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WLS Duisburg 2022: So langsam kommt die Form wieder…

WLS Duisburg 2022: So langsam kommt die Form wieder…

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[font=&amp]Dass ich mit der Lauferei angefangen habe, ist mittlerweile so lange her, dass der eine oder die andere hier zu der Zeit gerade mal die ersten Gehversuche machte. Die ersten 10 Jahre blieb ich – von Kinkerlitzchen abgesehen – weitgehend beschwerdefrei. Danach fing es mit kleineren oder größeren Blessuren an. Mal war die Achillessehne überlastet, was glücklicherweise nach wenigen Monaten überwunden war, mal war es ein Stechen im Rücken, dann machte mir eine Oberschenkelzerrung zu schaffen, ein Muskelfaserriss zwang zur Pause oder auch ein Bandscheibenvorfall nistete sich ein. [/font]

[font=&amp]Natürlich ergab sich das nicht so konzentriert, wie es in der Rückblende erscheint, sondern verteilte sich auf mehrere Jahre. Insgesamt konnte ich ein größeres Trainingspensum absolvieren, war aber auch immer mal wieder zu kleineren oder größeren Pausen gezwungen. So kam ich (mit einer einzigen Ausnahme) seit meinem dritten Laufjahr, das war 1995, immer auf deutlich über Drei- oder Viertausend Kilometer pro Jahr – bis ich erneut die Achillessehne überlastet hatte. Und diesmal gingen die Beschwerden nicht so schnell zurück. Im Gegenteil, das blieb. Mal konnte ich einigermaßen beschwerdefrei laufen, dann wiederum hatte ich die Sehne im Wettkampf so überlastet, dass ich kaum auftreten konnte. Komplette Laufpausen halfen aber auch nicht. [/font]

[font=&amp]Trotz Einschränkung des Trainingspensums blieben die Beschwerden. Schließlich wandte ich mich an einen Spezialisten, hatte komplettes Laufverbot, begab mich in eine langwierige Behandlung, die zunächst keine Fortschritte zu bringen schien, bis es nach Monaten dann doch merklich besser wurde und die Sehne sich bis zur Beschwerdefreiheit erholte. Vorsichtig stieg ich wieder ein. 2018 war das. 1.300 km war die Gesamtausbeute an Laufkilometern in jenem Jahr. Bei den ersten Wettkämpfen, an denen ich teilnahm, machte mir nun jedoch gehäuft eine Erscheinung Probleme, die sich auch vorher schon verstärkt gezeigt hatte: Ich bekam unter Belastung Herzrhythmusstörungen, die mich zu drastischer Temporeduktion zwangen, wodurch sich der Herzschlag meistens wieder normalisierte. Als das wieder und wieder vorkam, entschloss ich mich zu einer erneuten Katheterablation, bei der elektrisch leitende Herzzellen, die den Rhythmus stören, verödet werden. [/font]

[font=&amp]Ich hatte das Glück, trotz Pandemie Ende Mai 2020 einen Termin zu bekommen. 1 ½ Wochen später begann ich wieder zu laufen, erst natürlich kürzere Strecken. Seit bald 2 Jahren laufe ich nun ohne meine beiden größten Laufbremsen. Vorher war ich 3 Jahre hintereinander unregelmäßig gelaufen und immer unter 2.000 km pro Jahr geblieben. 2020 wurden es 2.600 km und 2021 sogar 3.300 km, und das kontinuierlich. Die Wettkampfzeiten waren naturgemäß langsamer geworden, dafür hatten nicht nur die Trainingseinschränkungen gesorgt, sondern das fortschreitende Alter trägt ebenso seinen Anteil dazu bei. Und der letzte Prozess ist irreversibel, es sei denn, man ist Benjamin Button. Bei den ersten 10-ern orientierte ich mich an 45 min. Erreichte ich die oder blieb gar drunter, war ich happy. Das wurde dann aber gegen Ende des letzten Jahres merklich besser und ich kam sogar unter 44 min. Das schien mir nicht so schlecht.[/font]

[font=&amp]Als einer der ersten (Startnummer 15!) meldete ich mich im Oktober 2021 für die Winterlaufserie in Duisburg an. Die bin ich schon oft und immer gern gelaufen, muss allerdings immer abklären, ob sie sich nicht mit unserem Cross überschneidet (hier ein Bericht darüber). Am 12.2.22 ging es bei kühlem und recht windigem Wetter los mit 10 km. Kleines Highlight am Rande: Es war exakt mein 700. Wettkampf. Ich war gut drauf und freute mich im Ziel über 43:21 min. Mit 4:20 min/km bedeutete das immerhin ein Tempo, das ich zuletzt vor 3 Jahren erzielt hatte (in einem der unbeeinträchtigten Läufe „nach Achilles“, aber „vor Ablation“). [/font]

[font=&amp]Einen Monat später war es sonnig und etwas wärmer, aber wieder mit eisigem Wind, der an der Regattastrecke von vorne kommend unangenehm war. Der Lauf über 15 km endete für mich nach 1:05:09 h. Das bedeutete ein wiederum für mich recht hohes Tempo von 4:24, und ich war erneut nicht unzufrieden. Wer nun seinen Rechenschieber bemühen und auf ein gar höheres Tempo kommen sollte; vielleicht, weil er der analogen Rechenmaschine nicht traut, sogar zum Einsatz eines digitalen Rechners greifen und dann vollends feststellen sollte „Vielleicht kann der Heini ja laufen, aber rechnen kann er nicht“, dem sei gesagt, dass – wie schon beim ersten Lauf – auch diesmal wieder die Streckenführung aufgrund einer Baustelle geändert war. Dadurch hatten sich 2 Kilometer dazwischen geschoben, die eklatant kürzer waren. So war ich im Ziel nicht der einzige, der selbiges festgestellt hatte. Realistischerweise werden es daher wohl so 14,8 km gewesen sein.[/font]

[font=&amp]Vor dem abschließenden Halbmarathon am 2.4. ergaben sich für mich 2 wichtige Fragen, wovon eine existenziell war. Das war die Frage: kann ich da überhaupt mitlaufen? Diese Frage hatte mich übrigens auch schon vor dem 15 km-Lauf beschäftigt. Das hatte jeweils folgenden Hintergrund. Meine Frau und ich haben Abo-Karten fürs Kabarett in einer Nachbarstadt. Da fahren wir immer hin, essen beim Italiener und gehen dann in die Vorstellung. Und obwohl da alles nach 2G abgelaufen war, hatten wir beide jeweils wenige Tage später diesen roten Warnhinweis in der Corona-Warn-App. Glücklicherweise ergaben die Tests immer „negativ“. Wär sonst auch blöd gewesen![/font]

[font=&amp]Die andere Frage war: Was wird da im HM wohl gehen? Diesmal sollte es über die Originalstrecke gehen, die DLV-vermessen ist und damit tatsächlich 21,1 km lang. Auf ebenfalls DLV-vermessener Strecke war ich 6 Wochen zuvor 1:36:33 h gelaufen. Das war mit schweren Beinen 1 Tag nach unserem eigenen Cross gewesen. Also sollte wohl 1:36 drin sein. Gerade als ich am 2.4. in Duisburg angekommen war, setzte leichter Schneeregen ein, ordentlich kalt war es sowieso schon und windig auch. „Ach du Scheiße“, dachte ich mir, „das muss doch nun wirklich nicht sein“. War es auch nicht, denn rechtzeitig hörte der Mist auch auf und als der Startschuss fiel, war es zwar nach wie vor kalt und windig, aber wenigstens trocken. [/font]

[font=&amp]Als ich nach dem ersten Kilometer auf die Uhr sah, dachte ich: „4:28; upps, aufpassen, das ist zu schnell“. Der nächste km ging in 4:36 durch und ich war erstmal beruhigt. Das passte auch zum Umfeld, denn nach und nach liefen doch mehrere an mir vorbei. Mag sein, dass ich mich dadurch etwas verführen ließ, denn die folgenden zwei km lagen erneut unter 4:30. Nach 5 km zeigte die Uhr eine Durchgangszeit von 22:44 an. Das schien mir in Ordnung. (Allerdings berücksichtigte ich dabei nicht, dass das ja die Bruttozeit war.) Es lief auch gerade richtig gut und ich fing so allmählich an, die, die mich am Beginn überholt hatten, nun wieder einzusammeln, naja natürlich nicht alle davon. Die nächsten km waren eigentlich zu schnell, alle unter 4:30. Aber es lief halt und ich fühlte mich gut. Als ich nach 10 km die Zeit ablas, lag ich bei 44:57 min. Das war zu schnell. Ich nahm eine kleine Hochrechnung vor. Wenn ich den zweiten Zehner mit 46 min durchziehen sollte, wären es 1:31 plus etwa 5 min für die restlichen 1,1 km, ergäbe dann 1:36 h, mit ein bisschen Kampf könnte vorne eine 1:35 stehen. [/font]

[font=&amp]Um nicht zu viel Kraft für die Schlusskilometer zu verlieren, hätte ich nun sicher etwas Tempo rausgenommen, aber bereits die letzten 2 oder 3 km lief ich mit 2 anderen im Pulk und gemeinsam hatten wir mehrere vor uns schon eingesammelt. Da wollte ich mich nicht einfach ausklinken und blieb dabei. Und es blieb auch dabei, dass die km-Zeiten unter 4:30 lagen. Etwa bei km 15 blieben meine Begleiter – einer der Überholten hatte sich ebenfalls angeschlossen – zurück und ich lief allein weiter. An der langen Geraden der Regattastrecke kam der Wind diesmal eher von hinten. Da konnte man gut Tempo machen und ich lief noch an einigen Läufern vorbei. Am Ende der Geraden bog die Laufstrecke nach rechts ab und hinter km-Schild 17 dann erneut rechts auf Schotterwegen durch den Wald. Das Rennen war nun richtig hart. Aber jetzt halfen auch keine taktischen Überlegungen, sondern einzige Taktik war, nicht nachzulassen, egal ob es schwer fiel. [/font]

[font=&amp]Und es fiel schwer. 2 oder 3 Jungspunde flogen sozusagen von hinten heran, denen ich nicht mehr folgen konnte, und dann tauchte doch tatsächlich einer der „Abgehängten“ von km 15 wieder auf. Beschleunigen war jetzt nicht mehr drin, ich ließ ihn ziehen. Aber wundersamerweise hielt ich mein Tempo weiterhin unter einem 4:30-er Schnitt. Als die Laufstrecke endlich den Wald und damit die Schotterwege wieder verließ und die letzten zwei km auf Asphalt vor mir lagen, war es nur noch Kampf ums Ankommen. Nach Einbiegen ins Stadion mit dem Zielbogen im Blickfeld war dennoch eine leichte Schlussbeschleunigung und damit Eingehen einer Sauerstoffschuld drin. Gegenhalten, als kurz vor dem Ziel noch 2 jüngere Läufer an mir vorbeizogen, ging aber nicht mehr, war mir auch egal. [/font]

[font=&amp]Ich lief über die Ziellinie, war erleichtert, atmete heftig durch und hörte die Stimme des Sprechers, der meinen Namen und meine Altersklasse M70 nannte und die Zahl 1:34 fallen ließ. Später und nach Abzug der Zeit vom Startschuss bis zur Startlinie sah ich, dass ich mit 1:33:59 h, entsprechend einem Tempo von 4:27 min/km, meine schnellste HM-Zeit seit 6 Jahren erzielt hatte. Das HM-Tempo heute war damit nur 7 Sekunden langsamer als beim ersten Lauf der Serie, dem Zehner vor 7 Wochen. Das ist die Frucht eines kontinuierlichen Trainings seit bald 2 Jahren. Training wirkt eben langfristig. Mal sehen, was noch über 10 km machbar ist.[/font]

[font=&amp]Bernd[/font]
Das Remake
Infos zum Laufen und Vereinsgedöns gibt's auf www.sgnh.de

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burny hat geschrieben:[font=&amp]Später und nach Abzug der Zeit vom Startschuss bis zur Startlinie sah ich, dass ich mit 1:33:59 h, entsprechend einem Tempo von 4:27 min/km, meine schnellste HM-Zeit seit 6 Jahren erzielt hatte. Das HM-Tempo heute war damit nur 7 Sekunden langsamer als beim ersten Lauf der Serie, dem Zehner vor 7 Wochen.[/font]
Wow, prima, Bernd! :daumen: Und wenn ich das richtig sehe, auch noch ein Stück schneller in der Gesamtwertung als die Besten in M65 und M60! Was die Sorge um die Teilnahme angeht, ich find's gut, dass man für jeden der drei auch eine virtuelle/Solo-Option hat(te). Klar, das ist nicht "the real thing", aber eh man einen Lauf ganz auslassen muss ... Schön, dass das letztlich doch nicht nötig war.

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Bernd, Gratulation zu der grandiosen 6 Jahres Bestzeit und auch zu dem sich erfolgreich zurückkämpfen nach den gesundheitlichen Problemen der letzten Jahre. Schöner packender Bericht :)

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Hallo Bernd,

Danke für den packenden Bericht und Gratulation zur 6-Jahres-PB. Es ist wirklich spannend und motivierend zu lesen, dass sich jemand, der schon sportlich- läuferisch so viel erreicht hat, auch nach so langwierigen gesundheitlichen Rückschlägen immer wieder neu motivieren kann. Dazu ist vermutlich wohl einerseits eine große Liebe und Hingabe für den Sport und andererseits auch eine außergewöhnliche mentale Haltung nötig. Und Du zeigst auch, das die Wirksamkeit von Training halt prinzipiell kein Alter kennt! Chapeau!

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vinchris hat geschrieben:Was die Sorge um die Teilnahme angeht, ich find's gut, dass man für jeden der drei auch eine virtuelle/Solo-Option hat(te). Klar, das ist nicht "the real thing", aber eh man einen Lauf ganz auslassen muss ... Schön, dass das letztlich doch nicht nötig war.
Um ehrlich zu sein, bin ich kein Freund des Virtuellen, auch wenn ich den Vorteil sehe, falls jemand einen Lauf auslassen muss. Ich denke aber auch, dass ich bei einer Infektion heftig überlegt hätte, wann ich mich durch schnell Laufen wieder hätte belasten wollen.

Nach der Veranstaltung gab's per Post übrigens noch ein Goodie für alle Finisher, nämlich einen Medaillenbausatz, wie man hier sehen kann:
Bernd
Das Remake
Infos zum Laufen und Vereinsgedöns gibt's auf www.sgnh.de

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Na, dann hast Du immerhin die Chance, den "Läufer" genau dahin zu kleben, wo er hingehört. :D Meine Finishermedaille kam am Dienstag, glaube ich, und ist schon schön. Nur hat es beim Aufkleben mit der korrekten Position nicht 100%ig geklappt. :zwinker5: Fällt für mich bei den hohen Stückzahlen aber unter "lässliche Sünde" ...

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vinchris hat geschrieben:Na, dann hast Du immerhin die Chance, den "Läufer" genau dahin zu kleben, wo er hingehört. :D Meine Finishermedaille kam am Dienstag, glaube ich, und ist schon schön. Nur hat es beim Aufkleben mit der korrekten Position nicht 100%ig geklappt. :zwinker5: Fällt für mich bei den hohen Stückzahlen aber unter "lässliche Sünde" ...

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Ein Vereinskollege von mir hat die Medaille auch als ganzes erhalten. Aber ich sehe das voll positiv. Es zeigt mir, dass man mir im Gegensatz zu meinem Kollegen die intellektuellen Fähigkeiten zutraut, ein 2-teiliges Puzzle zu vollenden. :D

Bernd
Das Remake
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