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Ostseeman 2010 - Wahnwitz oder wahnisnniger Spaß?

Ostseeman 2010 - Wahnwitz oder wahnisnniger Spaß?

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Hallo an Alle,

dies ist mein erster Beitrag in diesem Forum und ich möchte Euch heute von meiner tollen Erfahrung Ostseeman 2010 berichten. Den vollen bebilderten Bericht, sowie mein gesamtes Trainingstagebuch zu diesem Event, findet ihr auch auf meinem Blog unter Ostseeman 2010 Mein Tagebuch.

Vor detailliertem Rennbericht möchte ich zuallererst einen Dank an meine Frau loswerden. Michaela hat trotz Schwangerschaft, unseres Hochzeitsstresses und der Geburt unseres kleinen Ostseemans Nico im Mai, all meine Trainings-Hochs und Tiefs mit durchgemacht und mich immer wieder motiviert und mir den Rücken freigehalten. Sogar meine Runden auf der Strecke hat sie, mit Kinderwagen, anfeuernd und jubelnd begleitet. Danke mein Schatz!

Zugegebener Maßen war das schon ein wahnwitziges Projekt - Staffel-Teilnahme am Ostseeman 2010. Und dabei denke ich nicht nur an meine 180 km auf dem Rennrad, sondern ganz besonders auch an die Schwimmstrecke von 3,8 km, welche von Anja bewältigt werden musste.

Gerade Anja und ich waren wohl diejenigen beiden, die das ganze sehr blauäugig angegangen sind. Frei nach dem Motto "morgen ist ja auch noch n Tag" hab zumindest ich das Vorhaben ziemlich relaxed angepeilt und ich glaube auch Anja stand mir diesbezüglich in nichts nach.

Nur Peter, unserer Marathon-Man, schien ein wirkliches Konzept zu haben und trainierte auch ziemlich konstant und zielgerichtet auf den großen Tag hin.

So hatte Peter kurz vorm Ostseeman schon den Hamburg Marathon, mehrere kürzere Distanzen und den Glücksburger Halbmarathon in den Beinen, während Anja grad mal 3 Wochen vorm Wettkampf das erste Ostseewasser schluckte und dabei das erste Mal einen Neo trug! Aber auch ich selbst kann mich nicht gerade mit größter Trainingsdisziplin rühmen. Gerademal die letzten 7 Wochen vorm Ostseeman traute ich mich auf längere Distanzen, indem ich an RTF's teilnahm und dort Strecken zwischen 80 und 120 Kilometern absolvierte. Immerhin wurden es doch noch knapp 3000 Kilometer in der Vorbereitung, neben diversen Dauerläufen und Spinning im Fitnesstudio Hauser.

Alles in Allem also nicht gerade Profihaft unsere Vorbereitungen - aber das war auch gar nicht unsere Intention! Wir wollten ankommen - wir wollten unter 15 Stunden ankommen - wir wollten die Medaille ! Mehr nicht !

Der Wettkampftag

Meine größte Angst, am Wettkampftag nicht aufs Klo zu können, hatte sich schon am Vorabend zum Ostseeman erledigt. Ich war dermassen aufgewühlt und nervös, dass sich sämtlicher Darminhalt schon in verdünnisierter Form verabschiedete :-).

Am Sonntag also holten Anja und Peter mich um 5:30 Uhr ab und wir fuhren los nach Glücksburg. Noch im Auto gings schon los mit allen möglichen Zweifeln und Fragen. Das Wetter war mehr oder weniger beschi.... . Es war gut windig und nieselte. Oh mann. Ist der Transponder dabei? Habt Ihr gegessen - getrunken? Solln wir wirklich starten?? Doch was war das für eine Frage? "Natürlich ziehen wir das jetzt durch!"

Kurz vor Glücksburg - in Solitüde - haben wir dann noch die Schwimmerin einer befreundeten Staffel "eingeladen". Anna. Im Gegensatz zu uns Mittvierzigern war Anna wohl etwas jüngeren Alters - ich denke sie ist 18 - und hat mit Ihrer lockeren, netten und unbeschwerten Art dann doch noch alle unsere Zweifel weggefegt, sodass wir dann doch voller Mut in die Wechselzone stapften, um uns mit dicken Filzstiften Beine und Arme vollkritzeln zu lassen :-)

Oh mann - die Spannung stieg. Um ca. 6:25 Uhr schlüpfte Anja dann in Ihren Neo - zumindest "obenrum", denn "untenrum" hatte sie das wohl schon zuhause erledigt. Ab 6:30 Uhr war dann einschwimmen angesagt. Ich kann Anja's Gesicht irgendwie gar nicht beschreiben - aber ich denke skeptisch panisch sind schon zwei ganz gute Worte dafür! Peter meinte nur die ganze Zeit "Wir müssen jetzt echt aufpassen dass Anja nicht noch die Segel streicht. Die ist hammeraufgeregt!" - und das sah man ihr fast mit geschlossenen Augen an.

Aber ich kann von mir sagen, dass ich nicht weniger aufgeregt war. Und das obwohl ich doch gar nicht ins Wasser musste.

Dann stieg die Spannung ins unermessliche. Wir standen am Ufer, links der ca. 700 Athleten und es wurden die Nationalhymnen der Teilnehmer abgespielt. Um 6:59 Uhr dann die deutsche Hymne ... mein Puls war auf 129 !!! Dabei stand ich nur daneben.

6...5...4...3...2...1... START

Boah was für ein Rauschen. 700 Gummimänner (und Frauen) stürmten die Ostsee und ich wollte um keinen Preis der Welt jetzt mit Anja tauschen. Und dann sahen wir sie auch. Völlig relaxed und mäßigen Schrittes, begab sich die Dame in die Fluten und bald schon war ihre gelbe Badekappe hinter der breiten Brücke verschwunden.

Ok, jetzt wars also getan. Unsere Staffel war dabei und wir konnten nur noch abwarten, nach welcher Zeit Anja wieder am Ufer eintreffen würde. Gemäß Anja's Einschätzung rechneten wir so mit 2:00 h bis 2:10 h. Doch da sollten wir - und vor allem Anja sich gewaltig vertan haben!

Während der erste Schwimmer, ein 17 jähriger Staffelstarter namens Till Gurke, bereits nach 47:15 Minuten aus dem Wasser stieg, machte ich mich so langsam aber sicher fertig. Ich hatte auch bereits zuhause die Radhose - mit vieeel Melkfett - und mein Trikot angezogen. Ich entschied mich auch für ein windabweisendes Unterhemd ohne Arme (was wirklich gut war). So checkte ich nochmal mein Bike, meinen Tacho und meine Schuhe, die ich am Rad liegen lies. Ich nahm mir vor, auf Turnschuhen durch die Wechselzone zu schlurfen, da ich keine Lust hatte auf den Wegplatten mit den Cleats der Radschuhe auszurutschen. (Auf die 15 Sekunden Radschuhe anziehen würds wohl zeitlich nicht drauf ankommen). So, alles roger. Helm auf und langsam zur Wechselzone gelatscht, in der sehr reges Treiben herrschte und mir schon viele, scheinbar unter Zeitdruck stehende Mitstreiter entgegen stürmten.

Jetzt erstmal durchatmen und schauen, was die Anderen hier so treiben. Ich hatte ja noch nie soetwas mitgemacht. Aber das sah alles ganz einfach aus und bis Anja kommen würde wär meine Aufregung sicher abgeebbt und alles wird laufen.

Nur das "bis Anja kommen würde..." verküzte sich ziemlich prompt, denn alles andere als erwartet, tauchte Anja bereits nach 1:30 h in der Wechselzone auf und sowohl freundig - als auch überhaupt völlig überrascht - nahm ich das Staffelholz in Empfang und taperte zu meinem Bike. Dort schnappte ich mir selbiges, schob es zum Balken und schwang mich auf die erste Runde. Puh Anja - was haste da denn bloss für ne Zeit vorgelegt ?! Das war das einzige was ich ihr beim Wechsel noch sagen konnte und dann dachte ich nur "Mensch Frank, nu musste aber richtig Gas geben".

Aber dann ging die Aufregung schon bald in das trainierte, ruhige Pedalieren über, welches mich auf den vielen Trainingskilometern, die ich allesamt allein absolvierte, begleitete. Erstmal ruhig angehen lassen, maximal nen 25er Schnitt hatte ich mir für die ersten beiden Runden vorgenommen.

Das erste Mal am Weeser Berg (Rothenhaus) gings super hinauf. Im sitzen auf dem grossen Kettenblatt. Super das es hier nun gleich links ab ging, so wurd der Berg irgendwie ein Stückchen kürzer. Durch Wees hindurch, über welliges Terrain mit viel Speed bis nach Munkbrarup und dort dann mit Vollspeed die 90° Grad Kurve auf die Nordstrasse. Ja - das machte Spass, viel Spass!! Zumindest in der ersten Runde ;-)
Auch der dann folgende Berg flutschte ziemlich gut und ohne Wind auf der langen Geraden in Richtung Ringsberg gings ab wie am Schnürchen. Links ab nach Ringsberg rein und in Richtung Rüde wurds dann nochmal schneller und so war ich nach einigem, weiteren Links und Rechts schliesslich nach ca. 35 Minuten am Wahlberg, der ersten Verpflegungsstation. Das war sehr gut, denn ich war ohne Flaschen losgeradelt (unbeabsichtigt) und war froh nun endlich einen ordentlichen Schluck nehmen zu können. Auch die angebotene Banane war herzlich willkommen und bis zur Ecke Bockholm/Holnis hatte ich diese auch genüsslich verspeist.

Jetzt nur kräftig weiterradeln und nicht an die Schmerzen denken - das wurde ab Holnis meine Devise. Denn prompt hinter der Wende erdreistete sich ein Wadenkrampf, mich zu plagen. Ohje - jetzt schon??? Schnell Wasser trinken, Iso trinken und das jetzt jeden Kilometer.

Als ich dann das erste Mal nach Gücksburg reinkam und durchs Kurviertel in Richtung Sandwigstrasse kurbelte, dachte ich mich trifft der Schlag. Da waren Zuschauer links und rechts der immer schmaler werdenden Sandwigstrasse, als wenns den Mont Ventoux bei der Tour de France hinauf geht. Und jeder - sogar ich - wurde bejubelt, als wenn er irgendein Renn Star wäre. Yeah - das trieb mir fast die Tränen in die Augen. Die Stimmung war wirklich klasse und an dieser Stelle mal ein grosses Lob an die vielen Zuschauer - Glücksburger und Zugereiste - für die ausdauernde und lautstarke Unterstützung fast an der gesamten Strecke! Das hielt die Motivation bei uns Athleten an mancher Stelle aufrecht oder puschte diese sicherlich sogar. An bestimmten Stellen standen und sassen die Zuschauer sogar noch auf meiner 6ten Runde - und das war schon ganz schön spät ;-). Auf Höhe der Therme standen dann Anja und Peter das erste Mal und feuerten mich an - cool. Kurz darauf hatte ich mal Zeit auf den Tacho zu schauen. Zwei Klicks weiter auf Durchschnitt und was seh ich da?? 29,x km/h. Alter Schwede - ich wollts doch eigentlich langsam angehen. Hier war mir allerdings dann schon klar, dass ich das keine 5 weiteren runden halten kann.

Die weiteren Runden liefen an mir vorüber als wenn ich gar nicht selbst gefahren wäre. In der dritten Runde fragte ich mich fortwährend warum ich mir sowas antue, die vierte Runde war geprägt von weiteren Krämpfen und der Frage, ob ich lachen oder weinen soll, weils danach (nur) noch 2 Runden waren. In der 5. Runde liefs dann wieder ganz gut und ich denke das meine 6. Runde dann die beste war.

Alles in Allem war mein erster Ostseeman Einsatz nach 6:39 h vorbei und ich konnte sogar noch aufrecht laufend das "Staffelholz" an Peter übergeben. Nachdem Peter losgelaufen war, überkamen mich ersteinmal haufenweise Gefühls- und Heulattacken. Ich hatte das tatsächlich geschafft (naklar schaffen andere noch ganz andere Sachen), ich war 180 Kilometer mit 27er Schnitt gefahren. Andererseits war ich von den permanenten Krämpfen, den Nacken- und Handgelenksschmerzen so dermassen geplagt, dass auch hier genug Grund für Heulattacken gegeben war. Aber letztlich überwog auf jeden Fall die Freude und nun gings für mich erstmal ans regenerieren.

Anja versorgte mich mit Wasser und mentalem Beistand und wir beide freuten uns riesig darüber, dass wir es geschafft hatten!

Nach einer knappen Stunde postierten wir uns an der Laufstrecke in der Nähe des Ziels, um Peters erste Runde zu beklatschen. Da kam er auch schon vorbei und sah gut und frisch aus. Peter hatte sich eine Zeit bei 4:15 h bis 4:30 h vorgenommen und konnte ja auch schon aus Erfahrungen der bereits gelaufenen Marathons schöpfen. Auch nach der zweiten Runde sah alles nach einer Spitzenzeit aus. Irgendwie verloren wir dann aber das Zeitgefühl und wir glaubten plötzlich völlig euphorisch, dass Peter nun auf seine letzte Runde kommen müsste. Doch das Blatt wendete sich und als Peter nach 3:45 auf seine letzte Runde ging, klagte er über furchtbare Schmerzen in den Beinen. Er könne fast nur noch gehen und bräuchte zum Zieleinlauf auf jeden Fall unsere Unterstützung.

Nach 4:50 h tauchte Peter dann völlig Schmerzgeplagt an der Quellental-Brücke auf, wo Anja ihn für weitere mentale Unterstützung empfing. Cirka 300 Meter vor dem Ziel begleiteten wir Peter dann zusammen, um nach einer Gesamtzeit von 13:10:36 unseren Tagesabschluss zu finden. Juchuu - geschafft - unter 15 Stunden - Medaille ! Peter hatte aufgrund einer gereizten Achillis-Sehne wohl die letzten 1,5 Runden höllische Schmerzen erlitten und kam nur aufgrund dieser Verletzung auf eine 4:59:58, auf die wir aber mächtig stolz sind, denn Peter hat schliesslich auch für uns nicht aufgegeben!

Nach über 10 Monaten Vorbereitung (der eine mehr, der andere weniger) hatten wir es tatsächlich geschafft. Jeder hat dem anderen blind vertraut und für sich und die beiden anderen trainiert und gekämpft und am Ende steht ein solches Ergebnis, welches mir wesentlich mehr Wert ist als eine Zeit mit Platzierung unter den ersten 15 Teams oder ähnlicher Ehrgeiz. Dafür ist ja beim 2011er Ostseeman dann Platz für dessen Teilnahme wir just heute grad die Anmeldebestätigung bekommen haben.

Ja, das war mein großer Tag in diesem Jahr, und ich freue mich tierisch darauf, im nächsten jahr wieder dabei zu sein!

Viele Grüße
Der Ostseemenne
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