Minni hat geschrieben:Ich trainiere jetzt seid dem 10.11. letzten Jahres. Vor zwei Tagen habe ich meinen ersten längeren Lauf gemacht und der ging ohne große Probleme. Ist es realistisch in Düsseldorf den Marathon zu bewältigen, wenn ich die 21km jetzt in 2:14 st. laufe oder wird das kein schönes Erlebniss? Ich habe da voll Bock drauf und quälen macht mir auch nix aber wenn es für den Körper totaler Schwachsinn ist und ich mir damit nur Schade dann lasse ich es. Ich habe vom Laufen noch keine Ahnung und habe bei dem langen Lauf so ein schönes Körpergefühl gehabt, dass ich mir dachte ich könnte es doch mal versuchen.
Hallo Minni,
nun könnte ich dich mit einer Stellungnahme über mehrere "DIN A4-Seiten" beschäftigen, an deren Ende meine Aussage stünde, dass es VIEL zu früh für dich ist auf einen Marathon zu trainieren. Ich will mich hier auf ein paar Grundtatsachen beschränken, weil es einschlägige Werke in Buch- und auch Internetform gibt, die bei Bedarf Details nachliefern und auf die du ohnehin zugreifen solltest, wenn dich der Laufsport mehr als nur am Rande, mehr als nur vorübergehend interessiert. Lass mich dir sagen - da sind sich alle verantwortlich Schreibenden, wie erfahrene Athleten, Trainer und vor allem Sportmediziner einig -, dass vor einem spezifischen Marathontraining (das in der Regel etwa 3 Monate dauert) eine Aufbautrainings- und Körperanpassungszeit von mindestens 1,5 bis 2 Jahren stehen sollte. Damit ist ununterbrochenes Training gemeint. Laufpausen nicht länger als für eine Reise, das Auskurieren einer Krankheit oder Ähnliches erforderlich sind. Laufpausen nur, wenn Lauftraining nicht möglich ist, Laufpausen nicht, weil man mal eine Zeit lang keine Lust hat. Die lange Zeit von 1,5 Jahren und das nicht unterbrochene Training haben den Sinn den Körper auf die gewaltigen Beanspruchungen langer Strecken über zunächst 10 km, dann Halbmarathon und länger vorzubereiten. Dahinter steckt eine Tatsache, die dem Läufer so lange verborgen bleibt, bis er sich womöglich verletzt und vielleicht dann noch nicht auf die richtige Antwort kommt, wenn er sich fragt, wie das passieren konnte. Dahinter steckt die Tatsache, dass zwar die Arbeitsmuskulatur recht schnell Ausdauer erwirbt und dir damit die Möglichkeit verschafft bei kontinuierlichem Training immer schneller und weiter zu laufen, bei normalem Lauftalent sicher auch zum Marathon innerhalb eines Jahres. Dass jedoch andere Körperstrukturen viel länger brauchen, um sich anzupassen. Das sind zum einen schlechter durchblutete Anteile des Bewegungsapparates wie Gelenke, Sehnen, Bänder. Diese wichtigen Bindeglieder der Muskulatur werden durch zu schnelles Steigern der Belastung überlastet. Man läuft Gefahr seine Gelenke übermäßig zu verschleißen und Erkrankungen an Sehnen stellen sich gerne ein. Sehr "beliebt" und häufig sind Beschwerden an den Achillessehnen, weil diese stärkste Sehne des Körpers beim Laufen extreme Kräfte übertragen und (aus-)halten muss. Andere Strukturen brauchen noch länger, um sich anzupassen, z.B. das Binde- und Stützgewebe und der Knochenaufbau. Ermüdungsbrüche sind selten, haben aber bei Läufer nicht selten ihren Ursprung im "Zu-früh-zu-schnell-zu-viel-gewollt".
Man kann das also zusammenfassen unter: Nicht alles was von der Ausdauer her, vom Trainingserfolg her, möglich ist, ist gesundheitlich unbedenklich. Nach wenigen Wochen Laufeinstieg einen Marathon anzupeilen ist mit einem großen gesundheitlichen Risiko verbunden. Daher MUSS man dir von dem Unternehmen abraten. Beispiele von Läufern/Läuferinnen, bei denen das scheinbar problemfrei geklappt hat, DARF man sich NICHT zum Vorbild nehmen. Erstens sind alle Menschen unterschiedlich (robust) und zweitens können von zu schnellem Trainingsaufbau auch Langzeitschäden bleiben, von denen man erst später etwas bemerkt - oder eben auch nichts bemerkt, weil man keinen Zusammenhang herstellt. Wer käme schon drauf, dass die Hüft-OP, die mit 50, 55 oder 60 wegen zu starker Abnutzung des Gelenks notwendig wird, ihre Ursache in früheren Sportsünden hat? Wenn im letzten Lebensdrittel die Knie nicht mehr mitspielen kann das viele Gründe haben. Wer würde sich schon eingestehen, dass das (sportliche) Fehlverhalten der Vergangenheit dafür ursächlich ist oder sein könnte? Ein Nachweis wird nicht möglich sein. Wenn ein Raucher an Lungenkrebs erkrankt, kann er sich ja auch darauf heraus reden, dass daran auch NIchtraucher erkranken oder längst nicht alle Raucher ...
Dass du früher bereits Ausdauersport auf dem Rad oder in anderer Form betrieben hast, erleichterte dir den Laufeinstieg und erklärt dein schnelles Vorankommen. Grundausdauer ist von einer Sportart auf die andere übertragbar. Zur sportartspezifischen Abhärtung braucht es allerdings viele hundert Trainingseinheiten in genau dieser Sportart. Oder griffig und salopp formuliert: Laufen lernt man nur durch Laufen.
Du solltest dich in Geduld fassen und deinen Marathontraum als Motivation erhalten. Trainiere ohne Pause weiter, verlängere deine Strecken stufenweise, nimm an 10km-Läufen, Halbmarathons oder auch an Läufen mit ähnlichen Distanzen teil, sammele Erfahrung und verschiebe deinen Marathonstart auf den Herbst 2014.
Alles Gute
Gruß Udo