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Was heißt eigentlich "Nutella"?

Was heißt eigentlich "Nutella"?

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Hallo!
Ich komme gerade von einer Übernachtung mit Jungs von 8-12 Jahren zurück. Die ganze Nacht mit Blödsinn machen, rumkreischen und viel spielen verbracht - und mit ganz wenig Schlaf!
Als wir dann alle vollkommen übermüdet beim Frühstück saßen, viel mir während meines Starrens auf, dass "Hanuta" doch tatsächlich eine Abkürzung für HAselNUssTAfel sein könnte - faszinierend. Wo sich direkt der nächste Gedanke zwingend aufdrängte, dessen Frage ich hier weitergeben möchte:

Was heißt dann Nutella???

(hier wieder ein schöner Beweis, was Schlafmangel aus einem Menschen macht...)

Aber wirklch, hat jemand ne Ahnung, ob das ne Abkürzung ist? oder Kennt sie jemand? Andere kreative Ideen???
Ich bin gespannt,
liebe Grüße,
euer übermüdeter
nachtzeche
(der schon wieder im Büro sitzt und arbeiten muss...)
"Die auf den Herrn harren kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden!" (Die Bibel, Jesaja 40,31)

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nachtzeche hat geschrieben:Aber wirklch, hat jemand ne Ahnung, ob das ne Abkürzung ist? oder Kennt sie jemand? Andere kreative Ideen???
Nur
Unbeherrschte,
Total
Essensfixierte
Leute
Löffeln's
Aus


nein, im ernst, keine ahnung, hab nur mal gehört, dass die nutella ursprünglich aus italien kommt, von daher sollte man sich vielleicht auch mal italienische abkürzungen überlegen...
was ich in letzter zeit so gelaufen bin:
02.05.2010: metro group marathon düsseldorf in 3:57:04
19.09.2010: einstein marathon ulm (trainingsrückstand und schmerzen => hm in 2:24:28)

was demnächst noch so alles folgen soll:
winterlaufserie ismaning 2010/11 - cancelled
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nutella.de hat geschrieben:Heißt es "der", "die" oder "das" nutella?
nutella ist ein im Markenregister eingetragenes Fantasiewort, das in der Regel ohne Artikel verwendet wird. Es bleibt somit jedem selbst überlassen, welchen Artikel er vor nutella setzt.
Damit dürfte die Frage beantwortet sein, aber vielleicht hat ja noch jemand eine schöne Idee... :)
[img]_http://pushup.pu.funpic.de/ticker/pushup/bamf-297-pushup.gif[/img]

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Nutella ist ein Phantasiewort und heißt gar nichts. "der", "die" oder "das" alles unbekannt.

Auf jeden Fall essen es einige der Jufendlichen, die gerne bei uns zu Hause campieren, gerne mit dem Löffel :D .
Wenn ich keine Nutella im Hause habe ist beim Frühstück immer Alarmstimmung :D .

Walter
You can only fail if you give up too soon

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lonerunner hat geschrieben:Hier steht die Antwort:

Nutella – Wikipedia
Ooooch, das ist ja langweilig, Spielverderber... :zwinker2: Ich hatte doch so auf ein paar kreative Ideen wie die vom Basti gehofft - wobei mir deine als bekennendem Nutellajunkie eindeutig zu negativ war...

Also, wer hat noch Ideen?

nachtzeche
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nur
u
nzivilisierte

tolpatschige
esser
lecken
löffel
ab
Das Remake
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Hallo zusammen.

Rückwärts gelesen heißt es "alletun".
Ich gehöre nicht zu "alle". Aber das ist ja nicht das Thema hier :wink:

Schönes Wochenende euch allen,
Gruß Kai

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Der Urheber der Bezeichnung "Nutella": Verarmt und einsam in Oer-Erkenschwick

In einem heruntergekommenen 1-Zimmer-Appartment in Oer-Erkenschwick treffen wir den sächsischen Maschinenschlosser Erich K. (45). Nur er kennt die Geschichte, wie "Nutella" zu seinem/ihrem Namen kam. Uns hat er sie erzählt.

Im Alter von 2 Jahren reiste Erich zusammen mit seiner Mutter anlässlich der Beerdigung seiner Großmutter aus Sachsen nach Quakenbrück und verbrachte dort einige Tage bei Verwandten. Um dem armen Jungen etwas Gutes zu tun, wurde extra für ihn ein großes Glas Nuss-Nougat-Creme gekauft. Jeden Morgen schmierte man für Klein-Erich eine Stulle und legte sie ihm auf den Frühstücksteller. Das schmeckte Erich so gut, dass er es morgens gar nicht erwarten konnte, endlich seinen Teller mit dem Nuss-Nougat-Creme-Brot vorgesetzt zu bekommen. Und weil einem Kind in seinem Alter das höfliche Bitten in ganzen Sätzen naturgemäß schwerfällt und weil außerdem "Nuss-Nougat-Creme-Brot" zugegeben ein reichlich langes und schwieriges Wort ist, fiel Erichs Bitte ein wenig fordernd aus: "Nu, Tella!!!"

Dies hörte ein Nuss-Nougat-Creme-Fabrikant, der zufällig mit am Frühstückstisch saß. Und da auch er fand, dass Nuss-Nougat-Creme ein reichlich langes und schwieriges Wort ist, übernahm er kurzerhand die prägnante Bitte des kleinen Erich und machte einen Markennamen daraus.
Die Mutter von Erich K. versäumte aus Unkenntnis, sich die Rechte an diesem Namen zu sichern. So lebt K. heute von Hartz IV. Verbittert sagt er: "Ein Glas Nutella habe ich mir schon lange nicht mehr leisten können!"

Nutella: die wahre Geschichte, Teil II

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Der böse und fiese Nuss-Nougat-Creme-Fabrikant aber sahnte ab. Weil er jedoch nicht nur böse und fies war, sondern auch raffgierig, neidete er dem Fiskus selbst die geringen Beträge, die dieser zur Unterstützung des verarmten Erich und anderer Erichs benötigte. Also gründete er eine Stiftung und brachte sein Geld nach Liechtenstein.

Zufälligerweise hatte seine Mutter sich bei der Beerdigung der Großmutter unsterblich in einen entfernten Verwandten aus Liechtenstein verliebt, war ihrer großen Liebe in dessen Heimat gefolgt und bescherte Klein-Erich mehrere Halbgeschwister. Der Lieblingshalbbruder von Erich, Romulus Anton Willi, arbeitete als Hilfswäscher bei einer großen Liechtensteiner Bank, erfuhr vom Ungemach, das Erich widerfahren war, und als er gerade das Stiftungsgeld wusch, sah er, kurz bevor die Schrift darauf verblasste, den Namenszug des Nuss-Nugat-Creme-Fabrikanten. Heimlich kopierte er die Daten auf eine CD, nahm den nächsten Nachtzug nach Pullach und…
Das Remake
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burny hat geschrieben:...Der Lieblingshalbbruder von Erich, Romulus Anton Willi, arbeitete als Hilfswäscher bei einer großen Liechtensteiner Bank, ...
:hihi: *brüll* :wegroll:

Herrlich, einfach nur herrlich!
Danke, Kobold und Burny... bitte mehr...

nachtzeche
"Die auf den Herrn harren kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden!" (Die Bibel, Jesaja 40,31)

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Meine Freundin und ich gröhlten als Kinder immer im Chor

"Nutella, Nutella,
Nuss auf'n Tella!"

Aber kobold und burny sind kreativer, ich geb's ja zu. :daumen:

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Hier noch was:

Automarke DKW = das kleine Wunder

aus dem Lateinischen:
Audi= Horch
Velveta= die Samtweiche
Nivea= die Schneeweiße
Vademecum= geh mit mir

Nutella – Der Tragödie dritter Teil

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... klingelte an den Eingangstoren des BND-Hauptquartiers, wo ihm ein Sicherheitsbeamter die CD mit dem Versprechen abnahm, sie an die Zuständigen weiterzugeben, und ihn mit einer großzügigen Belohnung (drei Essensgutscheine im Wert von je 5 €, einzulösen in jeder beliebigen amerikanischen Klopsbraterei) postwendend auf den Heimweg nach Liechtenstein schickte.
Über zwei weitere Sicherheitsbeamte landete die Daten-CD schließlich auf dem Schreibtisch der Chefsekretärin der Abteilung für Wirtschaftskriminalität, Elfriede Vera Margot H. (62, Name von der Red. geändert). Da Elfriede eine kluge Chefsekretärin war (klüger zumindest als die Beamten, die nichts von dem Wert der CD ahnten), wusste sie sofort, welche Sprengkraft das unscheinbare Beweisstück besaß, das sie da in den Händen hielt. Es würde den Ruin des Nutella-Imperiums bedeuten, wenn ihr Vorgesetzter diese Daten an die Staatsanwaltschaft weiterleitete!
Nun hatte Elfriede aber einen 17-jährigen Großneffen, den sie geradezu vergötterte. Der hoffnungsvolle Jüngling namens Kevin Patrick Dennis wiederum wünschte sich, nachdem er die Hauptschule ohne Abschluss verlassen hatte, nichts sehnlicher, als eine Modelkarriere einzuschlagen. Der Weg dorthin ist aber bekanntermaßen hart und an bestimmte körperliche Voraussetzungen gebunden.
In Elfriedes Hirn überschlugen sich die Gedanken: Wenn der Nuss-Nougat-Creme-Fabrikant nicht nur fies, böse und raffgierig, sondern auch um seinen guten Ruf und seine Freiheit besorgt wäre, könnte man ihn vielleicht um einen kleinen Ausbildungskostenzuschuss für ihren Großneffen bitten – das böse Wort „Erpressung“ kam ihr dabei nicht in den Sinn. Nur ein paar tausend Euro für eine kosmetische Nasenkorrektur und das Anlegen der Segelohren, ein Jahresabonnement im Fitnessstudio, einen Benimmkurs und die Erstellung einer professionellen Setcard. Dem Fabrikanten würde das bisschen Geld nicht wehtun, aber Kevin Patrick Dennis hätte endlich eine Zukunft und könnte sich seinen Lebenstraum erfüllen!
Andererseits hatte sie aus dem Begleitschreiben zu der CD von Romulus erfahren, dass der fiese, böse und raffgierige Fabrikant seinen Reichtum vor allem einer Idee von Romulus' Halbbruder, dem sächsischen Maschinenschlossers Erich K. (45) verdankte, den der Fabrikant vor 43 Jahren um die Rechte an dem Markennamen Nutella betrogen hatte. Nachdenklich drehte Elfriede die CD in ihren Händen …

Die Nutella-Verschwörung, Teil IV

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…und dann kam ihr ein Gedanke. Was wäre, wenn das kein Einzelfall sein sollte? Wenn Kühne-Senf seinen Markennamen einer Unterhaltung „Issat Kacke vonne Küh?“ „Küh? Näää!“ verdankte oder „Maggi“ einfach von „Magimaus“ abgekupfert wäre? Sie brauchte Gewissheit. Von ihrem Spezi Jakob B. hatte sie erfahren, dass man Romulus in Observationsstufe 2 führte, das war nicht ganz legal, aber das machten alle so.

Sie würde Jakob, den sie vor vielen Jahren - er hatte gerade als Stift angefangen (heute nannte man das ja „Auszubildende“, aber für Elfriede waren es immer noch „ihre Stifte“) - gegen die ständigen Hänseleien der älteren Stifte in Schutz genommen hatte (einmal hatten sie ihm 2 WC-Schilder hinten auf seinen Trenchcoat geklebt, so dass er von allen nur noch 00 00 „die 4-fach Null“ gerufen wurde), bitten, ihr einen Kontakt zu Romulus zu vermitteln. Sie seufzte: hoffentlich hatten sie seine Spur richtig aufgenommen, und dachte an den Fall des Josef A., Schweizer, CEO eines bedeutenden deutschen Finanzinstituts, den sie trotz Einsatzes einer Hundertschaft vergeblich in Frankfurt an der Oder gesucht hatten. Zufälligerweise hatte ihn später jemand in einer Zeitung erkannt, als er seiner Freude über den Wimbledon-Sieg seines Landsmannes Roger F. Ausdruck verlieh. (Sie folgerten dies messerscharf aus dem Zeichen, das er auf dem Bild mit seinen Fingern bildete.)

Elfriede hatte sich sorgfältig geschminkt und den Hosenanzug angezogen, den ihr ihr verschwundener Ehemann („Eines Tages war er nicht mehr da, einfach weg, der Saukerl.“) zum 50-sten geschenkt hatte. Am Stammtisch in ihrer Lieblingskneipe wartete sie auf Jakob. Sie hätte ihn fast nicht erkannt. Kreidebleich, fahrig, 1 Zigarette in der Hand, eine zweite im Mundwinkel kam er auf Elfriede zu. Sein Blick irrte unstet im Lokal umher, ruckartig immer wieder zur Eingangstür wandernd. Sie sprach ihn mit seinem Kosenamen an: „Köbbele, wat is' los?“ „Frau Elfriede, das is’ ‚ne ganz heiße Nummer.“ „Sag schon: steckt die Russenmafia dahinter?“ „Viel schlimmer!“ „Die Albaner?“ Jakobs Hemd war nun vollends durchnässt, ein leicht beißender Geruch zeugte davon, dass er darüber hinaus gerade unter einer partiellen Polyurie litt. Er beugte sich vor und flüsterte Elfriede ins Ohr.

„Köbbele, wie oft hab ich’s dir schon gesagt. Mein Hörgerät ist im anderen Ohr“. Jakob wechselte das Ohr: „IM, Giovanni Ferrero ist IM Nutella. Sein richtiger Name ist Hans Ferkel.“ In Elfriedes Kopf fing alles an, sich zu drehen. Die Stasi, und Giovanni Ferrero noch unenttarnt. Der Tod der Großmutter, wahrscheinlich gewaltsam von der Stasi herbeigeführt, um das Treffen in Quakenbrück zu arrangieren. Aber was hatten sie mit dem kleinen Erich gemacht? Für Elfriede schwand der letzte Zweifel, dass nutella eine Erfindung der Staatssicherheit war. Nur, wie hatten sie den kleinen Erich manipuliert? Und dann schoss ihr ein ungeheuerlicher, ein schier unerträglicher Gedanke durch den Kopf…
Das Remake
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Nutella V: Liebesgrüße aus Moskau

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...: Was wäre, wenn Erich K.s Vater seinem Sohn von Geburt an die schicksalsschweren Worte „Nu, Tella!“ eingetrichtert hätte? Wenn er ihn gar in der Absicht gezeugt hätte, dem Klassenfeind jenseits des antikapitalistischen Schutzwalls eine hochkalorische Pampe aus Fett und Zucker mit Schoko-Nuss-Aromen schmackhaft zu machen, indem man sie mit einem attraktiven Namen versieht, scheinbar erfunden von einem 2-jährigen Jungen? Welch eine perfide Strategie, um die Volksgesundheit des imperialistischen Westens zu untergraben!

Wer aber war Klein-Erichs Vater, und wo lebte er heute? Nur er könnte Licht in die dunklen Geschehnisse vor 43 Jahren bringen. Elfriede brauchte Gewissheit. „Köbbele, rück dein Diensthandy raus!“ „Aber Frau Elfriede, …!“ „Nix da, pronto, wird’s bald?!“ Elfriede konnte sehr energisch sein. Nur wenige Augenblicke später kündete ein Piepsen des Handys davon, dass sie sich erfolgreich in die Personendatenbank des BND eingelogged hatte. Elfriede grinste befriedigt. Männer waren doch so einfach zu durchschauen! Ihr Vorgesetzter verwendete stets den Namen seiner aktuellen Geliebten als Passwort. Im Moment lief da was mit dem brünetten Flittchen, das in der Cafetéria die Tische abräumte. Und die trug ihren Namen in die Brusttasche der Kittelschürze eingestickt. Wie er ihr immer auf den Po glotzte! Ihr eigener Mann war auch nicht besser gewesen! Irgendwann war er dann mit so einer Schlampe durchgebrannt, und das nach fast 30 Ehejahren!

Zornig schüttelte Elfriede den Kopf, um diese Gedanken beiseite zu schrieben, und überflog dann konzentriert die Zahlen- und Buchstabenkombinationen auf dem Display. Keine fünf Minuten später nickte sie kurz und drückte Jakob das Telefon wieder in die Hand. „Alles klar! Wann geht der Nachtzug von München nach Danzig? Besorgen Sie mir eine Fahrkarte, Zweier-Abteil im Schlafwagen! Ich reise noch heute!“ – „Aber Frau Elfriede, warum …?“ – „Erichs Vater war vor Erichs Geburt 5 Jahre in Moskau, Schulungslager, du verstehst? Inzwischen lebt er in einem abgeschiedenen Kapuzinerkloster irgendwo an der ostpolnischen Grenze und schnitzt Kruzifixe aus gut abgelagertem Birkenholz. Und der Abt war mal eine ganz große Nummer beim KGB. Das ist eine Riesensache, an der wir dran sind, Köbbli! Du und ich, nur wir beide!“. Jakob wich alles Blut aus dem Gesicht, er transpirierte noch heftiger als zuvor (wenn das überhaupt möglich war) und miefte zum Gotterbarmen. „Jakob, du triffst dich mit Romulus, und ich versuche, aus Erich K.s Vater etwas herauszubekommen. Wenn er Erich diese Nutella-Nummer auf Befehl der Stasi eingetrichtert hat, haben wir endlich etwas gegen die in der Hand! IM Nutella ist fällig!“

Keine drei Stunden später lag Elfriede ausgestreckt im unteren Bett ihres Schlafwagenabteils, und die Räder des Zuges ratterten einschläfernd unter ihr. Gerade wollte sie ihr Hörgerät aus dem Ohr nehmen, als sie draußen das Flüstern zweier Stimmen (beide mit deutlichem russischem Akzent) vernahm: „Hierrrr muss es sein!“. „Still, Du Trrrottel, bevor sie was mitkrrriegt!“ „Keine Sorrrrge, die Alte ist stocktaub!“. Langsam bewegte sich die Abteiltür. Elfriede öffnete den Mund …

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Ich werde nie mehr ein Nutellabrot essen können, ohne an Elfriede denken zu müssen :zwinker2:

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BassTian hat geschrieben:Nur
Unbeherrschte,
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Der gefällt mir am Besten :D

Nutella Episode VI - Tod im Nachtexpress

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…schon waren sie ins Abteil eingedrungen, vorbeirasende Lichter erhellten discolichtartig ihre Gesichter. Wie in Zeitlupe, so kam es Elfriede vor, griff der mit dem Rasputinbart in seine Aktentasche. Die Lichter draußen verloschen, nun ging es rasend schnell. Schemenhaft sah Elfriede, wie Rasputin etwas Längliches hervorzog. Er ließ ihr nicht den Hauch einer Chance, sie spürte das kalte Etwas an ihrem Mund, fast hätte es ihren Stiftzahn getroffen.Mit dem nächsten Atemzug wusste sie, was die Beiden vorhatten. Genial einfach, ohne Risiko! Keiner würde eine gewaltsame Todesursache vermuten. Schusswaffengebrauch? Bei der Chefsekretärin der Abteilung Wirtschaftskriminalität? Das würde der Apparat sich nicht bieten lassen. Erwürgen? Einfach aus dem Zug werfen? Nein, das hatten sie geschickt ausgeschlossen. Sie hatten eine im wahrsten Wortsinne todsichere Methode gewählt.

Beim Einsaugen der Atemluft hatte Elfriede den Geruch erkannt. Da erklang auch schon Rasputins Stimme: „Trrrink, Elfrrrieda, is guttaa Vodka!“ Sie wollten ihr eine Alkoholvergiftung verpassen. Eine Alkoholikerin mehr oder weniger, in ihrer Position kam das häufiger vor, da griffen die Präventionsprogramme nur sehr begrenzt. Keiner würde Verdacht schöpfen. Elfriede lächelte und nahm einen großen Schluck. Als nächstes führte Rasputin die Flasche an seinen Mund, bevor er sie seinem Kumpel Boris reichte. Wenn schon Arbeit, dann konnte ein wenig Vergnügen auch nicht schaden. Elfriede war wieder dran. Um keinen Verdacht zu erregen, setzte sie diesmal nur kurz an und dachte an einen Teil ihres Lebens zurück, den sie fast schon ausgeklammert hatte.

18 war sie gewesen, als sie es das erste Mal bemerkt hatte. Es war auch das erste Mal gewesen, dass sie allein zu einer Silvesterfeier hatte gehen dürfen. Sie hatte Ananasbowle getrunken, viel Ananasbowle, zwei Schüler der Oberprima Ig hatten ihr fleißig eingeschenkt und nur darauf gewartet, sie „rumkriegen“ zu können, wie sie es nannten. Aber Elfriede war nicht „rumzukriegen“, die Bowle beeinträchtigte die Klarheit ihrer Gedanken kein bisschen, selbst dann nicht, als die Burschen anfingen, ihr heimlich Rum in die Bowle zu schütten.

So war es bei ihr fortan immer. Alkohol machte ihr nichts aus, jedenfalls kaum. Alle jungen Burschen, die es probierten, konnten selbst die einfachsten Sätze nicht mehr sauber artikulieren, als Elfriede immer noch unbeeindruckt über den Existenzialismus philosophierte und die Dekadenz der bürgerlichen Gesellschaft beklagte. Da sie sie nicht „rumkriegen“ konnten, ließen die Kerle eben ihren Frust an ihr aus, verbreiteten Gerüchte über sie. Mal hieß es, sie sei unheilbare Alkoholikerin, mal sagte man ihr nach, eine intellektuelle Zicke zu sein, die keine Lebensfreude kannte. Der eine erfand Geschichten und prahlte, dass sie sich ihm an den Hals geworfen hätte, der andere klagte, dass „die doch nicht ganz normal sei“. Ja, eine Zeitlang hieß sie nur noch die „frigide Elfriede“. Erst als sie nach West-Berlin ging, um Koptologie und Hinduistik zu studieren, und dort ihren Alfred traf, änderte sich das. („Mama, der ist so ganz anders als diese grässlichen, unreifen Kerle bei uns im Dorf.“)

Erst sehr viel später erfuhr sie, dass ihre ebenso enorme wie abnorme Alkoholverträglichkeit Folge eines sehr selten auftretenden Defekts des Gens A42H7Y11 war. Eine Zeitlang besuchte sie sogar die Sitzungen der Selbsthilfegruppe, war die ewig gleichen Erzählungen der männlich dominierten Gruppe über gewonnene Gelder im Wettsaufen aber bald leid.

Mittlerweile kreiste die elfte Flasche Vodka im Abteil, Boris und Iwan (so der richtige Name des Rasputin-Bärtigen) – mit beiden hatte Elfriede Brüderschaft getrunken - schwärmten von den guten alten Sowjet-Zeiten, lallten ihr vor, dass sie den Verräter Michail G. umbringen würden, ganz ohne Honorar, das sei schließlich eine Frage der Ehre, und stanken ebenso wie das ganze Abteil entsetzlich nach Fusel. Elfriede wollte gerade etwas frische Luft schnappen, als Boris just in dem Moment nach vorne torkelte, Elfriede dabei zu Boden riss und sie einen stechenden Schmerz im linken Oberschenkel verspürte. Diese Art von Schmerz kannte sie, beim Skifahren hatte sie genau das Gleiche erlebt. Unmöglich, ihre Mission mit gebrochenem Bein fortzusetzen!

Was nun? Fieberhaft suchte sie nach einer Lösung. Sie dachte gerade daran, dass sie all dies nur für Kevin auf sich genommen hatte, und dann war die Lösung klar. Natürlich, jetzt musste Kevin Patrick Dennis ran! Auch für ein angehendes Model war ein Mindestmaß an Denkvermögen und Initiative unerlässlich. Sollte er doch zeigen, dass er den Einsatz wert wäre! Sie suchte ihr Handy, fand es schließlich in ihrer Handtasche, aus der eine Ladung verschütteter Vodka schwappte, und zog, da Boris grässlich zu schnarchen begonnen hatte, während Iwan unmelodiöse Töne krächzte, aus denen sie die Worte „Taiga“, „Balalaika“ und „Kasatschok“ herauszuhören glaubte, sich samt ihrem Bruchbein in das nächst gelegene Zug-WC. Iwan überlebte übrigens die 9,3 Promille nicht, mit denen man ihn später auffand, während Boris, geläutert, vor einer großen Karriere als Gründungsvater der Russischen Anonymen Alkoholiker stand. - Während der Akku durch Piepsen seinen Ladezustand beklagte, suchte derweil Elfriede im Telefonbuch nach „Spatzerl“…
Das Remake
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Nutella Report VII: Schackeline – blutjung und begehrenswert (Achtung Überlänge)

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Während sie blätterte, verfluchte Elfriede im Stillen die Gesundheitsministerin und die ganze dazugehörige Bagage von Ärzten und Krankenversicherungen, der sie ihren Beinbruch zu verdanken hatte. Bis vor zwei Jahren hatte ihr Hausarzt ihr anstandslos die Kalktabletten gegen Osteoporose verschrieben, aber dann – „Sie wissen schon, die Budgetierung! Wir müssen alle sparen!“ – war plötzlich Schluss damit. „Wissen Sie was?“, hatte ihr Arzt hinzugefügt, „Machen Sie sich einfach jeden Tag zum Frühstück ein leckeres Nutella-Brot! Da ist viel Kalzium drin und alles, was der Körper noch so braucht!“ Auch das Gesundheitswesen war also in der Hand des Nutella-Kartells! Elfriede schnaubte verächtlich. Endlich hatte sie Spatzerls Nummer gefunden und drückte die Wähltaste.

Irgendwo in einem der zahlreichen kleinen Büdchen in der Kölner Südstadt, in denen man von Bier über belegte Brötchen bis hin zu Kondomen fast alles kaufen kann, was Mann zum Leben so braucht, begann ein Handy winselnde Töne von sich zu geben. Zwei junge Männer standen an einem runden Tischchen, zwischen ihnen ein halb geleerter Karton „Kleiner Feigling“. „Boah ey, stell das Gejaule ab!“ knurrte der ältere von beiden. Kevin Patrick Dennis war tief gekränkt, handelte es sich bei dem Klingelton doch um die letzten Lebensäußerungen seiner unlängst an Altersschwäche verstorbenen Cockerspaniel-Hündin Winnifried, die ihn durch seine gesamte Kindheit begleitet hat. Beim Gedanken an Winnifried wischte er sich ein verstohlenes Tränchen aus dem Augenwinkel, bevor er das Gespräch annahm.

„Spatzerl, bist du’s!“, ertönte Elfriedes Stimme aus dem Hörer, nicht ganz so energisch wie sonst, denn der Schmerz in ihrem gebrochenen Bein breitete sich zunehmend in ihrem ganzen Körper aus. „Tante Friedchen!“, strahlte Kevin Dennis Patrick (wir wollen ihn von hier an der Einfachheit halber nur noch Kevin oder Spatzerl nennen!“). „Für Geburtstagsglückwünsche bist du zu früh dran! Mein Achtzehnter ist doch erst morgen!“. „Papperlapapp, Glückwünsche!“, kam es zurück. „Wir haben nicht viel Zeit, mein Akku ist gleich leer. Pack deine Siebensachen, besorg dir ein Auto und komm nach Danzig! Wir müssen von da in ein Kapuzinerkloster. Einer von den Mönchen weiß alles über IM Nutella. Das müssen wir aus ihm rauskriegen. Es geht um deine Modelzukunft! Und um Gerechtigkeit für Erich K. aus Oer-Erkenschwick!“ Spatzerl peilte mal wieder gar nichts! „Hä??? Isch `abe doch gar kein Auto!“. Elfriede seufzte. Ihr vergötterter Großneffe war wirklich beklagenswert dämlich. Von ihr hatte er das nicht! „Denk’ doch mal nach, Spatzerl!“, hauchte sie mit letzter Kraft in den Hörer, „Einer von deinen Kumpels wird dir doch wohl sein Auto leihen! Mach dich auf den Weg nach Danzig, alles Weitere erfährst du unterwegs!“ Mit diesen Worten sank sie in eine tiefe Ohnmacht, aus der sie erst sieben Stunden später in einem Danziger Krankenhausbett mit sauberen, frisch gestärkten weißen Laken erwachen sollte.

Unterdessen steckte Kevin sein Handy wieder ein. Instinktiv hatte er gespürt, dass eben wohl nicht der richtige Zeitpunkt gewesen war, seiner Großtante zu beichten, dass er schon wieder durch die theoretische Führerscheinprüfung gerasselt war (gerüchteweise hieß es, die Prüfer hätten Wetten abgeschlossen, wie viele Versuche er wohl brauchen würde – diejenigen, die auf weniger als vier Anläufe getippt hatten, waren ihren Einsatz bereits los!). Und dann hatte Tante Friedchen auch noch verlangt, dass er nachdenken sollte! Dabei wusste sie genau, dass das nun wirklich seine Lieblingsbeschäftigung war. Und er war sich durchaus bewusst, dass es wohl auch nicht gerade zu seinen großen Stärken gehörte.

Aber da war ja noch sein Kumpel Lukas P., der neben ihm gerade den siebten Kleinen Feigling leerte und ihn kameradschaftlich in die Seite boxte. „Ey, was’n los, Alter?“ (Lukas war echt ein guter Typ, zuletzt allerdings nicht so locker drauf wie früher. Vor 1 1/2 Jahren hatte er einen Arbeitsvertrag bei so einem fränkischen Wurstfuzzi namens Uli H. unterschrieben und war nach München gezogen. Jetzt laberte ihn der Chef dauernd blöd an, er würde nichts bringen und sollte sich mehr anstrengen. Und der Abteilungsleiter – so ein Typ mit einem komischen Sprachfehler, der kein „ch“ sagen konnte und den alle nur mit dem albernen Spitznamen „Klinsi“ riefen – grinste zwar die ganze Zeit, laberte ihn aber auch blöd an. Der Abteilungsleiter hatte dann komische fette Figuren aus Stein im Pausenraum aufgestellt. Die grinsten auch die ganze Zeit, laberten Lukas aber wenigstens nicht blöd an. Nach ein paar Wochen hatte der Abteilungsleiter die Figuren wegnehmen lassen. Wahrscheinlich durfte bei dem Verein keiner arbeiten, der Lukas nicht blöd anlaberte. Sogar der Oberfuzzi, den alle den „Kaiser“ nannten, laberte Lukas blöd an. Weil der Oberfuzzi aber meistens Golfspielen war, sagte er eben den Journalisten, dass sie Lukas blöd anlabern sollten. Lukas kriegte es also immer ab! Naja, vom Sommer an hatte er einen neuen Job in Köln in Aussicht! Und bis dahin machte er eben Urlaub auf gelben Schein, so lange sein Arzt mitspielte. Warum sollte er auch ständig am Wochenende im Bereitschaftsdienst rumsitzen, während seine Kumpels um die Häuser zogen?)

Kevin versuchte das soeben Gehörte wiederzugeben: „Dat war meine Großtante Elfriede. Ich soll nach Danzig zu irgendwelchen Kapuzenmönchen fahren, weil ich bei denen mit so `nem Typen aus Oer-Erkenschwick zusammen für Nutella modeln kann! Geil, `ne?“. Auf Lukas Stirn bildete sich eine tiefe Falte. Fast könnte man meinen, er blicke nachdenklich drein, wüsste man nicht, dass das Nachdenken auch seine starke Seite nicht war. „Nutella? Würd’ ich echt aufpassen mit! Paar von meinen Kumpels haben vor knapp drei Jahren auch für die gemodelt. Der Arne, der Thomas, einer hieß auch Kevin ... und Timo war glaub ich auch dabei. Mussten einen ganzen Tag kiloweise von dem braunen Kleister fressen! Noch eine Woche danach war ihnen schlecht. Zum Fußballspielen waren die hinterher echt nicht mehr zu gebrauchen!“ (Wenn Spatzerl und Lukas wüssten, was Elfriede in den letzten Stunden erfahren hatte, würden sie begreifen, wie tief die Nutella-Connection auch in die DFB-Zentrale eingedrungen war, und sie würden das verlorene Halbfinale von 2006 in einem neuen Licht sehen. Obwohl – selbst wenn man Spatzerl und Lukas alles erklären würde, würden sie das wohl nicht begreifen.)

„Is’ klar, Lukas – guter Tipp! Aber hast du vielleicht `ne Ahnung, wo dieses Danzig is`? Und `ne Karre brauch ich auch noch!“. „Ey, Alder, bin isch Pole oder was? Danzig ist ganz inner Nähe von wo meine Familie herkommt. Pass’ auf, Karre kannze kriegen von mir. Aber fahrn kann ich dich nich. Wenn der Wurstfuzzi mitkriegt, dass ich auf gelben Schein Omma und Oppa besuche, dreht der ab. Voll der Choleriker, echt, muss ich grad nich` haben! Aber hömma, wennze fertich bist mit Bilder machen, fährste noch bei Omma und Oppa vorbei. Die ham` 20 Gläser Senfgurken für mich eingelecht und fünf Gläser Gänseschmalz. Und zwei Kartons Wodka bringste auch mit, klar? Passt alles locker in`n Kofferraum!“

Kevin nickte beeindruckt. Lukas war echt ein Kumpel. Aber wer sollte fahren, wenn Lukas nicht konnte? In diesem Moment betrat Schackeline das Büdchen. Kevins Herz schlug sofort schneller. Schackeline fand er nämlich richtig gut. Die 18-jährige Nageldesignerin (sie war noch in der Ausbildung, aber sie lernte schnell!) hatte er beim Warten auf einen Vorstellungstermin in einer Modelagentur kennengelernt. Dass er sie gut fand, hatte drei Gründe: Erstens war sie (abgesehen von seiner Mutter, seiner 3-jährigen Schwester und seiner Großtante Elfriede) die einzige Frau, die nett zu ihm war und ihn nicht wegen seiner Segelohren und der beim Kickbox-Training mehrfach gebrochenen und schief zusammengewachsenen Nase hänselte. Die zwei anderen Gründe befanden sich zwischen ihrem Kinn und ihrem Bauchnabel.

Als Schackeline ihn von der Seite anguckte, den Mundwinkel verzog, eine riesige rosa Kaugummiblase direkt vor seinem Gesicht platzen ließ und dann ihren Blick wieder abwandte (sie war ihm hörig, da war Kevin sich ganz sicher!) fiel ihm noch ein vierter Grund ein: Beim gemeinsamen Warten auf den Fototermin hatte sie ihm erzählt, dass sie gerade ihre Führerscheinprüfung bestanden hatte. Jetzt musste er sie nur dazu bringen, mit ihm in dieses komische „Danzig“ zu fahren. Entschlossen ballte Kevin die Faust, dachte an seine Großtante Friedchen und die vor ihm liegende glorreiche Zukunft auf den Titelblättern der großen Gazetten und …

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:hihi: :hihi: :hihi: :hihi: :hihi: ich hau mich weg.

Wegen Euch und Schackeline hätte ich beinahe meinen Kaffe verschüttet.

Und jetzt :megafon: vergeßt ja nicht den nächsten Teil zu schreiben :zwinker2: sonst :motz: :motz:.

Also ich bitte vielmals um eine Fortzetzung :nick:

LG Lilly (Nutella auf frischem Brot süchtig)
1. Wettkampf : 17.05.2008 Viertelmarathon beim Spendenmarathon Chemnitz 01:07:48 h
Neue PB HM: 02:10h beim 25.Glauchauer Herbstlauf:D
http://verstricktundzugesponnen.blogspot.com
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25
es geht nicht weiter?????? Ihr Kreativen könnt uns begierige Leser doch nicht einfach so hängen lassen.......!!!!

ciao,
ZebraLady
Mögest du warme Worte haben
an einem kalten Abend,
Vollmond in einer dunklen Nacht
und eine sanfte Straße
auf dem Weg nach Hause.
-Altirischer Segenswunsch-

Nutella VIII – Kevin Valboa

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…Kevin war entschlossen, seinem Leben eine Wende zu geben. Das war er seiner Großtante irgendwie schuldig. Was er in seinem Leben erreicht hatte, hatte er einzig und allein ihr zu verdanken. Wenn sie sich damals nicht um ihn gekümmert hätte, damals, nach dem schweren Unfall, den er fast nicht überlebt hätte, wüsste er nicht, wo er geblieben wäre. Warum seine geliebte Mam plötzlich nicht mehr da war, hatte er als kleiner Knirps nicht verstanden, aber er spürte, dass sein junges Leben plötzlich anders verlaufen würde, als er zum ersten Mal in dieses neue Haus trat, das sie „Heim“ nannten. Alle bemühten sich ja auch, nett zu ihm zu sein, anfangs dachte er oft an seine Mam, manchmal besuchte sie ihn sogar, doch mit der Zeit gewöhnte er sich an sein neues Zuhause. Ja, er fing sogar an, dieses halbnackte, geschnitzte Männchen auf dem Kreuz liebzugewinnen, das ihm zu Beginn einen gehörigen Schrecken eingejagt hatte. Es hing in jedem Raum, selbst auf dem Klo, und es hieß, dass die Schwestern irgendwann eine Wagenladung davon günstig in Polen bestellt hätten.

Die Veränderung begann, als der ortsansässige Discounter beschloss, jeden Samstagnachmittag überschüssige Lebensmittel, deren Haltbarkeitsdatum abgelaufen war, dem katholischen Kinderheim zu vermachen. Da war auch immer diese braune Pampe dabei, die Kevin partout nicht mochte, auf die aber alle anderen Kinder ganz scharf waren. Er gab gerne seine Ration weiter, aber als die Schwestern das irgendwann mitbekamen, mutmaßten sie, die größeren Jungen hätten Kevin bedroht, um an seine Nutellaportion zu kommen, und achteten peinlichst genau darauf, dass er sein Brot mit diesem widerlich klebrigen, süßen Zeug, das zudem so eklig braun aussah, aufaß. Kevin kannte das Wort „Recycling“ nicht, aber in seinen kindlichen Gedanken formulierte er etwas Bedeutungsgleiches. Jedes Mal musste er sich die Pampe regelrecht reinwürgen, zwang sie mit immer größerem Ekel in sich hinein, und an einem Sonntag passierte es schließlich. Er verschluckte sich, das vermanschte Zeug verklebte den Zugang zur Lunge, Kevin würgte und röchelte, lief blau an, und erst nach dem Luftröhrenschnitt konnte luftangereichertes Blut die Versorgung der lebenswichtigen Organe wieder aufnehmen.

Im Krankenhaus vernahm er Gesprächsfetzen, mit denen er nichts anfangen konnte, „…Gehirnzellen abgestorben…“, „…grenzt an ein Wunder…“, „wird leider nie…“. Als er endlich das Krankenhaus verlassen durfte, musste er nicht wieder ins Heim zurück. Seine Großtante hatte eine Nichte gefunden, die ihn bei sich aufnahm. Fast jedes Wochenende machte sie die weite Reise von München, um zu sehen, wie es ihm ging, schenkte ihm sogar ein Hündchen, das sein ständiger Begleiter werden sollte. Und was kaum einer der Ärzte, die ihn bereits als Dauerpflegefall abgestempelt hatten, für möglich gehalten hatte, trat ein. Nach und nach lernte Kevin wieder, fast fehlerfrei zu sprechen, konnte sogar eine ganz normale Schule besuchen. Wenn da nur nicht diese Aussetzer wären, die ihn von Zeit zu Zeit befielen. Er mochte sich anstrengen und konzentrieren, wie er wollte, da war dann einfach nur ein großes Loch in seinem Kopf, bis es sich sozusagen wieder gefüllt hatte und alles wieder wie vor dem Anfall war. Auf der Hauptschule lief es ähnlich. Phasenweise war er den Anderen weit voraus, doch dann kamen wieder die Rückschläge. Im letzten Schuljahr war es besonders häufig gewesen. Nichts zu machen! In solchen Phasen tobte er sich richtig auf der Matte aus. Im Kickboxen konnte ihm keiner das Wasser reichen. Er war geschickt, er war schnell, er war gut, und der Sport gab ihm Selbstvertrauen. Davon ließ er sich auch nicht abbringen, als ein Bulle von Typ, einen halben Kopf größer, aber mit der Beweglichkeit eines 80-Jährigen, den er nach Belieben beherrschte, ihm nach dem kurzen Kampf den Springerstiefel ins Gesicht warf und seine Nase blutete wie ein Schwein.

Hoffnung machte ihm, dass die Ärzte seit kurzem meinten, die Abstände würden jetzt immer länger, und es könnte sein, dass, wie sie es nannten, die Amnesie-Phasen gänzlich aufhören würden. Das hatte ihn ermutigt, es sogar mit dem Führerschein zu versuchen, obwohl alle ihm davon abgeraten und es als nahezu aussichtslos bezeichnet hatten. Aber er blieb dran, ließ sich auch durch die Rückschläge nicht abschrecken und hatte es diesmal fast geschafft. Fast: diesmal nur noch eine einzige falsche Antwort zuviel!

Kevin wusste durchaus, dass andere mehr Grips im Kopf hatten als er. Aber wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, blieb er mit einer Sturheit dran, die seine Umwelt oft verblüffte. - Schackeline sah ihn halb erstaunt, halb herablassend an, als Kevin seinen Wunsch vorgetragen hatte, einen Ausflug nach Danzig zu machen. Der Kerl war ja wohl bekloppt. Klar, irgendwie tat er ihr leid. Sie hatte gehört, dass er wohl irgendwann was Falsches gegessen haben musste, war wohl n Burger oder Döner gewesen oder so, und davon hatte er was in’n Kopp gekriegt. Arme Sau! Irgendwie mochte sie ihn sogar ein bisschen. Wenn er nicht mit diesem Knallkopp von Lukas rumhing, der nur einen suchte, mit dem er sich die Birne zudröhnen konnte, dann war Kevin in seiner Unbeholfenheit manchmal sogar ganz nett. Aber ihn durch die Gegend kutschieren? Schofför spielen? In welchem Jahrhundert lebte der denn?!

Kevin ließ nicht locker: „Schackie, hasse nicht Lust auf n bisschen Abenteuer? Mann ey, so’n heißer Feger wie du, der wird doch nich’ inne Provinz versauern.“ Kevin ließ nicht locker, sein Ehrgeiz war geweckt, und Schackies Widerstand schmolz, das spürte er. Als er ihr von seinem morgigen Geburtstag erzählte und dass er sie da in ein richtiges Restaurant in Danzig einladen würde („(mit weißer Tischdecke und so“), gab sie schließlich nach. „Okay, ich pack nur noch ne Kleinigkeit zum Mitnehmen.“ Und wirklich, nach 4 ½ Stunden kam sie mit Lukas’ Karre und drei großen Koffern im Kofferraum zurück. Kevin warf seine Zahnbürste neben die beiden Schminkkoffer auf dem Rücksitz, mehr brauchte er nicht, und los ging’s.

„Sach ma, Schackie, will dich ja nicht drängen, aber kannze nich man n bisken auffe Tube drücken“, ließ sich Kevin vernehmen, als Schackeline konstant mit 70 km/h über die Autobahn zuckelte. Reichte es nicht, dass die Blödköppe hinter ihr ständig testen mussten, ob ihre Lichthupen noch funktionierten, und beim Überholen komische Verrenkungen mit ihren Pranken und Armen machten, nein, jetzt fing der Typ neben ihr auch noch an rumzuquaken. „Ich glaub, mit der Kiste stimmt was nicht.“ Das war die Gelegenheit für Kevin zu zeigen, was er drauf hatte. „Dann färsse eben bei de nächsse Ausfaat runter, du trinkst nen Kaffee, und ich reparier die Kiste.“ Er hatte zwar keine Ahnung, was er da machen sollte, aber er fühlte sich richtig gut, als er das sagte. Schackeline entzifferte als nächste Abfahrt „Oer-Erkenschwick“, lenkte den Wagen nach rechts und fuhr auf den Ort zu...
Das Remake
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Nutella IX: Erich – verzweifelt gesucht

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An der ersten besten Tankstelle bog sie ab und parkte direkt neben dem Eingang zu den Toiletten. Außer ihnen stand da nur ein auffällig unauffälliger schwarzer Golf GTI mit Münchener Kennzeichen. Daneben ein mickriges Männchen im hellen Trenchcoat, das hastig an dem Rest einer Filterzigarette zog, sich mit dem Stummel gleich die nächste ansteckte und immer wieder abwechselnd auf die Uhr schaute und hektische Blicke um sich warf.

Schackeline verabschiedete sich mit den Worten: „So, Schätzken, dann mach du mal die Karre flott, und ich geh so lange für kleine Mädels!“ Kevin wartete, bis sie die WC-Türe hinter sich geschlossen hatte, und durchwühlte dann hastig die Fächer an den beiden vorderen Seitentüren und das Handschuhfach. Irgendwo musste das blöde Handbuch doch sein. Mit dem Lesen hatte er es ja leider nicht so (auch wenn er das viel besser gelernt hatte, als die Ärzte je zu hoffen gewagt hatten). Aber wenn genug Bilder in der Anleitung wären, würde es schon gehen. Zuerst einmal aber hatte er genug damit zu tun, in dem Sammelsurium von getragenen Socken, klebrigen Kaugummis, leeren Burger-Verpackungen, einem roten String-Tanga samt zugehörigem BH, zerdrückten Bierdosen, Kondompackungen, matschigen Pommes und siffigen Dönertüten überhaupt so etwas wie eine Betriebsanleitung aufzutreiben.

„Dauert noch ´was!“, nuschelte er, als Schackeline wieder auftauchte, und schämte sich, nicht als der strahlende Held dazustehen, der er gern gewesen wäre. Aber Schacki war das im Moment egal – es gab so viel Wichtigeres im Leben als ein defektes Auto! „Scheiße, ich brauch’ unbedingt Tampons! Und mein pinker Lippenstift is’ auch alle! Ich geh mal’n Stück die Straße runter, da is’n Penny!“ Sie stöckelte auf ihren Stilettos davon, und als Kevin ihr in ihrem knallengen pinkfarbigen Ledermini nachblickte, fielen ihm zwei weitere Gründe auf, warum er Schackeline richtig gut fand. Versonnen lächelte er vor sich hin und stellte sich vor, wie es wäre, wenn …

Durch ein lautes Krachen wurde er jäh aus seinen Träumen gerissen. Hinter seiner Karre nahm doch tatsächlich der hektische Typ mit dem Trenchcoat Anlauf und sprang mit beiden Beinen auf den Kofferraumdeckel, landete sicher und hüpfte dann wie Rumpelstilzchen auf dem Kofferraum herum. Dabei stieß er einen Wortschwall hervor, aus dem Kevin nur einzelne Wendungen wie „Selber Vierfachnull“, „Ich mach euch alle fertig!“ und „Ich war die längste Zeit euer Arsch!“ aufschnappen konnte.

Das würde Ärger geben! Lukas hatte erzählt, dass das Auto eigentlich ein Firmenwagen war. Und wenn der Wurstfuzzi schon Palaver machte, wenn Lukas mal bis nachts um eins mit seinen Kumpels ein Bierchen zischte, würde er beim Anblick der kaputten Karre völlig austicken. Außerdem durfte der Kofferraum nicht kaputtgehen, denn da mussten ja auf der Rückfahrt die Senfgurken- und Schmalzgläser von Oma P. rein, nicht zu vergessen die zwei Kartons mit Wodkaflaschen. Mit einem Satz sprang Kevin aus dem Wagen. Für ihn als durchtrainierten Kickboxer war es eine der leichtesten Übungen, durchgeknallte Typen zu bändigen. Keine drei Sekunden später lag der Mickerling verdutzt auf dem Boden und Kevin ließ zur Sicherheit einen Fuß auf seiner Kehle, bis er sich beruhigt hatte.

Langsam atmete Köbbele wieder langsamer und tiefer, sein Blick wurde klarer und er erkannte, was in ihm das Trauma aus seiner Zeit als Stift beim BND wachgerufen hatte: Neben der Buchstaben-Zahlen-Kombination „A8“ prangten vier Ringe auf der Heckklappe des nachtschwarzen Flitzers! Vier Ringe – die Vierfachnull, die ihn bis in seine Träume verfolgte und mitten in der Nacht schweißgebadet aufwachen ließ. „Kannst den Fuß wegnehmen, geht wieder!“ keuchte er und Kevin reichte ihm die Hand zum Aufstehen. „Bin wohl `n bisschen überreizt im Moment, zu wenig Schlaf, verstehst Du?! Übrigens: Ich bin Jakob aus München!“, stellte er sich vor. „Kevin Patrick Dennis aus Köln, kannst einfach Kevin zu mir sagen. München ist geil. Da hab’ ich ne Großtante, die is’ aber gerade in Danzig. Ich hol’ die jetzt da ab und fahr’ mit ihr zu irgendwelchen Kapuzenmönchen, weil die mich als Nutella-Model gebucht haben!“ Kevin war stolz, dass er sich das alles so gut gemerkt hatte. Manchmal funktionierte sein Gedächtnis einwandfrei!

Nutella-Model bei den Danziger Kapuzenmönchen! In Köbbeles Hirn überschlugen sich die Gedanken. Eigentlich war er nur in dieses Kaff namens Oer-Erkenschwick gekommen, um Erich K. ausfindig zu machen. Aber sollte dieser Kevin Patrick Dennis tatsächlich der beklagenswert dämliche Großneffe von Frau Elfriede sein, von dem sie so oft erzählt und um den sie im Büro so viele Tränen vergossen hatte (die Stifte hatten sich dann immer die Arbeit aufgeteilt: einer war in den Supermarkt Taschentücher besorgen gegangen, zwei andere hatten sie in den Arm genommen und zu trösten versucht und der vierte hatte den Telefondienst übernommen, weil Frau Elfriede vor Kummer kein vernünftiges Wort mehr hervorgebracht hatte, wenn Spatzerl mal wieder einen seiner schrecklichen Anfälle hatte und sich an nichts mehr erinnern konnte). Vielleicht konnte man sich bei der Suche nach Erich K. zusammentun. So einen dämlichen Eindruck machte der Junge eigentlich gar nicht! Köbbele wusste, wie solche Leute zu nehmen waren (er war froh, dass er sich vor ein paar Jahren interessehalber für eine Fortbildung in Neuropsychologie angemeldet hatte): Man durfte ihnen einfach nicht zu viele Informationen auf einmal geben. Und jedes Detail mussten sie nun wirklich nicht wissen. Sorgfältig überlegte Jakob sich die Wahl seiner Worte, um Kevin dann behutsam über die Verflechtungen aufzuklären, die zwischen Elfriede, Kevin und ihm bestanden.

Inzwischen hatte Schackeline im Penny gefunden, was sie so dringend brauchte, und sogar noch ein kleines Geburtstagsgeschenk für Kevin aufgetrieben (Ja, Kevin war inzwischen wirklich 18! Sie waren erst weit nach Mitternacht aufgebrochen, weil Schacki ein bisschen länger zum Packen gebraucht hatte. Und dann hatte sie sich beim Fahren sehr vorsehen müssen, was nun wirklich nicht ihre Schuld war, sondern eindeutig an der bekloppten Karre von Lukas lag. Jeder, der mal versucht hat, auf Stilettos mit 120 mm-Absätzen einen A8 auf Touren zu bringen, weiß, wie leicht so ein Absatz beim Durchtreten des Gaspedals abbrechen kann. Und Schackeline war nicht bereit, ihre 250 € teuren, pinkfarbigen Lieblingsstilettos zu opfern, um einen ganz süßen, aber dämlichen segelohrigen Kickboxer zu seinem ersten Modeljob zu kutschieren!).

Schacki war also war auf dem Weg zur Kasse, als ihr ein Typ vor dem Regal mit den Brotaufstrichen seinen Einkaufswagen in die Hacken rammte. Erbost musterte Schacki ihn: Er mochte Mitte 50 sein, vielleicht auch jünger, das sah man bei solchen Leuten nie so genau. Seine Kleidung war einfach und hatte schon bessere Tage gesehen. Nach billigem Schnaps roch er auch. Vor allem fiel ihr sein leerer, hoffnungsloser Blick auf. Er war eine dieser armseligen Gestalten, denen man ansah, dass das Schicksal es nicht gut mit ihnen gemeint hatte. „Schulligung Frollein,“ nuschelte er, „ich hab nur auf die Gläser mit der Schokopampe geachtet. Wissen Sie, den Namen Nutella habe ich nämlich erfunden! Vor 43 Jahren bin ich mit meiner Mutter aus Sachsen zur Beerdigung meiner Großmutter …“ Schackeline hatte keinen Bock, sich die Geschichte anzuhören. „Erzähl’s deinem Frisör!“, wollte sie zuerst sagen, besann sich dann, aber als ihr einfiel, dass drei ihrer besten Freundinnen Frisösen waren und sich bei ihr immer über die Typen beklagten, die ihnen beim Haareschneiden ein Ohr abkauten. So beschränkte sie sich darauf, den Störenfried von der Seite anzugucken, den Mundwinkel zu verziehen, direkt vor seinem Gesicht eine dicke rosa Kaugummiblase platzen zu lassen und sich dann wegzudrehen (das machte sie immer so, wenn sie einem Typen zeigen wollte, dass sie ihn ziemlich daneben fand).

Zurück an der Karre von Lukas fand sie statt Kevin das mickrige Männchen im Trenchcoat vor, das an ein paar Kabeln im Motorblock herumfummelte. „Kevin holt noch einen Liter Motoröl, dann läuft das Ding wieder wie `ne Eins! Ich bin übrigens Jakob!“, stellte Köbbele sich vor. Auch Kevin tauchte mit der Öldose in der Hand neben ihr auf. „So, jetzt brauchen wir nur noch diesen Erich K. zu finden und einzusammeln, und dann können wir weiter nach Danzig! Wir nehmen alle die Karre von Lukas, die ist schneller!“

Schackeline hielt die Luft an. Quer durch Deutschland mit drei Typen in einem Auto, von denen der eine zwar lieb, aber total behämmert war und der zweite qualmte wie ein Schlot und dazu fürchterlich nach Schweiß stank – den dritten wollte sie lieber gar nicht erst kennenlernen. „Bei dir piept’s wohl? Ich fahr sofort zurück nach Köln, wenn die Karre wieder flott ist!“ „Ach Schacki“, schmeichelte Kevin, „Dat is’ doch für die Ökobilanz viel besser, wenn wir bloß eine Karre nehmen (er war stolz, dass er sich dieses schwierige Wort aus dem Biounterricht gemerkt hatte!). Der Erich is’ bestimmt ’n guter Typ. Kuckma, der modelt auch für Nutella. Und wenn Du weiter mitkommst, leg ich bei den Kapuzenmönchen ein gutes Wort für dich ein! Stell dir mal vor, du auf den Nutella-Plakaten, 3 mal 5 Meter groß, überall in Köln.“ Die Vorstellung schien Schacki verlockend. „Aber Ausziehen is nich!“ forderte sie. „Ja, nee, is klar, Ausziehen brauchste dich nich!“ beruhigte Kevin sie. Schackeline blieb misstrauisch. Das hatte der Manager von der Agentur auch gesagt, bei der sie und Kevin sich kennen gelernt hatten. Und kaum hatten sie das erste Pikkolöchen gezischt („Nur zum Lockerwerden, Schätzchen!“), hatte er versucht ihr an die Wäsche zu gehen. „Und wenn dat alles Perverse sind, diese Kapuzentypen? Die ham doch bestimmt ewig keine Frau gesehen. Eins sach ich dir: Wenn einer von denen seine Hände nicht bei sich behalten kann, dann kannze gar nicht so schnell kucken, wie ich wech bin!“

Nachdem Köbbele, Kevin und Schacki sich so auf die gemeinsame Weiterfahrt geeinigt hatten, war nur noch ein Problem zu lösen: Wo war Erich K.? Im Telefonbuch stand er nicht, das Einwohnermeldeamt wusste von nichts und nicht einmal die in der Personenbank des BND registrierte Adresse war noch aktuell. „Wieso is’n der so wichtig?“, wollte Schacki wissen. Kevin war schon wieder stolz auf sich (das dritte Mal innerhalb weniger Minuten übrigens – das war noch nie vorgekommen. Das Abenteuer tat ihm offenbar richtig gut!). Er hatte nämlich nicht nur verstanden, sondern auch behalten, was Jakob ihm vorhin in einfachen Worten erklärt hatte: „Erichs Papa macht bei diesen Kapuzenmönchen mit. Und Erich darf da modeln, weil er den Namen Nutella erfunden hat, als er vor 43 Jahren mit seiner Mama aus Sachsen zur Beerdigung seiner Oma …!“ Aufgeregt unterbrach Schacki ihn: „Ey, vorhin im Penny, da war so ’ne Trantüte, die mir mit dem Einkaufswagen in die Hacken gefahren is! Und die hat mich mit der gleichen Geschichte vollgelallt!“ Entgeistert starrten Köbbele und Kevin ihre Begleiterin an! So nah waren sie dran an Erich K. –war er ihnen jetzt etwa vor ihrer Nase entwischt? In Köbbeles Hirn arbeitete es fieberhaft, in Kevins auch (vielleicht nicht ganz so schnell wie in dem von Jakob). Aber als sich aber ihre Blicke kreuzten, wussten sie beide: …

Nutella Folge X – Der sächsische Patient

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…die BILD-Zeitung! Natürlich, da war doch vor kurzem ein Bericht gewesen: BILD kämpft für dich! Kevin erinnerte sich noch genau daran, weil direkt neben dem Bericht das Bild von der scharfen Tussi war, die halbnackt auf dem Hengst ritt und ihn sofort an Schackie denken ließ. Obwohl, die Schackie war eigentlich noch schärfer… Kevin konnte sich sogar noch an die Überschrift in dicken Lettern erinnern: „Verarmt und einsam“. Genauso hatte er sich an dem Tag nämlich auch gefühlt…

Jakob hatte zwar die BILD nicht gelesen, gegen diese war er fast noch allergischer als gegen die Vierfach-Null, aber den entscheidenden Hinweis hatte er von Romulus erhalten. (Eine Zeitlang hatten sie Jakob in das Ressort Recherche und Analysen versetzt, nachdem er etliche peinliche Auftritte gehabt hatte, bei denen er regelrecht ausgerastet war. In Abteilung 35 hatten sie ihn gesteckt. Zuerst hatte er sich gewundert, wieso dieses Ressort so groß war, bis man ihn aufgeklärt hatte, dass die Abteilungszahl sich auf den IQ bezog, der zum Lesen der analysierten Medien benötigt wurde. 35 war für BILD zuständig, 50 untersuchte Bunte, Praline und St.-Pauli-Nachrichten, 70 wurde mit Runnersworld und Stern beliefert usw. Als er endlich wieder in den Außendienst durfte, witterte er Zeitungskioske schon von weitem und machte einen Riesenbogen um sie herum.) Romulus fand es schlichtweg ungerecht, was seinem Onkel widerfahren war, und so hatte er heimlich einen Tipp an die BILD gegeben. Die hatten gerne die Gelegenheit aufgegriffen, sich als moderner Robin Hood aufzuspielen, und so war es zu besagtem Artikel neben Frau mit Hengst gekommen. War nur noch die Frage, ob die irgendein Archivbild genommen oder tatsächlich Erich in seiner Wohnung aufgesucht hatten.

Sie hatten Glück: Der Dame an der Hotline erzählten sie, dass sie aufgrund des BILD-Artikels eine DANKE-BILD-Initiative gegründet hätten, Kinder reihenweise Sparschweine knackten, um „bei so einer großen Ungerechtigkeit“ zu helfen und sich bereits erste Lernanstalten zu nutella-freien Schulen erklärt hätten. Der freie Reporter, den die Redaktion beauftragt hatte, mal nachzusehen, was es mit dieser „Marmeladenstory“ auf sich hatte, war auch tatsächlich bei Erich zu Hause gewesen. Sehr ergiebig sei das Gespräch aber nicht verlaufen, da der Typ immer die gleiche Leier wiederholt hätte. Aber eines wüsste er jetzt mit Gewissheit, nachdem er diesen komischen Ossi-Kauz erlebt hätte: - Hahahaha – der HOLZMICHEL - hahahaha – der lebt wirklich noch – hahahaha. Aufgrund der dürftigen Informationen hätte er den Bericht selbst etwas ausschmücken müssen (was er sowieso immer tat). Klar wusste er die Adresse noch, aber da er ein Gespür für heiße Stories hatte und fest davon überzeugt war, dass ihm eines Tages die ganz große Nummer über den Weg laufen wurde, rückte er sie erst heraus, als sie zusagten, ihn mitzunehmen. Aus seiner Zeit in der 35 wusste Jakob alles über ihn. Naja, wenigstens einer, der als Konkurrenz bei Schackie ausschied.

Erich zu finden, war dann ein leichtes gewesen. Seit mehreren Stunden waren sie nun schon auf der Autobahn. Die Fahrt war nervig, ständig mussten sie anhalten, weil Köbbele die Glimmstängel ausgegangen waren, Erich stierte apathisch vor sich hin, und wie ein Hund, der Männchen macht, brabbelte er ständig „Nu, Tella! Nu, Tella“ vor sich hin, wobei er gegen das Dach stierte, als lägen obendrauf lauter Paletten mit Gläsern. Kevin hatte das Gefühl, dass dieser komische Zeitungsfritze, der die ganze Karre mit seinem Knoblauchgestank verpestete, ihn fortwährend anstarrte. Dabei sülzte der Typ alle zum dritten Mal mit der gleichen Story voll, in der nämlich die Polizei ihn, ja ausgerechnet ihn, angefleht hatte, sich gegen die Geiseln austauschen zu lassen, die die hoch gefährlichen, schwer bewaffneten Gangster genommen hatten, die nur einen Vertreter der Freien Presse ( jawohl) zu sich kommen lassen wollten. Natürlich war er sofort bereit gewesen, sich in die Verantwortung nehmen zu lassen. („Meine Herren, selbstverständlich, der Beruf des Journalisten erfordert Mut, Unerschrockenheit und Geradlinigkeit. Wenn ich das nicht gehabt hätte, hätte ich ja gleich Beamter werden können. – So hab ich denen das gesagt. Wort für Wort, weiß ich heute noch genau. Ich sach euch, die waren schwer beeindruckt und froh, einen wie mich dabei zu haben.“)

Dass die Beamten den „Zeitungsfutzi, diesen Spinner, der die beiden Jungs mit seinem Gelaber noch ganz kirre macht“, sanft weglocken wollten, war ihm nicht aufgegangen. Auch dass der Ältere der beiden Jugendlichen, die mit ihrem zugedröhnten Schädel mal so eben in die Sparkasse gegangen waren, dort „Ey, wer von euch gibt jetzt endlich einen aus!“ gebrüllt, dabei den Prospektständer umgeworfen und sich geweigert hatten, die Prospekte wieder einzusammeln (wahrscheinlich waren sie dazu gar nicht mehr in der Lage), plötzlich einen Heulkrampf kriegte und der Andere, auf einen Schlag hilflos geworden, auch nicht mehr so recht weiter wusste, woraufhin die Beamten alle Beide erst zu ihren Eltern brachten, dann aber, als die glaubhaft androhten, „ihnen das Gehirn aus dem Kopf zu prügeln“, mit in die Ausnüchterungszelle nahmen, ja, auch das hatte Johannes K. nicht mitbekommen.

Schackie störte das nicht, sie hörte gar nicht zu, sondern war ganz in Gedanken bei dem, was Kevin in Aussicht gestellt hatte: Sie auf Plakaten, 3 x 5 m groß! Das müsste ne hübsche Summe abwerfen. Einiges hatte sie schon angespart. So teuer waren diese Operationen auch nicht mehr. Eines wusste sie, ohne eine Operation würde sie diese fürchterlichen Rückenschmerzen sicher nicht mehr los, die sie hatte, seitdem sich ihr Körper in der Pubertät so verändert hatte. Klar, die Männer starrten sie an, und von den Kolleginnen erntete sie neidische Blicke. Aber war es das wert? In Gedanken sah sie sich bereits neu einkleiden.

Um zügiger voranzukommen, wechselten sich nun Köbbele und „Pulitzer“ beim Fahren ab. Diesen Namen hatte Johannes K. von Köbbele erhalten, wobei die anderen nicht wussten, wie er darauf gekommen war, Johannes K. am allerwenigsten. Als Pulitzer das erste Mal fuhr, strich seine Hand verdächtig oft über die Automatik, und beim nächsten Mal setzte Kevin sich nach hinten zu Schackie. Die Abfolge sah nun so aus, dass entweder Köbbele fuhr mit Pulitzer als Beifahrer, oder Pulitzer fuhr, und Erich wurde zu ihm nach vorne gesetzt. Köbbele hatte Pulitzer klargemacht , dass er als Journalist so am besten alles mitbekäme. Gerade hatten sie wieder einen Fahrerwechsel vorgenommen, Jakob war dran. Er lenkte fast durchgehend nur mit einer Hand, und der Aschenbecher war übervoll. Dennoch fuhr er gleichmäßiger und ruhiger, während Pulitzer seine Heldenerzählungen auch beim Fahren nicht unterbrach und wild hin und her gestikulierte, während er die Gelegenheit weidlich ausnutzte, den A8 mit 240 über die Autobahn zu scheuchen. Glücklicherweise ahnte Kevin noch nicht, dass ihn Lukas demnächst wegen der in die Tausende gehenden Bußgelder und der für mindestens 2 Führerscheinentzüge reichenden Strafpunkte zur Rede stellen würde.

Merkwürdig war nur, dass auch Köbbele, oder besser: gerade er, den Pritschenwagen nicht bemerkt hatte, der in einiger Entfernung zwar, aber immer in Sichtweite hinter ihnen fuhr…
Das Remake
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Nutella, die XI.: Ein Hund namens ???

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Hinter dem Steuer des Pritschenwagens summte Heinz Hermann G. (53), Herr über eine Herde von 500 Heidschnucken, ein fröhliches Schäferliedchen vor sich hin. Endlich war sein Scheidungstermin überstanden, und das erfolgreich! „Unüberbrückbare Differenzen“ hatte der Richter festgestellt und wegen seelischer Grausamkeit seiner Ex-Frau musste Heinz Hermann keinen Cent Unterhalt zahlen. Schon als sich seiner Frau dieser Sekte namens „Vegane Ultras“ angeschlossen hatte, hatte es nicht mehr recht gestimmt zwischen ihnen beiden. Dass seine Frau weder Schafskäse noch Lammkoteletts mehr essen wollte, hatte Heinz Hermann noch sehr gut verstehen können (er würde auch keines seiner eigenen Tiere verspeisen und hatte stattdessen die Koteletts immer von einem befreundeten Schäfer geholt). Und dass sie nur noch in Gummistiefeln oder diesen hässlichen quietschbunten Plastikclogs herumlief, die es jetzt überall zu kaufen gab, fand er zwar unsexy, aber gut, er hätte zur Not auch noch damit leben können.

Dann aber war die Sache mit seinem Lieblingspullover passiert: Im Frühjahr hatte Heinz Hermann seinem Lieblings-Schnuckenbock (er nannte ihn zärtlich „Schnucki“) eine flotte Fellschur für den Sommer verpasst, die Wolle zu Garn versponnen und – seine Frau fasste damals schon kein Strickzeug mehr an, wenn das Garn nicht aus 100 % Polyacryl bestand – eigenhändig zu einem kuscheligen Pulli verstrickt. Bei einem Treffen der Sekte war Heinz Hermann dann gerade noch hinzugekommen, als seine Frau im Kreise ihrer Mitbrüder und -schwestern, die ihre Polyacrylmützen abgenommen hatten und feierliche Beschwörungsrituale murmelten, die letzten Fetzen des fein sorgfältig zerkleinerten Textils im Komposthaufen vergraben hatte („Dem Tier hast du sein Kleid unwiderruflich gestohlen! Sein Opfer soll nicht umsonst gewesen sein! So werden wenigstens leckere Möhren und Zucchini daraus.“)! Hier war sie eindeutig zu weit gegangen!!! Gleich am nächsten Morgen hatte Heinz Hermann seinen Anwalt angerufen.

Diese Geschichte war um so tragischer, weil Schnucki mittlerweile bei einem entsetzlichen Unfall ums Leben gekommen war, einem Unfall allerdings, dem Heinz Hermann es verdankte, dass sein vergammelter Pritschenwagen es gut und gerne auf 260 Sachen brachte (auf abschüssiger Strecke hatte die Tachonadel auch schon mal an der 270 gekratzt). Vor ungefähr sechs Monaten war es gewesen, als dieser ölige Italiener oder Schweizer (Giovanni oder Gianluca oder so, Ferrero hieß er jedenfalls mit Nachnamen) zugekokst und voll wie eine Natter mit seinem Maserati erst Heinz Hermanns Weidezaun geschreddert und die Kiste dann an der Scheunenwand einen Meter kürzer gemacht hatte. Vor der Scheunenwand hatte Schnucki gegrast – der geneigte Leser kann sich angesichts der Beschreibung des Unfallhergangs wohl denken, dass jeder Gedanke an Hilfe sinnlos war!

Heinz Hermann hatte den Schock jedoch schnell überwunden, denn ihm war eine Möglichkeit eingefallen, aus der Katastrophe Kapital zu schlagen. Schaffleisch und Wolle brachten einfach nicht mehr genug ein, und Singen wie sein Kollege Heinrich, der im Fernsehen eine große Nummer war, wollte er nicht. Sein Vorschlag war vielleicht moralisch nicht ganz einwandfrei, aber jeder musste sehen, wo er blieb! Er hatte sich selbst gewundert, wie schnell sich dieser Ferrero auf den Deal eingelassen hatte - dem war wohl sehr daran gelegen, dass Heinz Herrmann schwieg und der Unfall nirgends aktenkundig wurde. Erstens hatte Heinz Hermann die Trümmer des Sportwagens behalten dürfen (das Chassis war natürlich Schrott, aber der Motor war einwandfrei, und da Heinz Herrmann ein geschickter Bastler war, hatte er den tuckernden Dieselmotor aus dem Pritschenwagen einfach durch den des Maserati ersetzt. Das mit der TÜV-Plakette hatte ein Bekannter für ihn geregelt – so war das eben noch auf dem Dorf, jeder half jedem!).

Zweitens kriegte er jeden Monat zehn Euro-Paletten Schaffutter frei Hof geliefert. Eine braune Nuss-Nougat-Pampe in 20 Liter-Kübeln, die roch und schmeckte (Heinz Hermann setzte seinen Schafen nichts vor, das er nicht selbst probiert hatte!) wie Nutella. Die Schafe wurden zwar reichlich fett davon und der Tierarzt hatte schon mal etwas von „Karies bei Heidschnucken, ein äußerst ungewöhnlicher Fall!“ gebrabbelt und einen Fachaufsatz darüber veröffentlichen wollen. Aber das war Heinz Hermann wurscht: Die Tiere waren verrückt nach dem Zeug und er sparte sich das teure Kraftfutter, das er sonst immer von der Genossenschaft bezogen hatte.

Drittens hatte dieser Ferrero ihm versprochen, dass er hin und wieder einen Spezialauftrag für ihn ausführen dürfe – gegen großzügige Bezahlung natürlich. Den ersten Spezialauftrag hatte er heute früh bekommen. Die Zeit hatte gerade noch ausgereicht, um alles Notwendige vorzubereiten und dann auf die Ostseeautobahn einzubiegen und zu warten, bis das Zielobjekt, ein nachtschwarzer A8 mit Münchener Kennzeichen, in Reichweite kam.

In dem A8, den Heinz-Herrmann mit seinem Pritschenwagen verfolgte, herrschte eisiges Schweigen. Pulitzer war den anderen mit seinem Herumgestrunze entsetzlich auf den Wecker gegangen. Schließlich hatte Schackie an der Raststätte gedroht, sie würde per Anhalter zurück nach Köln fahren, weil sie das Gelaber von dem Schreiberling nicht mehr abkönnte. Der sonst so gutmütige Kevin hatte sich nicht anders zu helfen gewusst, als Pulitzer mit einer seiner bewährten Kickbox-Techniken zum Schweigen zu bringen. Schackie hatte das sehr imponiert, aber Köbbele war stocksauer, weil er keinen Bock hatte, alleine den Chauffeur zu spielen. Und Erich stierte ohnehin nur depressiv in die Gegend und hatte außer „Nu, Tella!“ schon seit Stunden kein Wort mehr von sich gegeben.

Köbbele war mittlerweile völlig übermüdet, sodass er erst in letzter Minute bemerkte, dass der Pritschenwagen auf der linken Spur an ihm vorbeizog, ins Schlingern geriet und einige 100 m weiter auf dem Standstreifen stoppte. Da musste irgendwas passiert sein! Sofort trat er auf die Bremse und schaffte es gerade noch, Lukas’ Karre hinter dem Pritschenwagen zum Stehen zu bringen. Gemeinsam mit Kevin sprang er aus dem Auto, rannte zur Fahrertür des Pritschenwagens und sah Heinz Hermann zusammengesunken auf dem Sitz, die Hand auf die linke Brustseite gepresst. „Brauch’ keinen Arzt, nur ein Schwächeanfall!“, murmelte er, „Die Aufregung, frisch geschieden heute!“. Köbbele kannte das, ihm hatte die Trennung von Marie Elisabeth vor vier Jahren auch sehr zugesetzt. „Na, Meister, dann bringen wir dich aber wenigstens nach Hause!“, sagte er jovial und klopfte Heinz Hermann auf die Schulter.

Köbbele fuhr den Pritschenwagen, Schackie durfte wieder ans Steuer des A8, und dirigiert durch Heinz Hermanns Anweisungen hatten sie bald die Schäferei in der Nähe von Bad Doberan erreicht. Heinz Hermann ruhte sich auf dem Wohnzimmersofa aus, während Köbbele auf Anordnung von Schackie („Mit dem Stinktier fahr’ ich keinen Kilometer mehr!“) eine Dusche nahm und in frische Klamotten schlüpfte, die Heinz Hermann ihm großzügig überließ. Erich zauberte aus den kümmerlichen Vorräten in Heinz Hermanns Kühlschrank ein Mittagessen (seit er den von der ARGE finanzierten Kursus „Schöner kochen mit Hartz IV“ erfolgreich abgeschlossen hatte, konnte er aus fünf beliebigen Zutaten eine Mahlzeit zubereiten, die eines Sternelokals würdig wäre). Pulitzer hatte sich noch immer nicht von Kevins Notwehrreaktion erholt und lag weiterhin bewusstlos auf der Pritsche von Heinz Hermanns Wagen (auch das hatte Schackie durchgesetzt: „Diese Stinkbombe könnta aba auch ma’ auslüften!“).

Kevin war glücklich! Zusammen mit Schackie streunte er über den Hof, solange das Essen noch nicht fertig war. Plötzlich ertönte aus dem hintersten Winkel der Scheune ein klägliches Fiepsen! Mutig wagte sich Kevin in das Dunkel und kehrte gleich darauf mit einem gerade einmal faustgroßen Fellknäuel zurück! Gemeinsam mit Schackie stürmte er zu Heinz Herrmann in die Stube: „Kuck ma, habbich inner Scheune gefunden! Voll süß, echt!“ – „Yorkshire Terrier oder so. Wird nie’n brauchbarer Hütehund. Kannste haben, wenn du willst!“. Kevin strahlte über das ganze Gesicht! Winnifrieds Tod lag zwar erst ein paar Monate zurück, aber inzwischen hatte sein Schmerz so weit nachgelassen, dass er sich vorstellen konnte, einen neuen Gefährten bei sich aufzunehmen. Und dann hatte er eine – wie er fand – grandiose Idee: Er drückte Schackie das Tierchen in die Hand. „Für dich!“, murmelte er, und seine Segelohren wurden rot dabei.

So richtig kam sein Geschenk nicht an. „Ey, wat soll der Scheiß! Dat Ding is’ undicht!“, zeterte Schackie los, und tatsächlich tropfte es heftig aus dem Fellknäuel auf ihren pinkfarbigen Ledermini. Na herzlichen Glückwunsch! Ein süßer, aber behämmerter Kickboxer, ein mickriger Kettenraucher, ein depressiver Waldschrat und ein dauerquasselnder Zeitungsfuzzi - und jetzt auch noch diese inkontinente Töle, die aussah wie eine Kreuzung zwischen Wanderratte und Langhaarmeerschweinchen! Das konnte ja eine tolle Reise werden!

Kevin dämmerte, dass er Schackeline vielleicht mit seinem Geschenk ein wenig überfahren hatte. „Kuckma, Schackie,“, versuchte er zu erklären, „der wächst ja noch und wird dann dicht. Und dann kannste ihn inner Handtasche rumtragen und ihm `ne pinke Schleife zwischen die Ohren binden. Die Britney und die Paris machen dat auch immer so! Un dat würde toll aussehn zu deinem pinken Lippenstift!“ Das mit Britney und Paris hatte Schackie schon gesehen und gut gefunden. Also war das Geschenk vielleicht doch nicht so bekloppt! Und als Kevin sie mit seinen treuherzigen meergrünen Augen so hoffnungsvoll anplinkerte (und zuvor durch seine Vorschläge auch noch seinen Sinn für Mode und Ästhetik unter Beweis gestellt hatte), schmolz sie vor Mitgefühl dahin. Der Hund durfte mit. Und ein Name für ihn würde sich auch noch finden.

Endlich unbeobachtet, puhlte Heinz Hermann sein Handy aus der Hemdtasche und wählte die vereinbare Nummer: „IM Nutella, äh, Signore Ferrero, Auftrag ausgeführt! Ich hab’ dem dämlichen Bengel und dem rattenscharfen Doppel D-Luder den Köter mit dem implantierten Sender untergejubelt!“

Hans Ferkel am anderen Ende der Leitung reagierte wie immer kühl und sachlich, das hatte er während seiner langen Ausbildung bei der Stasi (und einer Hospitanz beim KGB) gelernt (naja, die Geschichte mit dem Maserati mal ausgenommen, aber das war ein einmaliger Ausrutscher gewesen!). Aber heute war die Gelassenheit nur vorgetäuscht, und sein Herz schlug heftig: Sie waren wieder dran an Erich K., und dieses Mal würde nichts schief gehen! Nur schade, …

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Boah, ey, bitte nicht aufhören!!!!

Ich habe gerade echt viel zu tun, ab Montag wird es besser. Dann werde ich mir dieses... Epos (einen anderen Namen verdient es ja nicht mehr!!!) ausdrucken, mir einen leckeren Tee UND einen noch leckereren Kaffee kochen und das ganze genüßlich lesen... ich werde es zelebrieren... (und falls ihr bis dahin noch ein paar Folgen produzieren wollt, tut euch keinen Zwang an...)

Danke für eure Mühe und Zeit... ihr seid echt genial!

nachtzeche
"Die auf den Herrn harren kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden!" (Die Bibel, Jesaja 40,31)

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Ihr versüßt mir den Arbeitstag! Weitermachen bitte-danke! :daumen:

Nutella XII – Ein Offizier und Gentleman

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Schade, jammerschade, dass es mit der neuen Trophäe nicht geklappt hatte. Giovanni (so meldete er sich mittlerweile selbst dann, wenn der Chef ihn nachts um 3 Uhr aus dem Schlaf riss) hatte schon diese kribblige, aus Begierde und Vorfreude gespeiste Erregung verspürt. Vielleicht war er auch zu siegesgewiss gewesen. Das war nie gut. Aber es gab eben Momente, da ging die Leidenschaft mit ihm durch. Ja, Hans Ferkel, höchst dekorierter Stasi-Offizier, auserwählt für die Leitung des Nutella-Projekts nach einem harten Selektionsprozess, kühl, analytisch, beherrscht auch in den kritischsten Situationen, hatte, wie viele Kopfmenschen seine persönliche Schwachstelle, ach was Schwachstelle, eine Leidenschaft war es. Sie bildete das Pendant zu der Rationalität, mit der er nun schon seit Jahren hier seinen Einsatz als angeblicher Konzernchef versah. Diese Leidenschaft versüßte seinen Auftrag, verschaffte ihm Momente großer Befriedigung. Und ausgerechnet dieses Prachtstück hatte ihm entgehen müssen. Wie sein Agent gesagt hatte, wäre Steve J., genialer Kopf eines großen amerikanischen Konzerns, der sich nach einer urdeutschen Frucht benannt hatte, und wie er passionierter Sammler, ihm diesmal zuvor gekommen. Nun gut, es ließ sich nicht mehr ändern, die Sammlerehre gebot es, dies anzuerkennen.

Dabei hätte das Schmuckstück seine Sammlung perfekt ergänzt, ja vervollkommnet. Eine leibhaftige Außenministerin, und nicht irgendwer, nein direkt vom Klassenfeind, vom Sinnbild des Bösen schlechthin. Ihr Büstenhalter hätte einen Sonderplatz bekommen. Denn das war die heimliche, die große Leidenschaft von Hans Ferkel, Giovanni Ferrero, IM Nutella: Er sammelte Büstenhalter. Nein, nicht wie die wenigen Eingeweihten zunächst gemeint hatten, aus fehlgeleiteter Sexualität oder als Fetisch. (Einmal hatte er sich hinreißen lassen, einem, wie sich zeigte, Ignoranten und Kunstbanausen seine Sammlung zu zeigen. Als dieser eine diesbezügliche Anspielung auf seinen Namen, seinen richtigen, deutschen Namen wohlgemerkt, hergestellt hatte, zertrümmerte er ihm lächelnd und ohne mit der Wimper zu zucken das Nasenbein. Anschließend rief er eine in keinem Telefonbuch verzeichnete Nummer in Sizilien an, um eine diskrete Entsorgung sicherzustellen. Seit diesem Vorfall hielt er den Kreis der Wissenden bewusst klein.) IM Nutella hatte ein mehr oder weniger geregeltes Sexualleben, am Anfang hatte die Partei dafür gesorgt, um mögliche Angriffsflächen für ein Drehen ihrer Topagenten auszuschalten, später bildete der Reichtum, den ihm sein Auftrag eingebracht hatte, die entsprechende Voraussetzung. Er hielt sich diesbezüglich für völlig normal und war es auch. Nie wäre er auf die Idee gekommen, eines seiner Exemplare mit ins Schlafzimmer zu nehmen.

Nein, er sammelte Büstenhalter wie andere Briefmarken, Orchideen, Prominenten-Handys oder was sonst auch immer. Geweckt worden war diese Leidenschaft, als er vor Jahren in Australien eingesetzt war. Bei der Beschattung eines Zielobjekts im australischen Busch, fürwahr ein schwieriges Unterfangen, bei dem er sich teilweise als Känguru hatte tarnen müssen, hatte er in einem Store mitten im Outback einen Kaffee getrunken. Der ganze Gästeraum dort hing voll mit kleinen und großen weiblichen Wäschestücken, BHs, Höschen, ja selbst Strapse verzierten die Wände. Er aber war nur beeindruckt, ja geradezu fasziniert von den BHs mit den Autogrammen ihrer Trägerinnen, und so begann seine Sammelleidenschaft. Ganze Räume hatte er für eine würdevolle Aufbewahrung herrichten lassen. Um sie wirkungsvoll zur Geltung zu bringen, hatte er anfangs Gipsbrüste herstellen lassen, um die er sie liebevoll spannte. Später, als der Nutella-Auftrag anfing, sich zu verselbständigen, tauschte er den Gips gegen sündhaft teuren Marmor aus. Er hatte sich gewissermaßen sein eigenes kleines Museum aufgebaut, obwohl: Er war nicht sicher, ob „klein“ immer noch das richtige Adjektiv war.

Es kam nicht auf die Größe seiner Sammelstücke an, nicht auf das Design oder die Farbe, nein, ausschlaggebend war allein, dass es sich bei den ehemaligen Besitzerinnen um bekannte Namen handelte. Es war egal, ob sie intelligent waren oder über die Denkleistung eines Spatzenhirns nicht hinauskamen, Hauptsache: in der Öffentlichkeit präsent. Paris und Britney waren in seiner Sammlung ebenso vertreten wie Moderatorinnen oder Unternehmerinnen. Ja, selbst eine hochrangige Politikerin aus dem Mecklenburger Raum war mit ihrem Kleidungsstück verewigt. Falls ihm Schackeline begegnet wäre, wer weiß, vielleicht wäre sie für einen One-Night-Stand gut gewesen, aber sie in seine Sammlung aufnehmen? Nie und nimmer (auch wenn zugegebenermaßen ein besonders großer Marmorblock erforderlich gewesen wäre)! Er verunstaltete seinen Palazzo ja auch nicht mit einem billigen Ikea-Möbel. - Immer wenn er sich entspannen wollte, ging er seine Sammlung durch, strich zärtlich über den Stoff und tankte auf diese Weise Kraft für seine verantwortungsvolle Mission. Eine Zeitlang hatte er sich vorgestellt, bei „Wetten, dass…“ aufzutreten mit „…ich fünf von sechs Promi-Frauen mit verbundenen Augen nur durch die Berührung ihrer Brüste erkenne!“ Auch wenn er natürlich nicht derart ins Rampenlicht treten konnte, amüsierte ihn diese Vostellung. Er zwang sich, seine Gedanken von der verpatzten Trophäe wieder umzuprogrammieren auf die große Leinwand, auf der sie die Bewegung des kleinen roten Punktes verfolgten. Zügig näherte dieser sich der deutsch-polnischen Grenze. Allen im Raum Versammelten sah man die Anspannung an. Diesmal musste es gelingen. Es lief unweigerlich auf den Showdown zu.

Schackie lag zusammengekauert halb auf Kevins Schoß und döste. WinnifriedK, Kevin hatte ihn wieder Winnifried taufen wollen, aber Schackie hatte gemeint, das brächte Unglück und da sie ihn von Kevin bekommen hatte, nannten sie ihn erst Winnifried-Kevin und dann nur noch kurz WinnifriedK, hatte es sich auf einem der Schminkkoffer bequem gemacht, von dem aus die Hundepisse auf das Sitzleder lief. Er hatte sich schnell als kleiner Giftzwerg entpuppt. Kaum kam jemand näher, den er nicht kannte, schnappte er nach ihm und biss zu. Kevin schaute auf die Visitenkarte eines gewissen R. W. Troll, auf den er an der Tankstelle losgeschossen war. Schackie, gutherzig wie sie war, bekam mittlerweile Gewissensbisse, weil sie die Gelegenheit genutzt und den nervenden Pulitzer auf Heinz Hermanns Karre einfach zurück gelassen hatten. Erich hatte der Aufenthalt gut getan, irgendeine Bremse schien gelöst, er machte einen Streifzug durch die Kinderreime, die er einstmals gelernt hatte und die nun nur so aus ihm heraussprudelten.

Sie hatten die Grenze bereits hinter sich und näherten sich Danzig. Köbbele dachte, es sei eine gute Idee, Elfriede anzurufen. „Köbbele, bist du das? Wo treibst du dich herum? Was hat du aus Romulus heraus bekommen?“ Sie befand sich noch in Boris’ Zimmer, dem man den Magen ausgepumpt und den man bei künstlicher Ernährung 2 Zimmer neben ihrem eigenen untergebracht hatte. Sie langweilte sich und wartete auf Spatzerl. Am ersten Tag hatte sie an den Rollstuhlrennen auf dem Krankenhausflur teilgenommen (man sah das hier nicht so eng), doch dann hatte sie eine bessere Betätigung gefunden: sie würde Boris auf den Pfad der Tugend zurückbringen. Also besuchte sie ihn regelmäßig und erzählte ihm von den Gefahren des Alkohols. Erst hörte er ihr durchaus interessiert zu, sein Schädel war immer noch kurz vorm Zerplatzen und an den Gedanken einer Magentransplantation hatte er sich auch gewöhnt, aber auf die Dauer ging ihm die labernde Alte, der das große Besäufnis rein gar nichts ausgemacht zu haben schien, mächtig auf die Nerven, und er schwor sich, wenn er das hier überleben würde, würde er keinen Schluck mehr anrühren. (So kam es dann auch.)

Elfriede musste erst ihre Gedanken ordnen: Köbbele bei Romulus, Spatzerl auf dem Weg hierher! Nein, Köbbele nach Danzig, Spatzerl nach? Nein, noch mal! Verdammt, hatte das vermaledeite Gen sich etwa wieder eingerenkt? Schließlich begriff sie. „Und ein wahnsinnig nettes Mädchen ist auch dabei“, hatte ihr Spatzerl noch gehaucht, und sie spürte förmlich, wie er dabei rot anlief. „Du lernst sie ja bald kennen, Tantchen.“ Nanu, bisher war ihr Großneffe doch nur auf so Flittchen mit möglichst großen Brüsten abgefahren.

„Es läuft perfekt, meine Herren!“ Giovannis Stimme klang zufrieden. Der rote Punkt hatte vor dem Kaczynski-Hospital gehalten. Der IM schaltete die Kamera, deren Bild bisher nur in der linken unteren Ecke zu sehen war, auf halbe Leinwandgröße. Die andere Hälfte füllte sich mit prächtigen, hochgewachsenen Birken und mehreren ineinander verschachtelten Gebäuden, das unschwer als Klosteranwesen zu erkennen war. Die nächste Kameraschaltung ging ins Innere des Gebäudes und blieb auf einer hochgewachsenen Gestalt mit scharfen, kantigen Zügen stehen. Die Haare waren schlohweiß, der Bart noch schwarz, aber mit ersten grauen Strähnen durchsetzt. Der Mann drehte sich der Kamera zu. Als seine Augen direkt in die im Nutella-Hauptquartier versammelte Runde blickten, wäre selbst körpersprachlichen Analphabeten die Machtverteilung klar gewesen. Er verstärkte die trotz der Entfernung zwischen den Beteiligten greifbare Spannung durch kurzes Schweigen, bevor er anhob…
Das Remake
Infos zum Laufen und Vereinsgedöns gibt's auf www.sgnh.de

Nutella XII: Brother Act

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… „Erhebt euch, Brüder, und lasset uns beten: Herr, wir danken wie besessen, für das wunderbare Essen!“. Schweigen. Die Kamera schwenkte nach rechts und zeigte einen Tisch, um den sechs Männer mittleren und höheren Alters in klösterlichem Ornat um einen schweren Esstisch aus Eichenholz versammelt saßen und betreten dreinblickten, vor sich einen Teller mit Pfannkuchen und ein riesiges Glas, das mit einer braunen Paste gefüllt war. Der Weißhaarige versuchte es noch einmal: „Herr, wir danken wie besessen, …“ und machte dazu eine auffordernde Handbewegung. Schweigen. Die sitzenden Männer blickten sich gegenseitig an, stießen sich in die Seite. „Sag du’s ihm!“ – „Nein, ich habe erst letzte Woche!“ – „Wieso ich schon wieder? Alle drücken sich und ich darf den Kopf hinhalten!“. „Ja, aber einer muss ihm doch sagen, was Sache ist. Ich lauf nicht mehr in diesen Schlabberklamotten rum. Und wieso dürfen wir nicht ohne dieses Tralala mit dem Essen anfangen?“

So ging das im Kapuzinerkloster „Zu den fünftausend Birken“ (das inzwischen korrekterweise in „Zur Birke“ hätte umbenannt werden müssen) jeden Tag. Seit einigen Jahren waren die Gedächtnisstörungen des Weißhaarigen schlimmer und schlimmer geworden. Auch ohne einen Facharzt konsultiert zu haben, war für die Gemeinschaft klar, dass es sich um eine Demenzerkrankung handeln musste. Inzwischen hatte der Weißhaarige, den früher alle nur „Genosse Wladimir“ genannt hatten, völlig die Orientierung zur Person und Situation verloren und bestand darauf, mit „Herr Abt“ angeredet zu werden, was allen um so absurder erschien, als weder Wladimir noch sie selbst mit Kirche jemals etwas am Hut gehabt hatten (sie waren ja nicht einmal getauft!).

Damals nach der Wende, als die Stasi-Archive geplündert wurden, war ihnen der Boden in Sachsen einfach zu heiß geworden. Man wusste nicht, was einen staatstreuen IM erwartete, malte sich aber das Schlimmste aus. Wladimir, damals noch ein hohes Tier beim KGB und ihr Kontaktmann nach Moskau, hatte versprochen ihnen zu helfen. In zwei klapprige Ladas hatte er sie verfrachtet und Richtung Osten kutschiert. Sie sahen sich schon in der Moskauer Parteizentrale an ihren eigenen Schreibtischen sitzen, eine junge, wohlproportionierte Sekretärin im Vorzimmer, die auch gern bereit war, mal die eine oder andere „Überstunde“ nach Dienstschluss zu machen. Dann aber waren sie irgendwo kurz vor der russischen Grenze abgebogen, auf schmalen und holprigen Wegen kilometerweit durch ausgedehnte Birkenwälder gefahren und schließlich in der Klosteranlage gelandet.

Zu Anfang war noch alles gut gegangen. Drei oder vier Mönche sowie der alte Abt hatten noch gelebt und sich und ihre Gäste durch das versorgt, was ihr Gemüsegärtchen und die paar Hühner und Schafe hergaben. Das Geld für Dinge, die man zusätzlich kaufen musste, wurde durch Kruzifixschnitzereien aus Birkenholz verdient, und es war Ehrensache, dass die ehemaligen IMs nach kurzer Zeit auch dazu beitrugen. Bestens geschult durch ihre Erfahrungen mit der sozialistischen Planwirtschaft hatten sie die Oberaufsicht über Produktion und Vertrieb übernommen. Irgendetwas musste dabei schief gelaufen sein, denn Genosse Ferrero, der sie regelmäßig besuchte, berichtete zunehmend über sinkende Erlöse und dramatische Absatzrückgänge. Man versuchte es – ermutigt durch die Ergebnisse von Analysen, die auf der Betrachtung von Werbesendungen im kapitalistischen Westfernsehen basierten - zunächst mit Sonderaktionen wie „Auf der Rückseite von jedem 7. Kruzifix findest Du ein wunderschönes Heiligenbildchen!“ oder „Nimm 3, zahl 2!“. Vor allem der letzte Slogan war ein kompletter Fehlschlag gewesen. Die meisten Kunden hatten mit einem lässigen „Aber Sie wissen doch: Jeder nur ein Kreuz!“ abgewunken. Irgendwann hatten die Brüder sich dann herablassen müssen, ihre handgeschnitzten Holzarbeiten palettenweise im 99 Cent-Paradies zu verramschen. Als auch das nicht half, hatten sie eine ganze LKW-Ladung an katholische Waisenhäuser im westdeutschen Raum verschenkt. Man erzählte sich, dort würden die Kruzifixe nun sogar in den Waschräumen hängen.

Der Markt für Kruzifixe war also inzwischen gesättigt (was nicht so viel ausmachte, weil die Birkenwälder um das Kloster herum inzwischen eh abgeholzt waren). Es gab nur zwei Probleme: Zum einen waren alle echten Ordensbrüder mittlerweile verstorben, so dass nur noch Genosse Wladimir und seine sächsischen IMs die Anlagen bewohnten. Das zweite Problem war weitaus gravierender: Weil das Geld und das Essen knapp geworden waren, hatte die Gemeinschaft sich nicht anders zu helfen gewusst, als wieder einmal IM Ferrero um Hilfe zu bitten. Der war mittlerweile endlos genervt von diesen ehemaligen Stasi-Typen, die zu wenig Arsch in der Hose hatten, um ihr Agentenleben zu professionalisieren, und sich stattdessen im polnischen Busch verkrochen hatten. Hätte es sich nicht um ehemalige Kollegen gehandelt, so hätte er wohl wenig Skrupel gehabt, seine sizilianischen Freunde mal wieder um einen kleinen Gefallen zu bitten. Aber das konnte er irgendwie nicht bringen. Sollten sie halt was zu futtern kriegen, aber etwas, dass das Problem in absehbarer Zeit von selbst erledigen würde.

Ohnehin ging jede Woche ein LKW mit 10 Paletten Schokopampe als Schaffutter Richtung Bad Doberan raus (seit diesem bekloppten Unfall, bei dem er seinen Maserati zerlegt hatte). Da konnte man auch alle drei Monate den Umweg nach Polen machen und ein paar Kübel im Kloster abladen. Seither war der Speiseplan im Kloster vielleicht ein wenig … sagen wir einmal: nuss-nougatlastig geworden! Die IMs hatten dies mit erstaunlicher Gelassenheit hingenommen, bis zu jenem Tag, als der greise Mönch, der für die Küche zuständig war, ihnen zum Frühstück Nutellabrötchen, zum Mittagessen Crepes mit Schokofüllung und zum Nachmittagskaffee Nuss-Nougat-Torte serviert hatte. Als er aber abends zwei Schlüsseln mit kleingeschnittenen Früchten und Gebäck auf den Tisch gestellt und dann einen Fonduetopf hereingetragen hatte, aus dem es verdächtig nach Schokolade roch, war Ernst Otto K. ausgerastet.

Nach einer Flut unflätiger Beschimpfungen (die wir aus Gründen des Jugendschutzes verschweigen müssen), kam er zum Kern der Sache: „Was glaubt ihr, was das für ein Gefühl ist, wenn man seinem eigenen Kind beibringen muss, als erstes Wort nicht „Mama“ oder „Papa“, sondern „Nu, Tella“ zu sagen? Wenn man seine Frau dann mitsamt dem Jungen in die Westzone ausreisen lassen muss? Um meine Schwiegermutter war es nicht schade, die hat sowieso nur rumgezetert und ich war froh, dass die Grenze dazwischen war, sonst hätte sie uns ständig auf der Pelle gehockt. Aber dass meine Frau dann gleich ganz rübergemacht ist und Erich mitgenommen hat und dann mit diesem Typen aus Liechtenstein rumgevögelt und Kinder gemacht hat, das hat mich fertig gemacht! Romulus Anton Willi, dass ich nicht lache! Und warum hab’ ich das alles auf mich genommen? Warum? Uns haben sie damals in den 60ern erzählt: Wenn die im Westen dieses Nuss-Nougat-Zeug haben, sind sie binnen 10 Jahren weg vom Fenster: Fett, faul, kaputte Zähne, Herzinfarkte, Schlaganfälle – Problem gelöst, Mission erledigt! Und dann kommen wir und organisieren den sozialistischen Wiederaufbau! Ja, scheiße, und jetzt? Frau weg, Kind weg, ich am Arsch von Polen, ausgerechnet in einem Kloster, seit Jahren keine Frau mehr gesehen. Denen im Westen geht’s blendend, die baden in Champagner, und stattdessen müssen wir jetzt die Schokopampe selber fressen!“ Blind vor Wut und Tränen hatte er dem greisen Mönch den Topf mit dem kochendheißen Nutella-Fondue aus der Hand gerissen und gegen die Wand des Speisesaals geschleudert (ein riesiger brauner Fleck zeugte heute noch davon), bevor er schluchzend und erschöpft zusammengebrochen war.

Hans Ferkel erinnerte sich an diese Geschichten, als er das Geschehen auf der Leinwand beobachtete. Ja, Genosse Wladimir war auf Dauer für die „Familie“ nicht mehr tragbar. Ernst Otto konnte man vor Ort lassen, er hatte sich von seiner Nervenkrise erstaunlich gut erholt und bekam nur dann einen seiner unkontrollierbaren Heulkrämpfe, wenn häufiger als zweimal täglich ein Gericht aufgetischt wurde, das Nuss-Nougat Creme enthielt. Aber die Probleme im Kloster würden sich bald von selbst lösen. Mit diesem Gedanken wandte er sich wieder dem Geschehen auf der anderen Leinwandhälfte zu.

Köbbele, Erich, Schackie und Kevin, WinnifriedK. fest im Arm, betraten gerade die Eingangshalle des Kaczynski-Hospitals. Während die anderen an der Rezeption nach Elfriedes Zimmer fragten, versuchte Kevin, in der Caféteria des Krankenhauses ein bischen Schokomilch für WinnifriedK. aufzutreiben. Zwar würde sie dann erst recht auslaufen, aber sie schlabberte das Zeug nun einmal so gern. Am Zeitungsständer traf ihn fast der Schlag! „Verschleppt und misshandelt – die Leiden des Johannes K.“ lautete die Schlagzeile der BILD des heutigen Tages. Darunter: „Nur dem tapferen Eingreifen des Schäfers Heinz Hermann G. (53) ist zu verdanken, dass unser Reporter nicht unter einer Fuhre Schafmist erstickte. Bei einem Besuch in Oer-Erkenschwick wurde Johannes K. von dem jugendlichen Schläger Kevin Dennis Patrick K. (18) brutal verprügelt und in den Kofferraum eines schwarzen A8 gesperrt. Den Wagen hatte der junge Kriminelle zuvor dem Kölner Fußballidol Lukas P. gestohlen. Ohne Führerschein brauste Kevin K. quer durch die Republik, an seiner Seite die blonde Nageldesignerin Jaqueline S., …“ Vor Kevins Augen verschwammen die Buchstaben. Er wusste nicht, wer diese Jaqueline S. sein sollte, aber neben dem Artikel waren drei Bilder: Eines von ihm, wie er an Lukas’ Karre lehne, eines von Heinz Herrmann und Pulitzer vor dem Misthaufen in Bad Doberan und eines, wo eine Frau mit riesigen Brüsten nackt auf einem Schafbock ritt. Die Frau hatte das Gesicht von Schackie! Aber so weit er sich erinnern konnte, hatte Schackie in Bad Doberan überhaupt keine Zeit zum Reiten gehabt und ausgezogen hatte sie sich auch nicht!

Kevin verstand das alles nicht. Er nahm eine Zeitung mit, um sich das Ganze später mit von Köbbele erklären zu lassen, und ging dann zurück zu den anderen. Gemeinsam fanden sie den Weg zu Frau Elfriedes Krankenzimmer. Elfriede war nicht allein! An ihrem Bett stand ER – Prof. Dr. h.c. mult. Piotr Igor Staszek Rydnitzki, der Chefarzt des Hospitals, und Elfriede hatte nur Augen für IHN. Nur kurz begrüßte sie Ankömmlinge, musterte dabei vor allem Schackie abschätzig von oben bis unten (Sie hatte es ja geahnt, wieder so ein Flittchen mit Atombusen, schlimmer als alle Weiber, die Kevin bisher angehimmelt hatte. Aber diesem Luder würde sie später noch gründlich auf den Zahn fühlen. Ihr Spatzerl und so eine – darauf musste man ein waches und kritisches Auge haben!) und wandte sich wieder dem Chefarzt zu, den sie in Gedanken nur noch Dr. Peterle nannte.

Im nächsten Moment aber zog ein Rinnsal alle Aufmerksamkeit auf sich, das aus Kevins Armbeuge auf den klinisch reinen Krankenhausboden tröpfelte. WinnifriedK.! Kevin war das Ganze schrecklich peinlich, aber Dr. Peterle beruhigte ihn „Ich kleines Hund gern habbe, sehr gern. Du gib mir Hund, ich gucken!“ Nach einer kurzen Untersuchung, die nur wenige Augenblicke dauerte, war für Piotr die Sache klar: „Hat sich Hund Operation gehabt! Vielleicht deshalb undicht.“ Tatsächlich war an WinnifriedK.s Bauch eine kleine Narbe zu sehen. Köbbele schaltete am schnellsten, ihm kam ein entsetzlicher Gedanke, aber er wusste, dass er ihn hier nicht aussprechen durfte …

Nutella XIV – Die Bestechlichen

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…Pulitzer, dieses Schwein! Es gab keine andere Möglichkeit. Pulitzer wollte sie ans Messer liefern! Unter dem Vorwand, die Story seines Lebens schreiben zu wollen, hatte er durchgesetzt, dass sie ihn mitnahmen. Alles nur eine Finte, weil er sichergehen wollte, dass sie die Schafweide nicht verpassten! Mit seiner ständigen Sabbelei hatte er sie eingelullt, damit ja keiner Verdacht schöpfen konnte. Köbbele grübelte noch, wie er die Verbindung zu diesem scheinbaren Schäfer hergestellt hatte. Schäfer, ha! Die beste Tarnung, um die neuen japanischen Mini-Drohnen in Umlauf zu bringen. Denn dass es sich bei der scheinbaren Töle um einen FROG handelte, war sonnenklar! (FROG, Fight & Research Operating Golem, war die Fachbezeichnung für die Aufklärungs- und Kampfdrohnen im Miniformat). Das musste man den Japsen lassen, nach den neuesten Fortschritten in „Artificial Intelligence“ und der Nanotechnologie waren ihre Robots von echten Tieren fast nicht mehr zu unterscheiden. Wahrscheinlich hatte Pulitzer sich nach dem harmlosen Stupser von Kevin scheintot gestellt, nur um sich unauffällig ausklinken zu können, jetzt wo jedes ihrer Worte und jeder ihrer Schritte von dem FROG übertragen wurde. Die Gegenseite würde alles von ihnen wissen. Köbbele ahnte nicht, dass er dicht an der Wahrheit dran war, aber dennoch in wichtigen Punkten irrte.

Währenddessen hatte Prof. Rydnitzki dem Wollknäuel eine Spritze verpasst, die aber gänzlich ohne Wirkung zu blieben schien. Ganz vorsichtig hatte er dann an der Narbe hantiert, als auf einen Schlag ein Schwall bräunlicher Flüssigkeit hervorschoss. Mit gekonntem Schnitt öffnete er den Leib des kleinen Wuffis und wunderte sich über das Gewirr an Schläuchen, Drähten, Nanomotoren und einer kleinen Steuereinheit. Köbbele war einerseits erleichtert, andererseits enttäuscht, statt der erwarteten Kameras und Mikros nur einen kleinen Kasten zu entdecken, der wie ein Sender aussah. Natürlich, ihre neuesten Modelle behielten die Japsen im eigenen Land, einige Exemplare waren für die CIA vorgesehen, und die restlichen Geheimdienste wurden mit veralteten Modellen abgespeist. Jetzt erkannte er, dass es sich um ein älteres Modell der P-Serie handeln musste. Deswegen auch der Ausraster an der Tankstelle: Die Steuerungs-Software war nicht aufwärtskompatibel, so dass Bugs in den älteren Modellen nicht beseitigt werden konnten. Und diese Serie hatte einige unbeseitigte Bugs!

Sie beratschlagten, was sie jetzt tun sollten. Köbbele, der die ganze Zeit gefahren war, war hundemüde und wollte unbedingt schlafen. Schackie hatte auch keinen Bock mehr, schon wieder in die Blechkiste zu steigen, Elfriede drängte nur ganz schwach auf den Aufbruch, hoffte sie doch insgeheim, noch eine Nacht bei ihrem Dr. Peterle verbringen zu können, und Kevin und Erich war egal, wie es weiterging. Also beschlossen sie, erstmal zu übernachten. Als dann noch „ihr Peterle“ den Vorschlag machte, das, was von dem FROG übrig geblieben war, mitsamt Sender in den Transporter zu werfen, der in einer Stunde aufbrechen würde, um aus der Ukraine eine Ladung Generika zu holen, himmelte sie ihn noch mehr an. Da das Hospital ziemlich voll war, ließ der Professor einige unbenutzte Liegen in der Leichenhalle für die Neuankömmlinge zurechtmachen.

Kevin schlief unruhig, ständig musste er an die Bilder in der Zeitung denken. Schackie hatte er natürlich nichts davon erzählt, aber seiner Großtante hatte er sich anvertraut. Nach dem Frühstück trieb es Kevin erneut in die Cafeteria. Als rationalen Grund lieferte ihm sein Unterbewusstsein Kevins Interesse am Fußball. In der Tat war für Kevin neben dem Kickboxen Fußball der schönste und spannendste Sport der Welt. Er konnte gar nicht verstehen, wie jemand dem Spiel nichts abgewinnen konnte. Und doch gab es scheinbar einige Miesepeter und Miesepetras, die dagegen herumwetterten, einige, „die sich für was besseres hielten“. Lukas hatte sie mal die „Kopfgesteuerten“ genannt. Genau, Fußball war Spaß, Leidenschaft, und Kevin liebte ihn. Er näherte sich langsam dem Kiosk, und wie ein Verbrecher, den eine innere Spannung erfasst, wenn er sich dem Ort des Verbrechens nähert, wurde auch Kevin immer unruhiger. Dafür gab es doch gar keinen Grund. Die Zeitungen von gestern hingen da bestimmt nicht mehr, und überhaupt, bis auf einige deutsche Gesundheitstouristen, die hier Fett absaugen oder sich die Wangen liften ließen, verstand sowieso keiner, was da auf deutsch geschrieben stand.

Kevin traf der Schlag. Sein Herz hämmerte, er atmete schwer, sein Schädel platzte fast. Auf der BILD sah er ein Foto mit vielen Leuten und links und rechts in den Ecken etwas Weißes, und dann: direkt darunter in riesigen, schwarzen Lettern prangte sein Name: KEVIN, in Großbuchstaben. Das gab’s doch nicht. Was wollten sie schon wieder von ihm? War das gestern nicht schon schlimm genug und der reinste Horror gewesen? Kevin kannte ein solches Gefühl bisher nicht, es kam ihm so vor, als gehöre er gar nicht hierhin, ja, er war eigentlich nicht wirklich vorhanden. Ohne zu merken, was er tat, griff er nach der Zeitung, schlug sie auf und betrachtete die komplette Titelseite. Unterhalb der Riesenschrift „KEVIN“ ging es weiter: „vergib uns, bitte!“ und dann etwas kleiner darunter „BILD entschuldigt sich!“ Das war zuviel für Kevin. Sein Kopf war leer, leerer noch, als bei seinen bisherigen Aussetzern. Dann, wie mit der Wucht eines Hammers, hatte er es begriffen: Es war ein Irrtum gewesen. Die Meldung von gestern, sie stimmte nicht! Ein tiefes Glücksgefühl durchströmte ihn. Alles war gut, kein Krimineller, keine Suche, einfach nur gut! Dieser Moment hätte ewig dauern können.

Kevin rannte mit der Zeitung in der Hand zu seiner Großtante. Die las die ganze Meldung, die komplett die erste Seite ausfüllte. Durch die verantwortungslose Tat eines kriminellen Aushilfs-Mitarbeiters sei gestern bedauerlicherweise eine Falschmeldung erschienen, für die sich das gesamte Redaktionsteam entschuldigte und „den 20-jährigen Kevin K., Westdeutscher Karatemeister und der, wie alle seine Sportskameraden beteuerten, ein absolut fairer Sportsmann sei, um Verzeihung bittet.“ Im Text hieß es weiter, es habe sich um einen Racheakt von Johannes K. gehandelt, einer zwielichtigen Gestalt, die sich Kevin offensichtlich unsittlich genähert habe und von diesem unter Verweis auf seine Verlobte zurückgewiesen worden sei. BILD habe Johannes K., der vor einigen Jahren engere Kontakte zu einem gewissen Konrad K. gehabt hätte, der wiederum in eine größere Fälschungsgeschichte verwickelt gewesen sei, schon länger im Verdacht gehabt. In einem Nebensatz wurde noch herausgestellt, dass das Reaktionsteam auch der Verlobten von Kevin, einer Jacqueline S., alles Gute wünsche. Ebenso wie Kevin sei auch diese das Opfer einer Intrige geworden, denn die Frau eines Schafhirten, die sich einer terroristischen Vereinigung angeschlossen habe, habe Johannes K. gefälschte Fotos zugespielt.

Kurzer Einschub: Der Respekt dem mündigen Leser gegenüber gebietet es, diesen nicht in der Ahnungslosigkeit zu belassen, sondern kurz das weitere Schicksal Pulitzers zu streifen. Dieser hatte fortan eine besonders innige Verbindung zur Zeitung, diente sie ihm doch als Kissen und Bettdecke gleichzeitig. Da den anderen sein ständiges Gequassel ganz schnell auf den Keks ging, hatte er zudem stets die besten Plätze unter den Brücken für sich allein.

Zurück zu der schicksalsträchtigen Ausgabe der BILD: Das Foto über der Zeile KEVIN zeigte das komplette Redaktionsteam, vorne die Volontärinnen in gerade einmal die Scham bedeckenden Miniröcken und kaum etwas verhüllenden Tops. (Nach der Verteilung von 100 €-Einkaufsgutscheinen hatten alle eingewilligt, überschüssigen Stoff abschneiden zu lassen.) Das Weiße links auf dem Foto war ein Gutschein für Kevin über den kostenlosen Bezug der BILD für 3 Monate („als Wiedergutmachung“) und rechts ein Gutschein über eine Intensiv-Ausbildung zum Top-Model. (Der Zusatz „4-stündiger Kompaktkurs an der VHS Hamburg-Harburg“ war geschickt verdeckt.) In den Artikel war noch ein Kasten mit einer Kolumne des Chefredakteurs integriert, der anfing mit:
"Absolute Wahrheitstreue steht für BILD im Vordergrund!
Darauf gebe ich Ihnen, den Leserinnen und Lesern, mein Ehrenwort!
Um dieses Versprechen zu halten, habe ich die Abteilung „Haltet BILD sauber“ gegründet.
Deren Mitarbeiter heißen intern auch die „Apostel der Wahrheit“ und überprüfen alle Artikel vor Veröffentlichung dreimal.
Der Erfolg, liebe Leserinnen und Leser, gibt uns Recht. Die Machenschaften des Johannes K. wurden prompt aufgedeckt!"
…und die Kolumne endete mit einem Appell:
„Nehmen Sie mich beim Wort: BILD verdient Ihr Vertrauen! Vertrauen Sie BILD auch weiterhin!“

Als Elfriede geendet hatte, strahlte Kevin über das ganze Gesicht. Er war überglücklich, und außerdem hatten sie von seiner „Verlobten“ geschrieben. Wenn BILD das schrieb, musste es stimmen. Elfriede und Köbbele blickten sich dagegen fragend und stirnrunzelnd an. Sie teilten nicht Kevins naiven Glauben, dass stets das Gute über das Böse in der Welt siegte. Köbbele wusste aus seiner Zeit in Abteilung 35, was es mit der Wahrheitsliebe der Presse auf sich hatte. Das klang von hinten und von vorn verlogen, aber warum hatten sie das gemacht? Sie fanden keine befriedigende Antwort.

Die war aber ziemlich einfach und banal. Das konnten die beiden jedoch nicht ahnen. Um Aufklärung zu finden, müssen wir uns wieder der Nutella-Zentrale zuwenden. - Hans Ferkel hatte, nachdem der Bericht über Erich K. erschienen war („Einsam und verarmt…“) eine sofortige Zustellung der jeweils neuesten BILD-Ausgabe veranlasst, um stets auf dem Laufenden zu sein. Als ihm im Kontrollraum die Freitags-Ausgabe zugestellt worden war und er den Bericht unter der Schlagzeile „Verschleppt und misshandelt – die Leiden des Johannes K.“ überflogen hatte, war ihm natürlich die Brisanz sofort klar geworden, und weil er dumme Fehler partout nicht ausstehen konnte, zudem dünnhäutig geworden in den letzten Stunden, brach es mit Macht aus ihm heraus: „Was denken diese Idioten sich eigentlich? Sollen die doch tausend nackte Tussis in ihrem Scheissblatt abbilden, aber, Herrgottnochmal n-a-c-h-d-e-n-k-e-n, was die da in Gang setzen. Meine Herren, ich brauche Ihnen ja wohl nicht zu sagen, was das heißt: Interpol-Fahndung ausgelöst, weil die so einen minderbemittelten Asi suchen, der als Krimineller führerscheinlos mit geklautem Auto durch Europa gurkt. Fehlt nur noch, dass der zuhause seinen Müll nicht richtig getrennt hat. Dann rettet ihn – und uns - gar nichts mehr. Diese Null ist mit unserer Z-i-e-l-p-e-r-s-o-n zusammen in e-i-n-e-m A–u-t-o. Und was sagt uns das, meine Herren, was sagt uns das?“

Glücklicherweise hatten sie für solche Fälle ihre Dossiers angelegt. Es ging doch nichts über eine gute Ausbildung – und die Ausbildung, die sie bei der Stasi erfahren hatten, war exzellent gewesen. Ausbildung und solides Handwerk: 90% der Miete! 20 Minuten später empfing Chefredakteur Kai M. eine als vertraulich gekennzeichnete Nachricht auf seinem Laptop. Was er da sah, löste einen kleinen Schock bei ihm aus. Die Bilder zeigten ihn in verfänglichen, sehr verfänglichen Situationen. Die einen, mit den minderjährigen Volontärinnen, machten ihm wenig Angst. Wenn Präsidenten das durchstehen, dann er erst recht! Er sah die Serie geradezu vor sich: „Blutjunge Verführerinnen: So stürzen sie unschuldige Familienväter ins Verderben!“ Kein Problem, die jungen Dinger, die er lüstern vernascht hatte, als sexgeile Lolitas aufzubauen! Schließlich verstand er sein Handwerk. Nein, das machte ihm keine Sorge.

Aber die anderen Fotos, die eindeutig zeigten, dass er seine Einkommensverhältnisse schönte, um seinen drei Ex nicht mehr als das gesetzliche Minimum zukommen zu lassen, die machten ihm Sorgen, große Sorgen. Nach der neuesten Rechtssprechung könnte das kritisch werden. Einmal hatte ihn ein alter Studienfreund gefragt, was er machen würde, wenn sich eine seiner Ex bei „BILD kämpft für dich“ melden würde. Er hatte einen Lachkrampf bekommen und war am Ende blau angelaufen, so hatte ihn die Vorstellung belustigt. Aber hier lagen unwiderlegbare Beweise vor!

Er rief sofort die Nummer an, die auf dem Bahnhofsklo hinterlegt war. In seiner Rage hatte es Hans Ferkel sich nicht nehmen lassen, höchstpersönlich das Gespräch zu führen, mit eingeschaltetem Stimmverzerrer selbstverständlich. „Mann, Sie Idiot, Sie! Wissen Sie, was Sie da angerichtet haben? Ich mach Sie fertig! Sie können Klopapier ausmalen, aber in einer Zeitungsredaktion werden Sie nirgendwo, verstehen Sie, n-i-r-g-e-n-d-w-o, unterkommen, auch nicht als Kaffeekocher, wenn Sie diesen Mist, den Sie da fabriziert haben, nicht umgehend, ich sage u-m-g-e-h-e-n-d, aus der Welt schaffen.“ Nun, Kai hatte aufgrund seiner Lebenserfahrung zu unterscheiden gelernt, wann es Zeit war für Angriff und wann Flucht bzw. Unterwerfung angeraten war. Nach dem taz-Bericht über seinen Klinikaufenthalt in Florida war Angriff das Mittel der Wahl gewesen, heute dagegen war eindeutig die Zeit für Unterwerfung, und so kam am nächsten Tag die schon erwähnte Korrekturmeldung heraus (die nebenbei zu einer Auflagensteigerung um 15% führte und BILD im international standardisierten TBS (Trusted Brand Survey) um 27 Plätze nach oben katapultierte).

Das alles konnte die Crew in Danzig natürlich nicht wissen. Auch wenn sie weiterhin über die Gründe mutmaßten: Die einzige Chance, das Rätsel zu lüften, bestand darin, das Geheimnis des Klosters zu ergründen. Sie machten sich fertig. Allen war eine innere Anspannung anzumerken. Es ging auf das Ende zu, das wussten sie. Selbst wenn in späteren Zeiten Leser von ihren Erlebnissen erfahren sollten: Sie würden spüren, hier war der Wendepunkt, in wenigen Stunden musste es eine Lösung geben: Jetzt oder nimmermehr!

Elfriede verabschiedete sich von ihrem neuen Schwarm, sie hatte ja gehofft, Peterle würde Hospital Hospital sein lassen und einfach mitfahren, aber es hatte sich ein Patient aus Westdeutschland zur Absaugung angemeldet, der auf Chefarztbehandlung absoluten Wert gelegt hatte, ein gewisser Raimund C. aus L., ehemaliger Fußballspezialist. Köbbele hatte das Gefühl, in den vergangenen Tagen menschlich gereift zu sein. Kevin fühlte sich gut und erwachsen und ja, Schackie war die Frau für ihn, „Verlobte“, das ging runter wie 3 Feiglinge auf einmal. Schackie fühlte sich okay, aber sie wollte endlich auch wieder in ihren Salon zurück, doch irgendetwas Großes würde vorher noch passieren, das spürte sie. Erich griente einfach vor sich hin, er war nicht so sehr in der Lage, über sich selbst zu reflektieren, aber er hatte sich an die Gesellschaft der anderen gewöhnt, genoss sie sogar. Die vielen Jahre in seiner Dachbude in Oer-Erkenschwick hatten seinem Sozialverhalten keine wesentlich vorwärtsweisenden Impulse versetzt. – Der A8 war gepackt. Um Platz für Elfriedes Rollstuhl zu schaffen, hatten sie kurzerhand zwei von Schackies Koffern im Hospital zurück gelassen. Winkend verabschiedeten sie sich vom Professor und folgten dem Navi-System Richtung Kloster „Zu den 5.000 Birken“…
Das Remake
Infos zum Laufen und Vereinsgedöns gibt's auf www.sgnh.de

Nutella XV: Vom Winde verweht

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Sie verließen die Autobahn, gurkten auf kleinen Landstraßen herum, geführt durch die quäkende Frauenstimme im Navi, die sie irgendwann herunter von der Straße auf einen Feldweg dirigierte. Links und rechts des Weges eine Mondlandschaft aus Heidekraut, vertrocknetem Gras und Baumstümpfen. Tschernobyl? Nein, wusste Köbbele, die Mönche im Kloster "Zu den 5.000 Birken" hatten schlicht auf Massenproduktion statt auf Nachhaltigkeit gesetzt – nun hatten sie den Salat!

Schon aus drei Kilometern Entfernung sahen sie, notdürftig verdeckt durch die wenigen übrig gebliebenen Bäume, die verschachtelten Gemäuer der Klosteranlage. Auch diese Bäume wären wohl den Kruzifixschnitzern zum Opfer gefallen, wenn nicht Genosse Wladimir in einer der esoterischen Schriften, die irgendwie in die Klosterbibliothek geraten waren, etwas über die „magische Kraft der Bäume“ gelesen und daraufhin täglich über Stunden hinweg die Arme um einen stattlichen Birkenstamm geschlungen, schamanische Gesänge von sich gegeben und die Energien von Mutter Erde erfleht hätte. Die ehemaligen IMs hatten dem Treiben stillschweigend zugesehen - solange der Genosse auf diese Weise beschäftigt war, quakte er ihnen wenigstens nicht die Ohren voll und sie konnten den Tag gemütlich mit Kartenspielen oder dem Schwadronieren über die guten alten Zeiten verbringen („Also, der absolute Hammer war ja, als der Ferkel, dieser IM Nutella, die Angie – ihr wisst schon, die Tussi aus dem Mecklenburgischen mit dem tollen Vorbau, die hinterher richtig politische Karriere gemacht hat, damals in seinem Maserati …!“).

Im Innenhof der Klosteranlage, direkt vor dem Portal der Kirche, brachte Köbbele den A8 zum Stehen und half zusammen mit Kevin Frau Elfriede galant in ihren Rollstuhl. Auch Erich K. entdeckte seine ritterliche Ader und unterstützte Schackie dabei, sich aus dem Rücksitz zu schälen und ihre langen Beine sicher auf die schicken pinkfarbigen Stilettos zu stellen. Sechs Männer standen im Torbogen, schweigend und mit verschränkten Armen. Misstrauisch, fast feindselig musterten sie die Ankömmlinge. Außer IM Nutella und dem verschwiegenen LKW-Fahrer, der alle drei Monate ein paar Kübel Schokopampe anlieferte, hatte seit Jahren kein Fremder mehr die Anlage betreten (obwohl das bitter nötig gewesen wäre, denn es regnete an zahlreichen Stellen durch das Dach, die Heizung funktionierte nicht mehr so richtig und die Toilette war auch dauernd verstopft, sodass es bei niedrigem Luftdruck grässlich nach Fäkalien stank – die Herren IMs hatten in ihrem Schulungslager in Moskau zwar alles Mögliche gelernt, waren aber zu dusselig oder zu fein, um simple handwerkliche Arbeiten auszuführen). War ihre Tarnung jetzt aufgeflogen? Wer sollte die unwillkommenen Gäste beseitigen, und wie sollte das geschehen? Wortlos blickten sich die IMs an, und sie waren sich bewusst, dass sie doch alle ziemlich außer Übung waren, was die Entsorgung unliebsamer Zeugen anging. Bedauerlicherweise ließ außerdem ihre technische Ausstattung auch sehr zu wünschen übrig. IM Nutella war knauserig gewesen, was das anging, obwohl sie mehrfach den Wunsch an ihn herangetragen hatten, doch auch ein wenig von den neuesten Entwicklungen der Nanotechnologie und „AI“ profitieren zu dürfen – „Genosse Ferkel, wir sind jederzeit bereit für weitere Aufträge!“ (Hans Ferkel dachte natürlich nicht im Traum daran, diese Vollpfosten, die sogar für die Vermarktung von Birkenholzprodukten zu blöd waren, jemals für einen ernsthaften Job einzusetzen. Hier im polnischen Busch konnten sie wenigstens keinen Mist bauen!). Langsam wandelte sich die Feindseligkeit der IMs in eine gewisse Verlegenheit und Peinlichkeit. Niemand bewegte sich, auch die Ankömmlinge warfen unsichere Blicke um sich und schwiegen eingeschüchtert. Die Stille war unerträglich.

Plötzlich durchbrach eine Stimme das unheilvolle Schweigen: „Nu, Tella! Nu, Tella! Nu, Tella!“. Eine der sechs schweigenden Gestalten im Torbogen wurde kreidebleich. „Nu, Tella!, Nu, Tella!“. Die Stimme wurde lauter und fordernder. Erich? Sein Erich? Sein kleiner, sein einziger, sein knuddelsüßer Sohn Erich, den er als zweijährigen Stöpsel mit seiner Mutter hatte nach Osnabrück ausreisen lassen müssen, auf Befehl dieser Idioten, die ihn dann später hierher in das Kloster verfrachtet hatten. Ernst Otto K. war wie gelähmt, um im nächsten Moment aus der Reihe der IMs auszubrechen, auf die Ankömmlinge zuzustürzen und diesen blassen, verwirrt dreinblickenden und immer die gleichen Worte dahinbrabbelnden Mittvierziger in den abgetragenen Klamotten in den Arm zu schließen. „Nu, Tella, Nu, Tella!“, murmelte auch er tränenerstickt. Irgendwo in Erich K.s Gehirn lösten diese Worte eine Erinnerung aus. Die Stimme kannte er, das war, das war … „Papa!“.

Nach dieser herzzerreißenden Szene war den Bann gebrochen. Die fünf verbliebenen IMs gaben, immer noch schweigend zwar, aber nicht mehr so feindselig den Weg in die Kirche frei. Schackie fand das alles ziemlich schräg! „Und wat is nu mit Fotos machen?“, flüsterte sie Kevin fragend zu. Spatzerl peilte genau so wenig wie sie. „Ich glaub’, Erich will ersma mit seim Pappa bisken quatschen!“, zischelte er zurück und nahm sich vor, Tante Friedchen noch mal genau zu fragen, wie das denn mit seinem und Schackies Modeljob laufen sollte. Köbbele schob Frau Elfriede im Rollstuhl durch das Portal, gefolgt von Kevin, der seinen Arm schützend um Schackie gelegt hatte (schließlich waren sie ja verlobt, auch wenn er sich nicht erinnern konnte, wann das passiert war – aber das hieß ja bei ihm nicht so viel!). Schackie ließ ihn gewähren, denn sie spürte, dass ihm der Verlust von WinnifriedK. noch immer sehr nahe ging. Wenn sie ehrlich war, dann hatte auch sie dieses inkontinente Fellknäuel in ihr Herz geschlossen – „Ihre beiden Männer“ hatte sie Kevin und WinnifriedK. insgeheim genannt und hatte wie Kevin ein paar Tränen vergossen, als sich herausstellte, dass ihr süßer kleiner Yorkie (Kevin hatte ihr überzeugend versichert, dass er Heinz Hermann Lügen strafen und aus WinnifriedK. doch einen brauchbaren Hütehund machen würde, den besten in ganz MeckPomm, jawohl!) nicht weiter als ein FROG war!

Naja, jetzt waren WinnifriedK.s Überreste auf dem Weg in die Ukraine, Hans Ferkel und seine Mitarbeiter im Schlepptau, die nicht wissen konnten, dass ihre scheinbar so clevere Idee längst aufgeflogen war. Geiz war eben nicht immer geil, und wären IM Nutella und seine Genossen den Japsen gegenüber nur ein bisschen großzügiger gewesen, hätten sie ihnen vielleicht doch einen von diesen FROGs mit Kamera und Mikro aus den Rippen leiern können statt dieses uralten Senders mit Softwareproblemen! Dass Hans Ferkel (wieder mal) eine Operation so gründlich verbockt hatte, sollte im Übrigen nicht ohne Folgen bleiben. Seine Vorgesetzten in Moskau hatten sich schon den Arsch aufgerissen, um die Sache mit dem geschrotteten Maserati und deren Folgen auszubügeln (das war so weit gegangen, dass sie sogar Heinz Hermann K.s Tierarzt einen hochdotierten Posten auf einer neuseeländischen Schaf- und Rinderfarm hatten beschaffen müssen, um zu verhindern, dass er mit seinem Fachaufsatz über „Karies bei Heidschnucken“ zu viel Staub aufwirbelte – mit Sicherheit hätte es in der Öffentlichkeit heftige Diskussionen über die Herkunft des Schaffutters gegeben). Aber die Sache jetzt war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Und so kam es, dass Hans Ferkel auf dem Gelände der Fabrik für Generika, bis zu der er den Transporter mit den Überresten des FROGs verfolgt hatte, von drei dunkel gekleideten Herren empfangen wurde, die ihm freundlich, aber unmissverständlich klar machten, dass nun eine neue Mission auf IM Ferrero wartete (seine Sammlung von Dessous wurde im Übrigen einige Monate später bei Ebay versteigert; den Zuschlag erhielt schließlich ein Barbesitzer aus dem australischen Outback, der sein Lokal erweitert hatte und dringend einen Wandschmuck suchte).

Vor dem Altar der Klosterkirche stand der Weißhaarige. „Seid gegrüßt, Brüder und Schwestern!“, dröhnte er, um eine Sekunde später auf die Knie zu fallen, mit der Stirn den Boden zu berühren und „Oh, Heiliger Vater, welch’ unermessliche Ehre!“ zu murmeln. Verblüfft über die Reaktion drehten sich alle um und blickten zur Tür, in der eine kleine, fast kahlköpfige Männergestalt im weißen Gewand und mit weißer Haube stand und die Arme ausbreitete. Dr. Peterle! Frau Elfriede raste in ihrem Rollstuhl mit einer Geschwindigkeit los, die ihr locker den Sieg auf dem Danziger Krankenhausflur eingetragen hätte (sie war damals nur Dritte geworden, was sie bis an ihr Lebensende zutiefst wurmen sollte). Mitten zwischen den Bankreihen trafen sie sich. „Habe nicht ausgehalten ohne Frrau Elfrrrriede. Bin direkt von OP an dickes deutsches Mann los zu Klosterrr!“ Nur einen Augenblick zögerte Elfriede, dachte an ihren Ex-Mann und ihren Schwur, sich nach der Erfahrung mit diesem treulosen und feigen Idioten nie wieder auf einen Kerl einzulassen. Ein Blick in Dr. Peterles stahlblaue Augen ließ sie alle Bedenken vergessen.

Zwei Wochen später stand der schwarze A8 vollgepackt im Hof der Klosteranlage. Frau Elfriede und ihr Dr. Peterle hatten sich bereits am Morgen auf ihre Hochzeitsreise nach Usedom begeben (sie wussten natürlich, dass sie den Bund der Ehe noch auf dem polnischen Standesamt würden erneuern müssen, aber Genosse Wladimir hatte im festen Glauben, als Abt dafür zuständig zu sein, darauf bestanden, die Trauung persönlich vorzunehmen, und sie hatten ihn gewähren lassen).

Erich K. hatte sich entschieden, bei seinem Vater zu bleiben – nach Oer-Erkenschwick in Erichs düstere Dachwohnung zog sie beide nichts, und wenn Erich sein „Auslands-Hartz IV“ erst einmal durchgesetzt hätte (Köbbele hatte versprochen, mit Hilfe seiner Beziehungen den Gang der Dinge etwas zu beschleunigen), würden sie mit Hilfe seiner Kochkünste im Kloster wohl gut zurecht kommen, auch wenn die Nuss Nougat Creme-Lieferungen jetzt natürlich ausbleiben würden.

Köbbele musste zurück nach Pullach. Sicherlich würde er bei nächster Gelegenheit noch mal bei Romulus Anton Willi in Liechtenstein vorbeischauen, der ja durch die sichergestellte Daten-CD die Geschehnisse erst ins Rollen gebracht hatte. Und wer weiß, gute Männer konnte man bei seinem Verein immer gebrauchen! Einen so aufmerksamen Hilfswäscher mit drei Essensgutscheinen abzuspeisen, war wirklich eine Schande!

Schackie und Kevin hielten sich an den Händen. „Kuckma, Schackie, du willst doch ersma deine Ausbildung fertichmachen!“, versuchte Kevin zu trösten. „Und wenn ich zurück bin aus Schina, dann haste vielleicht schon deinen eigenen Salon!“ Ja, Kevin würde schon morgen mit einem Frachtschiff vom Danziger Hafen aus nach China abreisen. Auch das hatte Köbbele eingefädelt, tatkräftig unterstützt allerdings von Frau Elfriede („Scheint ja ganz nett zu sein, diese Schackie, aber Spatzerl ist doch noch viel zu jung für was Festes! Wollen doch mal sehen, ob die Geschichte hält, wenn die beiden mal eine Zeitlang nicht so aufeinander hängen!“). Um die Absatzprobleme der IMs im Kloster „Zu den 5.000 Birken“ zu lösen (sämtliche Scheunen und Keller waren noch voller Kisten mit Kruzifixen!), hatte Köbbele seine internationalen Verbindungen bemüht. Erst war ihm das Ganze ja etwas pietätlos vorgekommen. Aber als ihm ein offizielles Schreiben des Vatikan versichert hatte, dass ein Kruzifix erst dann ein heiliges Kruzifix war, wenn es geweiht worden war, hatte er sofort die Verträge unterzeichnet: 15 Seecontainer mit Birkenholzkruzifixen würden morgen verladen, um dann über Schanghai in eine zentralchinesische Recycling-Fabrik transportiert und zu Essstäbchen verarbeitet zu werden. Und Kevin durfte mit. Köbbele hatte sich anstrengen müssen, ihm die Reise schmackhaft zu machen. Erst als er angefangen hatte, von den Shaolin-Mönchen zu erzählen, die weltweit die besten Kickbox-Techniken drauf hätten und bei denen Kevin – das hätte er alles schon klar gemacht – bestimmt noch viel dazulernen könnte, hatte Kevin begeistert zugestimmt. Die Shaolin-Mönche hatte er nämlich schon im Fernsehen gesehen und richtig gut gefunden – zwar nicht ganz so gut wie Schackie, aber ein bisschen Abenteuer konnte ja trotzdem nicht schaden.

„Aba nicht vergessen, bei Lukas’ Omma und Oppa die Gurkengläser abzuholen!“, flüsterte Kevin Schackie noch ins Ohr, bevor er die Wagentür schloss und Köbbele den Motor startete. Nur wenige Minuten später war der A8 verschwunden. Kevin blieb noch eine Zeitlang im Tor stehen, bis auch die Staubwolke in der Ferne sich aufgelöst hatte. Langsam drehte er sich um und schritt der Klosterpforte entgegen.


ENDE

38
Das war ja mal :geil: :geil:.
Wie kommt ihr denn auf solche Ideen.
Ich sag nur Danke für die schönen Zeilen und schade das es schon vorbei sein soll. Ich habe da noch so viele Fragen, was wird aus Kevin in Schina, lernt er da mit Stäbchen zu Essen und wie ergeht es Schakeline, kauft sie sich jetzt einen neuen Hund, macht sie nun neben Nagel Desin auch noch eine Haarschteilistausbildung? Wartet Sie auf Kevin oder lässt sie sich gar die Oberweite auf AOK Kosten verkleinern und was denkt dann Kevin wenn der Busen kleiner ist.

Fragen über Fragen :confused: :confused: :confused:

LG Lilly
1. Wettkampf : 17.05.2008 Viertelmarathon beim Spendenmarathon Chemnitz 01:07:48 h
Neue PB HM: 02:10h beim 25.Glauchauer Herbstlauf:D
http://verstricktundzugesponnen.blogspot.com
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39
Hab jetzt nicht die Zeit, alles zu lesen, hatte diesen Faden einfach "abgeschrieben", werde ihn aber noch mal durchlesen müssen, bei den Autoren!

gadelandrunner

41
Danke für die Blumen!

Ein paar Fragen müssen ja offen bleiben - wie im wirklichen Leben! :D

Weil das Ganze ein wirkliches Epos geworden ist, das ich auch gern auf eigenen Datenträgern konservieren wollte, habe ich es mal in Word übernommen und in ein pdf umgewandelt. Falls das hier mit dem Hochladen klappt, kriegt ihr die Datei direkt (ist vielleicht komfortabler als das Lesen am Bildschirm), sonst lass ich mir was anderes einfallen.

vg,
kobold
Dateianhänge

[Die Dateierweiterung pdf wurde deaktiviert und kann nicht länger angezeigt werden.]

42
Vielen Dank für die herrliche Geschichte.
Als ich den Namen des Hundes las bin ich fast vom Stuhl gefallen. :hihi:

Grüße,
3fach
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Some say there's no magic formula. I say there is. It's just that the magic is different for everyone. Keith Dowling

44
Eure Geschichte ist herrlich, :pokal: , ich habe mich ja hier und da auch schon bemüht, Humor reinzubringen, aber das ist unschlagbar

gadelandrunner

45
SUUUUPER!

ich dachte schon, daß der Thread nach den ersten 10 posts tot war.
Als ich dann heute zufällig die große Zahl der neuen posts sah habe ich angefangen zu lesen und bin bis zu #33 vorgedrungen.

Einfach genial was ihr euch da ausgedacht habt. Morgen lese ich weiter.

Danke für Eure Kreativitiät und die Zeit die ihr fürs Schreiben aufgebracht haben müßt!

Walter
You can only fail if you give up too soon

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46
nutella bedeutet:

die nut von ella

ella ist die frau des gründers des nutella-weltkonzerns.

nut ist ein begriff aus der fertigungstechnik:
Nut (Fertigungstechnik) – Wikipedia

was genau mit der nut von ella gemeint ist, kann sich ja wohl jeder denken.

47
Ich kenne folgende Geschichte:

3. Oktober 1965 13:00. Dr. Alfred D., Betriebsleiter des ersten Ferrero-Produktionswerkes in Deutschland in Weilheim/Schweich, tritt vor das Mikrophon. Betriebsversammlung in Halle D. Über 10.000 Mitarbeiter sind gespannt, wie der beliebte Betriebsleiter das harte erste Jahr kommentieren wird. "Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Anerkennung ihrer Leistungen werden wir die allseits vom Kunden geschätzte Super-Crema umbenennen. Der neue Name:". Musik. "Vidanadibel !!! Von "Vielen Dank an die Belegschaft". Stille. Maschinenführer Horst "Horscht" K. aus Stuttgart steht auf und spricht das aus, was alle denken. "Des kauft koiner". Die Stille weicht tumultartigen Szenen. Die Betriebsversammlung wird abgebrochen.

3. Oktober 1965 14:00. Die gesamte Kreativabteilung wird entlassen.

22. Dezember 1965 23:30. Die 12 Damen und Herren der neu eingestellte Namensfindungsabteilung tagen seit nunmehr 61 Tagen. Die Mission: Eine griffige Produktbezeichnung, die gleichzeitig den Einsatz der Belegschaft des Werkes würdigt. Keiner hat seit Ende Obktober den Raum 5 im Keller des Verwaltungsgebäudes verlassen. Peter S. ist seit 14 Tagen Vater, seinen Sohn hat er noch nie gesehen. Allen ist klar, bis zum Heiligen Abend muss eine Lösung her.

23. Dezember 05:30. Wie jeden Morgen bereitet Peter S. das karge Frühstück. Auf der Suche nach sauberen Tellern fällt Peters Blick auf das Typenschild der heruntergekommenen Küchenzeile. In diesem Moment entzündet sich in seinem malträtieren Hirn das längst erwartete Kreativfeuerwerk.
120 Sekunden später ist die Mannschaft vollständig am Tisch. Peter S. ist sichtlich erregt. Ohne Umschweife kommt er zur Sache: "Die Küche - Alno - All no (Alles nix) -> All do -> Alle tun -> Und jetzt rückwärts gelesen: Nutella !!!!!!!!!"

Der Jubel ist unbeschreiblich. Es gibt keinen Zweifel, mit dem Vorschlag von Peter S. ist die Mission erfüllt.

23. Dezember 1965 7:30. Peter S. fällt seiner Frau Andrea in die Arme. Günther S. schläft selig.

30. September 2008 18:00. Der letzte Arbeitstag von Peter S., seit 14 Jahren Aufsichtratsvorsitzender der Ferrero-Gruppe. Er steuert seinen weißen Lamborghini auf die Küstenstraße, die so hinreißend der Amalfiküste folgt. Kurz vor der Einfahrt in sein 5000-qm-Anwesen fällt ihm ein, dass er seinem Enkelkind noch etwas zum Geburtstag mitbringen soll. Er hat schon eine Idee. Er kann sich eines Grinsens nicht erwehren.

Gruß Zwangsläufer

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Dieser Faden Darf auf KEINEN FALL sterben! Darum: *SCHUBS* - bevor er ins Archiv des Vergessens rutscht! Diese Geschichte muss der Nachwelt erhalten bleiben!

nachtzeche
"Die auf den Herrn harren kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden!" (Die Bibel, Jesaja 40,31)

49
Oh, lang her und doch nicht vergessen! Neulich musste ich auch mal wieder an Kevin, Schackeline und Frau Elfriede denken. Und an Winnifried K. natürlich ... :D

50
Ja, was geht denn da ab?
Da erscheint das frühzeitige Ausscheiden der Squaddra azzurra plötzlich in einem ganz anderen Licht?

Offensichtlich funktionieren die alten Seilschaften aber noch, wie man sehen kann.

Beängstigend das Ganze! Die Fußball-WM ein einziges Ablenkungsmanöver? Die FIFA in den Händen der connection?
Bernd
Das Remake
Infos zum Laufen und Vereinsgedöns gibt's auf www.sgnh.de
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