Vakson hat geschrieben:Glückwunsch zu der tollen Leistung! Die fehlenden 2-3 Minuten hast du das nächste Mal sowas von locker drin
Vielen Dank! Ich habe einen Fahler gemacht. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ich ohne diesen Fehler schneller ins Ziel gekommen wäre.
Hier mal "etwas" ausführlicher:
Gestern war er also endlich. Der große Tag. Mein erster Marathon.
Am Mittwoch / Donnerstag hat mich noch - wahrscheinlich bedingt durch den Kälteeinbruch - ein Erklältungsanfall geplagt. In der Apotheke wurde mir Orthomol empfohlen. Das habe ich dann auch immer genommen und siehe da - am Samstag war schon fast nichts mehr von Halskratzen, laufender Nase etc. vorhanden.
Glück gehabt.
4,5 Monate Vorbereitungszeit, hunderte gelaufene Kilometer. Ob es was gebracht hat?
04:30 Uhr: Ich kann nicht mehr schlafen. Bin aufgeregt und nervös, ob alles rechtzeitig klappt.
05:00 Uhr: Frühstück. Mehr als eine Nutellasemmel und 0,5l Milch bringe ich nicht runter. Dazu noch ein Orthomol, um weiterhin das Immunsystem zu stärken.
08:05 Uhr: Packen und ab zur Bushaltestelle. Im Bus ist noch kein Läufer zu sehen.
08:30 Uhr: Umsteigen in die U2. Ah, jetzt sind wir schon zu Fünft.
08:45 Uhr: Umsteigen am Scheidplatz in die U3. Man sieht nur noch Läufer.
09:10 Uhr: Eintrudeln am Olympiastadion. Saukalt ist es. Ich denke mal so um die 5 Grad. Ich bin froh, dass ich mir doch noch eine Laufjacke angezogen habe. Mit T-Shirt alleine wäre es wohl zu kalt geworden. Abgabe des Kleiderbeutels. Noch ein wenig rumhängen und das Stadion inspizieren. "DA laufe ich heute ein" denke ich und schaue auf den Zieleinlauf, wo gerade alles fertig montiert wird. Ziehe mir noch einen Powerbar Natural Müsliriegel rein.
09:25 Uhr: Pilgern mit tausenden Marathongläubigen zur Ackermannstraße. Ich reihe mich kurz hinter den 4-Stunden-Läufern ein. Die Stimme aus dem Lautsprecher weist darauf hin, dass man durch die Pacemaker wohl erst mal gebremst wird, da man "von Natur aus" zu schnell startet. "Wem sagst Du das" geht es mir durch den Kopf. "5:55" wiederhole ich immer wieder. 5:55 soll meine Anfangspace sein. Ich bin heute so ruhig, dass mein Ruhepuls, der sonst bei Wettläufen vor Nervosität bei 90 steht, nun bei 65 rumdümpelt.
10:00 Uhr: Block A (bis 3:45 Stunden) startet. Zirka 5 Minuten später sind wir, Block B, an der Reihe.
10:08 Uhr: Überschreiten der Startlinie. FR gestartet.
KM 1: Ich halte mich an die 4er Pacemakerin im Glauben, dass die sicher auch erst mal langsamer startet. Vor lauter Konzentration auf die vor mir Laufenden und vielleicht doch etwas Nervosität habe ich nicht auf die FR geachtet.
KM 4: Nun endlich gucke ich doch mal auf die FR. Mist. 5:36. Und das schon von Anfang an. Soll ich bremsen?
KM 8: Bin weiter an der Pacemakerin dran. Es läuft gut und ich werfe meinen ursprünglichen Plan über Bord. Das hätte wahrscheinlich auch ganz gut geklappt, wenn ...
KM 10: 56 Minuten oder so. Ich muss mich stark zurückhalten, um nicht schneller zu laufen, will aber mein Pulver nicht zu früh verschießen.
Halbmarathondistanz: 1:58 Stunden. Hier liege ich knappe 5 Minuten unter Plan. Und hier hätte mir eigentlich auffallen sollen, dass etwas nicht stimmt.
KM 24: Keine Ahnung, welcher
mich hier geritten hat. Anstatt bei dem Tempo zu bleiben, entschließe ich mich fürs Überholen.
Es läuft auch gut. Bis hierhin habe ich mich mit Wasser und Iso-Getränken begnügt. Essen gab es noch keins.
KM 30: Die FR zeigt 2:47 Stunden an. Auch hier fiel mir nicht auf, dass ich eigentlich zu schnell bin. Ich nehme ein Gel, obwohl mir noch gar nicht nach etwas zu essen ist.
KM 37: Einbruch. Die Leistung geht schlagartig zurück. Zusätzlich demotivierend wirken die Leute, die jetzt zu gehen anfangen. "NICHT MIT MIR! ICH BIN LÄUFER!" Ich reiße mich zusammen und jogge weiter.
KM 39: Es sind nur noch 2,195 km zum Ziel. Und es sind wohl die anstrengsten, die ich je erlebt habe. Keine Kraft mehr, die Unterschenkel neigen zu Verkrampfung.
KM 40,5: Olympiastadion in Sicht. Und es kommt mir vor, als ob es noch 42,195 Kilometer entfernt ist. Das es leicht bergab geht, merke ich nicht. Den Einlauf ins Stadion kann ich nicht vollauf genießen, da ich darauf konzentriert bin, überhaupt zu laufen.
KM 41: Die letzten Meter. Es sind gefühlte Kilometer. Zieleinlauf. Ich gehe. Schlagartig habe ich das Gefühl, es würde meine Beine zusammenziehen. So, als ob die Schwerkraft unter mir um das Zenfache zugenommen hätte. Ich stemme mich dagegen, schnappe mir die Finishermedaille und "hechte" zum Stand, wo es alkoholfreies Bier gibt. Sollte nun jemand zwischen mir und dem Getränk stehen, hat er sein Leben verwirkt.
Mit zwei Alkoholfreien in der Hand gehe ich langsam über den Rasen im Stadion. Um mich herum Leute in Tüten.
Ich versuche, meinen Körper zu fühlen, ob noch alles so weit heil ist. Bis auf die fehlende Kraft scheint alles ok zu sein. Auch suche ich meine Familie und muss feststellen, dass auf dem Rasen NUR Läufer sind.
Langsam wird mir klar: Ich habe es geschafft. Tatsächlich. Unglaublich.
Der Gedanke wird schnell verdrängt, als ich die Obststände erblicke. Ich schnappe mir noch schnell zwei Äpfel und Bananen. Dann nichts wie raus aus dem Stadion. Ich will zu meiner Familie, so schnell wie möglich. Das treibt mich geradezu die Treppe durch die Zuschauerränge hoch.Oben angekommen ruft schon mein Sohn nach mir. Die zwei Mädels und meine Frau gleich dahinter. Was für ein Augenblick! Vor lauter Freude könnte ich Losheulen und kann das nur knapp verhindern (was man auf den Fotos dann auch sieht
).
Die Zeit wird fast schon zur Nebensache. Aber der Vollständigkeit halber:
Strecke / Zeit / D-Pace / D-Puls / Bemerkung
42,195 / 4:02:41 / 5:37 / 154 / Ein Kampf, ein Sieg.
Gestern nach dem Aufstehen hatte ich noch 93.2 Kilo. Am Abend waren es 89,9 kg. Heute in der Früh -leider- wieder 92,2 kg. Wäre auch zu schön gewesen.
Und heute denke ich mir: Was solls. Ich habe keine Ahnung, ob ich bei einem langsameren Anfangstempo eine bessere Zeit hingebracht hätte.
Mir gehts - bis auf einen leichten Muskelkater in den Beinen- gut und das ist die Hauptsache.
Morgen geht wieder der Trainingsalltag los. Nur leichte Einheiten + ein paar Hügel, bis am 23.10. dann der Olympiaturmlauf ansteht. Da freue ich mich schon sehr drauf.