Fortsetzung: Als ein Feuerball die Startrampe einhüllte und die Rakete herausschoss, stellten sich die Zuschauer instinktiv auf ihre Zehenspitzen, und alle Augen waren auf den weißen Feuerstrahl aus der Brennkammer der Rakete fixiert, die auf den Berg in der Entfernung zusteuerte.
Die Masse, der König, die Geringen und die Hohen, die Jungen und die Alten, es war als ob sie in diesem Moment ein einzelnes Bewusstsein teilen würden, eine einzelne Erfahrung: Die weiße Flamme die in die Finsternis schoss, den menschlichen Geist verkörpernd, seine Ängste seine Hoffnungen...
zuschlagend im Herzen des Bösen.
Die Silhouette am Horizont wankte und fiel.
Tausende Freudenrufe entstiegen der Masse, und wurden Sekunden später vom ohrenbetäubenden, lang gezogenen Aufschlag des kollabierenden Monsters begleitet, als ob die Erde selbst vor Erleichterung aufseufzte.
Nach Jahrhunderten der Unterdrückung war die Menschheit nun frei von der grausamen Tyrannei des Drachen.
Die Rufe der Freude gingen über in einen jubilierenden Choral: "Lang lebe der König! Lang lebe jeder von uns!"
Die Berater des Königs, wie alle in dieser Nacht, waren vergnügt wie kleine Kinder, sie umarmten einander und gratulierten dem König: "Wir haben es getan! Wir haben es getan!"
Doch der König antwortete mit gebrochener Stimme: "Ja, wir haben es getan. Wir haben heute den Drachen getötet. Verdammt, wieso haben wir es nicht schon früher getan?
Dies hätte vor fünf oder zehn Jahren getan werden können. Millionen von Menschen hätten nicht sterben müssen."
Der König stieg von der Plattform und ging zu dem gefesselten, jungen Mann herüber, welcher dort auf dem Boden saß.
Dort fiel er auf die Knie. "Vergib mir! Oh mein Gott, bitte vergib mir!"
Der Regen fing an zu fallen, in großen, schweren Tropfen die den Boden in Schlamm verwandelten, die purpurne Robe des Königs durchnässten und das Blut vom Gesicht des jungen Mannes wuschen.
"Es tut mir so leid um Deinen Vater!" sagte der König.
"Es ist nicht Eure Schuld", erwiderte der junge Mann. "Erinnert Ihr euch noch daran, damals, vor zwölf Jahren, im Schloss?
Der weinende kleine Junge, der wollte, dass Ihr seine Großmutter zurück bringt - das war ich. Damals verstand ich nicht, dass Ihr das wonach ich verlangte unmöglich tun konntet.
Heute wollte ich, dass Ihr meinen Vater rettet. Doch es war unmöglich das zu tun ohne den Start zu gefährden.
Aber Ihr habt mein Leben gerettet, und das meiner Mutter und meiner Schwester. Wie können wir Euch jemals dafür danken?"
"Hörst Du das", sagte der König und deutete auf die Menge. "Sie zollen mir Beifall für das was heute Nacht passiert ist. Aber der Held bist Du. Du hast es heraus geschrien, Du hast uns gegen das Böse vereint."
Der König befahl einem Wächter die Handschellen abzumachen.
"Nun geh zu Deiner Mutter und Deiner Schwester, Du und Deine Familie, Ihr sollt am Hof immer willkommen sein, und alles was Du wünschst - so es in meiner Macht liegt - soll Dir vergönnt sein."
Der junge Mann ging, und das königliche Gefolge, welches sich im Wolkenbruch zusammengedrängt hatte, scharte sich um seinen Monarchen der immer noch im Schlamm kniete.
Zwischen der ausgefallenen Kleidermode, die zunehmend durch den Regen ruiniert wurde, auf den gepuderten Gesichtern konnte man eine Überlagerung von Freude, Erleichterung und Verwirrung erkennen.
So viel hatte sich in der letzten Stunde verändert: das Recht auf eine offene Zukunft wurde wiedererlangt, eine Urangst wurde beseitigt, eine lange für wahr gehaltene Anschauung wurde umgestürzt.
Unsicher was in dieser ungewohnten Situation von ihnen verlangt wurde, standen sie zögernd da, als ob sie testen würden ob der Boden sie noch trüge, Blicke austauschend, auf eine Art von Zeichen wartend.
Letztendlich erhob sich der König, seine Hände an den Hosen abwischend.
"Eure Majestät, was tun wir nun?" wagte der ranghöchste Höfling zu fragen.
"Meine lieben Freunde", sprach der König "wir haben einen langen Weg hinter uns gebracht... doch unsere Reise hat jetzt erst begonnen. Auf dieser Welt ist unsere Art ist noch jung.
Heute sind wir wieder wie Kinder. Die Zukunft liegt offen vor uns. Wir sollten versuchen es in der Zukunft besser zu machen als in der Vergangenheit. Wir haben nun Zeit - Zeit um es richtig zu machen, Zeit um zu wachsen, Zeit um aus unseren Fehlern zu lernen, Zeit für den langsamen Prozess der Erschaffung einer besseren Welt, und Zeit um in ihr heimisch zu werden.
Lasst heute Nacht alle Glocken im Königreich bis Mitternacht läuten, in Erinnerung an unsere toten Ahnen, und nach Mitternacht lasst uns feiern bis die Sonne aufgeht.
Und in den kommenden Tagen... Ich glaube wir werden einiges reorganisieren müssen!"
Und die Moral davon
Geschichten über das Altern haben sich traditionell immer auf die Notwendigkeit, des sich würdevoll damit Abfindens, beschränkt.
Die empfohlene Lösung für abnehmende Lebenskraft und den nahenden Tod war Resignation gepaart mit der Bemühung praktische Angelegenheiten und persönliche Beziehungen zu einem Abschluss zu bringen.
Als nichts getan werden konnte um das Altern zu verlangsamen oder Aufzuhalten, war diese Beschränkung sinnvoll.
Anstatt sich über das Unausweichliche zu ärgern konnte man sich auf seinen Seelenfrieden konzentrieren.
Heute stehen wir vor einer anderen Situation.
Während wir noch immer keine effektiven und annehmbaren Mittel zur Verlangsamung des Alterungsprozesses haben, können wir Forschungsrichtungen erkennen, die in absehbarer Zukunft zur Entwicklung solcher Mittel führen könnten.
"Todistische" Geschichten und Ideologien, welche passive Akzeptanz verteidigen, sind nicht mehr harmlose Quellen des Trostes.
Sie sind fatale Hürden auf dem Weg hin zu nötigen Taten.
Viele angesehene Technologen und Wissenschaftler sagen uns, dass es möglich werden wird, das Altern zu verlangsamen, oder gar anzuhalten und umzukehren.
Gegenwärtig besteht wenig Einigkeit über die benötigte Zeitspanne oder die genauen Mittel, noch besteht ein Konsens darüber dass das Ziel prinzipiell erreichbar ist.
In Relation zu der Fabel (wo das Altern durch den Drachen repräsentiert wird) befinden wir uns irgendwo zwischen der Zeit wo der einzelne Weise den Untergang des Drachen vorhersagte und der Zeit, als die unkonventionellen Drachologen ihre Kollegen, durch Demonstration davon überzeugten, dass jener Kompositwerkstoff härter war als Drachenschuppen.
Das ethische Argument das die Fabel vorbringt ist einfach: Für die Menschen in der Fabel bestehen augenscheinliche und zwingende Gründe den Drachen loszuwerden.
Unsere Situation in Bezug auf das Altern ist nahezu analog und ethisch isomorph zur Situation der Menschen in der Fabel in Bezug auf den Drachen.
Deshalb haben wir zwingende moralische Gründe das Altern zu beseitigen.
Das Argument ist nicht zu Gunsten der Lebensverlängerung per se.
Am Ende des Lebens zusätzliche Jahre der Krankheit und Senilität anzuhängen wäre sinnlos.
Das Argument ist zu Gunsten der Verlängerung der gesunden Lebenszeit.
Durch die Verlangsamung oder das Anhalten des Alterungsprozesses, würde die gesunde Lebenszeit verlängert.
Individuen würden befähigt gesund zu bleiben, vital und produktiv, in einem Alter in dem sie ansonsten tot wären.
Zusätzlich zu dieser allgemeinen Moral der Geschichte sind noch einige präzisere Lehren daraus zu ziehen:
(1) Eine sich wiederholende Tragödie wurde zum Teil des Lebens, einer Statistik. In der Fabel haben sich die Erwartungen der Menschen an die Existenz des Drachen angepasst, und zwar soweit, dass viele nicht mehr in der Lage waren, ihre Schlechtigkeit zu erkennen. Auch das Altern wurde zu einem banalen Teil des Lebens - und ist trotzdem die Hauptursache für unermessliches menschliches Leiden und Sterben.
(2) Ein statischer Blickpunkt auf die Technologie. Die Menschen argumentierten, dass es niemals möglich sein werde, den Drachen zu töten, da alle Versuche in der Vergangenheit fehlgeschlagen sind. Sie vergaßen aber den beschleunigten technischen Fortschritt in die Rechnung mit einzubeziehen. Führt ein ähnlicher Fehler dazu, dass wir die Chance ein Mittel gegen das Altern zu finden, unterschätzen?
(3) Die Verwaltung wurde zum Selbstzweck. Ein Siebtel der wirtschaftlichen Produktion wurde für die Drachenverwaltung ausgegeben (welches auch der Anteil des BIP ist den die USA für das Gesundheitswesen ausgibt).
Schadensbegrenzung rückte derart ins Zentrum der Aufmerksamkeit, dass man die dafür zugrunde liegenden Ursachen verneinte. Anstelle eines massiv öffentlich geförderten Forschungsprogramms zum Anhalten des Alterungsprozesses, geben wir fast unser gesamtes Gesundheitsbudget für Pflege und die Erforschung individueller Krankheiten aus.
(4) Das Gesellschaftliche Wohlergehen wurde vom Wohl der Menschen entkoppelt. Die königlichen Berater waren besorgt über die sozialen Probleme die durch die Drachengegner verursacht werden könnten. Sie sagten dass kein Wohl für die Gesellschaft durch den Tod des Drachen entstehen würde. Letztendlich existierte die gesellschaftliche Ordnung zum Wohl der Menschen, und es ist im Allgemeinen gut für die Menschen, wenn ihre Leben gerettet werden.
(5) Fehlender Sinn für Verhältnismäßigkeit. Ein Tiger hat einen Bauern getötet. Klapperschlangen befielen ein Dorf. Der König beseitigte den Tiger und die Klapperschlangen, und erwies damit seinem Volk einen Dienst. Doch war er im Irrtum, da er seine Prioritäten falsch setzte.
(6) Schöne Worte und leere Rhetorik. Der Berater des Königs für Moralfragen sprach wortgewaltig über die menschliche Würde und die Natur des Menschen, in gehobenen Phrasen, meist wörtlich den Aussagen der gegenwärtigen Pendante des Beraters gleichend.
Doch die Rhetorik war nur ein Nebelschleier der die Realität der Moral mehr verdeckte als sie aufzuzeigen. Das unartikulierte, aber ehrliche Zeugnis des Jungen, hebt im Gegensatz dazu die zentralen Umstände der Sache hervor: Der Drache ist böse, er vernichtet Menschen. Dies ist auch die grundlegende Wahrheit über das Altern.
(7)Unfähigkeit die Dringlichkeit der Sache wahrzunehmen. Bis sehr spät in der Geschichte hat niemand richtig verstanden was auf dem Spiel stand.
Erst als der König in das blutige Gesicht des flehenden jungen Mannes blickte, wurde ihm das Ausmaß der Tragödie bewusst. Die Suche nach einem Heilmittel gegen das Altern ist nicht nur eine nette Sache die wir vielleicht eines Tages tun sollten. Es ist ein drängender, schreiender moralischer Imperativ. Je früher wir mit einem gezielten Forschungsprogramm beginnen, desto eher werden wir Ergebnisse erzielen. Es ist von Bedeutung ob wir ein Heilmittel in 25 oder 24 Jahren finden: Mehr als die Bevölkerung von Kanada würde dabei sterben.
In diesem Fall ist Zeit gleichbedeutend mit Leben, und zwar bei einer Rate von 108 Leben in der Minute.
Während das Zählwerk mit solch rasender Geschwindigkeit vor sich hintickt, sollten wir aufhören herumzudrucksen.
(8) "Und in den kommenden Tagen... Ich glaube wir werden einiges reorganisieren müssen!" Der König und sein Volk werden sich einigen großen Herausforderungen stellen müssen wenn sie sich von den Feierlichkeiten erholt haben. Ihre Gesellschaft wurde durch die Gegenwart des Drachen so sehr konditioniert und deformiert, dass nun eine Furcht gebietende Lücke besteht. Sie müssen nun kreative Arbeit leisten, sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene, um Gegebenheiten zu schaffen um das Leben florierend, dynamisch und sinnvoll zu halten, jenseits der gewohnten Lebensspanne. Glücklicherweise ist der menschliche Geist gut in der Anpassung. Ein anderes Problem, dem sie sich möglicherweise stellen müssen, ist das der Übervölkerung. Vielleicht werden die Menschen lernen müssen, Kinder später zu kriegen und weniger oft. Möglicherweise können sie Wege finden, eine größere Population durch effektivere Technologie zu erhalten.
Vielleicht werden sie eines Tages Raumschiffe entwickeln und beginnen den Weltraum zu kolonisieren. Wir verlassen nun die langlebigen Menschen der Fabel und überlassen es Ihnen, sich mit diesen Herausforderungen zu befassen, während wir versuchen Fortschritte in unserem eigenen Abenteuer zu machen.
Wie Sie helfen können
1. Sprechen Sie über das Thema. Wenn Sie eine Webseite oder einen Blog haben, denken Sie darüber nach, einen Link auf diese Seite zu legen.
Teilen Sie Ihre Gedanken mit Freunden und Kollegen. Schreiben Sie Briefe an Zeitungsherausgeber und kommentieren Sie Berichte zur Lebensverlängerung.
Stellen Sie höhnische und kurzsichtige Aussagen zum Altern in Frage wenn es angebracht ist. Machen Sie etwas Krach.
2. Organisieren Sie sich. Wenn Sie in einer Organisation (Partei, religiöse Gemeinschaft, Berufsverband) Mitglied sind, denken Sie darüber nach innerhalb dieser Organisation Unterstützung zur Lebensverlängerung und der damit verbunden Forschung zu gewinnen.
3. Geben Sie. Denken Sie darüber nach, für den Methuselah Mouse Prize zu spenden. Dies ist ein Preis für die Verlängerung der Lebensspanne von Mäusen im mittleren Alter.
Wissenschaftspreise haben eine gute Erfolgsgeschichte im Bereich der Stimulation von Erfolgen.
Ein eindeutiger Erfolg bei Mäusen würde den Weg ebnen für ein größeres Programm zur Anwendung dieser Methoden am Menschen.
4. Übernehmen Sie Verantwortung. Wenn Sie ein großer Philanthrop sind, haben Sie die Möglichkeit, etwas zu bewegen. Oder wenn Sie Journalist, Opinion leader (Meinungsführer), Regierungsbeamter, wissenschaftliche Autorität oder Entscheidungsträger einer Forschungsstiftung sind, haben Sie die Möglichkeit, Einfluss auszuüben, und, konsequenterweise, eine besondere Verantwortung, Initiative zu zeigen.
5. Denken Sie kreativ. Benutzen Sie Ihr eigenes Gehirn, um darüber nachzudenken was die beste Möglichkeit wäre etwas beizusteuern.
Lieber Gruß,
Titus