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Mein 3. und schöönster HM in meinem Heimatstädtchen

Mein 3. und schöönster HM in meinem Heimatstädtchen

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Hach, was ist das Leben schön. Hach, was geht's mir gut. Hach, was bin ich einfach nur happy.

Vor einer Woche war ich mir noch nicht sicher, ob ich ihn mitlaufen würde, den Halbmarathon in meinem Heimatstädtchen Semur, der jedes Jahr im Oktober stattfindet. Schließlich ist der Berlin-Marathon ja gerade mal zwei Wochen her. Aber jeder Tag, der verstreicht und an dem es mir gut geht, lässt mich ein bisschen sicherer werden - klar lauf ich ihn mit, meinen Semur-Halbmarathon. Geht doch nicht, dass ich einen HM vor der Haustüre hab und den nicht mitlaufe. Ich werd ihn halt gemütlich laufen, aber dabei sein will ich. Außerdem habe ich schon zwei Weingläser aus den beiden vergangenen Jahren in meinem Regal stehen, und das von 2007 darf in der Sammlung auf keinen Fall fehlen.
Gestern abend mache ich dann eine einigermaßen erstaunliche Feststellung: ich bin aufgeregt. Häh? Was'n nu los? :confused: Vor dem Berlin-Marathon nicht die Spur nervös sein, und vor einem popeligen Halben (mein 8. insgesamt) bin ich aufgeregt? Nun, ich nehme es einfach so hin, wie es ist, vielleicht ist das ja ein gutes Zeichen. Wie auch immer, ich werde ihn gemütlich laufen :prof: , einfach nur zur Freude und für mich selbst.
Um zehn ist der Start, um neun Uhr gehe ich zur Startnummernausgabe und stelle fest, dass an dem Tisch, wo die Startnummern für den 9,4-Kilometer-Lauf ausgegeben werden, eine richtig lange Schlange ist, und dass an dem Tisch für die Halbmarathonis kein Mensch ansteht. Ich steuere also auf den Monsieur zu und sage ihm meinen Namen. Er sieht mich freundlich an und sagt, "hier gibt es nur die Startnummern für die 21 Kilometer. Die 9,4 Kilometer sind da drüben." Ich bin perplex. "Aber ich laufe doch die 21 Kilometer, deswegen bin ich hier!" - "Sind Sie sicher??" - "Ja, ich bin sicher!!" (Also sowas!!! Frechheit! Und das einem Marathon-Hasen! :motz: ) Er schaut in seiner Liste nach und findet (natürlich) meinen Namen. Ich mache mir über diesen Vorfall keine weiteren Gedanken und mische mich unter die Menge, wo ich meinen Arbeitskollegen treffe, der die 9,4 km heute "ganz gemütlich" in 36-38 Minuten laufen will, wie er sagt. Ja, scho recht. Seine Freundin ist so nett und bewahrt mein langärmeliges Shirt für mich auf, das ich trotz Fröstelns beschließe auszuziehen - auch wenn ich ihn gemütlich laufen werde, diesen Halbmarathon, so weiß ich doch, dass mir warm werden wird.
Der Start ist für Halbmarathonis und 9,4-km-Läufer gleichzeitig, und so reihe ich mich ein in den Pulk und stelle mich ganz hinten hin, ich sehe fast nur 9,4-Startnummern um mich herum und habe keinerlei Lust, gleich von denen überrannt zu werden. Peng, es geht los, ich laufe, ich laufe inmitten von lauter 9,4-Kilometer-Leuten, und es fühlt sich gut an. Öhm, "gemütlich" ist dieses Tempo aber nicht unbedingt. Na ja, mal sehen, das können wir ja später noch korrigieren. Bei Kilometer 2 ist das erste Kilometerschild, ich schaue auf die Uhr und kriege einen Schreck. Öhm. Moment mal. Hase, so geht das nicht, du bist viel zu schnell. Ich bin die ersten zwei Kilometer in exakt 10 Minuten gelaufen!! Das ist ein Halbmarathon und kein 5-Kilometer-Rennen! Aber ich mache nicht wirklich langsamer. Das können wir ja später immer noch sehen.
Was mich sehr amüsiert: ich laufe diesen Halbmarathon nun bereits zum drittenmal mit, ich kenne jeden Meter, den ich ablaufe, und doch bin ich absolut nicht imstande, mir die Streckenführung für die ersten 10 Kilometer zu merken. Es geht kreuz und quer durch Semur, immer wieder andere Schleifen laufen wir, mir wird ganz schwindlig und ich bin den Ordnern sehr dankbar, dass sie uns sagen, wo wir hinlaufen müssen. Zweimal laufen wir durch die Fußgängerzone, beide Male aus entgegengesetzten Richtungen kommend, und ich sage nur Kopfsteinpflaster. Aufpassen, nicht umknicken mit den Pfoten! Als ich bei meinem Bäcker vorbeikomme, freue ich mich, denn da steht meine Freundin Audrey, mit ihrer süßen kleinen Orane, und sie winken mir beide zu. Sie ruft mir noch nach, "tu as l'air fraîche comme une rose!" (Du siehst frisch wie eine Rose aus!), und schon bin ich weg. Jetzt geht es den Berg hinter unserer Pizzeria hinunter, und ich sage jetzt wirklich ganz insistent HOLPRIGSTES KOPFSTEINPFLASTER - bloß auf die Knöchel aufpassen, denn dieses Kopfsteinpflaster ist wirklich noch original aus dem Mittelalter, mindestens. Bei km 5 bin ich bei 27 Minuten, ich finde mich eigentlich immer noch viel zu schnell und vergesse auch nicht, dass ich noch 16 Kilometer vor mir habe, aber was soll's. Ich sage auch ganz ohne Schadenfreude, dass es Spaß macht, eine ganze Reihe von 9,4-Läufern zu überholen.... ich denke an letztes Jahr, wo es mir nicht gut ging, und ich fange an, dieses Rennen richtig zu genießen. Ich nehme mir vor, zumindest meine Zeit vom letzten Jahr zu verbessern, da bin ich 2:10 gelaufen.
Die Zeit von 2005 kommt mir absolut utopisch vor - da habe ich es in 2:03 geschafft, und der Semur-HM ist alles andere als flach, da sind ein paar richtig schöne ordentliche Berge drin.
Also, irgendwas unter 2:10 wäre schön.
Ich freue mich mittlerweile des Lebens, es geht jetzt den Berg an der Stadtmauer entlang hinunter zum Flüsschen Armançon, und aus irgendeinem Lautsprecher schallt in voller Dröhnung die italienische Version von Ti Amo. Schlager sind beim Laufen gar nicht mal das Schlechteste, stelle ich fest, und grinse mir eins. Ich bin eigentlich ständig am Grinsen, bedanke mich bei allen Zuschauern, die mich anfeuern, und bei allen Ordnern, die mir so nett den Weg zeigen. Ich laufe am Armançon entlang und weiß, dass sie jetzt gleich kommt - die berühmt berüchtigte Ruelle Trémy. Das ist eine richtige Semurer Wand, eine Straße, die so steil ansteigt: / Ich übertreibe nicht. Und wie jedes Jahr befinden sich hier die meisten Zuschauer - die Leute sind im Grunde ihres Herzens einfach Sadisten, oder nicht? Ich überhole einige, die hier am Gehen sind (ihr seids wohl keine Semurer, was?), keuche dann nicht schlecht, als ich oben ankomme :kruecke: , laufe an meiner Wohnung vorbei, bin dabei überhaupt nicht versucht, einfach heimzugehen, und laufe zum ersten Mal durchs Ziel - die 9,4 km sind schon mal geschafft. Ich muss über ein kleines Mädchen lachen, das mir den Daumen nach oben zeigt und sagt, "allez, plus qu'une petite boucle!" (Los, nur noch eine kleine Runde!) Na die wird es wissen! Mein Arbeitskollege ist natürlich schon lange da und feuert mich an, und ich sage zu ihm, "ich bin viel zu schnell, ich kann das Tempo auf keinen Fall halten." Er sagt nur, red nicht, lauf, na gut, und dann passiere ich die 10-km-Marke. Ich schaue auf die Uhr - 57 Minuten. Spätestens jetzt wird mir klar, dass das heute wohl nicht wirklich ein gemütlicher HM ist. Und nun ist das Durchstreifen von Semur beendet, wir laufen aus Semur raus, auf die altbekannte St-Euphrône-Runde, die ich auch blind laufen könnte, so gut kenne ich sie. Zuerst geht es in Richtung Lac de Pont, und hier ist der nächste Berg. Es geht fast einen Kilometer lang steil bergauf, und ich überhole zwei Läufer (ihr seids wohl keine Semurer, was? :geil: ). Jetzt haben wir Gegenwind, aber richtig. Oben an der Kuppe nutze ich eiskalt einen Läufer aus, der direkt vor mir in meinem Tempo läuft und mir bergab wunderbar Windschatten spendet. Als wir unten ankommen und der Wind weniger wird, überhole ich ihn und bedanke mich für seine Hilfe. Böse - aber er lächelt mich an und sagt, kein Problem. Jetzt geht es nach links weg in Richtung Pont-et-Massène, und es geht wieder steil bergauf. Ich ermutige mich selbst, indem ich mir sage, dass mir das nichts ausmacht, weil ich das doch alles kenne. Und das hilft wirklich. Es läuft einfach. Ich laufe durch St. Euphrône, schaue bei km 15 wieder auf die Uhr - 1 Stunde 27. Ich freue mich, ich laufe wunderbar regelmäßig und nehme mir einfach vor, so weiterzulaufen. Und das geht. Kilometer 18 ist in Villenotte, und ich nähere mich unaufhaltsam meiner geliebt-gehassten Allee, die mir auch heute wieder 269 Kilometer lang scheinen wird, mindestens, ich weiß es. Langsam fängt es an, wehzutun. Meine rechte Fußsohle brennt, und ich weiß, dass ich da ein paar ganz wunderbare Blasen finden werde. Wär ich doch gemütlich gelaufen. Oder? Nö, so ist es auch nicht schlecht. Leider kriege ich auf der Allee keine Endbeschleunigung hin, aber ich schaffe es, mein Tempo zu halten. Los, Hase, noch zwei Kilometer, lass nicht nach, ja, jetzt tut es weh, aber es ist gleich vorbei. Oh Mann, wie ich den letzten Kilometer eines HMs immer hasse - es tut einfach immer weh, hallo Kotzgrenze, NIE werde ich einen Marathon auf Zeit laufen, das schwöre ich mir in diesem Moment, und dann laufe ich durchs Ziel und schaue auf meine Uhr und könnte jodeln vor Freude.
Meine Uhr sagt 2 Stunden, 2 Minuten!! Ich habe meine Semur-Bestzeit von 2:03 tatsächlich verbessert! Das gibt mir einen solchen Kick, 2:02 bei diesem bergigen Profil ist wirklich nicht ohne, ich möchte hüpfen und freue mich und möchte meinem Charly um den Hals fallen und ihn mit Wimperntusche beschmieren. Ich denke an den Semur-HM vor einem Jahr, wo ich alles andere als gut drauf war und die 2:10 als einen einzigen Kampf empfunden habe, und dann sowas!
Ich freu mich, ich freu mich und ich bin stolz auf mich :hurra: .

Noch für die Statistik: das war mein 8. Halbmarathon insgesamt, und von diesen acht HMs bin ich nur einen einzigen, nämlich den ersten, nicht im Burgund gelaufen - ich bin wohl halbmarathonmäßig eindeutig etwas burgundlastig :zwinker4: .
:winken: Hase


I am vegan because I feel that other sentient beings are not mine to use.

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Oooh, Hase -

na siehst du, das hört sich doch schon ganz anders an als nach dem Berlin-Marathon! Traumhaft gut gelaufen - und wie es sich auf einer nicht so flachen Strecke läuft, kann ich gut nachempfinden. Bin nämlich heute parallel zum Brüssel-Marathon mit dem Radel zu meinem Lauftreff gefahren und da sahen auch einige so aus, als wären sie keine Brüsseler und etwas überrascht, was hier so anstiegmäßig los ist. Selbst die kenianische Spitze, die wir auf dem Hinweg noch sahen, flitzte nicht ganz so leichtfüßig vorbei, wie man sie sonst so kennt.

Meinen herzlichen Glückwunsch zu einer neuen Semurer Bestzeit!

LG,
Babs

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Danke für Deinen schönen Bericht und herzlichen Glückwunsch zur Bestzeit :party2:
Viele Grüße

Petra
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Danke, ihr Lieben! :)
Voyager hat geschrieben:herzlichen Glückwunsch zur Bestzeit :party2:

Öhm - Semur-Bestzeit, bitteschön :prof: .

Meine HM-Bestzeit liegt bei 1:58 :zwinker4:
:winken: Hase


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