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Der Fußball ist dem Laufen sein Tod!

Der Fußball ist dem Laufen sein Tod!

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„Herrgott! Warum fährt der Idiot da vorne denn nicht? Will der hier seinen Lebensabend verbringen?“ Langsam wurde es eng. Ich hätte mich aber auch selbst in den Hintern*) treten können. Mittags noch hatte ich mit einem Nachbarn telefoniert, der zum Bundesligaspiel Gladbach-Bayern fahren wollte, und ich Dösbaddel hatte nicht geschaltet. Nun bewegte ich mich seit mehr als 20 Minuten schneckengleich von der Abfahrt MG-Holt auf die Aachener Straße zu.

*) Einschub: Mein abhanden gekommener Körperteil war, wohl durch eine Mischung aus Müßiggang und zypriotischer Sonne angeregt, nachgewachsen. Das erfüllte mich mit Freude, denn mir war zugegebenermaßen bei der bisweilen an missliebige Zeitgenossen ausgesprochenen Einladung, meinen unteren Rumpfabschluss einer eingehenden Untersuchung mittels ihres Geschmacksorgans zu unterziehen, etwas mulmig gewesen, wusste ich doch, dass eine freudige Annahme selbiger Einladung in Ermangelung des Objekts der Begierde den Offenbarungseid nach sich gezogen hätte.

Noch 25 Minuten bis zum Start, ich im Auto eingezwängt, noch nicht da, noch nicht angemeldet, noch nicht flüssigkeitsoptimiert. – Endlich war ich auf der Aachener, und gleich der nächste Schock: noch vor der Abfahrt zur Veranstaltung gesperrt. Weiterhin eingezwängt in die Fußballschlange, kam ich kaum voran. Knappe 15 min vor dem Start konnte ich endlich in einer Seitenstraße das Auto abstellen: hetzhetz zur Anmeldung, Straßenklamotten aus, Laufklamotten an, Klo, Pipi machen, flottflott die 400 m zum Start gesprintet, puh, gerade noch rechtzeitig am Start: Körper noch im Halbschlaf, Mandelkern bereits von heftigen Blitzgewittern durcheinander gewirbelt – peng, und ab ging’s: Halbmarathon und Zehner gemeinsam.

Eigentlich hatte ich ja den Halben laufen wollen, aber, sei’s dass das Nachwachsen des Gesäßes den Körper geschwächt hatte, sei’s bedingt durch den Wechsel aus südlicher Hitze in nördliche Kühle: kurz nach der Rückkehr hatte sich der Brustkorb belegt angefühlt, und husten musste ich auch. Zwar wär’s da am vernünftigsten gewesen, erst gar nicht zu laufen, aber die letzten 2 Wochenenden war ich weg gewesen, nächstes Wochenende scheidet definitiv aus (Meine Frau hat Geburtstag und ich habe nicht vor, Bruce Willis zu spielen, der in „Stirb langsam 3“ mit einem Schild um den Hals „I hate niggers“ durch Harlem läuft.) Also 4 Wochen Wettkampfentzug oder heute laufen! So hatte ich salomonisch und semi-vernünftig den Kompromiss des Zehners gewählt.

Beim Blick auf die Uhr nach dem ersten km lobte ich mich für die weise Entscheidung kontra HM, denn 4:14 min/km passte zu meinem gewollt zurückhaltendem Angehen, fühlte sich aber bei weitem nicht so locker an, wie es das Tempo mutmaßen lässt. Der weitere Rennverlauf war recht unspektakulär. Eine ganze Zeitlang sah ich noch etliche Läufer vor mir, bis schließlich zwischen km 3 und 4 die Halben geradeaus weiterliefen, während ich als Zehner nach links musste. Von da an sah ich keinen mehr.

Nach etwa 7,5 km ging es auf eine ganz lange Gerade, ein offener Feldweg mit Blick weit nach vorn: nichts zu sehen. Komisches Gefühl: Ich hätte Erster sein können (unwahrscheinlich bei einer zu erwartenden Endzeit um die 42 min herum), aber auch Zehnter oder noch mehr. Der Feldweg mündet kurz vor km 9 auf eine Straße, genauer den begleitenden Bürgersteig. Nun begann des Dramas zweiter Teil:

Die Straße führt direkt am Eingang zum Gladbacher Stadion vorbei, es war kurz vor 3 Uhr, die Zuschauermassen strömten ins Stadion, Laufstrecke und Massen begegneten sich. Jeder, der bei einem großen Marathon etwas zu weit hinten gestartet ist, kennt das Gefühl des Slalomlaufens, um nach vorne zu kommen. Man hat dabei allerdings den kleinen Vorteil, dass alle in EINE Richtung laufen. Die Begegnung Läufer – Zuschauer erfolgte nun jedoch zunächst rechtwinklig mit einer zahlenmäßig weit überlegenen Zuschauermenge und nach Passieren des Stadioneingangs im Winkel von 180°, d. h. die Läufer rannten den Massen direkt entgegen. „Die“ Läufer ist hier ein reiner Euphemismus, denn vor mir und hinter mir war ja keiner, also musste ich arme Sau meinen Weg zunächst durch kreuzende, dann auf breiter Front entgegen kommende Fans finden, bei einer Geschwindigkeit von ca. 15 km/h kein einfaches Unterfangen, das höchste Konzentration erforderte. Wenn man die Geschwindigkeit der Entgegenkommenden vorsichtig mit 3 km/h annimmt, könnte ein Moment der Unachtsamkeit einen ungebremsten Aufprall mit 18 km/h nach sich ziehen, keine schöne Vorstellung.

Voll konzentriert, den Blick stets 5 – 10 m voraus gerichtet, versuchte ich, die Strömungsrichtung der Vielen vorauszuahnen, und wählte intuitiv Lücken, durch die ich freie Bahn fand. Soweit die Fans mich wahrnahmen, wichen sie aus, manche riefen gar Anfeuerungsrufe, das Hauptproblem war jedoch, dass die Menge in unzähligen Reihen hintereinander lief und die Hinteren mich gar nicht oder zu spät erblickten, so dass es primär an mir selbst lag, mich hindurchzuschlängeln. Besonders eng wurde es auf der Autobahnbrücke, da der schmaler werdende Bürgersteig noch durch eine Leitplanke gegen die Straße abgesperrt wurde. Hier war Ausweichen auf einen kleinen Rasenstreifen zwischen Leitplanke und Bürgersteig angesagt.

Ich war froh, als die Laufstrecke endlich nach rechts abbog und ich den Massen entkommen war. An einer Biegung vielleicht 300 m vor dem Ziel hörte ich plötzlich eine Frauenstimme „Dritter Mann!“. „Nanu“, dachte ich, „warum erzählt dir diese dir unbekannte Dame, wie oft sie geheiratet hat?“, bis mir dämmerte, dass es sich wohl doch um die Einladung zu einer kleinen Skatrunde handeln musste, die bekanntlich ein Minimum von 3 Spielern voraussetzt, es sei denn, man spielt Bauernskat, was aber dem Charme verschimmelten Weißbrotes gleich kommt. Ich war dem Skatspiel nicht abgeneigt, zog es allerdings vor, erst mal durchs Ziel zu laufen, und wollte anschließend meine Teilnahme zusagen, vergaß es dann aber später wieder.

Wenn man ökonomisches Handeln als Maximierung des Outputs bei Minimierung des Ressourceneinsatzes definiert, war das ein sehr ökonomischer Lauf, denn am Ende stand ich mit einer 41:06 min da. Mit schnellerem Laufen wäre 1 min weniger drin gewesen, bei gutem Trainingstand auch 1 ½ bis vielleicht 2 min. Da der Läufer vor mir knapp über 38 min lag, hätte mir das aber auch keine bessere Position eingebracht (und eine PB wär’s auch nicht gewesen).

Als Lohn der Müh’ gab’s zu der Urkunde dann noch ein Handtuch. Selbiges hätte ich direkt ausprobieren können, aber – den eingangs erwähnten Straßenbauarbeiten, die mich erst in letzter Sekunde den Start hatten erreichen lassen, sei’s gedankt - ich hätte dies nur nach einer Dusche unter eiskaltem Wasser tun können. Da ich um meinen gerade erst nachgewachsenen Körperteil fürchtete, zog ich es vor, zuhause, dafür aber richtig schön heiß zu duschen. Dort konnte ich dann auch im Radio das Spiel verfolgen, das mit einem 3:3-Remis endete, was keinem der beiden Kontrahenten so richtig hilft.

Bernd
Das Remake
Infos zum Laufen und Vereinsgedöns gibt's auf www.sgnh.de

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Ein Handtuch! Da hasse aber noch mal Glück gehabt! :)
Am 22. April 2017 in Wuppertal Zuckerspiel (10/21)
Am 6. Mai 2017 zwischen Wupper und Ruhr WHEW100 Ultramarathon (100km + Staffeln, 10km, 5km)

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Hmmm, welcher Veranstalter hatte die gloreiche Idee, die Laufstrecke bei einem Heimspiel am Stadion vorbeilaufen zu lassen???
(Ich stand dir ehrlich nicht im Weg - um 15.00 Uhr stand ich schon in der Nordkurve :D )
Gruß
Domborusse
Die beliebtesten Diagnosen der Orthopäden:

"Da ist nix"
"Das ist nicht schlimm"
"Das haben viele"
"Da kann man nix mehr machen"
"Ja, wir werden alle nicht jünger!"
"Dat krieje me wieder hin!!!":zwinker2:
"Das ist in 2 Wochen wieder weg!"
Von RennFuchs geklaut: "Das dürfte eigentlich garnicht wehtun"
"...ja wenn das schon so lange weh tut, dann muss das eigentlich operiert werden"
gefolgt von: ..."aber nehmen sie zur Sicherheit erstmal noch 14 lang Tage die Tabletten":klatsch:

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Hi Bernd,

Ich kam dir wenn ich mich nicht irre genau an der Stelle hinter der Brücke entgegen, wo du rechts abbiegen musstest - und den Ordner (ca. 15 Jahre alt) angeschrieen hast, er soll den Leuten gefälligst sagen, sie sollen Platz machen :D - und das bei 15 km/h und mitten in einer abfallenden Rechtskurve - Chapeau!!

Was war ich froh, dass ich auf dem Weg in die Nordkurve und nicht in diesem Laufwettkampf befindlich war - obwohl: andere zahlen für Rennen mit Hindernissen horrende Summen um z.B. Stringman äääh Strongman zu werden. Hier gabs die Hindernisse ganz umsonst dazu :P .

Viele Grüße
Sönke

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Domborusse hat geschrieben:Hmmm, welcher Veranstalter hatte die gloreiche Idee, die Laufstrecke bei einem Heimspiel am Stadion vorbeilaufen zu lassen???
(Ich stand dir ehrlich nicht im Weg - um 15.00 Uhr stand ich schon in der Nordkurve :D )
Gruß
Domborusse
Na, wenn Du in der Nordkurve standest, interessierst Du Dich offenbar für Fußball...

Die DFL legt die exakten Anstoßzeiten doch viel kurzfristiger fest als jeder auch noch so poplige Volkslauf Zeit benötigt, die vielen Genehmigungen einzuholen. Der Veranstalter hätte vermutlich nur noch absagen können; eine Verlegung des Fußballspiels wegen einer Laufveranstaltung wäre sicherlich nicht in Frage gekommen...
Bild

PB: HM 1:44:46, 10km 49:37, M 4:19:28 (alle 2011), 24h 84,97 km (2013)

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SteffenHH hat geschrieben: Die DFL legt die exakten Anstoßzeiten doch viel kurzfristiger fest als jeder auch noch so poplige Volkslauf Zeit benötigt, die vielen Genehmigungen einzuholen.
Dem Veranstalter sollten die Anstoßzeiten in der Buli aber auch bekannt sein und er hätte es ein wenig darauf abstimmen können. Zum Beispiel den Start auf 16Uhr legen. :zwinker5:

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Ja, sehe ich ähnlich wie SeSa: dass ein Heimspiel an diesem Termin stattfinden wird, steht schon seit Beginn der Saison fest d.h spätestens seit Ende Juli/ Anfang August.
Da geht man erst einmal von einem Samstagspiel aus (Freitag ist ja nur ein BL Spiel, Sonntag im Normalfall zwei; da ist Wahrscheinlichkeit, dass man samstags spielt recht hoch)
Da leg ich per se den Start Termin auf 16.00 oder 9.00. Wenn dann doch ein anderer Spieltermin stattfinden sollte (was sich spätestens 4-6 Wochen vorher entscheidet) lass ich es so wie es ist, oder aber informiere alle Teilnehmer des Laufs per Mail (was aber eigentlich gar nicht nötig wäre!)
Gruß
Domborusse
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"Da ist nix"
"Das ist nicht schlimm"
"Das haben viele"
"Da kann man nix mehr machen"
"Ja, wir werden alle nicht jünger!"
"Dat krieje me wieder hin!!!":zwinker2:
"Das ist in 2 Wochen wieder weg!"
Von RennFuchs geklaut: "Das dürfte eigentlich garnicht wehtun"
"...ja wenn das schon so lange weh tut, dann muss das eigentlich operiert werden"
gefolgt von: ..."aber nehmen sie zur Sicherheit erstmal noch 14 lang Tage die Tabletten":klatsch:

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@SeSa @Domborusse
da habt ihr natürlich recht. :klatsch:
Ein Start morgens um 9 wäre kein Problem gewesen und vier Monate sollten ausreichend sein, um die drohende Kollision auszuschließen.
Bild

PB: HM 1:44:46, 10km 49:37, M 4:19:28 (alle 2011), 24h 84,97 km (2013)

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soenke1900 hat geschrieben: Ich kam dir wenn ich mich nicht irre genau an der Stelle hinter der Brücke entgegen, wo du rechts abbiegen musstest - und den Ordner (ca. 15 Jahre alt) angeschrieen hast, er soll den Leuten gefälligst sagen, sie sollen Platz machen
Hallo Sönke,
du irrst nicht. Das war ich. Das Stück bei der Brücke war aber auch das blödeste überhaupt, weil man da wegen der Leitplanke kaum Ausweichplatz hatte. Im Rückblick betrachtet, hätte der Veranstalter gerade an diese Stelle lieber eine gestandene Person hinstellen sollen. Allzuviel hätte das wohl nicht gebracht, aber die meisten Entgegenkommenden waren ja willig, konnten nur selbst kaum noch reagieren, weil sie nicht mit entgegenkommenden Läufern rechneten.

Die beste Möglichkeit wäre tatsächlich, wie ja hier vorgeschlagen, den Start des Zehners etwas nach hinten zu legen. Das habe ich dem Veranstalter nun auch in sein Gästebuch geschrieben.

Von dieser Kollision mal abgesehen, ist das ansonsten nämlich ein gut organisierter Lauf mit einer schönen Strecke, die im Kern eine Runde durch den Wald beinhaltet, wer schauen will, hier ist der link: TVE 1905 Mönchengladbach-Holt e.V.
chuuido hat geschrieben:Ein Handtuch! Da hasse aber noch mal Glück gehabt! :)
Das kann ich auch gut gebrauchen. Seit das Handtuch das T-Shirt als meist verbreiteten Preis abgelöst hat, baue ich gerade einen Internetversand für Volkslauf-Handtücher auf. :D

Bernd
Das Remake
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Ich könnte Dir eins von der Barmer Ersatzkasse und eins mit einem Tausend-Mark-Schein drauf beisteuern :)
Am 22. April 2017 in Wuppertal Zuckerspiel (10/21)
Am 6. Mai 2017 zwischen Wupper und Ruhr WHEW100 Ultramarathon (100km + Staffeln, 10km, 5km)

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chuuido hat geschrieben:Ich könnte Dir eins von der Barmer Ersatzkasse und eins mit einem Tausend-Mark-Schein drauf beisteuern :)
Den Tausend-Mark-Schein nehm ich gern, der ist doch wohl echt, oder?
Dann brauch ich das Handtuch dazu nicht mehr... :D

Bernd
Das Remake
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[quote="wikipedia"]Feuchte Tücher sind ein idealer Nährboden für Keime aller Art]

Alle Achtung! Die verschenken da biologische Waffen, die sich auf Augenhöhe mit dem Milzbranderreger und meinen Fußballsocken befinden. Also Respekt vor Handtüchern! (siehe auch hier: YouTube - Oh nein er hat ein Handtuch)
Bild
unreflektiert nachplappernder ultravorsichtiger Seniorenlaufratgeber

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Naja, wenn ich burny richtig verstanden habe, werden ja keine gebrauchten Handtücher verteilt. ;o) Ich hätte noch so eine Art Handtuchschal von einer Schuhfirma. Beim Bietigheimer Silvesterlauf gab es übrigens vorletztes Jahr ne Mütze und letztes Jahr die passenden Handschuhe dazu.

Und wieder mal ein sehr unterhaltsamer Bericht zu einem toll gelaufenen Lauf! Glückwunsch, burny!
Gesperrt

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