Auf dem Wiedweg/Westerwaldsteig von Oberlahr nach Neustadt,
dann weiter auf dem Westerwald-Wanderweg II nach Linz, 37 km, 7½ h(!)
Samstag Mittag, kurz nach 12 Uhr, mache ich mich auf den Weg von Oberlahr im tiefen Westerwald in Richtung Rhein. Zunächst soll es an der Wied entlang gehen auf dem Wiedweg und dem Westerwaldsteig bis nach Neustadt, dann weiter auf dem Westerwald-Wanderweg II zwischen Vettelschoß und Sankt Katharinen hindurch, über den Alt Rennenberg und dann hinab nach Linz am Rhein. Das sollte in etwa der kürzeste Weg sein, etwa 40 km. Die Weglänge sollte aber heute nicht die Herausforderung sein, sondern den richtigen Weg in einem komplett unbekannten Gebiet zu finden, irgendwann am Schluss sicher auch im Dunklen. In Linz am Rhein war ich schon mal, Neustadt (Wied) kenne ich als Autobahnabfahrt auf der A3 irgendwo zwischen Köln und Frankfurt, alles andere ist komplettes Neuland für mich. Ich habe zwei Wanderkarten dabei, eine speziell zum Westerwaldsteig und eine vom Siebengebirge und einen viel zu schweren Rucksack und einen dicken Kopf von der Nacht vorher. Schauen wir mal …
Die meteorologische Vorgeschichte: Nach 6 Wochen Schnee und Eis, in denen sich der Schnee sogar in Köln die ganze Zeit hartnäckig gehalten hat, kommt nun Anfang Januar ein Wärmeeinbruch. Die Temperaturen sind in den letzten beiden Tagen von leichten Minusgraden auf Werte deutlich über 10°C gestiegen und ganz viel warmer Regen lässt den Schnee nur so dahin schmelzen. Heute ist das Regenband endlich durch gezogen, es bleibt trocken und die Sonne zeigt sich ab und an sogar, also bestes Laufwetter. Aber mich erwartet auch ganz viel Matsche, einige richtig glitschige Stellen auf nassen Eisresten und ein großes Fragezeichen, ob denn überhaupt alle Wege zu belaufen sind, denn viele Bäche haben sich durch die plötzliche Schneeschmelze in Flüsse verwandelt und Flüsse wie die Wied sind an vielen Stellen über die Ufer getreten und haben eine wahre Seenlandschaft erzeugt.
Die organisatorische Vorgeschichte: Kurz gesagt, gab es die eigentlich kaum. Ab Freitag Mittag stand eine Firmenveranstaltung mit abendlicher Feier im Westerwald auf dem Programm. Samstag Mittag sollte es dann wieder zurück nach Köln gehen. Es war von Anfang an klar, dass ich meine Laufsachen mitnehme würde, mal sehen ob ich am Samstag Vormittag eine Runde ums Hotel laufen kann. Dafür hatte ich mir in der Woche vorher dann eine Wanderkarte von der Gegend gekauft, das kann ja nicht schaden. Und so bin ich auf den Wiedweg und den Westerwaldsteig aufmerksam geworden, zwei recht neue Wanderwege, ähnlich wie der Rheinsteig, die beide recht nah am Hotel vorbei führen.
Und so begann im Hinterkopf eine kleine Spinnerei zu reifen: „Ich könnte doch im Anschluss der Veranstaltung von da aus einfach loslaufen … genau, warum eigentlich nicht?“. „Weil ich mich da so rein gar nicht auskenne und weil die Strecke zu lang ist!“ Sowohl der Wiedweg, der in der Nähe der Wied bleibt und hinunter bis nach Neuwied führt, als auch der Westerwaldsteig, der eine etwas kürzere, nördlichere Route nach Bad Hönningen einschlägt, waren einfach zu lang. Wenn ich den Rhein erreichen will, von wo aus eine Rückfahrt mit dem Zug problemlos möglich ist, dann würde ich bis tief in die Nacht hinein brauchen. Aber da gibt es doch hinter Neustadt noch eine Abzweigung auf den Westerwald-Wanderweg II nach Linz, die kürzeste aller Varianten, die ich auf der Karte entdecken konnte. Etwa 40 km, das könnte gerade noch passen, denn es wird ja um 17 Uhr bereits dunkel. Ja gut, aber da bleibt ja noch das Argument, dass ich mich da überhaupt nicht auskenne! Und das mögliche Hochwasser! „Nun ja, das wäre dann der besondere Kick an dem Abenteuer!“ Es stand weiterhin Unentschieden, schauen wir erstmal vor Ort.
Wie das so ist, wenn die ganze Firma mal zusammen einen Ausflug macht, es wird dann schnell auch mal etwas später. Es gab sogar eine Diskothek im Hotel, auch mal wieder ganz nett, fast wie früher und so wurde es dann 5 Uhr, bis Feierabend war. Gut, das Tanzen könnte man als Einlaufen durchgehen lassen. Reichliche Flüssigkeitsaufnahme kann ja auch nicht schaden und Pasta gab es beim Menü am Abend ja auch. Und dann wurde ich am Morgen mit herrlichem Sonnenschein wach und mit einem Blick aus dem Fenster auf die Wassermassen der Wied und den fehlenden Schnee und trotz Müdigkeit und leicht schmerzendem Schädel stand mein Entschluss sofort fest, ja das mache ich heute Mittag einfach …
Und so geht es nun los, zunächst auf dem Wiedweg bis Neustadt, dann unter der A3 Köln-Frankfurt hindurch und noch ein kleines Stückchen bis zur Abzweigung in Richtung Linz. Einen Teil dieses Weges verläuft der Westerwaldsteig zusammen mit dem Wiedsteig. Beides sind ganz junge Wanderwege und vergleichbar mit dem Rheinsteig und eigentlich vorbildlich gekennzeichnet, aber aufpassen muss man trotzdem …
Es wurde schnell klar, heute wird es richtig nass und matschig. Die Füße blieben dann auch nicht lange trocken, aber nach den Dauerregenläufen „Rund um Ennepetal“ und „Röntgenlauf“ bereitete mir das überhaupt keine Sorgen mehr. Auch nasse Füße halten längere Strecken problemlos durch! Und so konnte mich keine Pfütze und keine tiefe Matschstelle schocken. Und es war ja auch überhaupt nicht kalt. Bei geschätzten 13°C reichte zwischen durch sogar ein kurzärmliges T-Shirt, klasse, und das Anfang Januar. Der Wiedweg folgt zwar der Wied, ist aber kein reiner Uferweg. Zum Glück, denn sonst wären viele Teile heute unter Wasser gewesen. Hier geht es oft auch mal die Hänge hinauf und wieder hinunter, meist auf kleinen Pfaden. Aber die Wegführung ist längst nicht so gemein wie beim Rheinsteig, der jeden nur möglichen Höhenmeter ausnutzt. Zwischendurch geht es auch schon mal recht gemütlich auf einer alten Bahntrasse entlang. Als super Luxus gab es einmal sogar einen Tunnel.
Es wurde auch ziemlich schnell klar, dass mein viel zu schwerer Rucksack als richtiger Bremsklotz wirken würde. Ich bin schon öfter mit Rucksack gelaufen, mit allem eventuell Nötigen für längere Strecken. Das geht, bremmst aber gewaltig. Und heute war ich ja auch noch mit vielem für einen Lauf völlig Unnötigen bestückt ... ;-)
Das ein gut markierter Wanderweg Gold wert ist, dass bekam ich nach der Abzweigung auf den Westerwald-Wanderweg II zu spüren. Schon das Schild an der Abzweigung war offensichtlich schon etwas älter, fast schon verwittert. Und die II-Zeichen waren nur noch äußerst spärlich angebracht, zumindest im Vergleich zu vorher. Ich behaupte mal, ohne Wanderkarte wäre eine Wegfindung absolut nicht möglich gewesen. Die Zeichen dienten eigentlich nur als kleine Bestätigung, dass der nach Karte gewählte Weg auch der richtige ist, so man denn solche II-Zeichen überhaupt aufspüren konnte. Aber ok, ich wollte ja das Abenteuer. Und jede Begegnung mit einem II war von nun an immer ein Grund für eine ganz besondere Freude. Falsch abgebogen bin ich hauptsächlich in den Orten. Wenn man erstmal auf dem richtigen Weg war, dann ging es eigentlich ganz gut. In einem 10 Häuser Dorf habe ich z.B. jeden nur erdenklichen Weg angetestet, bis wirklich nur noch ein kleiner Durchgang zwischen zwei Häusern übrig geblieben ist und sich als richtig erwies, puh.
Linz habe ich dann nicht mehr im Hellen erreicht, sondern erst nach 19 Uhr. Die letzten zwei Stunden im Dunklen durch den Wald über den „Alt Rennenberg" und dann hinab nach Linz waren nochmal eine besondere Herausforderung. Im Nachhinein hat aber alles eigentlich super geklappt, es hat nur manchmal etwas länger gedauert. Und den ganzen Tag habe ich unterwegs keinen einzigen Wanderer oder Läufer getroffen, komisch!? Mein Fazit: ein richtig klasse matschiger, warmer Wintertag und ein schönes Abenteuer ...
Fotobericht hier
Gruß, Manfred
Einfach mal durch den Westerwald bis zum Rhein
12022: erledigt: G1-Grüngürtel, Kölnpfad 100k, Burginsellauf Delmenhorst 24h Staffel(!), Mega Marsch Köln (63k) ... geplant: nix