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von holle
Nachdem der Keufelskopf Ultra Trail letztes Jahr bei abartiger Hitze desaströs unvernünftig bei mir mit wenig bis gar keiner Freude im Ziel endete musste ich dieses Jahr nochmal hin.
Das Wetter war für einen Lauf optimal. Die Form war auch schon schlechter, so stand ich guter Dinge morgens um 6 Uhr am Start. Unaufgeregt ging es los. Zusammen mit den Ultras gingen auch die 45-km-Läufer ins Rennen, ich hatte mich hinten eingereiht und nach ein paar Kilometern mit dem einen oder anderen Stau mein Tempo gefunden.
Die Strecke kannte ich ja schon, sie ist sensationell schön und grösstenteils sehr anspruchsvoll. Die erste Schleife bis zur Verpflegung bei km 24 ist noch recht gut laufbar, ich hatte mir vorgenommen, nicht vor 9 Uhr durch zu sein, weil um 9 Uhr die Short-Trailer (über 23 km) auf die Strecke gingen. Lieber laufe ich von hinten auf langsame Short-Trailer auf als dass ich von den schnelleren überholt werde.
09:10 war ich dann tatsächlich durch, alles im Plan, mir ging es sehr gut. Nächstes Zwischenziel war der Abzweig bei km 38, wo wir uns von den 23- und 45-km-Läufern trennen bzw. die 2. Verpflegung bei km 39. Dieser Abschnitt ist eindeutig der anspruchsvollste. Technisch schwierige Passagen, extreme Steigungen und Gefälle, schwierig, einen Rhythmus zu finden oder drin zu bleiben, dafür sehr sehr kurzweilig und abwechslungsreich. Steinbrüche, wo es durch Geröll hoch und runter geht, herrliche Ausblicke über die Hügellanschaften des Pfälzer Walds ...
Mit mir ging es bergab. Ab ca. km 35 lief es sehr zäh, dazu kamen diverse Zipperlein, schmerzende Fusssohlen, Achillessehnen, Muskeln ... bei km 38 stand erst mal eine Entscheidung an. Abbrechen und auf der 45-km-Strecke ins Ziel oder erst mal weitereiern. Ich hab ja schon öfter die Erfahrung gemacht, dass ich aus einem Tief wieder rauskomme, also ging es erst mal weiter.
An der 2. Verpflegung hab ich Cola aufgefüllt (man kann sich an den Verpflegungen Eigengetränke deponieren lassen, ansonsten gibt es dort ausschliesslich Wasser, feste Nahrung muss man im Rucksack dabeihaben). Weiter gings auf den 3. Abschnitt Richtung 3. Verpflegung bei km 56. Auf den folgenden Kilometern änderte sich an meiner Verfassung nichts. Ich wanderte sehr langsam vor mich hin. Immer wieder mal kam jemand von hinten und war nach vorne schnell ausser Sichtweite.
Ich hatte 4 Riegel dabei. An jeder Verpflegung einen. Dazu 8 Gels, die ich mir für später aufheben wollte. Dazu diesmal genügend Salztabletten. 2 Riegel waren also schon mal weg. Ich beschloss, das erste Gel bei km 50 einzuwerfen. Es ging sehr sehr zäh vorwärts, Hochrechnungen waren frustrierend, ich werde hinten raus ja immer langsamer und bin jetzt schon so langsam wie bei der Hitzeschlacht letztes Jahr. Irgendwann war mein Tief schon 3 Stunden alt. Ich rechnete nimmer damit, wieder rauszukommen, mental war ich am Boden. Inzwischen hatten mich ca. 30 LäuferInnen überholt, Hinter mir konnten nimmer viele unterwegs sein. Noch 6 km bis zur Verpflegung, Zeit für das erste Gel. Inzwischen waren die Wege theoretisch gut laufbar, Zwischen km 45 und 70 ist der Trailanteil niedrig, recht viele Waldautobahnen, Feldwege ... Auf einem Stück mit leichtem Gefälle fing ich an zu traben, erst unrund, nach ein paar hundert Metern fühlte es sich gar nicht so schlecht an. Es wurde besser. Bis zur Verpflegung konnte ich (ausser steilere Berge hoch) plötzlich wieder laufen.
An der Verpflegung traf ich noch 3 Jungs, die mich überholt hatten. Hab Cola nachgefüllt und mich sofort auf den weiteren Weg gemacht. Nächstes Ziel die Verpflegung bei km 72. Es lief immer runder, ich joggte nun auch mittlere Steigungen hoch und lief auf den einen oder die andere auf, die mich vorher überholt hatten. Ich traute dem Frieden nicht wirklich, zog aber nach und nach ein wenig das Tempo an, warf ab und zu ein Gel ein und versuchte immer wieder meine Euphorie zu bremsen. Es ging mir immer besser. Bis zur 4. Verpflegung hatte ich so gut wie alle wieder überholt, die ci hschon mal gesehen hatte, dazu noch etliche, die schon vor meinem Tief vor mir unterwegs waren. Ich war high. Ich hatte Kraft, keinerlei Schmerzen, selbst die blasenanfälligen Füsse meldeten Bestzustand.
Die letzte Etappe von Verpflegung 4 bis ins Ziel liess ich es laufen, natürlich waren die Beine müde, ich traute es ihnen aber einfach zu, noch 15 km Druck zu machen. Es fühlte sich alles so wahnsinnig gut an, sowas hab ich hinten raus noch NIE NIE NIE erlebt. Es ging knackige Steigungen hoch und runter, ich sprang hoch wie runter über Stufen, überholte vereinzelt noch Läufer und nahm die letzten 2 km ums Dorf rum im ultimativen mentalen Höhenflug im gefülten 10er Renntempo. 200 Meter vor dem Ziel musste ich mir noch extrem dumme Kommentare von 2 Läufern anhören, an denen ich vorbeilief. Das hat mich kurz geärgert.
Da war es dann, das Ziel. Es fühlte sich unendlich viel besser an als letztes Jahr, das war jetzt ein Finish, das mir immer wieder in den Kopf kommen wird. Absolute Extraklasse :-) Ich war total high und bin es heute noch beim schreiben dieser Zeilen.
Danke fürs lesen :-)