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Von Null auf Hundert, 12 Stunden kreiseln bis es knallt, 6/12-Stundenlauf Schmiden

Von Null auf Hundert, 12 Stunden kreiseln bis es knallt, 6/12-Stundenlauf Schmiden

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Alles spricht im Moment von „I want to run“ dem Film über den Transeuropalauf 2009. Zusammen mit dem Sieger darf ich heute ein ganz profanes Läufchen über die unendlichen Weiten der Schmidener Agrarlandschaft machen. Robert Wimmer heißt der Matador, der sich heut mal 12-Stunden Trainingslauf geben will. Statt „I want to run“, heißt es für ihn heute: „run to fun“. Und bei mir? Ich habe ein anspruchsvolles Ziel im Hinterstübchen. 100 km sollen es heute werden. Heute, da ich fast auf genau auf den Tag vor 3 Jahren meinen ersten Wettkampfkilometer gelaufen bin.

Von Null auf Hundert in 12 Stunden. 100er light? Ohne kuhnachte Nacht wie in Biel oder Ulm oder die heftigen Anstiege eines Thüringen Ultra. Dafür futtern alle 2 km und die Möglichkeit jederzeit abbrechen zu können. O.K., das die leidenschaftslose Landschaft und leidvolle Wetterbedingungen dem Genuss gegenüber stehen könnten hab ich jetzt mal erfolgreich ausgeblendet. Ich hatte mich auf Schmiden schon fixiert. Der Termin hatte etwas Pathos, denn im vergangenen Jahr war hier mein Ultradebut auf der Kurzstrecke http://forum.runnersworld.de/forum/lauf ... ragen.html , die ultralight Variante quasi. Heute hatte ich also die Variante für die Großen im Visier. Denn letztes Jahr bekam ich von einem Ultragestählten bei Rennende das hier zu hören: „Jetzt bist du 60 km gelaufen, dann wirst du bald auch 80 laufen wollen und wenn 80 km gehen, probierst du auch die 100...“ Ach ja, nicht immer ist es gut wenn man sich an alte Weissagungen erinnert. Ich denke da nur an die mahnenden Worte meiner Eltern die doch noch gar nicht so lange her sind, oder? Ich darf doch hier sogar heuer noch in der M40 laufen. Muss ja keiner wissen, dass die nächste Altersklassifizierung für mich in Schmiden die M50 sind.

So und jetzt zu den landschaftlichen Höhepunkten der Strecke. Gelaufen wird im Uhrzeigersinn eine Runde über 2090 Meter, raus aus dem Stadion, über die Brücke einer Umgehungsstraße, weiter entlang an Spargel-, Erdbeer-, Kartoffel- und Weizenfeldern und über eine leicht ansteigende zweite Brücke zurück ins Stadionrund. Man wird also geradezu erschlagen von Sinneseindrücken. 9 Linkskurven und 2 Rechtskurven. Und wer jetzt denkt. Bei dem piept‘s wohl, der hat am Samstag ausnahmsweise recht. Es ist das Armband mit Mess-Chip, das bei jeder Runde Alarm schlägt. Je öfter je besser in 12 Stunden. Gar 49 Mal? Dann ergäbe das 102 und ein paar zerquetschte Kilometer. Und einen herrlichen Drehwurm. Böse Zungen behaupten ja mit dem Scanner werde ermittelt ob das Produkt sein Verfallsdatum bereits überschritten hat. So nach dem Motto. Ist der stetig rotierende Ultra eigentlich noch ganz frisch oder stinkt er hier schon ab.

Helmut Bürkle hält grad seine Begrüßungsansprache als ich das Laufrund des Stadions betrete. Ich entdecke auch Günter und später noch Birgit und Norbert die mit mir heute im großen Laufkarussell Platz nehmen. Später wird noch Kati hinzustoßen. Sie darf gleiten und beginnt ihre Tätigkeit im Schmidener Arbeitskreis erst in 2 Stunden. Und wie heißt es so schön: Wer später kommt darf früher gehen. Und ich mache hier freiwillig unbezahlte Überstunden. Kati und Günter sind so wie ich Wiederholungstäter. Während Günter auch etwas Zeit auf sein heutiges Laufvergnügen draufpackt, will – oder muss - Kati ihren letztjährigen Titel der 6-Stunden Siegerin verteidigen.

Damals kannte ich die beiden noch nicht. Aber später mich gut an sie erinnern, denn als frischgebackener Mini-Ultra durfte ich als Banknachbar beim After Work Running, ungewollt den Fachgesprächen echter Langstreckenfetischisten lauschen. Gesprächsfetzen ließen meinen Kopf schwirren. „Das war jetzt ne gute Vorbereitung für die Nacht der Nächte, Biel, Rennsteig....“ Lauter Laufverrückte. Am besten gar nicht hinhören. Aber das fiel schwer. Nächstes Thema. Laufberichte. Jetzt wird’s interessant. Die einzige Dame am Tisch findet Laufberichte doof die von der Ich-Perspektive in die Wir-Form springen und vor allem das persönliche Ego des Schreibers betonen. Auweia, genau meine Art meine gefühlsduseligen Laufeindrücke in die Tastatur zu hämmern.

Günter, der auch zu dieser starken Truppe gehörte wird dann bei der Siegerehrung aufgerufen und bei Nennung seines Vereinsnamens FLBW klingelt es bei mir. Da war doch was im Netz. Wollten die nicht einen Tretbootcontest machen. 6-Stunden-Tretboot-Contest 2011 – schlag den Günter … | FLBW – laufend Spaß Also hab ich den „jungen“ Mann kurzerhand angesprochen ob er der Günter sei. Der kurze Kontakt wurde, über den Umweg eines hier sattsam bekannten Online-Forums, zwischenzeitlich intensiviert und man trifft sich nun ab und an nicht nur virtuell sondern auch bei Läufen. Naja was Kati betrifft, eher häufiger, weil die lässt ja was das Laufen betrifft so schnell nix aus. Und ist in der hiesigen Laufszene bekannt wie ein bunter Hund. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Aber dazu später mehr. Denn während ich mich mit 23 Mitläufern zum Start begebe träumt Kati wohl noch von ihrem heutigen Erfolg. Um es vorwegzunehmen. Natürlich hat Sie das auch mit Bravour geschafft.

Bevor der Spaß losgeht werde ich noch vom rasenden Reporter Günter B. in die Mangel genommen. Mit seiner hochtechnisierten Stockkamera hält er gnadenlos drauf, während ich irgendwelchen Schwachsinn brabbele über mein Befinden so kurz vor dem Ritt über den Schmidener Agrarboulevard. Birgit und Norbert leisten mir tapfer Gesellschaft beim Wortgeplänkel mit der rosaroten Kompaktknipse. Jetzt aber rüber zum Start. Mit lautem Knall schickt uns Helmut Bürkle auf die Strecke. In frühestens 8 Stunden werde ich wieder dieses Geräusch hören. Wenn die 6-Stundenläufer abgeschossen werden. Dann hab ich ja nur noch 4 Stunden. Und spätestens dann hab ich einen Knall. Hatte ich denn nicht schon mit der Anmeldung. Kann mich gar nicht mehr daran erinnern wer die für mich gemacht hat.

Doch das ist Zukunftsmusik. Erst mal geht es in die erste - von hoffentlich noch zahlreichen Runden. Es geht raus aus dem Stadion, kurzes Stück in Richtung Hauptstraße und von dort über die erste Brücke. Dies ist der einzige schattige Abschnitt bis zum ersten Kontrollposten. Hier sitzt die gleiche Dame wie letztes Jahr und frönt der Wollust. Puh heiße Gedanken gehen mir durch den Kopf beim Gedanken an einen kratzigen warmen Strickpullover bei den heutigen Temperaturen. Gerade verschwinden die peinischen Anwandlungen aus meinem Kopfkino als bei Kilometer 1 schon wieder dieser kleine fernöstliche Bilderkasten mich aus dem Off anspringt und sein Besitzer mir tiefschürfende Fragen aufbürdet. Fragen über Fragen, es folgen Phrasen über Phrasen. Nach einer gefühlten Ewigkeit lässt man endlich von mir ab und ich werde abgeschüttelt wie ein lästiges Insekt. Puh jetzt bin ich schon auf den ersten Metern ins Schwitzen gekommen bei dem erfolglosen Versuch, Fragen die die Welt nicht braucht, halbwegs sinnig und launig zu beantworten. Günter hat ja bekundet nach der ersten Runde die Kamera aus dem Rennen zu nehmen. So kann ich jetzt hoffentlich ohne weiteren Sprachunfall den Lauf genießen.

Und noch ist der Anblick von roten Schmidener Früchtle Die Frchtle vom Schmidener Feld und Spargelfeldern im Ernteendstadium interessant. Sogar ein wünderschönes Mohnfeld macht dem Auge seine Aufwartung und die Getreidefelder einer Bäckereikette untermauern Bäckerei Maurer: Standorte meine positiven Eindrücke. Am Ende der langen Prachtmeile ist der zweite Streckenposten und macht schon Stimmung. Aber noch ist alles frisch und ich nehme die schon anfänglich vorhandene Aufmunterung gar nicht so wahr. Das soll sich später noch ändern.

Erstmals geht es über die Brücke mit ihrem Mörderanstieg von ca. 4-5 Höhenmetern. Geht schon, heißt es bei mir noch lange nicht. Das Tempo wird zwar reduziert, man kann es aber wohlwollend noch als Laufschritt bezeichnen. Damit meine 100 keine Mission Impossible werden muss ich heute mindestens einen 7er Schnitt halten bzw. eine Runde in 15 Minuten absolvieren. Das klingt jetzt recht verschnarcht und sollte ganz easy zu machen sein. Ich darf halt nicht zu viel Zeit verplempern beim Futtern und dessen fachgerechter Entsorgung. Und das angekündigte Badewetter wird mir heute bestimmt auch noch das ein oder andere Leistungs-PS klauen. So, zwischenzeitlich hat es das erste Mal gepiept und ich inspiziere jetzt mal das Buffet etwas genauer. Sieht mal wieder lecker aus. Auch mein letztes Jahr aus meiner Kindheit in Erinnerung gerufenen Kinderbier ist wieder im Angebot. Zunächst mal halte ich mich an ganz profanes Leitungswasser und mache mich auf den Weiterweg. Schon verrückt, da will man 100 km Laufen ohne dabei eine nennenswerte Strecke zurückzulegen. Denn Luftlinie werde ich mich vom Start nie mehr als ein paar hundert Meter entfernen.

Die ersten beiden Stunden verlaufen unspektakulär. Die Beine verrichten klaglos ihren angestammten Dienst und die Rundenzeiten sind recht konstant mit um die 12 Minuten 20. Der Stadionsprecher, Vereinsvorsitzender Helmut Bürkle gibt sich redlich Mühe die Läufer von der Sprecherkabine aus beim Vorbeilaufen ausgiebig zu würdigen. Leider hat er wenig informatives zu bieten für das noch fast leere Stadion. Bis beinahe zum Schluss der Veranstaltung höre ich in bei mir wieder und wieder, nur leicht variiert, die fast gleichen Worte sagen. Hier kommt Klaus Mantel, der hier als Schauläufer startet... Naja so eine gewisse Kontinuität hat ja auch was.

So ab 9:00 Uhr wird es betriebsamer. Die Staffeln trudeln ein und bauen ihre Zelte und Tische zur Unterstützung ihrer Läufer auf. Apropos Unterstützung: Auch ich habe mir heute die Gelegenheit nicht nehmen lassen, erstmals bei einem Lauf, Eigenverpflegung auf der Gegengerade des Stadions zu bunkern. Eigentlich nicht zwingend nötig. Erstens gibt es genug im reichhaltigen Verpflegungsangebot des TSV und zudem ist unter der Tribünenüberdachung mein Rucksack mit den Gels deponiert. Aber ich wollte schon immer mal Mr. Wichtig sein, der sein Spezialkampfmittel mit Warnzuordnung markiert, adrett drapiert bereitstellt. Soll ja auch psychologisch wirken. Zur Besänftigung meines Egos, dass glauben will, mit ein paar persönlichen Goodies maßgeblich den persönlichen Erfolg beeinflussen zu können. Und von der Sonne aufgeweichte Riegel und brühwarmes Iso schmecken wirklich auch nicht besser als das was für uns alle mit viel Liebe bereitgestellt wurde.

Zwischenzeitlich geht es auf 10 Uhr zu und die Einzelläufer des 6-Stunden Wellnessläufchens treffen nach und nach ein. Ich könnte ja mal nach Kati Ausschau halten. Upps, hab ich heute Morgen versehentlich meine rosarote Brille aufgezogen. Think Pink? Nein, es ist das dezente himbeerrote Outfit, das mich aus meiner einsetzenden Lethargie reißt. Geht Kati heut als Schmidener Früchtle auf die Strecke? Damit hier keine Verwechslungen entstehen steht ganz groß die Markenbezeichnung drauf. Ah, ha. Wo Kati draufsteht ist auch Kati drin. Schuhe und Nummernband sind Ton in Ton, passend auf das Shirt abgestimmt. Nachdem die Reizüberflutung, die durch dieses visuelle Gesamtkunstwerk ausgelöst wurde, halbwegs verkraftet ist kann ich - noch leicht desorientiert - die nächste Runde in Angriff nehmen.


Als ich wieder zurück ins Stadionrund komme ist Kati gerade kurz zuvor auf die Strecke gegangen. Schade, dadurch wird es eine Weile dauern bis ich Sie wiedersehe. Mal sehen wann Sie mich überrundet. Denn die Kati wird heute nicht nur ankommen wollen. Plötzlich höre ich es schon wieder: „Klaus!“ rufen. Ah, Ursula ist auch wieder da. Mit ihr habe ich eine ganz besondere Verbindung, obwohl wir uns nur flüchtig kennen. Zu weit will ich jetzt hier nicht schon wieder ausholen, da ich beim Laufbericht vom letzten Jahr schon so viel darüber geschrieben habe. Nur so viel. Letztes Jahr hat sie, zusammen mit ihrer 6-Stunden-Staffel den Siebenmeilenstieflern, ordentlich für Stimmung und aufmunternde Worte gesorgt. Und das wiederholt sich heute, sogar noch nachdem nur noch die Großen in Schmiden draußen bleiben dürfen zum Spielen.

Die äußeren Bedingungen sind noch erträglich. So schaffe ich die ersten 30 km im selbst gesetzten 3 Stunden-Limit. Aber irgendwie bin ich heut dauernd hungrig und verfressen. Zusätzlich zu dem Angebot der Schmidener, hab ich mir 2 meiner Riegel und ein Gel rein gehauen und denke jetzt, da ich die Marathondistanz in 4:15 Stunden absolviert habe, immer öfter daran die Spaghetti die es zur Mittagszeit geben soll zu probieren. Hmm, das kostet natürlich wertvolle Zeit. Ich bin hin und her gerissen und merke, dass ich beim Thema Nachführen von Energie bei einer ultralangen Belastung, mangels ausreichender Erfahrung noch im Dunkeln tappe. Als ich gegen halb eins an der Verpflegung vorbeikomme rieche ich Tomatensauce. Ha, jetzt siegt mein Begier nach langkettigen Kohlenhydraten in der nudeligen Langversion. Grad so wie bei den Kindern aus der seligen 80iger Jahre Miraculi-Werbespots reagieren meine Sinne auf den avisierten Essanreiz. Ich lass mir also einen ordentlichen Schlag auf den dünnen Plastikteller klatschen, so dass sich dieser trotz Unterstützung meiner Handfläche, bedrohlich durchbiegt. Zeit für große Esskultur bleibt mit heute nicht. Da wird nix ordentlich auf die Gabel aufgewickelt, sondern Knigge-los herunter geschlungen und abschließend nach Loriot Manier die Schnute abgewischt. Schnell wieder auf die Strecke. Der außerplanmäßige Boxenstopp hat mich gut 5 Minuten gekostet.

Aber dafür ist neue Energie vorhanden. Diese beschleunigt mich auch zunächst zu vier schnellen 13ner Runden, bevor mir die Mittagshitze wieder gewahr wird. Es wird nun zäher und die Sonne knallt erbarmungslos auf meinen erhitzten Denkapparat. Ich schalte meinen mp3-Player zur Ablenkung an und wickle mir die Ministeckkopfhörer um den Hals wie eine Kette. Sieht bestimmt witzig aus. Ist mir aber egal, weil ich weiß, halten tun die in meinen ungenormten Lauschern eh nicht. Und auch so krieg ich auch noch genügend mit von meiner Fanunterstützung. Um aber von der Berieselung meiner Mucke etwas wahr zu nehmen, muss die Lautstärke auf volle Power gedreht werden. So haben beim Überholen, oder überholt werden, die anderen auch was davon. Ich muss nur aufpassen, dass meine Bespaßungsmaschine nicht nass wird beim zahllosen auswringen des Schwammes über meiner heiß gelaufenen Birne.

Seit Kilometer 50, der in 5:13 erreicht wurde, wird der Brückenanstieg nun gegangen. Der Magen fühlt sich schon wieder etwas komisch an. Es ist aber kein Hungergefühl. Eher das Gegenteil. Tja, scheint nee Überfüllung vorzuliegen und ich sollte wohl überflüssigen Ballast abwerfen. Alte Weisheit: wer reinhaut muss auch raushauen. Noch bin ich unschlüssig, ob ich die Zeichen auch richtig deute. Zuviel Zeit um irgendwo dumm rumzusitzen hab ich nämlich nicht mehr. Kurz bevor die 6 Stunden Läufer Schluss machen suche ich dann aber "das Örtliche" auf. Danach läuft’s leichter. Im wahrsten Sinn des Wortes. Aber das was mir auf den Magen geschlagen war schlägt sich nun auch auf meine Rundenzeit nieder. Satte 19 Minuten.

Ein Schuss ein Schrei, nein nicht Karl Max, sondern Helmuts Geknalle beendet um 14:00 Uhr das 6-Stunden Gekreisel der Staffelläufer und Einzeltäter. Jetzt wird es wieder ruhiger auf der Strecke werden. Denn außer den letzten Mohikanern sind ab jetzt nur noch 3 Staffeln unterwegs. Mein 6:XXer Schnitt nähert sich so langsam der letzten Dekade bis zur nächsten vollen Minute. Und dazu löst sich die nachmittägliche Bewölkung auf und die Sonne sticht unbarmherzig herunter. Die Zeit zwischen 16.00 und 18:00 Uhr soll die heißeste werden. Keine guten Voraussetzungen die verlorene Sitzungszeit wieder hereinzuholen.

Günter musste zwischenzeitlich den Lauf abbrechen. Seine Wade lässt ihn im Stich. Nun sitzt er frisch geduscht im Schatten auf einer Bierbank, nahe der Verpflegungstelle im Stadion, und gönnt sich ein Weizen. Stark bleiben, nicht so genau hinsehen lautet die Devise. Jetzt kommt die harte Phase für die mein letztjähriges Motto auf dem Lauf-Shirt auch heuer wieder steht. „Mein Schweinehund soll klagen, ich lauf soweit die Füße tragen.“ Günter hat nun natürlich wieder Zeit und Loose mit der Kamera Läuferbonmots einzufangen. Ich bin grad dabei mit vollem Mund meine Kartoffeln zu mampfen als ich mal wieder großspurige Statements zum Befinden absondere. Hmmpf, hoffentlich fällt mir vor laufender Kamera nix halbzerkautes aus den Kiemen. Äh, Günter ich bin a bissle in Eile. Noch 4 Stunden und ich hab jetzt gut 70 km auf der Uhr. Und weiter, raus aus der Wellnessoase am Bierausschank, zurück in die harte Wirklichkeit der nächsten Runde. Den trotz der nahezu ebenen Strecke bin ich nur unmerklich schneller als am Rennsteig unterwegs. Werde ich das Ziel um wenige Meter verfehlen?

Immer wieder schaue ich nun auf die Uhr wie der Zeitpuffer stetig kleiner wird. Am Tempo dranbleiben befiehlt mein leergelaufener Kopf den müden Beinen. Nur nicht langsamer werden und versuchen die Backofentemperaturen auszublenden. Der stiere Blick hat sich an den Schmidener Früchtle mittlerweile satt gesehen und das quäkende Gedudel aus der digitalen Krachmaschine verfehlt mittlerweile seinen inspirierenden Zweck. Die muckenden Beine interessiert meine Renn-Mucke nicht die Bohne. Es ist zum Auswachsen, denke ich als ich an blühenden Kartoffelfeldern vorbei komme.

Rettung naht in Form der Streckenposten, die nun bei mir ihre große Stunde haben. „Jetzt beginnt die Party erst so richtig“, werde ich am Posten Nr. 2 mit Vuvuzelaunterstützung begrüßt, kurz nachdem die 6-Stunden-Gäste die Spaßzone verlassen haben. Auf der Brücke steht nun die Dame die ihren Kontrollpostendienst eigentlich beendet hat und schwingt wie wild mit einer Rätsche. "Klasse, weiter so" und ähnliche Aufmunterungen unterstützen nun massiv meinen Vorwärtsdrang. Und Durchhalteparolen tun ein Übriges. Auch die Anfeuerungen des heutigen Eyecatchers Kati und ihre im Stadion baumelnde PACE-Fahne retten mich über dieses Tief.

Trotzdem geht der Blick immer wieder auf die Uhr. Nur langsam gehen die Kilometerzahlen voran. Es sind die langsamsten Runden des Tages die ich nun drehe. 17 Minuten dauert es im Schnitt bis ich wieder an den ründlichen Showeinlagen vorbeikomme. Ich denke mal wieder in fremden Zitaten. Mir fällt Wigald Boning ein und seine „Bekenntnisse eines Nachtsportlers“. Mein Lieblingskapitel über einen Wahnsinnslauf zur Zugspitze endet mit der Erkenntnis: „Ein guter Zeitpunkt um mit dem Laufen aufzuhören.“ Trifft grad auch meine Stimmung. Ich versuche mich gedanklich auf den Gletscher zu beamen, auf dem ich in 3 Wochen stehen werde. Hmm, jetzt in so einer kühlen Gletscherspalte…. Aaah, ich glaube die Hitze lässt gerade meinen Restverstand verdörren. Ich glaub es wird nun wieder höchste Zeit den Dötz ordentlich mit ‘nem nassen Schwamm zu beträufeln.

Erst gut 1,5 Stunden vor Schluss kühlt es wieder etwas ab und der morgendliche leichte Wind zur Erfrischung kehrt zurück. Dies, und die Erkenntnis, dass das heutige Kornkreise ziehen ein baldiges Ende hat mobilisieren die letzten Körner. Ich kann endlich wieder einen Zahn zulegen. Die Hoffnung kehrt zurück. Und dann in der letzten vollen Runde springt die Uhr auf den ersehnten dreistelligen Zahlenwert. „Hundert!“, brülle ich befreiend hinaus. Interessiert außer mir grad keine Sau. Liegt vielleicht auch daran, dass ich zu dem Zeitpunkt alleine auf weiter Flur bin. Zum letzten Mal die Brücke hinauf wandern. Jetzt wandelt sich die Sorge - ob es reicht - in Euphorie um. Pieps, macht es zum 49. Mal. Ich gehe nochmals raus aus dem Stadion. Noch 2 Minuten höre ich Helmut sagen. Die nehme ich noch mit. Noch bevor es wieder auf die erste Brücke geht ereilt mich der erlösende Schuss. Aus, Ende, Finito. Abrupt Stehenbleiben. Das ist jetzt gar nicht so einfach. Der Restmetermesser kommt zum Glück schon und gratuliert mir erst mal zu meiner Leistung bevor er sein Strichle setzt. Ich gehe langsam zurück zum Stadiontor. Dort wartet schon Dampfplauder Günter auf meine wirren Gefühlsäußerungen.

Nachdem der anstrengende Teil halbwegs mit Bravur gemeistert wurde, gilt es jetzt schnell zu sein um sich der letzten heißen Verführungen hin zu geben. Diese präsentieren sich in voller Pracht auf dem Grill und regen meine Sinne an. Ha, euch werd ich vernaschen. Versorgt mit gekühlten Bleifreien und leckeren Schweinereien nehme ich mir erst mal eine Auszeit. Duschen kann warten. Oder doch nicht. Wie ich da so gemütlich vespere, höre ich die Durchsage: Jetzt kommen noch die Hupfduhlen, äh Cheer Leader und dann die Siegerehrung. Jetzt heißt es aber, pressieren. So abgeschafft wollte ich ja auf den Bildern auch nicht aussehen. Obwohl diese Titulierung im Schwabenland ja höchstes Lob ausdrücken soll.

Die Siegerehrung in Schmiden ist immer was Besonderes. Jeder wird einzeln aufgerufen, darf durch ein Cheer Leader Spalier laufen und erhält auf dem Rasen Urkunde und Medaille überreicht. Die Bestplazierten natürlich auch ihre Pokale und was gutes zum Trinken. Dafür hat es bei mir, im Gegensatz zum Vorjahr, leider nicht gereicht. Platz 4. Darüber bin ich aber nicht traurig. Diesmal ist der Abstand zum Dritten deutlich höher als letztes Jahr. Norbert ist doch tatsächlich unglaubliche 108,8 km gelaufen. Als mir Helmut Bürkle die Hand entgegenstreckt pfupfert es ihn doch. „Wieso eigentlich Schauläufer, hat das irgendeine Bedeutung.“ Das war natürlich das Stichwort um ihm meine Lauflebensgeschichte, verpackt in emotional rührigen Sätzen um die Ohren zu hauen. Der Ärmste wusste gar nicht wie er mich wieder ruhig stellen konnte. Schließlich war mein Zeitkontigent überschritten und das Mikro kündigte denn nächst platzierten an. Schließlich wollten heute alle nach Hause. Das bereits begonnene EM-Fußballspiel Spanien : Frankreich gucken.

Ich genieße derweil noch den Moment und verschwende nur einen kurzen Gedanken daran wie ich morgen wohl Treppenstufen begegnen werde. Das wird vergehen. Was bleibt ist ein schöner, wenn auch heißer, Tag an dem ich mein Soll erfüllen konnte. Und ein Film, der es verdient hätte in einem Atemzug mit „I want to run“ genannt zu werden. Zur Abschreckung. :zwinker2:
FLBW – laufend Spaß | laufen, radeln, schwimmen, Tretboot fahren und noch viel mehr… Ach so, was ist aus dem Gedanken geworden meine Freizeit künftig mit anderen Dingen zu verplempern als mit sinnbefreiten stundenlangen Herumlaufen vor dem immer gleichen Hintergrundbild. Ich gebe die Frage weiter an Adenauer.
Und jenen die des schwäbischen mächtig sind. Der Tag war wirklich ein Gedicht:


Saua muaß e halt,
solang die Sonne knallt.
Die Birn‘ es nemmer schnallt,
hat des grad scho knallt.
I glaub i steh im Wald.
Oder waren’s nur Felder?
Jetzt gibt's a Woiza bald
bevor geduscht wird, kalt.
Die Siegerehrung bälder
Sputen jetzt, sonst fehl m‘r.

12 Stunden sind vorbei,
ne elend Schinderei.
Der Günter war dabei
Meist an der kühlen Bar,
das fordert ganz furchtbar
S‘ war einfach wunderbar,
und jetzt erst wird mir klar.
Die Urkunde gerafft,
s‘ Ergebnis drauf gegafft.
Die 100 sind geschafft
Des ganze war doch g‘lacht
13.04. 12h Lauf Grüntal 53,55k
14.04. LIWA-Mara 04:56:44
27.04. Tri-speck 69 km 1100 hm
28.04. Ditzinger Lebenslauf
05.05. Trolli-Mara
11.05. Albtraum 115 k 3000 hm
06.07. Heuchelbergtrail 50 k
28.07. Schönbuch Trophy 47, k 1300 hm
17.08. 100 M Berlin

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Hallo Klaus,

während du laufen warst, war ich wandern ... aber nicht so lange am Stück wie du !!! Und immer im Hinterkopf, dass "daheim" dann ein Laufbericht von dir wartet ... und dann komme ich erst heute dazu, danach zu suchen .... tsetsetse ... . Und beim Lesen kam mir dann die Frage ... saß die Strickliesel vielleicht noch vom letzten Jahr dort ??? ;-))))

Und dass ich nicht dabei war merkt man daran, dass ich Laufberichte nicht doof finde ... zumindest, wenn sie gut geschrieben sind .... ;-))))

Auf den Bericht vom K78 bin ich jetzt schon gespannt !!!!

Viele Grüße
Andrea

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AndreaKA hat geschrieben:Hallo Klaus,

während du laufen warst, war ich wandern ... aber nicht so lange am Stück wie du !!! Und immer im Hinterkopf, dass "daheim" dann ein Laufbericht von dir wartet ... und dann komme ich erst heute dazu, danach zu suchen .... tsetsetse ... . Und beim Lesen kam mir dann die Frage ... saß die Strickliesel vielleicht noch vom letzten Jahr dort ??? ;-))))

Und dass ich nicht dabei war merkt man daran, dass ich Laufberichte nicht doof finde ... zumindest, wenn sie gut geschrieben sind .... ;-))))

Auf den Bericht vom K78 bin ich jetzt schon gespannt !!!!

Viele Grüße
Andrea
Hallole Andrea,

danke für die Fanpost :D Ich hab gestern hier was gesucht und dabei zufällig meine Vorstellung hier im Forumsarchiv gefunden. Und festgestellt, dass schon da eine Reaktion von dir auf mein Geschreibsel drin war. Öhem :peinlich: Hier noch ein Werbehinweis für meine treueste Leserin :zwinker2: . http://forum.runnersworld.de/forum/lauf ... 012-a.html
Nicht das du das übersiehst :zwinker2:

Zu Schmiden: Ja die Strickliesel war in 2011 am gleichen Posten. Vom RW-Forum war auch eine weitere Andrea aus Schwaikheim in Schmiden, die mit ihrem Verein die 6-Stunden Stafel lief. Und U.D.O von hier erstmals als 6-Stunden Einzelläufer. Mit den beiden hatte ich aber keinen Kontakt. Haben mich aber öfter überholt. Bis ich reagieren konnte waren die weg :peinlich: Naja, wenn man auf der Sprintstrecke startet :zwinker2: Von der erneuten Siegerin der 6 Stunden, KatiS, die noch mehr läuft und schreibt als ich, wurde ich darauf hingewiesen das Robert Wimmer 2003 den Transeuropalauf gewonnen hat, aber 2009 nur Vierter war. :peinlich: Tja, ich hatte den Stadionsprecher so verstanden und nicht selbst recherchiert. Wie mir Kati außerdem schon um die Ohren gehauen hat, war das mit der Art Laufberichte zu schreiben ganz anders gemeint. Da hat Sie net unrecht, weil erstens hat Sie das ihrer Clique in einem völlig andere Zusammenhang erzählt und ich hab es nur aufgeschnappt und damals halt so meine Gedanken gemacht. Zwischenzeitlich kennen wie uns und hatten bei gemeinsamen Läufen schon viel Spaß. Ich lese ihre Laufberichte auf ihrem Blog mit Vergnügen und Sie kämpft sich durch meine ellenlangen Abhandlungen auch tapfer durch.

Also ich bin jetzt erstmal im Gletscherfieber, denn vom 15.07-21.07. bin ich auf Hochtouren-Ausbildungskurs im Wallis mit dem DAV.
Davos ist gedanklich noch so weit weg.

Grüssle Klaus
13.04. 12h Lauf Grüntal 53,55k
14.04. LIWA-Mara 04:56:44
27.04. Tri-speck 69 km 1100 hm
28.04. Ditzinger Lebenslauf
05.05. Trolli-Mara
11.05. Albtraum 115 k 3000 hm
06.07. Heuchelbergtrail 50 k
28.07. Schönbuch Trophy 47, k 1300 hm
17.08. 100 M Berlin

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Glückwunsch zum ersten 100'er, klasse gemacht und schön beschrieben ... :daumen:

Mit deinem Ergebnis gehörst du ja zu Deutschlands Spitzenläufern, Paltz 15(!) der aktuellen Jahresbestenliste ;-) ... nee. liegt natürlich daran, dass es so wenige 12 h Läufe gibt ... aber 12h für 100km können sich auf jeden Fall sehen lassen, davon träume ich immer noch ... ;-)

Viel Spaß weiterhin :-)

LG Manfred
2022: erledigt: G1-Grüngürtel, Kölnpfad 100k, Burginsellauf Delmenhorst 24h Staffel(!), Mega Marsch Köln (63k) ... geplant: nix

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Hallo Klaus,

Danke für den Hinweis, den Bericht habe ich gestern Abend noch gesehen, war aber dann doch zu müde und dachte mir, dass ich den nicht übermüdet überfliegen sondern genießen will !!!
Hochtourenausbildung ??? Du machst mich neidisch !!!! Jetzt wollte ich grad nach deiner "Vorstellung" schauen, finde aber auf die Schnelle nix ... mache ich mal in Ruhe .... jetzt werde ich erst mal deinen anderen Bericht lesen ... ;-)))

Viele Grüßle 'nüber von Schwôb zu Schwôb ...
Andrea
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