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Endlich mal wieder ein richtig guter Lauf!

Endlich mal wieder ein richtig guter Lauf!

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Gut, einige einigermaßen ordentliche Läufe hatte ich in den letzten Wochen schon. Aber eben nur einigermaßen ordentliche: nicht richtig gute! Jetzt hatte ich wieder einen richtig guten. Voilà!

Dabei sah es vorher gar nicht danach aus, aber das tut es halt oft nicht im Vorfeld. Ich trainiere wieder so einigermaßen, aber auch da: nicht wirklich so ganz leistungsmäßig. Also kann ich auch von den Wettkämpfen kein Optimum erwarten. Und schneller werden die Zeiten mit zunehmendem Alter auch nicht.

Meinen letzten schnellen Halbmarathon bin ich vor 3 Jahren gelaufen: Westdeutsche Meisterschaften, Verl, 1:22:05 h. So schnell ist jetzt nicht mehr drin, aber Halbmarathon wollte ich mal wieder etwas häufiger laufen und entschied mich für den HM in Mönchengladbach, Stadtteil Holt. Liegt bei mir in der Nähe, 20 Minuten Fahrt, Strecke kenn ich fast auswendig, ist nicht ganz einfach, da sie teilweise auf Waldwegen verläuft, und nach dem Regen heute Nacht wird sie matschig sein. Egal, Praxis muss her.

Wen treffe ich kurz nach der Anmeldung? Meinen Vereinskollegen Willi! Also wird das ein kleiner vereinsinterner Wettbewerb werden. Eigentlich sind wir ja altersklassen-getrennt, aber Holt hat eine Besonderheit, nämlich eine 10-Jahres-Wertung bei den Altersklassen. Das heißt Jahrgang 1958 (Willi) und Jahrgang 1950 (ich) werden heute beide in der M50 gewertet. Wenn ich richtig gut trainiert bin, bin ich eigentlich stärker, je länger die Strecke ist. Aber ich bin nicht richtig gut trainiert, und erst recht nicht für Halbmarathon. Außerdem ist mein Vereinskollege vor 5 Wochen die 100 km im Rahmen der Deutschen Meisterschaften gelaufen, und das gibt Ausdauer.

Egal, ich schau mal, was geht. Startaufstellung: Zehner und Halbmarathon werden gemeinsam gestartet, Zehner weiße Markierung, Halbmarathon gelbe Markierung. Neben mir ein Malermeister, Blick nach rechts: noch ein Malermeister. Na gut: warum nicht? Warum sollen die nicht ihre Meisterschaft hier austragen? Weiter schweift der Blick: auch 2 Damen als Malermeister. Dann dämmert es auch mir Schnelldenker: Der Malermeister auf den Startnummern ist der Sponsor, und dieser startet dann auch mit einem Pistolenschuss den Lauf.

Erstmal in den Rhythmus kommen, irgendwie geht es heute etwas holprig. Ich will nicht zu schnell angehen, aber auch nicht zu viel verschenken am Anfang. Ich laufe in Sichtweite hinter meinem Laufkollegen. Den ersten km verpasse ich, Zeit beim zweiten ist 8:06. Die HF, die anfangs unnatürlich hohe Werte bis 180 erreicht hat, hat sich jetzt knapp über 160 stabilisiert. Ich überlege noch, ob das Anfangstempo nicht etwas zu hoch ist, aber ich will keine Chancen vergeben und den Abstand nicht zu groß werden lassen. Das tue ich auch nicht und verkürze, wir sind erst eine Vierergruppe, dann ein Trio, das zusammen läuft, ich eher immer leicht hinten als letzter.

Wir haben den Wald erreicht. Die Wege sind matschig, der Schlamm spritzt, ich bekomme das Geplatsche der beiden vor mir ab, und doch: Es ist nicht so schlimm, wie ich gedacht hatte. Es lässt sich gut laufen, ohne allzuviel Kraft aufwenden zu müssen. Ich frage mich nach wie vor, ob das Tempo nicht zu hoch ist. Auf die Uhr schaue ich dabei nicht, brav drücke ich zwar die Zwischenzeiten, aber ich will mich nicht ablenken lassen. Nein, es ist mein Laufgefühl, das mich zu dieser Frage führt. Ich bin im Training ja kaum längere Strecken gelaufen. Wie lange kann ich dieses Tempo halten?

Im realen Geschehen verhalte ich mich aber anders, laufe flott drauf los. Wir nähern uns dem achten Kilometer. Es kommt die einzige Stelle auf der ganzen Strecke, wo es ein ganz kleines Stück abfällt, um dann gegenüber die verlorene Höhe wieder zu gewinnen. Matschig und teilweise eckig ist der Kurs zwar, aber dafür topfeben. An dieser Stelle lasse ich es einfach laufen und komme das erste Mal in die Führungsposition. Täuscht es, oder lassen die anderen beiden nach? Ich ziehe das Tempo auf dem ansteigenden Stück an und beschleunige auch danach weiter. Ich laufe allein: Wie groß mag der Abstand sein? Viel kann es nicht sein, aber etwas habe ich mich abgesetzt, das merke ich an den Geräuschen. Nur nicht umdrehen! Kein Zeichen der Schwäche zeigen! Bei den nächsten Links- und Rechtsknicks unmerklich zur Seite schauen: Das fällt nicht auf. Ja, ich habe einen leichten Vorsprung.

Und nun passiert etwas Merkwürdiges: Ich beschleunige, ich laufe schneller, aber ich habe jetzt das Gefühl, diese Geschwindigkeit weiter laufen zu können. Ich bin im Reinen mit mir, Kopf und Körper haben sich verständigt. Am unschönsten Punkt der Laufstrecke, einem Wendepunkt - unschön, weil Wenden abruptes Abbremsen und Rhythmusverlust bedeutet -, sehe ich, dass Willi als einziger Verfolger übrig geblieben ist. Ich habe einen Vorsprung, aber nicht uneinholbar. Wenn ich nachlasse, ist er schnell aufgeholt. Der Gruß, den wir uns zuwerfen, zeigt, dass wir das beide wissen. Also gibt es nur eine Konsequenz. Volle Power weiter!

Kurz danach drücke ich km 10 ab. Es ist das einzige Mal, das ich auf die Zwischenzeit schaue: 40:40 min. Kurz nachgedacht: Leichter Zeitverlust für die zweiten 10 km, macht 41 min, das wären 1:21:40, dann Endspurt und 4:20 fürs Schlussstück, ergäbe 1:26 h. Hey, wenn ich nicht abkacke, sind 1:26 h drin, also gut eine Minute schneller als beim bisher einzigen HM dieses Jahr in Hambach, und das auf dieser schwierigen Strecke. Und vielleicht, mit viel Kampf, sogar ne hohe 1:25-Zeit.

Eine Anmerkung zur Laufstrecke: Man läuft knapp 3 km in gerader Linie hin zu einem Waldstück, dort zweimal eine knapp 8 km lange Runde: teils an begrenzender Straße auf Asphalt, teils auf Waldwegen, danach wieder zum Ausgangspunkt zurück. - Ich biege nun also in die zweite Runde ein. Das Tempo halte ich nach wie vor hoch und luge bei jeder Abbiegung unauffällig nach hinten. Der Vorsprung bleibt. Ob er vielleicht etwas größer oder kleiner wird, kann ich so nicht feststellen, aber ich will ja auch nicht auf Ergebnis-Halten spielen, sondern auf Sieg. Also weiter Power!

Kurz vor km 17, noch bevor es wieder aus dem Wald herausgeht - danach kommt dann bald zum zweiten Mal der Wendepunkt - da also, noch im Wald, passiert, was ich verdrängt, aber insgeheim befürchtet habe: Die Kraft schwindet. Einen kurzen Augenblick nistet sich der Gedanke ein: Du hast überzogen. Das war zu viel, du hättest nicht so gnadenlos aufs Tempo drücken sollen. Das ist nun die Quittung! Noch nicht km 17 erreicht, noch mehr als 4 km vor mir, und ich mag mich nicht mehr anstrengen!

Ich ziehe eine Verteidigungslinie ein: km 17 erreichen, der kommt gleich, dann auf km 18 zu. Der ist nun das Ziel. Danach sehen wir weiter. Bloß keinen Gedanken an die Gesamtheit dessen, was vor mir liegt, verschwenden! – Und es wirkt. Als ich den Waldboden verlasse, km 17 hinter mir, und den asphaltierten Weg unter meinen Füßen habe, bin ich wieder voller Konzentration auf das Hier und Jetzt. Erneut der Wendepunkt, nach Umrundung wieder der Gruß an meinen Vereinskollegen Willi. Sind das jetzt 100 Meter zwischen uns? Oder mehr? Oder weniger? Sieht der nicht noch gut und kraftvoll aus? Nicht so viel überlegen, weiter, weiter, schon liegt km 18 hinter mir, jetzt fängt diese ewig lange Gerade über Feldwege an, aber das Ziel ist nicht mehr weit.

Ich sehe keinen vor mir, kenne den Abstand nach hinten nicht, laufe allein, passiere km 19. Ein Pärchen vor mir, sie drehen sich um, klatschen, als ich entgegen komme, die Frau ruft mir zu: „Nummer 8, wenn ich mich nicht verzählt habe.“ Gesamtachter? Damit hatte ich gar nicht gerechnet. Nun über die Straße, kurz danach km-Schild 20, dann am Eingang zum Borussenstadion vorbei, hier findet heute das Heimspiel gegen Stuttgart statt.

Seit etlichen Minuten schon habe ich das Gefühl, auf Reserve zu laufen und dabei immer langsamer zu werden. Aber jetzt bin ich fast im Ziel, jetzt kann ich es nicht mehr vergeigen. Da vorne kommt schon die Autobahnbrücke, eine letzte Quälerei beim leichten Anstieg, danach geht es wieder hinunter, am Ende ein scharfer Rechtsknick, 100 m geradeaus, dann scharf links ab zum Sportplatz und in der Mitte dort durch Pfützen hindurch und ins Ziel.

Geschafft! Die Zeitnehmerin ruft mir zu: 1:24:13 h. Hä? Aber es stimmt, eigene Uhr und Urkunde bestätigen es. Also schneller geworden, nicht langsamer! Heute habe ich gekämpft, habe mehr erreicht, als ich gedacht hatte. Zeit ist okay, Kampf gewonnen, und ich konnte ein hohes Tempo halten: anfangs beflügelt und easy, in der Endphase zunehmend härter und über Kampf und Willenskraft. Fast anderthalb Minuten nach mir kommt Willi ins Ziel. Wir klatschen uns ab und laufen gemeinsam aus. Ich liebe die Veranstalter in Holt dafür, dass statt stundenlanger Warterei kurz nach Einlauf sukzessive die Urkunden ausgedruckt werden. Hier erfahren wir nach dem Auslaufen: In der M50-Wertung belegen wir Platz 2 und 3.


Noch ein Mutmachsatz zum Abschluss für die, die meine Plantarsehnen-Story kennen und sich mit Gleichem herumquälen: Meine Plantarsehne links ist ja immer noch nicht gänzlich beschwerdefrei, aber bei solchen Läufen ist sie brav, auch im Anschluss habe ich keine Probleme, selbst bei dem 33 km-Lauf vergangenen Dienstag nicht (der längste seit langer Zeit). Ich spüre sie kurz nach dem Aufstehen einige Schritte lang und beim langsamen Gehen manchmal. Laufen, auch schnelles Laufen, geht seit längerem gut - qed

Bernd
Das Remake
Infos zum Laufen und Vereinsgedöns gibt's auf www.sgnh.de

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hallo bernd. super gebissen, und schön zu hören, dass du deine plantarsehne so gut im griff hast! :-))
und von wegen der zeit! die würd' ich mir nur einmal im leben wünschen! :-)

:daumen:
lieber laufend leben, als stehend sterben
2009: einfach abhaken und vergessen
2008: 10 km - 0:41:15 PB; HM - 1:29:46 PB; M - 3:18:43 PB

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Spannender Bericht und freut mich das du mal wieder nen richtig schnellen Lauf hattest und dabei deinen jungen Vereinskollegen hast stehen lassen können.

:zwinker5:

Eine Hammer Zeit!

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Hallo Bernd,

Mal wieder ein sehr schöner Bericht, die ich so gerne von dir lese. Glückwunsch zu deinem tollen Lauf!! :daumen:

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Schöner Bericht, gratulation zur starken Zeit! :daumen: Was geht da noch mit "richtig gut trainiert"?

Deine Plantargeschichte habe ich etwas verfolgt, weil ich da auch immer wieder mal Probleme habe.
Mein Staffelkollege hat das Fussproblem so richtig massiv, Fersensporn usw. Konnte vor dem letzten HM (Meisterschaften) nur mit vorheriger Spritze in den Fuss antreten. Wurde immerhin eine 1:14, seitdem ist er aber wieder außer Gefecht.
Er sucht auch immer noch das langfristige Heilmittel. Sollte es dir begegnen, wäre ich froh um den Tipp.

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Freut mich wirklich für Dich nach den gesundheitlichen Problemen. Und Kompliment für die tolle Zeit!
Gruß Thomas
PBs: 5km: 19:03 - 5,6km: 21:25 - 10km: 41:25 - HM: 1:26:39 - M: 3:11:15 - 50km: 4:09:09
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Hallo Bernd

Herzlichen Glückwunsch zum starken Ergebnis und danke für den tollen Bericht. Hoffentlich geht es noch weiter aufwärts, dann kannst du deine alte HM-Bestmarke nochmals ernsthaft in Gefahr bringen. :daumen:

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Hallo Bernd,

eine klasse Leistung! Bärenstark, wie du im 2. Teil schneller geworden bist und das Ding mit Willen km für km durchgezogen hast! :respekt:

Und wie immer ein sehr schöner Bericht! Danke!

Grüße,
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Some say there's no magic formula. I say there is. It's just that the magic is different for everyone. Keith Dowling

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Danke an alle für eure Kommentare! Es freut mich, wenn der Bericht gefallen hat.
Melrose hat geschrieben:Freut mich wirklich für Dich nach den gesundheitlichen Problemen.
Ich hoffe auch mal, dass es weiter rund läuft. Aber um ehrlich zu sein, gerade weil da einiges zusammen kam, denke ich momentan eher von Lauf zu Lauf und freu mich, solange es gut geht. Mal sehen, was nächstes Jahr passiert, wenn ich wieder eine längerfristige Vorbereitung mache (wahrscheinlich für 100 km). Dafür teste ich dieses Jahr aus, was geht.
schoaf hat geschrieben:plantarsehne so gut im griff hast! :-))
evimaus hat geschrieben:das langfristige Heilmittel. Sollte es dir begegnen, wäre ich froh um den Tipp.

Mittlerweile glaube ich nicht an den großen Wurf, sondern teste gerade für die Plantarsehne aus, wie sie sich bei intensiveren bzw. längeren Belastungen verhält. Ähnlich ging es vor einigen Jahren mit der Achillessehne: Irgendwann plötzlich nach einem langen Lauf war nix mehr da. Darauf setze ich derzeit auch. Aber wie gesagt: das bisherige Laufpensum geht gut.
Fusio hat geschrieben:dann kannst du deine alte HM-Bestmarke nochmals ernsthaft in Gefahr bringen.
Das wäre zwar toll, aber nach 16 aktiven Laufjahren bin ich zufrieden damit, dass der Leistungsabfall sich immer noch in Grenzen hält. Das muss man einfach akzeptieren, dass irgendwann der Zenit überschritten ist. Trotzdem macht das Laufen, auch das leistungsmäßige Laufen, nach wie vor Spaß. Man muss nur die Ziele anpassen.

Bernd
Das Remake
Infos zum Laufen und Vereinsgedöns gibt's auf www.sgnh.de

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burny hat geschrieben:Ich ziehe eine Verteidigungslinie ein: km 17 erreichen, der kommt gleich, dann auf km 18 zu. Der ist nun das Ziel. Danach sehen wir weiter. Bloß keinen Gedanken an die Gesamtheit dessen, was vor mir liegt, verschwenden!
Häääääääääääääääääääääääääääääääääärlisch!

Wenn du das einem Nicht-Läufer sagst, will ich dessen Fragezeichengesicht sehen!!!! Als Läufer liest man sowas mit einem Schmunzeln.

Ich gratuliere Dir! Gut gerockt!

Immernoch anerkennend schmunzelnd!
Ralph
Gesperrt

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