Porridge hat geschrieben:Wenn es ihr wirklich darum ginge, Trainer und Verband wegen ihrer Heuchelei und ihrer stillschweigenden Akzeptanz von Doping zu kritisieren, sollte sie nicht gleichzeitig Märchen erzählen - das macht sie als Kronzeugin zutiefst unglaubwürdig.
Wenn jemand erzählt, dass die Erde in etwa eine Kugelform hat, halte ich das nicht für falsch, nur weil er nebenbei eine Menge Unsinn erzählt.
Natürlich ist es schade, dass diese Kritik jetzt erst kommt. Allerdings verstehe ich das auch, der DLV hat sich in der Vergangenheit nicht gerade als die Organisation erwiesen, die mit Individualisten und Kritik souverän und fair umgeht. Aber es ändert nichts daran, das die Kritik zumindest zum Teil berechtigt ist.
Das ist ja auch keine neue Geschichte. In Zeiten des kalten Krieges kamen die Anweisungen von ganz oben, dass man mit dem Osten mit halten müsse, ganz egal wie, wie wollte man nicht wissen.
Porridge hat geschrieben:
Das legt doch nahe, dass sie selbst der Meinung ist, dass ihre Leistungsentwicklung Verdacht hätte erregen müssen? Nicht nur, dass dies als (vermutlich unbeabsichtigtes) Eingeständnis des Dopings zur Leistungssteigerung gelesen werden kann, sie fordert damit auch dazu auf, unerwartete Leistungssteigerungen generell unter Verdacht zu stellen.
Erst mal heißt das, dass allgemein bei guten Leistungen keine Fragen gestellt werden, auch wenn die auf Grund des Trainings eher nicht zu erwarten sind. Ich habe hier schonmal angemerkt, dass sich kaum jemand mokiert, wenn eine Betty Heidler weiter wirft als überführte Doperinnen. Das ist normal, das ist auch gut so, ich verdächtige sie auch nicht, ich lehne den Generalverdacht ab. Nur sollte das eben für andere Disziplinen auch gelten.
Wenn aber LäuferInnen ihre Leistung steigern, wird komischerweise ganz schnell des Dopings verdächtigt - selbst wenn es z. B. im Falle eines Gabius oder einer Jelimo oder im Falle der kenianischen Marathonläufer eine Menge andere bekannte plausible Gründe gibt. Da wird in D gerne mit zweierlei Maß gemessen. Gibt natürlich Gründe dafür: Man braucht eben die Medaillen aus den technischen Wettbewerben und ist gewohnt, dass die LäuferInnen eh nicht viel heimbringen, also kann man die ja eher über die Klinge springen lassen. Dazu wird immer wieder die idiotische Analogie zum Radsport gezogen, der völlig andere Anforderungen an die SportlerInnen stellt und anders organisiert ist, aber als Ausdauersport wird Laufen mit abgestraft. (Biathlon natürlich nicht, Magadalena Neuner konnte auch alle Russinnen schlagen ohne Verdacht zu erregen. Man stelle sich mal vor, eine so junge deutsche Mittelstrecklerin schlage die russische 800m Weltmeisterin ... da wäre aber was los.)
Dass deine Interpretation, nämlich die Verbesserung auf Doping zurückzuführen, jetzt erst einmal naheliegt, ist ja gerade das Problem, denn solche Verbesserungen in diesem Rahmen gibt es haufenweise ohne Doping. Die werden dann aber wahrscheinlich in Zukunft noch häufiger verdächtigt.
Die Reaktion von Simret ist natürlich in gewisser Weise lächerlich, ähnlich lächerlich wie die einiger Banken nach der Finanzkrise, die sinngemäß sagten: „Ihr hättet uns besser kontrollieren sollen, war doch klar, dass da was nicht stimmen kann!“ Und die EU hat sich Griechenland gegenüber auch ähnlich verhalten wie die Verbände gegenüber den dopenden Sportlern ... man will gar nicht wissen, ob jemand mogelt, solange das anscheinend gut läuft.
Porridge hat geschrieben:Im übrigen, man braucht bestimmt nicht nur "etwas EPO", aber Restle dankt in ihrer Erklärung auch der "Höhenbalance AG" für die Einrichtung eines Fitnessraums - ich nehme an, der ist mit einem Hypoxie-Generator ausgestattet, mit dessen Hilfe (und maßgeblich unterstützt durch EPO) sich die Produktion roter Blutkörperchen steigern lässt. Ob auf diese Weise 20s, 30s, oder vielleicht auch garkeine Steigerung möglich sind, hängt stark vom individuellen Athleten ab. Auf dem Niveau von Restle entsprächen 20 Sekunden einer Steigerung der VO2max um knapp 2%. Das halte ich schon für realistisch.
20s entsprechen theoretisch womöglich einer solchen Steigerung der VO2 Max. Praktisch ist die Leistung von vielen Parametern abhängig und die VO2 Max kann heute nicht mehr als zuverlässiger alleinige Messwert dienen, um Ausdauerleistungen zu prognostizieren - siehe Blog von Steve Magness:
Science of Running: The Fallacy of Vo2max and %VO2max
Und wenn Restle ein „Höhenzimmer“ hat, dann wird es eh komplizierter. Das ist ja erlaubt. (Ist eben „High-Tech-Training“ - als solches galt „Blutdoping“ auch mal - da war das auch noch nicht verboten.) Also haben wir mehrere Faktoren, und wir wissen natürlich überhaupt nicht, wie viel von der Leistungssteigerung dem Doping zuzuschreiben ist.
Wir wissen das allgemein sehr schlecht, weil es keine guten Untersuchungen über die Wirksamkeit von Dopingmitteln im Spitzensport gibt. Die meisten Mittel werden ja in völlig anderen Kontexten getestet. Normalerweise müsste man jedes Jahr Spitzensportler aus dem regulären Betrieb rausnehmen und unter strenger medizinischer Kontrolle dopen, um mal rauszubekommen, wie gut was wirklich wirkt.
Und der wichtigste Faktor ist immer das Training - das wird in der Dopingdebatte gerne vergessen.
Es geht mir gar nicht darum, Restle in Schutz zu nehmen, die wird wohl gesperrt werden und das wird auch gut so sein. Der Fall wird aber die Bekämpfung von Doping wahrscheinlich kaum voranbringen können. Und ihre Kritik wird nicht ernst genommen werden. Sollte sie aber.
Gruß
C