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Tor des Géants 2012

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Es geht weiter: Tor des Geants 6. Teil Valtournenche – Ollomont 44 km 2702 hm

Von der Base-Vita aus wurde ich erst mal begleitet von einer Helferin. Die Zeigte mir den Weg. Irgendwie war es auch undeutlich. Es gab keine Fähnchen. Erst nach dem Platz wo das Zelt stand war etwas auf dem Boden gesprüht. Sie lief mit mir weiter weil ich irgendwie unschlüssig war. Nachdem wir über die Hauptstraße waren und bei ein kleiner Pfad angelandet waren und ich mit meinem GPS im Reinen war, bedankte ich mich herzlichst bei Ihr und fing an den Bergab-Pfad zu joggen. Das dauerte nicht lange und ich war wieder auf einen Asphaltweg hoch. Da wanderte ich wieder. Etwas vor mir waren andere Teilnehmer aber ich hatte noch nicht die Kraft und meinen Kopf auf Vordermann, daß ich auf die auflaufen wollte. Nach etwa einen km mußten wir auf einmal rechts ab zwischen ein paar Häuser durch. Da waren wir wieder auf einem Trail, weg von der bewohnte Welt. Ich konnte aber nicht so recht Tritt fassen und eierte so langsam hoch. Niemand vor und niemand hinter mir. Einsam und sogar etwas gelangweilt drückte ich mich hoch. Die 6. Etappe hat angefangen. Es ist einer der schwierigsten. Ich hatte aber noch nicht verinnerlicht, was auf mich zukommen würde. Erst mal weiter hoch bis zum Stausee bei refugio Barmasse. Auf dem Weg wurde ich überholt von einem Teilnehmer der keine Trailschuhe anhatte, sondern Crocks. Daas sind Plastikschuhe ohne Ferse. Nach einer halbe Stunde kam er mir wieder entgegen. Ich fragte was los war. Er hatte wohl etwas verloren. Nochmal 10 Minuten Später kam er wieder mit seinen Crocks an mich vorbei gestiefelt. Es war Thierry Blondeau, Allzeitfinisher, und wußte genau was er machte. Ich konnte aber nicht dran bleiben. Die Sonne Schien und es war herrliches Wanderwetter. Ich machte mein Tempo. Bald nach dem Staudamm kam ich bei Refugio Barmasse.

Das Refugio kam mir klein vor. Die Leute waren sehr nett. Es gab einer schönen grünen Eckcouch. Darauf ließ ich mich nieder. Irgendwie lief es nicht optimal. Ich Aß eine Banane und trank 2 Becker Cola. Nach erst 15 Minuten Pause war mein Kopf so weit, daß ich weiter gehen konnte. Noch immer hatte ich mich nicht verinnerlicht, daß ich auf dem schwierigen 6. Teilabschnitt befand. Nachdem ich wieder unterwegs war, gab's einer Streckenänderung. Durch einen Erdrutsch mußte ich jetzt mehr links bleiben. Es gab einem neu geschlagenen Waldweg, der wieder auf die Originalstrecke führte. Diesen Abschnitt war merkwürdig. Eindeutig war dieses Stück künstlich kreiert. Es war gar kein Pfad, sondern ein Stück freigeräumter Wald. Bald war ich aber wieder laut PS "on Track". Der nächste Pass "Fenetre d'Ersaz" war unscheinbar. Ab dort ging's weiter hoch, recht steil sogar. Ohne weitere Komplikationen kam ich bei Refugio Vareton. Dort war ich ganz einsam. Kein Teilnehmer weit und breit zu sehen. Nach 5 Minuten war ich wieder weg. Die Alm fand ich nicht gerade schön. Ab dort ging es einen Pfad an den Höhenemetern entlang. es ging nur langsam hoch und war gut laufbar. Ich bin nur stramm gewandert. Es wurde immer windiger. Dann kam ein etwas unübersichtlichers Stück. Viele Felsen und viel links/rechts. Der Wind wurde recht unangenehm. Es kam mir jemand entgegen und ich fragte: wie lange noch bis zum nächsten Col? Er brabbelte etwas: "weiß ich nicht". Ich marschierte weiter. Der wind was so stramm. es wurde sehr kalt. Die Sonne stand tief. Ich beschloß warme Sachen anzuziehen. Das war nicht leicht. Der Wind war unglaublich stark. Noch in der späten Abendsonne kam ich oben am Fenetre du Tsan an. Die Dämmerung kündigte sich an und ich wollte noch unbedingt vor dem Dunkeln bei Bivaccio Reboulaz sein. Ich schaute herunter und sah da jemand ziemlich holperich den Berg herunterlaufen. Bald wußte ich warum: hier war es steil, ungemütlich steil. Nach einer knappe halbe Stunde kam dann endlich der Gegenanstieg nach Bivaccio Reboulaz. Genau gleichzeitig mit der Person vor mir kam ich dort an. Es war eine Frau und sie war etwa bestimmt 60 Jahre alt. Respekt. Gemeinsam futterten wir das Angebotene im kleinen und geselligen Bivaccio. Nach kaum 10 Minuten bin ich aber schon weiter. Noch war es nicht ganz dunkel. Kühe säumten die Strecke am Bergsee. Bald war ich wieder alleine mit mir und die Welt.

Der Abschnitt, der jetzt folgte hatte es in sich. Die kommenden 25 km waren komplett oberhalb von 2000 m. In der Nacht gab es vier Cols zu bewältigen. Mittlerweile fühlte ich mich wieder sehr müde. Richtig viel erinnere ich mich nicht, nur den steilen Hang links von mir sah bedrohlich aus. Vor lauter Angst lief ich teilweise ganz vorsichtig mit meinem Oberkörper Richtung Berg gekrümmt. Tagsüber dürfte diesen Abschnitt bestimmt nicht schwierig sein aber im Dunkeln und auch noch müde macht einem dann doch sehr vorsichtig. Fast unauffällig passierte ich Col Terray. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam ich bei Rifugio Cuney an. Die Verpflegung war in einem Zelt vor dem Rifugio. Ich fragte, ob ich hier irgendwo schlafen könnte. Nach was gegessen und getrunken zu haben, bekam ich ein Bett im Nebengebäude. Mit mir kamen etwa noch 6 andern mit zum Schlafen. Wir suchten uns ein Plätzchen im eiskalten Schlafraum das bestand aus ein Riesenstapelbett für geschätzten 2 x 6 Personen. Nach etwa 1,5 Stunde klingelte mein Wecker vom GPS-Gerät. Ich musste trotz Kälte doch eine Stunde geschlafen haben. Im Vorraum machten wir uns fertig und heizten uns an einen kleinen Kachelofen. Draußen im Verpflegungszelt trank ich noch ein Bouillon und 2 Cola und hoch ging es hoch zum Col Chaleby. Die paar 100 Höhemetern waren einfach und damit schnell absolviert. Bald verfiel ich vor lauter Müdigkeit wieder in ganz langsames Gehen.

Wieder eine gefühlte Ewigkeit kam ich dann an bei Bivaccio Rosaire-Clermont. Ich wollte wieder schlafen aber hier waren nur etwa 8 Betten und um den einzigen Tisch saßen gut 10 Teilnehmer. Im Stehen bekam ich einen Teller Bratkartoffeln. Sofort nachdem ich die verspeist hatte, bin ich wieder weiter gegangen. Draußen war es kalt und mir war nicht nach laufen zur Mute. Jetzt kam der letzte Col für heutenacht. Vom Bivaccio bis zur Col Vessonaz ist es noch recht leicht aber dann von dort oben herunter ist ein wahrer Alptraum. Die Strecke ist steil, rutschig und meiner Meinung nach auch gefährlich. Wer hier kein vernünftiges Profil unter seine Schuhe hat, wird kaum heile herunterkommen können. Vorsichtig rutschte ich über die steinigen, staubigen und steilen Pfade herunter. Nach einer Viertelstunde schaute ich hoch und konnte in der anfangende Morgendämmerung ein paar Stirnlämpchen oben hinter mir erkennen. Ich mußte mal für Große Jungs und setzte mich hinter einen Riesenfelsen, machte mein Geschäft und wartete bis meine Verfolger vorbei waren. Ich wollte hier in den steilen Abhang kein Druck verspüren. Bald wurde es dann wieder laufbar und konnte sogar herunter joggen bis ein Wegweiser kam aber kein gelbes TDG-Fähnchen weit und breit. Man konnte hier rechts oder links. Mein Gefühl sagte mir „links“ aber mein GPS sagte „rechts“. Ich folgte die Anweisung meines GPS und lief rechts. Nach ein Sumpfiges Stück an eine Almhütte hatte ich immer noch kein gelbes Fähnchen gesehen und wurde unsicher. Deswegen lief ich zurück zum Wegweiser aber nirgendwo war ein Fähnchen zu erkennen. Also lief ich wieder zur Almhütte wo ich auf die verunsicherten Läufer traf, die mich vorhin noch überholt hatten. Sie fragten mich, ob wir hier richtig sind. Ich sagte: „we are on Track“ und zeigte mein GPS-Gerät. Sie liefen also wieder dahin wo sie herkamen. Ich war nach wie vor verunsichert, zeigte der Track doch, daß es nach der Hütte erst mal rechts ab geht. Ich suchte verzweifelt nach ein Bestätigungsfähnchen um nach ein paar Minuten aufzugeben und auch links herunter ging. Nach ein paar Minuten kam dann das ersehnte Fähnchen. Ab hier war der Weg durch den Wald eher leicht aber die Strecke zog sich ewig. Ich holte sogar die Gruppe vor mir wieder ein. Es ging noch lange bergab. Bald musste doch die nächste Verpflegung komme, dachte ich. Pustekuchen. Erst mal kam nach einer Bachüberquerung ein ganz schrecklicher Gegenanstieg. Teilweise musste man sich an Äste hochhängeln. Das war fies. Endlich kam ich dann in der Verpflegung in Closé an.

Die Verpflegung kam mir vor wie eine Base-Vita. Groß und geräumig. Betrieb an einer Bar Theke, Leute die Pizza aßen und jede Menge Feldbetten um zu schlafen. Ich beschloß eine Runde zu schlafen. Nach 1,5 Stunde wurde ich freundlicherweise geweckt und beim Frühstück erfuhr ich, dass die Strecke für mich nur bis Saint Rhemy-en-Bosses führen würde. Wetterbedingt dürfte hatte die Organisation der letzte Berg „Col Malatra“ herausgenommen. Natürlich war ich enttäuscht, denn ich nahm Teil um die gesamte Strecke zu laufen und in Courmayeur einzulaufen. Schade, jetzt dürfte ich „nur“ 304 km und „nur“ 22500 hm laufen. Ganz stressfrei begab ich mich auf der Strecke. Mich konnte eigentlich nichts mehr passieren. Noch 2 Berge und ich wäre da. Ich hatte 10 oder sogar 15 Stunden Vorsprung auf dem Cut-Off. Da bräuchte ich mich nicht zu beeilen. Der nächste Berg,. Col Brison, hatte ich mit meiner Freundin eine Woche zu Vor erkundet. Gemütlich bin ich dort hochgewandert. Auf der Alm wo vor ein paar Wochen noch jede Menge Kühe waren, war jetzt die Verpflegung. Ich zog mein Rucksack aus und setzte mich hin. In der wunderschone Morgensonne genoss ich die Aussicht und unterhielt mich mit den Freiwilliger dort. Immer wieder kamen Läufer vorbei aber ich war ab jetzt in Urlaub. Sehr nett war die Gäste von den Freiwilligen mir ein Stück vom Kuchen zu schenken die gerade ein Freiwilliger vom Tal hochgetragen hat und eigentlich nur für den gedacht war. Dazu noch ein Kaffee und die Pause war perfekt. Nach eine gute halbe Stunde wanderte ich wieder weiter. Jetzt wurde es steiler aber nie schwierig. Die letzte 12 Spitzkehren vor dem Col sind sehr steil. Danach gab’s eine wunderbare Aussicht mit am Horizont der Mont-Blanc. Ich spielte mit einem Hund dort. Immer wieder forderte er mich auf, das Stöckchen wegzuschmeißen. Ich war in Urlaub und fühlte mich richtig glücklich. Vom Col Brison herunter ist es erst mal sehr steil. Letzte Woche im Regen war es sehr glatt, heute nicht. Bald ließ es sich wieder richtig laufen. Am Alm Bario Damon vorbei, dann eine Verpflegung die ich einfach vorbeirannte, dann jede Menge Spitzkehren auf ein „4x4 Dirt-Track“ herunter. Hier habe ich bestimmt wieder 5 Läufer überholt. Das letzte Stück zur Base-Vita verlief etwa 2 km über eine Asphaltstraße. In der Mittagshitze kam ich dort an.

Noch ist die Geschichte nicht zu Ende. Es folgt bald noch das 7. und letzte Teil.
:prost: Jede Freude ohne Allohol ist Kuenstlich.

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Hi ET,
Dein Bericht ist ja ein echter Cliffhanger. Toll! Ich freue mich schon auf den letzten Teil.
:winken: Liebe Grüße
Thomas7 "die langsamen Läufer sind es, die die schnellen Läufer gut aussehen lassen" (Zitat Thomas D.)

To do2015:
P-Weg
Röntgenlauf

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Danke Thomas,

Du hast mich daran erinnert, daß ich hier noch was zu Ende führen muß. Dank Wikipedia weiß ich jetzt auch was "Cliffhänger" bedeutet. Also ... es wird noch mal spannend. Hier folgt das letzte Teil:

Auch wenn ich ein paar Stunden auf der 6. Sektor eingebüßt hatte, kam bei mir kein Panik auf. Die 10 Stunden Vorsprung auf dem Cut-Off haben mich von Wettkampfmodus auf Urlaubmodus umgestellt. Ich wußte, daß ich das Ding finishen wurde. Urlaub hatte ich gesagt, also erst mal duschen. Der Base-Vita in Ollomont gefiel mir. Im Restaurant konnte man sich satt essen, draußen waren Kabinenduschen und vor dem Restaurant war ein großes Zelt mit Sanitäter und Feldbetten. Das einzige was ein Bißchen merkwürdig war, daß man sein Stecknadel für diese Etappe nicht sofort bekam. Ich hatte die Prozedur nicht ganz begriffen. Nachdem ich auf nachfragen von hot nach her gestiefelt war, bekam ich dann endlich mein 6. Stecknadel. Danach setzte ich mich am Tisch und traf auf Anke Drescher und Georg Weiß. Gemütlich haben wir dort das Mittagessen genossen. Leider gab es auch hier wieder nudeln mit oder ohne rote Soße. Ich verfeinerte das noch mit einer Dose Thunfisch und 2 hartgekochte Eier. Ein Yoghurt als Nachtisch und weil es Urlaub war, noch ein zweites Bier. Da es sehr warm war, wollte ich nicht sofort weiter. Ich hatte Quasi noch etwa 20 Stunden für den letzten Berg. Deswegen ließ ich mein Rechterfuß von einer Sanitäterin inspizieren. Der 2. Zeh tat mir weh. Sie entdeckte, daß ein spitzes Stückchen Fußnagel ins Fleisch drückte. Nachdem sie diese eine oder andere Millimeter abgeschnitten hat und die kleine Blase die dort entstanden war fachkundig versogt hatte, war ich wieder schmerzfrei. Ich legte mich auf ein Feldbett und packte schon mal zusammen um nach dem Mittagsnickerchen sofort loslaufen zu können. Ich konnte nicht so recht einschlafen. Nach etwa 1,5 Stunden hin- und herwühlen bin ich aufgestanden. Ich sah, daß die Anke schon weg war. Rasch machte ich mich fertig und ging sie hinterher.

Es war 16:30 Uhr und immer noch recht warm. "Langsam in Schwung kommen", dachte ich und marschierte in kontrolliertem Tempo Richtung Wald. Nach einer Weileüberholte mich ein Japaner. Ich blieb auf etwa 30 Meter Distanz an ihn dran. Die Hitze war erträglich und ich wollte mich schon mal während des Laufens fertig für den Abend, bzw. Nacht machen. Ich suchte meine Stirnlampe. Panik! Wo ist meine Stirnlampe? Ich hatte doch alles neben mein Feldbett bereit gelegt. Da war die Stirnlame auch dabei, da bin ich mir sicher. Ich hielt an und überprüfte eilig die verschiedenen Taschen meines Rucksacks. Die Stirnlampe war weg. Jetzt bekam ich erst recht Panik. Bestimmt werde ich das Ziel nicht mehr im Hellen erreichen, also brauche ich licht. Mein Reserve-Stirnlampe war ein ganz kleines Notlicht. Ich zweifelte, ob ich damit im Dunkeln richtig laufen könnte. Ich ärgerte mich über so viel Nachlässigkeit. Nächstes Mal kommt eine bessere Zweitlampe mit. Dann fing ich an zu rechnen. Zum Gipfel komme ich noch im Hellen aber ab wo bräuchte ich eine Stirnlampe? Reicht es noch ohne Stirnlampe bis hinunter im Tal? Dann beschloß ich wieder von Urlaubsmodus in Wettkampfmodus umzuschalten: "jede Meter die ich vordem Dunkeln laufen kann, ist mir vom Vorteil". Ich rannte wie von einer Tarantel gestochen los und staunte über meine verbliebene Kraft. Schnell war der Japaner überholt. Danach war eine Zeit lang nicht aber ich hielt so richtig das Tempo hoch. Mein Herz raste und immer mußte ich wieder an den verlorenen Stirnlampe denken. Aus dem Wald heraus sah ich eine Gruppe von 4 oder 5 Läufern. Es dauerte nicht lang und ich lief auch die Truppe vorbei. Laufen ist vielleicht zu viel gesagt. Es war durchaus steil und dadurch war nur ein strammes Gehen möglich. Die Sonne stand schon sehr tief und schien mich genau ins Gesicht. Ich stiefelte weiter und überholte noch der ein oder andrer. Irgendwann kam ich dann bei Refugio Champillon an. Schnell ging ich 'rein und aß was vom Büffet: Tuc, Salami, Banane, Cola usw. Ich kam ins Gespräch mit 2 Deutschen die sich das Treiben mit Fragezeichen auf die Stirn anschauten. Ich erklärte den Beiden warum es hier ging. Ziemlich fassungslos starten die Beiden mich an. Ich entschuldigte mich freundlich mit einem "Sorry, ich muß weiter" und verschwand wieder aus dem Refugio.

Die Sonne war noch nicht unten als ich etwa eine halbe Stunde später oben am Col Champillon (2709 m) war. Hier warfen einige Wellen in der Landschaft schon lange Schatten und der Wind war recht ungemütlich. Ich blieb keine Sekunde oben und rannte sofort herunter. Der Pfad war anfänglich recht steil, ließ sich aber gut laufen. Nach gut 10 Minuten herunterlaufen schaltete ich den Turbo ein. Ich dachte wieder an meine Stirnlampe und wollte vor dem Dunkeln unten sein. Der Wind blies genau in meinem Gesicht. Ohne meine Sonnebrille wäre hier schnell laufen kaum möglich gewesen. Die Brille schützte mich gegen den Wind. Recht flott kam ich dann an der Baumgrenze. Jetzt dämmert es und langsam wurde es ungemütlich dunkel. Das Tempo war nach wie vor hoch. Viele Leute habe ich hier dennoch nicht überholt. Nahezu im Dunkeln kam ich dann unten in Ponteilles an. Genau au dem Moment lief ich auf ein paar Franzosen auf. Hier war eine Verpflegung aufgebaut. Es gab Musik vom Akkordeon und Spanferkel mit Polenta und Wein dazu. Wir unterhielten uns bei ein paar leckeren Snacks. Ich erzählte von meinem Mißgeschick und meine mini Zweitlampe. Es bot mich an, seine (Petzl Tikka Plus) Zweitlampe zu tauschen für meine Minilampe. Ich nahm das Angebot dankend an. Das Ziel ist etwa 10 km weiter. Wir werden uns wohl dort treffen und würden die Lampen dann zurücktauschen. Ich war erst mal beruhigt und setzte mich dort am Tisch. Die Truppe ging weiter und ich nahm mir noch ein Becher Wein. Ich bekam sogar ein Teller mit ein Stück Spanferkel und fühlte mich wieder in Urlaub. Gemütlich unterhielt ich mich mit den Leuten dort, trank noch ein Wein und lauschte die Akkordeonmusik. Immer wieder kamen Teilnehmer vorbei. Kaum einer kam auch auf die Idee, auch mal hier Urlaub zu machen. Nach etwa 3/4 Stunde meinte ich das letzte Stück noch machen zu müssen. Ich informierte mich über die das Streckenprofil und bekam als Antwort: "nur noch 10 km flach nach St. Rhemy".

Ich machte mich auf dem Weg und nach gut 1 km ging es dann stramm hoch. "Aha, so flach ist das hier. Das habe ich mir denken können". Es gab ein paar Spitzkehren auf einen breiten Waldweg". etwa 300 Meter hinter mir waren 2 Stirnlämpchen zu sehn. Ich nahm mir vor, mich nicht mehr überholen zu lassen, ein ziemlich dämliche Gedanke aber dennoch hatte ich sie. Es wurde bald flacher und ich fing an zu laufen. Es kamen lange geraden und hin und wieder schaute ich um. Die beiden Stirnlämpchen ließen nicht locker. Ich erhöhte das Tempo. Nach einer Weile meinte ich sie los zu sein und drosselte das mittlerweile recht hohe Tempo. Ich schätzte es auf ein 6:30er Schnitt. Nach 5 Minuten sah ich die Stirnlämpchen wieder hinter mir. "Mist!", dachte ich und erhöhte das Tempo ordentlich. Ich war zwar müde, hatte 2 Wein intus aber war dennoch Ehrgeizig. Das Tempo blieb hoch. Immer noch waren die beiden Lämpchen hinter mich her. "Ich darf nicht locker lassen." Es ist mir immer noch Rätselhaft, wie ich nach 300 km immer noch ein 6:30er Schnitt laufen konnte. Die Strecke war jetzt wirklich flach und gut zu laufen. Bald waren dann auch die Lichter von St. Rhemy zu sehen. "Nur noch ein Stückchen bergab", dachte ich. Natürlich nicht. Erst mußte noch eine Schleife nach rechts gelaufen werden. Dann kamen Häuser. Ein paar Abendspazierer klatschen und grüßten mit einem stolzen Gefühl zurück. Es ging aber weiter, ein Linkskurve und wieder war ich auf einem Feldweg. Wie lange dauert das noch. Bestimmt werde ich von den beiden Stirnlämpchen überholt. Deswegen erhöhte ich das Tempo noch einmal. Wieder kamen Häuser. Dieses Mal war es dann doch endgültig St. Rhemy. Ich lief durch irgendwelche Gassen und wurde mehr und mehr von irgendwelchen Zuschauern zugeklatscht. Leicht drosselte ich das tempo, sah ich doch kein Lämpchen hinter mir. Noch einmal ein Bißchen Zick-Zack und ich war auf der Zielgerade. Hier war durchaus eine Menge los, obwohl es nicht Courmayeur war. Ich wurde sogar begleitet von ein paar Damen in Tracht. Direkt nach dem Zielbogen torkelte ich ein Wenig und wurde empfangen vom Tourismus-Minister des Aostatals. Ich bedankte mich herzlichst bei ihn und fing an zu weinen, hieß meine Hände hoch und drehte mich zu alle Zuschauer. Mann, war ich glücklich.

Man dirigierte mich zur Zeitnahme und ließen mich mein Namen auf ein Plakat schreiben. Dann bekam ich ein Bier und erinnerte mich wieder an meinen Urlaub. Ich stand ein Bißchen dort herum und traf auf dem Franzosen, der mir die Lampe geliehen hat. Wir gratulieren uns gegenseitig und tauschen die Lampen wieder. Ich dankte ihn mehrmals. Das ganze Treiben im Ziel war richtig angenehm. Ich spürte keine Müdigkeit und nahm ein zweites Bier. Dann merkte ich, daß noch niemand nach mir ins Ziel gelaufen war obwohl ich doch schon gut 10 Minuten da war. Es dauerte fast 20 Minuten, bis der nächste im Ziel kam. Der war alleine; keine 2 Stirnlämpchen also. Ich weiß bis jetzt nicht, was ich dann die ganze Zeit hinter mir gesehen habe. Wahrscheinlich waren es Halluzinationen. Bald war dann der Transporter da, der uns etwa 8 Finisher nach Courmayeur zurück bringen würde. Der Weg dahin dauerte über eine Stunde. Gut daß ich und ein andere Franzose 2 Bier mitgenommen hatten. Außer wir beiden, sprach niemand. Vielleicht waren die anderen zu müde? Knapp nach Mitternacht kamen wir in Courmayeur an und konnten in der Sporthalle in Dolonne übernachten.

Das Epilog, bzw. Siegerehrung am Sonntag war dann ein würdiges Ende von ein Riesenabenteur.
:prost: Jede Freude ohne Allohol ist Kuenstlich.

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Hallo Eric,

danke für deinen super ausführlichen Bericht - der macht einfach Lust darauf sich auch mal diesen Urlaub zu gönnen.

Vielleicht in 2015 oder 2016?

Was mich am meisten abschreckt, ist die Tatsache, dass man ne ganze (!!!) Woche lang nicht ausschlafen kann... was für mich, als jemand der gerne viel und lange schläft die größte Herausforderung zu sein scheint... :zwinker5:

Gruß
Olli

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Hallo Eric,

vielen Dank für diesen Bericht. Ich habe richtig feuchte FInger vom mitfiebern bekommen. Was für ein Abenteuerlauf. Herzlichen Glückwunsch zu dem tollen Finish.
:winken: Liebe Grüße
Thomas7 "die langsamen Läufer sind es, die die schnellen Läufer gut aussehen lassen" (Zitat Thomas D.)

To do2015:
P-Weg
Röntgenlauf

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So schwierig war das nicht. Das Erlebte hat einen tiefen Eindruck hinterlassen. Manchmal träume ich davon und laufe Streckenteile immer wieder ab. Viele kleine Details sind einfach unvergesslich. Weiter hatte ich die Strecke im Vorfeld sehr verinnerlicht und behaupte mal, daß ich sie jetzt ohne gelbe Fähnchen und GPS auch finden würde. Weiter war ich schon 2 mal dabei und habe dort auch einige Erkundungswanderungen gemacht: mal den 4. Sektor komplett, mal Teile wie Col Brison, Col Loson und den Anstieg nach Rifugio Deffeyes. Daneben halfen mir das Roadbook, die Ergebnistabellen und viele Bilder/Videos meine Erinnerungen beim Bericht schreiben auf Vordermann zu bringen. Notizen habe ich nicht genmacht.

Vor Allem die Etappe 6 war echt schwierig zu erinnern. So viele Cols, so viele Rifugios, so müde und das überwiegend nachts. Nur mit Hilfe des Roadbooks habe ich meine Gedanken ordnen können.

Der Tor des Geants ist ein Erlebnis fürs Leben. So was fesselndes hinterlässt Spuren. Ich warne Euch: es gibt auch so was wie "Tor-Krankheit": der TdG lässt einem nicht mehr los. Während des Rennens ist man dabei, so zügig wie möglich im Ziel zu kommen. Im Ziel ist man nach der Euforie seines Erfolges traurig, daß alles vorbei ist: "Tor-Disease".
:prost: Jede Freude ohne Allohol ist Kuenstlich.
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