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16. Eiskunstlauf im Grunewald - aka Polarnacht

16. Eiskunstlauf im Grunewald - aka Polarnacht

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"Zum Eiskunstlauf nach Berlin" könnte man diesen Bericht über die 16.Berliner Polarnacht auch betiteln - nur gefrierender Regen hätte den Untergrund noch unangenehmer werden lassen können. 10 Tage vorher, war es noch Kälte um die minus 15 Grad, die vielen Teilnehmern in Spe die Sorgenfalten auf die Stirn getrieben haben. Zwei Tage vorher passten dann die Temperaturen, aber nun kam das Wort "Eis" ins Spiel, das ich - und das gebe ich hier unverblümt zu - doch etwas unterschätzt habe. Was sollte es denn für eine Rolle spielen, wenn Wege vereist sind, wir sind doch nicht im Hochgebirge, so dachte ich. Tatsächlich aber ist es für eine solch lange Strecke wesentlich, ob man nun lockeren Schrittes 6 km/h dahin marschiert oder auf unsicherem Grund mit erheblich mehr Kraftaufwand nur mit einem Tempo von 5 km/h vorwärts kommt. Na ja, am Start wussten wir von all dem noch nichts.

Treffpunkt sollte am Freitagabend kurz vor 20 Uhr in der Schalterhalle des Bahnhofs Spandau sein. Oliver und ich trafen schon kurz nach 19 Uhr dort ein und wurden da auch schon von Martin in Emfang genommen. Wechselklamotten und Dinge, die ich auf der Tour nicht gebrauchen würde, verstaute ich schnell in einem Schließfach und schon ging es mit Kathrin und Martin zu einem Asiatischen Schnellimbiss, wo wir uns noch mit einem Teller angerösteter Nudeln mit scharfer Sauce für die Nacht rüsteten.

Anschließend trafen wir in der Schalterhalle auf den Rest der Truppe. Es ist ja eigentlich immer der gleiche Personenkreis bei diesen exklusiven Wanderveranstaltungen und es ist schön, eigentlich alle Mitwanderer schon persönlich zu kennen. Es waren an die 15 Teilnehmer, auch Dänemark war mit zwei Wanderern gut repräsentiert. Wanderleiter Wolfgang Pagel hatte die Tour bestens vorbereitet und übergab jedem jeweils eine Karte mit Routenführung für die Nacht- und für die Tagesstrecke, außerdem noch eine Übersicht mit einem bis ins kleinste Detail aufgezeichneten Zeitplan für Etappen und Pausen.

Nachdem nun alles klar war, ging es hinaus in die Spandauer Nacht. Es war nicht ausgesprochen kalt, so um die Null Grad, und beim zügigen Wandern erreichte der Körper schnell Betriebstemperatur. Anfangs ging es ja auf schönen, freien Wegen durch den Ort Spandau, ehe der Weg dann zum ersten Mal über eine Brücke führte und wir die großen Eisschollen sahen, die an der Oberfläche der Havel trieben. Es war eine sehr schöne Szenerie, ein paar Schiffe lagen am Ufer, Laternen wiesen den Weg und die Lichter der Häuser spiegelten sich im Wasser. Wir brauchten uns ja nicht um den Weg zu kümmern und marschierten einfach Wolfgang immer hinterher. Als es dann am Uferweg an der Ostseite des Tegeler Sees entlang ging, merkten wir schnell, dass die Wegverhältnisse uns wohl hin und wieder auf die Probe stellen würden.

Die erste geplante Rast hielten wir dann an einer Bankgruppe am Tegeler See ab, wo jeder Mitgebrachtes verzehrte. Die Örtlichkeit war schön am See gelegen und ließ nichts zu wünschen übrig - Romantik pur!

Die Karawane marschierte weiter durch den Berliner Forst und mittler Weilen hatten wir schon mitbekommen, dass die ständigen glatten Stellen höchste Aufmerksamkeit erforderten. "Meditatives" Wandern würde da eher zu Stürzen führen, die sich dann tatsächlich auch etwas später bald einstellten - es war nur eine Frage der Zeit.

Aus dem stillen Wald heraus leuchtete uns nun eine Autobahnraststätte in strahlendem Gelb entgegen. Um dorthin zu gelangen mussten wir aber erst einen Durchschlupf im Zaun des Raststättengeländes finden, aber auch dieses Problem war schnell gelöst. Hier konnten wir uns wieder etwas aufwärmen, warmes Essen und Getränke zu uns nehmen. Es war nicht so toll gemütlich dort, das Essen war nicht gerade günstig, Suppe reichte nicht für alle, aber trotzdem war der halbstündiger Aufenthalt in warmer Umgebung eine willkommene Abwechslung in der endlos langen Winternacht.

Wieder hinaus in die Kälte und weiter marschiert. Stolpe Süd wurde umrundet und dann waren wir schon bald wieder am Havelufer. Irgendwie hatten wir uns alle schon an die glatten Wegverhältnisse gewohnt und marschierten, wenn es mal sehr glatt wurde, auch mal im Gänsemarsch hintereinander. So wanderten wir dahin und träumten wohl schon von dem Cafe in Spandau, das uns für die Frühstückspause erwartete. Aber bis dahin waren es noch ein paar Stunden und einige Kilometer.

Es ging wieder in den Wald hinein. Hier machte uns Wolfgang auf Stellen der ehemaligen Zonengrenze aufmerksam, die nun in den Jahren nach dem Mauerfall schon einen sehr schönen Baumbestand aufzuweisen haben - überhaupt haben wir auf unserer Wanderung die ehemalige Grenze einige Male passiert.

Eiskeller. Pause und Temperaturmessung waren hier angesagt. Die offizielle Messung ergab minus 2 Grad. Aber gefühlt ging es dann schon in den Bereich unter minus 5 Grad, weil hier ja auch der Wind unangenehm auffrischte. Wir ließen uns aber die Lust nicht verderben und harrten an diesem "gemütlichen" Plätzchen eine halbe Stunde aus, ehe wir uns wieder aufs Eis begaben. Nun waren die Gedanken aber wirklich schon sehr von der Rast im Spandauer Frühstückscafe beseelt. Es war ja nur noch eine gute Stunde Fußmarsch bis dorthin.

Und das Cafe war herrlich geräumig, die Auswahl groß, die Bedienungen sehr freundlich und es war einfach alles überaus gemütlich. Erstaunlich, was man um diese Zeit alles in sich hinein stopfen kann. Mancher zog hier auch die Schuhe aus und die sehr dezenten bis rustikalen Duftnuancen trugen erheblich zum besonderen Flair dieser Örtlichkeit bei. Gut für das Geschäft, dass wir uns doch etwas in entferntere Winkel des Cafes zurück gezogen hatten. Auch die schönste Pause muss mal enden, so auch diese.

Ein paar Kilometer hatten wir nun noch bis zum Bahnhof Spandau, wo die Nachtstrecke endete und weitere Wanderer uns bei der Tagesstrecke begleiteten. Im Bahnhof war eine große Gruppe von Wanderern versammelt, die, wie sich aber schnell heraus stellte, mit der Polarnacht Wanderung nichts zu tun hatten. Soweit ich in Erinnerung habe, stießen hier drei Frauen zu unserer Gruppe, unter anderem auch Heidrun, die Frau des Wanderleiters. Hier war kein langer Aufenthalt geplant und so machten wir uns gleich auf den Weg zur Tagesrunde.

Bisher klappte die Zeitplanung von Wolfgang perfekt. Wir machten irgendwie einen Bogen um besiedeltes Gebiet und hatten immer viel Grün um uns herum, sofern man in dieser Jahreszeit von Grün sprechen kann. Bald schon konnten wir einen beeindruckenden Gipfel ausmachen, der Hahneberg, den wir auf eisglatten Wegen erklommen, um dort oben eine schöne Gipfelrast mit herrlichen Ausblicken zu genießen. Ja, hier war es gemütlich, der Tag war schön und auch die Sonne ließ sich langsam etwas blicken, auch wenn sie nicht gerade zu Temperatursteigerung beitragen konnte. Der Abstieg vom Berg war ein Kapitel für sich - Respekt vor den Damen, wie sie die eisige Rodelstrecke, den Durchstieg durch dichte Baumgruppen und kurze steile Abhänge bewältigten!

Es zog uns nun wieder Richtung Havel, wo wir ja schon langsam Sehnsucht nach der Mittagsrast hatten, besonders der Gedanke an ein Weißbier zum Essen ließ einen in Träumen schwelgen. Aber bis dahin stand noch harte Kilometerarbeit an. Wir sahen ja vom Westufer der Havel schon beinahe unser Ziel, aber unverschämter Weise mussten wir noch schön weiträumig um die Buchten herum, bis es dann nach der Überquerung einer Stahlbrücke auf der anderen Uferseite wieder zurück in Richtung Rastplatz ging. Das Tempo war nun auch nicht mehr so schnell, wie es vorher schon mal war, aber der Zeitplan passte noch einigermaßen. Ich hatte mir aber bereits jetzt schon vorgenommen, die Gruppe nach der Rast zu verlassen und versuchen Spandau Bahnhof schnell zu erreichen, um meinen Zug zurück nach München noch zu erreichen.

Aber erst einmal wollten wir nun etwas essen. Im Wirtshaus Schildhorn - so hieß das Lokal fanden wir alle in einem rustikalen, barocken Saal reichlich Platz. Zwei Bedienungen bemühten sich um uns und es wurde schnell klar, dass es länger dauern würde, bis wir etwas zum Essen bekommen würden. Wir überbrückten die Zeit bis dahin mit Weißbier. Drei davon gaben mir die nötigen Mineralien für den Rest der Strecke zurück. Nach dem Essen verabschiedete ich mich von Wolfgang Pagel und den anderen Mitwanderern und versuchte nun etwas schneller zu wandern. Das gelang mir auch ganz gut, solange es an dem Gehweg entlang der Straße ging. Hier konnte man es endlich mal wieder rollen lassen. Ich freute mich schon auf den Rest der Strecke. Zu früh gefreut!

Unter der Autobahn hindurch führte mich der Weg zum Ufer des Schlachtensees. Ich wollte Naturgenuss pur haben, also begab ich mich auf den Uferweg und fand dort einen spiegelglatten Weg vor, der alles bisherige bei weitem übertraf. Auf dem Weg konnte man nicht einmal stehen, ohne dass einen die Schwerkraft entsprechend der Wegneigung ins Rutschen brachte. Am Wegesrand gelang es dann, sich einigermaßen durch zu kämpfen.

Ich dachte an meinen Zug. Die Zeit verstrich so unglaublich schnell und ich kam nicht voran. Irgendwann begab ich mich dann auf den Weg, der etwas oberhalb parallel dahin führte. Es war zwar auch dort noch glatt, aber es ging so halbwegs. Bei der Krummen Lanke wechselte ich die Uferseite. ich kam nicht so voran, wie ich eigentlich wollte. Glätte, Glätte, Glätte - wohin man auch blickte. Der Uferweg endete und ich stieß danach auf eine Straße. Nun wollte ich nur noch auf dem kürzesten Weg nach Spandau zurück.

Verhängnisvoller Weise nahm ich den Weg nach rechts (warum weiß ich nicht) und wanderte flott und hocherfreut, dass die glatten Wege ein Ende hatten bis nach Zehlendorf. Dort überquerte ich Geleise, sah eine U-Bahnstation und fragte Passanten, wo ich mich nun eigentlich befand. Mir wurde geholfen, aber man sagte mir auch, dass es bis nach Spandau noch sehr weit sei. Also 180 Grad Kehrwendung und zurück.

Nun fing ich langsam an, streckenweise zu laufen. Ich passierte die Stelle an der ich falsch abgebogen war und nahm dann den Weg zum Grunewaldsee, wie er auch als Tagesstrecke geplant war. Hier war es auch glatt, aber irgendwie ging es gut vorwärts. Ich lief nun immer öfter und längere Abschnitte. Am Schloss Grunewald gönnte ich mir eine Bockwurst. Die Strecke zog sich ja doch noch etwas hin.

Weiter, immer weiter folgte ich dem Weg, wie er auf der Karte eingezeichnet war. Ich freute mich, dass ich mich auf dem richtigen Weg befand und ich wieder gut voran kam. Es ging wieder unter der Autobahn durch und mein nächstes Ziel war ein "Horchposten" auf einem Hügel im Grunewald. Hier verließ mich wieder die Orientierung. Auf der Karte waren auch keine Details mehr für mich erkennbar und ich ging den Weg entlang des umzäunten Geländes - es war ein sehr schmaler, sehr vereister Weg an einem eisigen, abschüssigen Hang.

Das kostete Zeit, sich an dem Zaun entlang zu hangeln. Ich war froh, als diese Passage vorbei war und ich einen gangbaren Weg ins Tal fand. Der Funkturm war nun mein Richtpunkt und ich kam bald wieder auf breitere Wege, konnte viel laufen, kam bald zu der bereits vormittags überquerten Stahlbrücke über die Havel und wusste nun auch wieder, wo ich mich befand ;-) Ich lag nun gut in meinem Plan und erreichte den Bahnhof noch vor 18 Uhr, so dass ich noch genug Zeit hatte, um mich für die Rückfahrt etwas frisch zu machen.

Als ich mich umgezogen hatte und für die Abfahrt vorbereitet war, kaufte ich mir noch eine Tüte Eis im Einkaufszentrum - es war ja Polarnacht. Beim Betreten des Bahnhofs hörte ich Geschrei hinter mir, was ich aber ignorierte. Nie und nimmer rechnete ich damit, dass die Wandergruppe nun auch schon ihr Ziel erreicht hatte. Auch sie hatten kurzfristig die Strecke abgeändert, nachdem ja ein Großteil der geplanten Route nahezu unbegehbar war. Hätte ich das gewusst, wäre ich bei der Gruppe geblieben.

Diese Wanderung war ein tolles Erlebnis und es ist Wolfgang zu verdanken, dass sie für alle zu einem guten Ende geführt hat. Ein umgeknickter Fuß, Prellungen oder Schlimmeres kann bei einem Sturz auf eisglattem Weg schnell passieren. Ich erinnere mich an einen Unfall, der mich im Januar 2008 ereilte, als ich auf einem glatten Weg ausrutschte, reaktionsbedingt aber nicht stürzte, sondern mir bei dieser heftigen Aktion ein dickes Bündel im Oberschenkel abriss. Seien wir also froh, dass die Polarnachtwanderung gut ausgegangen ist!

Warten wir also auf die nächste Temperaturmessung im Januar 2010 im Eiskeller! :hallo:
Schöne weißblaue Grüße ...

Kurt

Wenn Du ein Ziel nicht erreichst, solltest Du überprüfen, ob Wille und Vorstellung nicht gegeneinander arbeiten.
(Emil Coué)

http://www.laufsport-liga.de/web/profil.html?u=8597

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Hallo Kurt!
Klasse Bericht aber 3 Weizen im Gasthaus Schildhorn sind schon ganz schön heftig.
Nicht weil es schwer ist,wagen wir es nicht,sondern weil wir es nicht wagen,ist es schwer. Lucius Annaeus Seneca


Schöne Oberlausitzgrüße von Oliver:winken:

Auch beim Berichteschreiben schneller...

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Danke Kurt für den anschaulichen Bericht. Jetzt muss ich nur noch das schreiben was du noch nicht geschrieben hast....

Schaun wir mal was daraus wird. Warum vermeidest du eingetlich das Wort "schlendern"? :wink:

Und sagte der Wanderleiter nicht was von Bier nur ohne Alkohol? :confused:

Fragen über Fragen...
mit freundlichem Gruß aus Hamburg


Martinwalkt
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Martinwalkt hat geschrieben:Warum vermeidest du eingetlich das Wort "schlendern"? :wink:
Natürlich möchte ich die Gelbe Karte vermeiden. Du bist ja bereits Rot-Gelb gefährdet! :zwinker4:

Das mit dem Bier muss ich wohl überhört haben. Aber später war ich dankbar, dass ich gut hydriert war. :daumen:
Schöne weißblaue Grüße ...

Kurt

Wenn Du ein Ziel nicht erreichst, solltest Du überprüfen, ob Wille und Vorstellung nicht gegeneinander arbeiten.
(Emil Coué)

http://www.laufsport-liga.de/web/profil.html?u=8597

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Tiefsachsenwanderer hat geschrieben:Hallo Kurt!
Klasse Bericht aber 3 Weizen im Gasthaus Schildhorn sind schon ganz schön heftig.

Hallo Tiefsachsenwanderer!

3 Weizen sind für einen Bayern a) ein Grundnahrungsmittel und b) ersetzen eine Mahlzeit.
Ich hoffe doch, dass Kurt die Mahlzeit nicht so trocken geniessen musste und etwas zum Trinken bekommen hat.

Bruno

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trampler hat geschrieben:Natürlich möchte ich die Gelbe Karte vermeiden. Du bist ja bereits Rot-Gelb gefährdet! :zwinker4:

Das mit dem Bier muss ich wohl überhört haben. Aber später war ich dankbar, dass ich gut hydriert war. :daumen:

Na siehste ...

Uebrigens: Seit wann geht Bier unter "Alkohol"???

:prost:
Bugs Bunny

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[quote=BugsBunny;876379

(3 Weizen sind für einen Bayern a) ein Grundnahrungsmittel und b) ersetzen eine Mahlzeit.)

Wieso für ein Bayern,die Sachsen sind glaub ich im Bierverbrauch erster. :hallo:
Nicht weil es schwer ist,wagen wir es nicht,sondern weil wir es nicht wagen,ist es schwer. Lucius Annaeus Seneca


Schöne Oberlausitzgrüße von Oliver:winken:

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Lieber Oliver zitieren geht so:
Zitat
das ist eine eckige Klammer und darin steht quote.

und dann kommt noch eine eckige Klammer das steht drin: /Quote

Das ist dann das Ende eines Zitates. Wenn du irgendwas davon überschreibst klappt es nicht mit dem zitieren. Also jetzt üb mal schön.... :wink: :nick:

Du schafftst das! :daumen:
mit freundlichem Gruß aus Hamburg


Martinwalkt
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[quote="trampler"]Darauf habe ich gewartet. Ihr habt ja schon auf der Wanderung darüber gesprochen :zwinker5: .

@Oliver: Du kannst aber auch hier nachlesen, wie zitiert wird



Na da üb ich mal Martin
Nicht weil es schwer ist,wagen wir es nicht,sondern weil wir es nicht wagen,ist es schwer. Lucius Annaeus Seneca


Schöne Oberlausitzgrüße von Oliver:winken:
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