42
von Überläufer
Ich denke, dass der Frust von der-Jogger sich eher gegen die Beamtenmentalität der Dame bei der Anmeldung richtet als gegen die Regeln selbst.
Vom physiologischen Standpunkt und in Hinblick auf die Sportkarriere über den ganzen Lebenszyklus her ist es besser, zuerst die Technik des Laufens zu perfektionieren und an der Grundschnelligkeit zu arbeiten, damit man diese dann auf die längeren Distanzen übertragen kann. Was man kurz nicht schnell läuft kann man lang auch nicht schnell laufen. Eine saubere Lauftechnik kann man über kurze Strecken leichter durchhalten als über längere. Bei unsauberem Laufen drohen halt Verletzungen, die zwar in der Jugend schneller ausheilen, sich aber auch aufsummieren können. Ausdauer kann man im Alter auch noch trainieren, Tempo wird immer schwieriger.
Beim Jugendtraining geht es ja nicht nur um die Distanzen und Umfänge. Da geht es um das ganze soziale Umfeld, das es zu berücksichtigen gibt, will man die Jugendlichen beim Sport halten, wie Schule, Freunde, das andere Geschlecht, Fernsehen und andere Sportarten. Der Trainer hat auf die Motivation des Jugendlichen nur insofern Einfluss, dass er ein Umfeld anbieten kann, in dem Laufen Spass macht. Das ist wahrscheinlich die eigentliche Kunst im Jugendtraining. Das Sportliche ist im Vergleich dazu "nur" Handwerk.
Wenn man sich das zu Herzen nimmt, dann ist es gut, wenn man den Frust bei den Anmeldungen nicht zum Jugendlichen trägt, sondern nach Alternativen sucht (kürzere Strecken, andere Veranstaltungen, ...). Die Alters- und Geschlechtsklassen sind ja nicht ganz willkürlich. In der Schwerathletik gibt es ja auch Gewichtsklassen und keiner käme auf die Idee, die Leistungen eines Fliegengewichts im Vergleich zum Superschwergewicht zu vergleichen.
Wenn jetzt ein Jüngerer in einer höheren Altersklasse läuft, so kann das für die höhere Altersklasse durchaus ungerecht sein, denn der Jüngere kann Vorteile durch seinen Entwicklungsstand haben, die die Großen nicht mehr haben, wie z.B. ein im Verhältnis zum Körpergewicht recht großes Herz. Andererseits kann es auch recht ernsthafte Verletzungen geben, wenn z.B. zu früh zu viel Krafttraining eingesetzt wird (siehe z.B. Manfred Steffny: Marathontraining).
Das Argument, dass die Kinder in iherer Freizeit ja auch von selbst herumtollen und Sport betreiben ist nicht ganz schlüssig. Denn wer sich selbst noch an seine Kindheit erinnert oder Kinder beobachtet wird bemerken, dass selten über längere Distanzen gelaufen wird. Kurze Antritte oder vielleicht dreiminütige Läufe beim Fangenspielen sind da die Regel oder das kurze Laufen bei diversen Ballsportarten. Das ist dann das berühmte Grundlagentraining, das wir Erwachsene uns antrainieren müssen, was frei herumlaufende Kinder von sich aus mitbringen.
Der Laufsport in Europa ist mit dem in Kenia nicht zu vergleichen. Das liegt nicht an der Umgebung, sondern am sozialen Umfeld. Zum Laufen braucht man in der Regel so wenig Ausrüstung wie in kaum einer anderen Sportart und es lässt sich in fast jeder Umgebung realsieren. Das kommt armen Bevölkerungsschichten zugute. Laufen ist in Kenia auch so angesehen, da es eine der wenigen Möglichkeiten darstellt, der Armut zu entkommen und die Preisgelder aus Europa und Amerika nach Hause zu bringen. Das hat zur Folge, dass sich dort viele für das Laufen interessieren und auf diese Karte setzen. Damit haben die Trainer einen riesigen Pool an Talenten zur Verfügung. In Europa und Amerika stehenden die Lauftrainer bei sportlichen Jugendlichen ja in Konkurrenz zu vielen anderen Sportarten. Aus diesem Pool schaffen es die Besten nach Europa und zu den Olympischen Spielen. Und die anderen, die die 10 km "nur" in 29 min laufen? Die haben möglicherweise auf die falsche Karte gesetzt.
Selbst wenn Dein Sohn ein Ausdauertalent ist, ist es klug, zuerst über die kurzen Distanzen Tempo aufzubauen, ihm ein kontinuierliches Training zu ermöglichen und als kleine Höhepunkte sich mit Gleichaltrigen zu messen und nicht mit den Erwachsenen, denn es soll ja über die Jahre hinweg ja auch Steigerungen geben können, sonst kommt der Marathon zu früh - zu einem Zeitpunkt, an dem die Möglichkeiten am HM noch nicht ausgereizt sind.
"Unsere Feuerwehrmänner lernen in ihrer Ausbildung, ihre Hosen in 3 Sekunden anzuziehen. Wieviele Hosen kann ein gut ausgebildeter Feuerwehrmann in 5 Minuten anziehen?" - Grigorij Oster