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Marathoni erst nach dem 3. Finish oder Respekt vor 42,195, aber keine Angst!

Marathoni erst nach dem 3. Finish oder Respekt vor 42,195, aber keine Angst!

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Ich lief letzten Sonntag in Köln meinen Marathon. Meinen dritten, aber eigentlich den ersten, weil er Spaß gemacht hat.

Gut, viele von Euch brauchen oder brauchten gar keinen Marathon, um festzustellen, dass es nur Spaß macht, wenn man nicht leidet. Ich meine dabei nicht das Leiden, wenn die Oberschenkel nicht mehr können, sondern das Leiden, wenn der ganze Körper nicht mehr kann und die Pace zweistellig wird. Ich brauchte zwei Anläufe.

Mein Debüt (Köln 2007) war nur auf Ankommen ausgerichtet und so war die Zeit in dem Bereich, wo hier im Forum diskutiert wird, ob das denn noch ein Marathon ist oder nicht :D . Für mich war (und ist) es einer und ich hatte zu kämpfen. Grund war die unzureichende Vorbereitung. (Jetzt bin ich klüger) Aber ich wusste damals schon, dass viel mehr drin ist.

Also Bonn 2008, aus welchem Grunde auch immer, ich war trotz des Vorhabends, mich nun optimal vorzubreiten nicht so vorbereitet, wie das geplant und notwendig gewesen war und schleppte mich so ab KM 26 bis ins Ziel. Zeit zwar sub 5 aber nur gerade mal 15 Minuten drunter. Ich haderte, aber wollte es mit männlicher Unlogik noch mal wissen.

Köln 2008.

Ich gebe zu, dass ich nun den gehörigen Respekt hatte. Es war sogar mehr als nur Respekt, ich hatte schließlich erlebt, dass es nicht mehr ging. Es war wohl auch ein wenig Angst und zwar vor der Enttäuschung, da mein Training diesmal viel umfangreicher und besser gewesen war.

Ich trainierte also drei Monate vorsichtig auf sub 4:15 und da der Trainingsplan sub 4 die gleichen Laufeinheiten nur schneller vorsah und es nach ein paar Wochen und noch zwei Monaten vor dem Wettkampf sehr einfach war, die Vorgaben (sub 4) zu erfüllen, reifte in mir der Plan, vielleicht könnte ich ja doch sub 4 versuchen. Ich änderte das Training also auf die Werte sub 4 und …. fühlte mich gut.

Ich beobachtete hier im Forum die Mitstreiter, insbesondere die, die ähnliches vorhatten und auch ähnliche Trainingsergebnisse vorwiesen und auch sub 4 ansteuerten.

Dann leider erging es einigen eine Woche vorher in Berlin ein wenig so wie mir in Bonn und mir wurde wieder bewusst, es sind doch 42,195 Kilometer. Ich haderte und Plan B (also der eigentliche Plan A) drängte sich wieder in den Vordergrund. Sub 4:15.

Bis kurz nach (!) dem Start wusste ich noch nicht, was ich versuchen sollte. Ich ging in den Lauf und wollte einfach mal schauen, ob mir der Schnitt 5:40 was ausmachen würde. Dann lief ich los.

Der FR 305 zeigt die Pace an und sehr schnell wurde mir klar, dass natürlich eine Pace von 5:40 oder sogar 5:30 drin war, aber da kam die innere Stimme durch, die mich an Bonn erinnerte, wo ich viel zu schnell losgelaufen war. Das bremste mich und der Respekt (ich will also wirklich nicht Angst sagen) kam zurück und ich drosselte. Ich lief knapp 26 Kilometer mit ständigem Drosseln, meiner Frau hatte ich schon am Rande bei Kilometer 6 „Plan B“ (also sub 4:15) zugerufen, um es auch amtlich zu machen.

Dann bei KM 26 ließ ich es laufen. Viel schneller wurde es nicht, ein wenig. Die sub 4 war natürlich nicht mehr zu schaffen und ich begann mich schon zu ärgern, dass ich Plan A so schnell hatte fallen lassen. Dann kam aber KM 34 und es wurde schwer, meine Pace fiel zurück und wenn ich nicht zwei Frauen vor mir gehabt hätte, die stur ihre 5:50 – 6:00 gelaufen wären, meine Endzeit von 4:14:50 hätte ich wohl doch nicht geschafft.

Ich hatte keinen Zusammenbruch, kein Mann mit dem Hammer und ich konnte die letzten drei Kilometer sogar wieder zulegen. Es hatte Spaß gemacht und ich lief mit einem Lächeln über die Ziellinie.

Jetzt frage ich mich natürlich, was wäre passiert, wenn ich die sub 4 probiert hätte. Wäre am Ende eine 4:04 herausgekommen, hätte ich es vielleicht sogar geschafft oder wäre es wieder im Desaster geendet.

Natürlich ist die Frage müßig, aber ich will sie nächstes Jahr beantworten. Der Respekt wird bleiben, die Angst (die ich natürlich nie hatte) ist aber kein Problem mehr. Ich bin nun angekommen und fühle mich eigentlich erst seit Sonntag als Marathoni.
Lynx

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Lynx hat geschrieben:Ich bin nun angekommen und fühle mich eigentlich erst seit Sonntag als Marathoni.
Womit du ja dann die Frage nach Nummer 1 + 2 für dich beantwortet hättest. :zwinker5:
Lynx hat geschrieben:Jetzt frage ich mich natürlich, was wäre passiert, wenn ich die sub 4 probiert hätte. Wäre am Ende eine 4:04 herausgekommen, hätte ich es vielleicht sogar geschafft oder wäre es wieder im Desaster geendet.
Ich bin sicher, dass es richtig war, dass du dich gebremst hast. Du hast doch gemerkt, dass es auf der zweiten Hälfte schwer genug war, dein Tempo zu halten. Statt 4:04 wäre es eher eine 4:40 geworden.

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Hallo Lynx,

sehr interessant was Du schreibst. Für mich ist es sehr hilfreich, mein nächstes Ziel, nämlich einen Marathon zu laufen, zu verwirklichen. Deine Erfahrungen die Du in den 3 Läufen gesammelt hast helfen bestimmt vielen hier.

Meine Planung läuft darauf hinaus, nächstes Jahr einen Marathon in Angriff zu nehmen. Werde mich wie Du am eigenen Körper festgestellt hast, reichlich vorbereiten.

Mein Respekt geht an Dich! :daumen:


Sag, Du bist auch sicherlich schon HM gelaufen? Kannst Du sagen mit was für einem Schnitt Du diesen laufen kannst. Wäre für mich eine Orientierung.

Liebe Grüße

Rennmäuserich

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Rennmäuserich hat geschrieben:Sag, Du bist auch sicherlich schon HM gelaufen? Kannst Du sagen mit was für einem Schnitt Du diesen laufen kannst. Wäre für mich eine Orientierung.
Die Frage bezieht sich ja auf die Gegenwart und ich bin nun schon länger keinen HM mehr gelaufen. In den schnellen Einheiten, die auch schon mal so um die HM-Entfernung lagen, bin ich ohne große Probleme nach Plan mit einer Pace von 5:40 gelaufen. Bei einem realen Wk hätte wohl auch eine bessere Zeit herauskommen können, wenn man den Fehler vermeidet, am Anfang zu schnell zu laufen.

So gesehen glaube ich, dass WinfriedK recht hat:
WinfriedK hat geschrieben:Du hast doch gemerkt, dass es auf der zweiten Hälfte schwer genug war, dein Tempo zu halten. Statt 4:04 wäre es eher eine 4:40 geworden.
LG
Lynx

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Hallo Lynx!

Gratulation zur neuen PB und danke für den schönen Bericht.

Ich denke auch, dass die Entscheidung auf die 4:15 zu gehen auf jeden Fall richtig war. So konntest du es wenigstens genießen!

Liebe Grüße
nachtzeche
"Die auf den Herrn harren kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden!" (Die Bibel, Jesaja 40,31)

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Hallo Lynx,

prima - mir ging es ähnlich wie dir. Nicht der erste Marathon war derjenige, der richtig Spaß machte, sondern der, bei dem ich das erste Mal das Gefühl hatte, meinen Körper nahezu im Griff zu haben. Und das war auch "erst" der dritte oder vierte. :zwinker2:
Christoph

"Ich bin kein Mensch.
Ich bin eine Maschine.
Ich kenne keinen Schmerz.
Ich laufe rein mechanisch."
(frei nach: Haruki Murakami)


dwarfnebula twittert

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Herzlichen Glückwunsch zum erfolgreichen Finish in Bestzeit :daumen: und vor allem dazu, dass du Spaß dabei hattest.

Die Frage, ob eine sub4h drin gewesen wäre bei schnellerem Beginn, hast du dir ja schon selbst beantwortet. Ich denke sogar, dass du mit dem vorsichtigerem Beginn dem Hammermann ausweichen konntest :zwinker5: .
Ich habe mal gelesen, dass man im Marathon zum Schluss die doppelte Zeit verliert, wenn man zu Beginn zu schnell anläuft. Vielleicht solltest du vor dem nächsten Marathon mal Wettkampf-Testläufe machen, die eine gute Standortbestimmung sind. Bei mir haben nämlich meine Zeiten über HM und 10 km knapp nicht für sub4h gereicht, so dass ich es gar nicht erst versucht habe. Und ich bin wirklich gut damit gefahren.

Viele Grüße
Anett
Radiergummi-Liga
Bild

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Hallo Lynx,

Gratulation zu deinem erreichten Ziel - mir ging es in Köln ganz ähnlich (3:30 oder 3:45 als Zielzeit) nur ich habe den 'Fehler' gemacht, mich am Anfang (weil es so gut lief) treiben zu lassen und im Bereich auf die 3:30 zu laufen. Bei Kilometer 30 kamen dann (zusammen mit dem Regen und Wind) die Probleme und ich habe mich selbst verflucht, weil ich mich am Anfang nicht zurückgehalten habe... Spaß hat das am Ende keinen mehr gemacht und auch wenn ich genau mit 3:45 ins Ziel gekommen bin - bei einer besseren Einteilung, hätte ich mich für diese Zeit nicht so quälen müssen. 42 km sind halt doch eine ganze Menge und der Körper muss an seine Grenzen gehen... Ich habe für mich die Lehre gezogen, für nächstes Jahr in Richtung 3:15 zu trainieren, dann weiß ich, dass ich die 3:30 gut erreichen kann.

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Lynx hat geschrieben:Ich lief letzten Sonntag in Köln meinen Marathon. Meinen dritten, aber eigentlich den ersten, weil er Spaß gemacht hat...
Hallo Lynx,

genau meine Einstellung. In "unserer" Klasse (+-4) muss ein Marathon keine Quälerei sein, wenn man sich nur vernünftig vorbereitet hat und am Tag X die Sache seinem Trainingsstand entsprechend angeht.

Im Zeitalter von allverfügbaren Trainingsplänen, elektronischem Equipment, hilfreichen Foren usw. sollte sich die Leidenskomponente des Mythos Marathon - zumindest in dieser Leistungsklasse - überlebt haben. Dies schmälert in keinster Weise den Respekt vor dem Zurücklegen der 42 km, sondern verlagert ihn von der Bewunderung, einen unzureichend vorbereiteten Körper "against all odds" über die Distanz zu malträtieren, hin zu Anerkennung von Trainingsdisziplin und realistischer Selbsteinschätzung.

Gruß Zwangsläufer

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Lynx hat geschrieben:Jetzt frage ich mich natürlich, was wäre passiert, wenn ich die sub 4 probiert hätte.
Du hättest Dich auf der zweiten Hälfte gequält, nur um letztendlich 15 Minuten schneller als beim Marathon davor zu sein :nick: . Ich finde eine Verbesserung von 30 Minuten und noch Spaß dabei zu haben schon beachtlich. Vielleicht solltest Du Dir für die nächsten Marathons Verbesserungen in 15-Minuten-Schritten vornehmen, dann fällt die 4-Stunden-Grenze irgendwann von ganz allein. Und Du hast auf jeden Fall Spaß dabei!
Renn-Schnecke

... von 2 auf 100 in 11 Jahren ...
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