) zugelegt...Fluch und Segen zu gleich. Als nächstes habe ich mich für einen Halbmarathon im Mai angemeldet, damit ich ein erstes Ziel habe.

Was brauchte ich noch für den Neustart? Ach ja...meine maxHF das Internt sagt ja ich soll nach Puls laufen :P . Woher sollte ich die bekommen? Es gibt bekanntlich diverse Rechner und Formeln, alles Mist liest man und nun? Egal, ich habe mehrere Formeln durchgerechnet, meine wenigen Messungen der vergangenen Läufe durchsucht und geschaut wo das das Maximum liegen könnte und einen eigenen Wert "ermittelt" (185bpm). Wie genau der nun ist, ist mir erst mal Wurscht. Warum? Ich möchte nicht zu exakt nach einem Technikgadget laufen, sondern das Gerät soll mich dabei unterstützen besser auf meinen Körper zu hören und die Kontrolle über den Puls zu erlangen. Was mache ich nun mit der maxHF? Genau, die Pulsbereiche bestimmen. Aber welche Werte nimmt man da an? In der Garmin App zur Uhr ist sind die Standardbereiche 50-60, 60-70, 70-80, 80-90, 90-100. Hab ich erst mal so gelassen und meinen maxHF eingetragen. Andere Berichte beginnen bei 60 %, 65%, mal mit drei Bereichen, mal mit vier Bereichen usw.

Laufschuhe geschnürt und los mit der neuen Uhr. Standardrunde im "gemütlichen" Tempo (5:52 min/km) um zu schauen was dabei rauskommt.
Durchschnittliche HF waren 165bpm! maxHF auf der Runde 181bpm. Da war ich erst mal geschockt. Ich laufe also im Durchschnitt in einem gefühlt gemütlichem Tempo bei einem Puls von fast 90% des maxHF. Randbemerkung: Meine schnellste durchschnittliche Pace über 8km sind 4:49...da muss ich ja mit 120% maxHF gerannt sein...Auweia...

Alles klar, das ist also mein Status. Uff und nun? LAAAANGSAMER laufen!!!!! Aber was genau heißt das denn nun genau? Wie langsam muss ich denn laufen? Ich habe Berichte gelesen man soll sein Wohlfühltempo nehmen (5:50 min/km) und 1,5 bis 2 Minuten oben drauf. Wobei ich bestimmt mein echtes Wohlfühltempo gar nicht kenne.

Ich habe mich versucht an meiner Uhr zu orinetieren. Hab mir ein Training eingestellt im Bereich 2 zu laufen (111 bis 129bpm). Was soll ich sagen, ich habe das nicht geschafft... 8km mit einer Pace von 7:22 min/km. durchschnittlicher Puls: 157bpm!!

Also noch langsamer laufen. Dritter Lauf mit teurem Gadget: 11km mit einer Pace von 7:37 min/km. durchscnittlicher Puls 147bpm :daumen: AHA, da tut sich was. Ist noch weit weg von Bereich 2, aber es tut sich was und es hat sich sehr gut angefühlt. Ich war nicht am Ende, ich habe viel weniger geschwitzt, die Beine waren noch frisch, aber noch LANGSAMER laufen!!!

Das Spielchen habe ich noch ein paar Runden durchgeführt und zwischenzeitlich einen maxHF Test (ein LC1000 Test) durchgeführt. Dabei bin ich auf 181bpm gekommen. Dann habe ich noch gelesen, dass Bereiche basierend auf dem Ruhepuls und der maxHF besser sind (HFR) und ich habe auch meine Hf Bereiche angepasst auf
60-70, 70-77, 77-85, 85-92, 92-100. Langsam laufen heißt für mich nun Bereich 1 also maxHF 143bpm. Das klingt für mich richtig und fühlt sich mittlerweile auch gut an. Keine Ahnung ob das gut oder richtig ist, aber mein Gefühl läuft mit.

Die letzten Läufe bin ich mit einer Pace von ca. 8:00 min/km gelaufen und hatte dabei eine durchschnittliche HF von 136bpm.
Man die Leute gucken aber wenn ich im Schneckentempo vorbeitrabe...oder den flotten Walkern hinterherlaufe...Mir doch egal.

Zur Abwechslung baue ich wechselweise in eine Woche eine Sprinteinheit ( z.B. 2x3 Sprints in 3:15min/km) und in die nächste Woche einen Tempolauf ein. Da bin ich mir noch nicht sicher, wie ich den am besten Laufe.

Meine aktuellen Herausforderungen:
  • Kopf abschalten beim Laufen (ständiger Blick auf die Uhr nervt mich jetzt schon)
  • Dran bleiben beim langsam Laufen. Mein Körper fühlt sich nach so einem Lauf gut an, meine Seele noch nicht so sehr... Da ist wieder das ich muss höher schneller, weiter...
  • Die Angst loswerden nicht wieder die "alten" Geschwindigkeiten, also im Kopf normal, laufen zu können.
Ich bin gespannt wie sich das Ganze weiterentwickelt und werde bei Interesse gerne berichten.
Gebt mir gern ein Feedback.

Schöne Grüße

Stegar

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Feedback? Lass die Uhr zu Hause und dich nicht von Walkern überholen. Man, 5KM in 23 Minuten, und dann schleichst du mit 8'/KM durch den Park. Ich würde mich gar nicht mehr raus trauen. Wer setzt den Leuten immer solche Flausen in den Kopf? Wohlfühltempo und ein bis zwei Minuten oben drauf? Was für ein Schwachsinn. Du musst ja nicht jeden Tag am Limit laufen, aber diese Pulshörigkeit wird dir jeden Spaß am Laufen nehmen.
200m: 25,38 (Juli 2022)
400m: 53,70 (Juni 2022)
800m: 1:58,93 (Juli 2021)
1500m: 4:05,48 (August 2023)
3000m: 8:54,25 (August 2023)
5000M: 16:28,11 (August 2022)
10KM: 33:59 (März 2022)
HM: 1:15:03 (März 2024)
M: 2:47:44 (April 2024)

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mein Tipp: lass die Pulskontrolle weg, die macht dich doch nur bekloppt (merkste ja selbst, ne...?). Zu Beginn kannst du dir 3 Geschwindigkeiten "merken":
- laufen und Geschichten erzählen = langsam
- laufen und kurze Teilsätze reden = mittleres tempo
- laufen und kurz vor kotzen sein = schnell

Wenn du die MaxHF gar nicht kennst, warum willst du dann nach Puls trainieren? Und gibst eine "Wie genau der nun ist, ist mir erst mal Wurscht" HF in die Uhr ein, um Pulszonen zu ermitteln? Die sind so genau, wie dir die MaxHFD wurscht ist ;-) hättest du mal mehr im Internet gelesen, dann wärest du hier auf die Seite gekommen, hättest hier die Meinungen zu Pulsuhren und pulsgesteuertem Trainung gelesen und den ganzen Kram weggelassen.

Such dir einen Plan nach Pace und trainiere danach, sollte besser passen. Ist aber nur (m)eine Laienmeinung, hier kommen bestimmt noch die User vorbei, die deutlich besser erklären können, warum du da grade murks machst ;-)
Lieben Gruß
Sabine


**** Ich soll mit ein Ziel setzen, habe ich gehört :zwinker2: ... also gut: ich will endlich den A... hochbekommen und wieder mit Spaß laufen können. Und nicht nach 5km völlig fertig sein. Also runter vom Sofa und raus geht's ... :nick: ****

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Guten Morgen,
was mir an deiner Vorstellung als erstes aufgefallen ist,
du schreibst ausführlich über deine sportliche Vorgeschichte.
Und dann schreibst du, du wärst 3km gelaufen mit der Pace von 8min.
und wärst danach fast "gestorben".?
Und das als schlanker Mann im besten Alter?

Ich würde dir vorschlagen eine sportmedizinische Untersuchung machen zu lassen.
Manche Krankenkassen beteiligen sich an den Kosten.
Denn auch wenn du jahrelang sportlich unterwegs war's und immer schlank warst,
in den vielen Jahren wo du kein Sport gemacht hast, kann sich doch einiges im Körper getan haben.

Als zweites rate ich dir, vergesse deine Hf. Messung.
Laufe nach dem " Schauf-O-Meter", sprich nach deinem Körpergefühl.

Drittes vergesse den Ehrgeiz unbedingt in den ersten 2 Jahren einen Marathon laufen zu wollen.
Klar kann man machen. Es gibt viele die Laufen nach 6 Monaten Training ihren ersten Marathon.
Die Ergebnisse sehe ich jedes Jahr nach dem Berlin- Marathon, wo viele dieser Teilnehmer, nach dem Lauf nur noch rückwärts die Treppen zu ihrer U- Bahn hinab trippeln können vor Schmerzen und die meisten sich die erste Woche nach ihrem Marathon wie "überfahren" fühlen.
Klar kann man alles machen, der Schmerz vergeht- der Stolz bleibt....

Ich bin letztes Jahr nach 5 Jahren Lauferfahrung, mit 50 Jahren, meinen 1.Marathon gelaufen - trotz mißratener Vorbereitung bin ich mit einem Lächeln noch unter 4h über die Ziellinie gekommen.
Ganz ohne Schmerzen und am nächsten Tag wieder auf Arbeit, 4 Tage Muskelkater und das Training ging weiter.

Mein Rat, fange langsam an, falls du zur Motivation Adrealin brauchst, mach mit an WK über 5, 10 und HM.
Und wenn dir die HM- Distanz anfängt zu "langweilen" dann bereite dich nach einem Trainingsplan auf einen vernünftigen Marathon vor.

Viel Erfolg :daumen:

PS
Bevor jetzt Proteste los gehen, warum extra eine sportmedizinische Untersuchung ...
Eine sportmedizinische Untersuchung ist keine Leistungsdiagnostik :zwinker5:
Bild

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Stegar hat geschrieben:das Internet sagt ja ich soll nach Puls laufen :P
Das ganze Internet ist von den Pulsuhr-Influencern besetzt. Das ganze Internet? Nein, ein kleines, von unbeugsamen Spaßläufern bevölkertes Forum hört nicht auf, den Marktschreiern Widerstand zu leisten.

Da hätt' ich doch lieber den Zaubertrank... :hihi:

LG Christoph

mein Blog: Die Rennkartoffel will's nochmal wissen.

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Hallo Stegar,

ein paar Mal schon habe ich angesetzt dir auf dein sehr langes Posting zu antworten, es dann doch immer wieder verschoben. Das liegt auch an der Länge deines Textes und den vielen Fragen und Schwierigkeiten, die sich darin verbergen. Aber natürlich „muss“ ich dir antworten, dazu „zwingt“ mich schon deine Überschrift, die du mit „Mein Weg zum Marathon?“ einleitest. Denn immerhin habe ich mich über mehrere Jahre, parallel zu meinen eigenen ambitionierten Laufaktivitäten im Marathon- und Ultrabereich, damit befasst, wie man Marathonneulinge zum ersten Marathon führen kann. Ergebnis dieser Arbeit war das sehr umfangreiche Konzept „Ein Weg zum Marathon“, das ich auf unserer Laufseite online stellte. Nun ist dir klar, weshalb mich deine Überschrift dazu verlockt, dir zu antworten … Mein Konzept „Ein Weg zum Marathon“ enthält eben nicht nur Trainingspläne, sondern behandelt alle Aspekte und Fragen, die sich auf dem Weg zum und beim ersten Marathon ergeben können. Und das sehr umfangreich. Mir ging es dabei vor allem darum, diesen Weg nicht aus Sicht eines Spitzenläufers, sondern aus der eines ambitionierten, ernsthaften Freizeitläufers zu beleuchten. Du findest, wovon ich hier schreibe, auf unserer Internetseite, dort im Hauptmenü unter „Themen Marathon“.

Das Konzept entstand in einer Zeit als ich noch in der Lage war einen Marathon ziemlich schnell zu laufen. Meinen ersten Marathon lief ich mit 48 Jahren und heute mit 68 sind es über 300 (etliche Ultraläufe eingeschlossen). Als ich anfing hatte ich großen Respekt vor dieser langen Strecke und bereitete mich immer akribisch darauf vor. Später „verwendete“ ich Marathonläufe meist nur noch als Vorbereitungstrainings für längere Ultras. Hierin liegt der eigentliche Grund, warum es bis heute so viele geworden sind. Obwohl ich Marathons sammelte wie andere Briefmarken und mir stets sicher war auch ins Ziel zu kommen, verlor ich nie den Respekt vor der Strecke. Und heute bin ich altersbedingt und aus Gesundheitsgründen sehr langsam geworden und muss alle mir noch verbliebene, bzw. immer wieder erarbeitete Ausdauer aufwenden, um stetig laufend das Ziel noch eindeutig unter 5 Stunden zu erreichen. Ich bin folglich den Marathondebütanten, denen ich zeitlich für ein paar Jahre „enteilen“ durfte, wieder sehr nahe gekommen.

Soweit zu mir, zu meinem Konzept und weshalb ich dir antworte. Obschon eigentlich alle Antworten auf dein Posting in meinem Konzept irgendwo und irgendwie zu finden sind, will ich dennoch ein paar auf deinen Text gemünzte Antworten geben, weil du zwar laufen kannst, es dir anscheinend jedoch an Orientierung mangelt. Dass du laufen kannst, erfolgreich und ausdauernd, zeigen die von dir in 2021 erreichten Leistungen auf 5 und 10 km und beim Halbmarathon. Ob die nun ungenau vom Handy-GPS aufgezeichnet wurden oder nicht, spielt keine Rolle. Entscheidend ist die Größenordnung. Jemand der auf der Halbmarathonstrecke eindeutig unter 2 Stunden bleibt, wird auch einen Marathon problemlos finishen können. Problemlos aber nicht ohne hohen Trainingsaufwand, mentale Härte gegen sich selbst und methodisch sinnvolles Vorgehen.

Ich werde in einer Hinsicht aus deinem Posting nicht ganz schlau: Einerseits dokumentierst du die zitierten, hervorragenden Leistungswerte, auf der anderen Seite spricht aus deinen Zeilen latent die Angst dich zu überfordern, etwas falsch zu machen, dich nicht im Griff zu haben. Du hast oder hattest sogar Angst davor „tot umzufallen“, nach diesem Vorfall vor der Haustür einer Verwandten. Was das angeht möchte ich dich beruhigen. Erstens sollte man ohnehin, bevor man läuferisch von sich Leistung fordert, durch einen ärztlichen Check alle Unwägbarkeiten (so weit möglich) abklären lassen und sich das „Go“ vom Doc geben lassen. Bevor du nun ambitioniert neuerlich einen Halbmarathon ansteuerst, um dann anschließend den Sprung zum Marathon zu wagen, solltest du das unbedingt tun! Und falls – mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit – alles bei dir in Ordnung ist, dann vergiss deine Ängste. Man fällt nicht so einfach tot um. Dass es immer mal wieder beim Sport vorkommt, auch beim Laufen, liegt daran, dass „Fehler im Bio-System“ vielfach nicht erkannt werden, weil sich die Sportler nie oder schon zu lange nicht mehr einem Gesundheits-Check unterzogen haben. Wenn der Körper, insbesondere das Herz-Kreislauf-System gesund ist, dann kann man sich durch kein noch so brutales Training „umbringen“. Das Herz ist ein Muskel, der über eine eigene Sauerstoffversorgung verfügt und darüber hinaus am längsten von allen Muskeln durchhält. Wenn man schon längst kein Bein oder keinen Arm mehr hochbringt vor totaler Erschöpfung, dann schlägt das Herz munter weiter. Natürlich kann man sich durch falsches, überzogenes Training schädigen – orthopädisch, auch organisch, wenn man es zu lange übertreibt. Daher ist es wichtig methodisch möglichst richtig zu trainieren. Dennoch: Nur, weil man in seinem Training ein paar Fehler macht, wird man nicht krank und verletzt sich auch nicht erheblich. Im Übrigen ist der Rahmen der Belastbarkeit jedes einzelnen Läufers, seine Robustheit, genetisch vorgegeben. Bevor man beispielsweise für einen Marathon trainiert, was - unabhängig vom individuellen Leistungslevel - immer eine brachiale Gesamtbelastung über längere Zeit bedeutet, sollte man daher Erfahrung mit dem eigenen Körper sammeln. Das geschieht am besten, indem man sich über etwa anderthalb bis zwei Jahre, vom Laufanfang bis zum Einstieg in den Marathontrainingsplan gerechnet, Zug um Zug von einer Streckenlänge zur nächsten vortastet und sich dabei entwickelt. Während man sein Tempo erst auf Strecken von 5 bis 10 km verbessert, sich anschließend an den Halbmarathon wagt, bekommt man ein Gefühl dafür, was man sich an Pensum/Gesamtleistung pro Woche zumuten kann.

Diese Entwicklung auf zunächst kürzeren Distanzen sollte aber gleichfalls methodisch korrekt passieren und eben nicht – so verstehe ich deine Aussagen über dich selbst – nach dem Prinzip „viel hilft viel“ oder ständig der Devise „schneller, mehr und weiter“ nachjagend. Beim Lauftraining (nicht nur da, aber auch da) ist weniger oft mehr. Was nicht heißt, dass sich der Trainierende nicht auspowern dürfte. Manchmal nimmt man sich richtig ran und rennt, als ginge es ums eigene Leben. Eben dann, wenn der Trainingsplan Tempoanteile von einem fordert. Schnelle Dauerläufe oder auch Intervallarbeit in hohem Tempo. Es ist aber keinesfalls egal, wann genau man was läuft. Wie es auch nicht egal ist, wann man lange und langsam läuft. Dafür gibt es die Regeln der Ausdauertrainingslehre und andere biologische Gesetzmäßigkeiten. Es ist einem Läufer, der sich „mit so was“ im Detail nicht auskennt, praktisch unmöglich sein Training korrekt zu steuern. Dafür gibt es in Büchern und im Netz Trainingspläne, die beispielsweise Belastung und Regeneration über die Wochen hinweg bestmöglich austarieren. Daher ist es in jedem Fall sinnvoll das eigene Lauftraining nach einem fremden Trainingsplan zu richten.

Das gilt natürlich nur, wenn man den Weg der Verbesserung und Weiterentwicklung gehen möchte. Wer nur schlicht ein paar Mal die Woche draußen für den eigenen Spaß und die Gesundheit ein paar Kilometer runtertraben möchte, braucht natürlich keinen Trainingsplan. Dieser jemand (also ganz viele von uns) trainiert aber auch nicht im eigentlichen Sinne des Wortes. Training ist immer ein Vorgang, der auf Verbesserung der eigenen Leistung ausgerichtet ist. Alles andere ist … na was … ein Wort dafür gibt es eigentlich nicht. Ich finde mal eins: Lustlaufen.

Wenn man trainieren möchte und ich verstehe dich so, dass du das willst, um alsbald einen weiteren Halbmarathon, dann einen Marathon zu laufen, dann ergibt sich natürlich die Notwendigkeit das Training zu steuern. Die Größen Tempo, Laufdauer, Trainingstage pro Woche, Gesamtpensum (und andere) sind natürlich nicht beliebig. In der Trainingspraxis können sich bei Dauerläufen vor allem zwei Aufgaben stellen: Entfernungen messen und Tempobelastungen festlegen. Ersteres kann man umgehen, wenn man sich einen Trainingsplan vornimmt, der statt Entfernungen Dauern vorgibt. Und die Tempobelastung kann man tatsächlich über Herzfrequenzbereiche steuern, so wie du das offensichtlich vorzuhaben scheinst.

Genau das habe ich vom ersten Marathon an und für viele Jahre so gehandhabt. Mit großem Erfolg und deshalb habe ich meine Trainingspläne in „Ein Weg zum Marathon“ auch darauf abgestützt. Als ich 2002 damit anfing, war das auch noch der einfachere Weg, weil GPS-Uhren, wenn es sie schon gegeben haben sollte, noch sündhaft teuer waren, HF-Messer dagegen schon längst Läuferalltag. Tatsächlich hat die Herzfrequenzsteuerung des Trainings auch den Vorteil, dass sie sich sozusagen automatisch an die vom Training über die Wochen verbesserte Leistung anpasst. Wenn man anfangs mit 80% der maximalen Herzfrequenz läuft, dann ist das Tempo geringer, als nach 4, 6, 8 Wochen Training und dem erzielten Trainingsmehrwert. Zugleich bleibt die Belastung (was der Körper aushalten muss (auch kann) und was man spürt) immer dieselbe. Steuert man sein Tempo über die Größe „Minuten pro Kilometer“ ( z.B. 5 min/km = 12 km/h) muss man im Verlauf eines Trainingsplans die Tempi bewusst etwas anheben, um den Reiz auf den Körper überschwellig zu halten (das steckt eine der erwähnten so genannten Regeln der Trainingslehre).

Ich bin also durchaus ein Freund des HF-basierten Trainings, auch wenn ich es seit etlichen Jahren nicht mehr praktiziere. Inzwischen überwache ich meine Trainings mit der Tempofunktion meiner Uhr (also über GPS). Man kann und es hat auch Vorteile über die Herzfrequenz das Training zu steuern, man muss aber nicht so vorgehen. Andere Methoden sind gleichwertig. Wichtig ist jedoch: Wenn HF-Steuerung, dann setzt das voraus, dass man mit dem HF-Messer umgehen kann, seine Messwerte einzuordnen weiß und nicht zuletzt körpereigene, genetisch beeinflusste Herzfrequenzgrößen kennt. Mindestens die maximale Herzfrequenz (HFmax) und irgendwann einmal, weil sich das Training damit verlässlicher steuern lässt, auch die Ruheherzfrequenz. Beides ist nicht so einfach zu ermitteln. Die maximale Herzfrequenz zu erreichen, schafft man nur in Todesangst – scherzhaft formuliert, wenn ein Raubtier einen hetzt. Die HFmax zu erreichen ist nicht nur eine physische, es ist hinsichtlich der letzten paar bpm (beats per minute) vor allem eine Motivationsfrage. Niemand bringt sich willentlich in die gefühlte Not der völligen Ausbelastung (fühlt sich viel zu scheußlich an), wenn es dafür kein extrem wichtiges Motiv gibt. „HFmax-wissen-wollen“ ist ein zu schwaches Motiv. In der Wettkampfendphase gelingt das vielleicht – aber nur, wenn man zuvor nicht zu stark gefordert wurde.

Es gibt aber Möglichkeiten trotzdem mit einer HFmax zu operieren, die nahe am tatsächlichen Wert liegt. Und ein möglicher Fehler von ein paar bpm beeinflusst die Trainingsbereiche, die man sich ausrechnet nur unwesentlich. Ich will das hier nur kurz anreißen, mein Beitrag erreicht ohnehin schon epische Länge: Du schreibst davon, dass du glaubst zu schnell zu laufen. Dann hast du versucht mit Herzfrequenzen das Tempo richtig einzustellen. Du hast dabei allerdings Ursache und Wirkung verwechselt. Finde dein langsames Tempo selbst heraus, setze dafür dein (Lauf-) Gefühl ein und lese dabei die Herzfrequenz ab! Wenn du 10 km läufst oder 15 oder gar noch weiter, im selben Tempo, das du bis zum Schluss durchhalten kannst, dich dabei gefordert aber nicht überfordert fühlst, ruhig atmest, nicht außer Atem gerätst, sogar noch kurze Bemerkungen mit einem Nebenmann austauschen könntest, auch nach 15, 20 Kilometern noch, wenn deine Beine schon müde werden, dann läufst du vermutlich in einem HF-Bereich von 70 bis 75% von HFmax. Eine solche Ermittlung ist natürlich ungenau. Du kannst aber noch einen anderen Wert als weitere Referenz dagegen setzen, dich zum Beispiel einlaufen und dann über 5 Kilometer volle Pulle gehen, so dass du wirklich nach 5 km am Ende bist. Was du in der Mitte dieses Laufes, nach vielleicht drei Kilometern als Herzfrequenz abliest, dürfte bei 90% von HFmax oder etwas darüber liegen. Auf diese Weise (möglichst einige Male wiederholt und Mittelwerte bildend) kommst du zu Herzfrequenzen, die deiner Trainingsrealität entsprechen. Mit der Zeit wirst du die Werte ggf. etwas korrigieren können. Entscheidend ist, dass auf deinem Trainingslevel (vermutlich eine Marathonzeit fürs Debüt um die 3:45 Stunden, wenn ich von deinen Zeiten in 2021 ausgehe), gewisse Unschärfen im Training noch keine Rolle spielen. Dein Entwicklungsspielraum ist noch riesengroß. Will heißen: Ich fing mit 48 Lebensjahren und einem Marathondebüt von 3:43 Stunden an und trainierte mich binnen vier Jahren auf etwa 3:02 Stunden zeitlich runter. Und erst da war dann Schluss. Um mich dann noch zu verbessern, hätte ich wirklich alle Register an Genauigkeit, usw. ziehen müssen.

Du schreibst, dass du einmal 30 km gelaufen bist, also auf einen Marathon hin trainiert hast. Dann war aber Schluss damit. Weshalb erschließt sich mir aus deinem Text nicht, du schreibst lediglich was von deiner Gesundheit, die du nicht gefährden wolltest. Es dürfte dir klar sein, dass du mehrere solcher so genannten „langen Läufe“ um die 30 km absolvieren musst, vor einem Marathonstart. Und zwar von Woche zu Woche je einen. Dass du dich nach dem Training nicht immer „gut“ gefühlt hast, liegt in der Natur der Sache. Lass mich dir versichern, dass ich mich nach jedem langen Lauf total ausgelutscht und dem Ende nahe fühle. Das ist bei mir (und vielen anderen) einfach so und damit lebe ich. Und ich lebe übrigens immer noch! Und irgendwie Spaß gemacht hat es auch meist. Wenn es das nicht tut, dann sollte man den Quatsch sein lassen! Wie weit man das treiben kann, siehst du an mir. Ich habe die Marathonmarke nicht nur mehr als 300 Mal überlaufen, ich ging mehrmals sogar sehr weit darüber hinaus. Meine weiteste Strecke belief sich auf 246 km in knapp 35 Stunden. Das geht, das tötet einen nicht, macht einen nicht krank und verletzt einen auch nicht. Wenn man sich kompetent darauf vorbereitet!

Du hast dir eine neue Uhr gekauft, denken und fühlen musst du aber trotzdem selbst. Es sollte deine vordringlichste Aufgabe werden dein Laufgefühl zu entwickeln und das ohne Angst vor Überforderung. Und du solltest methodisch möglichst korrekt vorgehen, wenn du dich mit dem Ziel „besser werden“ forderst. Denn so ein Ziel hält einen immer am momentanen Leistungslimit. Man kann sein Limit schon mal ungestraft überschreiten, aber nicht ständig, oder nicht zu oft und zu drastisch, dann gibt es Probleme. Am besten trainierst du nach Plan. Natürlich gibt’s gute und nicht so gute Trainingspläne. Wenn man sich an renommierte Trainingsbücher hält, kann man allerdings nicht viel falsch machen (auch wenn die Anforderungen zwischen den Autoren durchaus variieren). Und – das darf ich mit einiger Sicherheit aufgrund entsprechender Rückmeldungen behaupten – meine Trainingspläne sind soooo schlecht auch nicht.

Lange Rede, die jetzt endet. Ich hoffe, sie hilft und verwirrt nicht zusätzlich. Wie auch immer: Alles Gute für dich!

Gruß Udo
"Faszination Marathon", die Laufseite von Ines und Udo auch für Einsteiger. :hallo:
Mit Trainingsplänen für 10 km, Halbmarathon, Marathon und Ultraläufe

PB: HM: 1:25:53 / M: 3:01:50 / 6h-Lauf: 70,568 km / 100 km: 9:07:42 / 100 Meilen: 17:18:55 / 24h-Lauf: 219,273 km
Deutsche Meisterschaft im 24h-Lauf 2015: 10. Gesamtplatz, Deutscher Meister in AK M60 (200,720 km) / Spartathlon 2016: 34:47:53 h

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Moin zusammen,

vielen Dank für Eure Beiträge und dem lauten Protest gegen Laufen nach Puls ;-). Einen besonderer Dank geht an Udo für seine ausführlichen Beitrag. Insgesamt schließe ich daraus, dass ich nicht so viel, einiges aber schon, falsch gemacht habe im vergangenen Jahr, jedoch vieles falsch betrachtet habe. Vielleicht hat mich der Vorfall vor der Haustür tatsächlich etwas mehr erschreckt, als er sollte. Einen Termin zum Checkup werde ich dennoch machen.
Ich habe mir auch die Trainingspläne auf Udos Seite durchgeschaut und auch sonst viel Zeit dort verbracht. Es gibt viele nützliche Informationen die ich nun berücksichtige und in meinen Alltag einbaue. Vielen Dank auch dafür.

Ich berichte kurz aus den letzten Wochen:
Ich bin Udos Rat gefolgt und habe heute einen 8km Lauf absolviert, wo ich einen 5km volle Pulle-Anteil gelaufen bin um zu schauen, welche maxHF ich erreichen kann. Nach gut 2km war schon richtig die Puste raus. Ich bin aber weiter und habe zum Ende von 3km noch mal einen drauf gelegt. Der Puls blieb Konstant zwischen 183 und 188bpm während dieser Zeit. Drei Mal wurde ein Wert von 190bpm erreicht. Die Puste war dann wirklich raus.

Wenn ich nun die 8 - 10% auf 190 bpm hinzurechne komme ich also auf einen Wert von 206-211 bpm. Die Mitte davon sind dann in etwa 208bpm. Ich nehme nun also an, dass ich damit in der Nähe meiner max. HF gelandet bin. Das ist ein Unterschied von ca. 20bpm zu meiner bisherigen Annahme. Wenn ich diesen Wert nun auf den Regenerationsbereich von 60 - 70% übernehme, laufe ich dort mit 124 bis 145bpm.
Das passt zu meinem Laufgefühl.

Letzte Woche Sonntag bin ich einen langsamen langen Lauf über 17km mit einer Pace von 7:01 km/min und bei durchschnittlich 146bpm gelaufen. Das fühlte sich super an. Die HF lag nach heutigem Stand bei durchschnittlich 70%. Ich konnte mich noch gut unterhalten.

Insgesamt kann ich für mich feststellen, dass die Herzfrequenz sich in den letzten Wochen schon etwas verändert hat. Um mit 70% der HFmax zu laufen bin ich anfangs mit etwa 7:35 km/min gelaufen. Nun bin ich bereits gut 30 Sekunden schneller unterwegs. Ich finde das super motivierend.

Zum Glück sind nicht alle Menschen gleich. Es gibt vieles was für und gegen das Laufen nach Pulsuhr spricht. Laufgefühl, der eigene Kopf, Technik Begeisterung, Gesundheit, Unterstützung und Selbskontrolle sind sicher auch nur einige Beispiele. Mich persönlich unterstützt die Uhr und hilft mir bei meinem Training. Ich bin auch der Meinung, dass es auf die letzten paar bpm zur 100% korrekten maxHF im Hobbybereich nicht ankommt. Sicher auch nicht im ambitionierten Hobbybereich. Aber es hilft einigen Menschen nun mal sich besser zu kontrollieren und das finde ich mit einer so einfachen Methode heutzutage schon toll. Und als ITler und somit zahlenverliebter Mensch bin ich auch interessiert daran die ganzen Daten zu verstehen und zu analysieren.

Mal schauen wie weit ich Ende Februar gekommen bin und wie sich meine Werte verändern. Ich suche mir zudem ein Trainingsplan für den Halbmarathon im Mai und berichte dann gerne wieder :-)

Schöne Grüße

Stegar

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Hört sich verheißungsvoll an, finde ich :daumen: Bleib dran und entwickele dich weiter :hallo:
"Faszination Marathon", die Laufseite von Ines und Udo auch für Einsteiger. :hallo:
Mit Trainingsplänen für 10 km, Halbmarathon, Marathon und Ultraläufe

PB: HM: 1:25:53 / M: 3:01:50 / 6h-Lauf: 70,568 km / 100 km: 9:07:42 / 100 Meilen: 17:18:55 / 24h-Lauf: 219,273 km
Deutsche Meisterschaft im 24h-Lauf 2015: 10. Gesamtplatz, Deutscher Meister in AK M60 (200,720 km) / Spartathlon 2016: 34:47:53 h
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