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Was tun bei „Problemfuß“?

Was tun bei „Problemfuß“?

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Hallo Forum,

vor 3 Monaten habe ich (38 Jahre, 182 cm, 94 kg) mit dem Laufen angefangen. Bereits 3 Monate vorher war mein „sportlicher Wiedereinstieg“ mit einem Ergometer. Bislang ist das Ganze eine ziemliche Erfolgsstory – Blutdruck normalisiert, Wohlbefinden dramatisch erhöht, 10 kg „abgeworfen“. Aktuell trainiere ich nach dem Trainingsprogramm aus dem Buch „Natural Running“ von 10km zu 21,1 km und bin am Ende von Woche 4, d.h. 3-4 mal die Woche, ca. 30-40 km / Woche.

Dummerweise haben sich beim Laufen aber Probleme eingestellt, die ich nicht in den Griff bekomme: Nach schnellen und insbesondere nach langen Einheiten (> 75 Minuten) bekomme ich während des Trainings (ca. ab Minute 60) und stark nach dem Training Schmerzen auf der Innenseite des Schienbeins. Hauptsächlich rechtes Bein aber auch links. Ich würde sagen, es schmerzt hauptsächlich der Muskel, eher weniger die Knochenhaut. Es dauert teilweise sehr lange (> 3 Tage) bis ich wieder voll schmerzfrei bin (weh tut in dieser Zeit besonders Treppensteigen abwärts). Ich therapiere mich dann selbst mit Kühlung/Eiswürfelmassagen und Voltarensalbe - wenn’s schlimm ist (kommt fast jede Woche vor) auch mal Voltaren oral. Da ich ein „harter Knochen“ bin, habe ich trotzdem noch keine Einheit ausgelassen, sondern höchstens mal einen Tag verschoben bis ich wieder annähernd oder vollständig schmerzfrei war…

Ich hatte schon früher (fast 10 Jahre her) Probleme und dann mit dem Laufen wieder aufgehört. Damals hatte ich immer Hüftschmerzen, teilweise so stark das ich tagelang nicht richtig laufen konnte. Der Orthopäde meinte damals „Snapping Hipp“ und hat die Hüfte therapiert. Da ich das aber nicht in den Griff bekommen hatte, habe ich mit dem Laufen wieder aufgehört…

Dies noch im Hinterkopf, habe ich mir meine aktuellen Laufschuhe nach einer Videoanalyse in einer „Laufshopkette“ erworben. Die Verkäuferin meinte „starker Überpronierer rechts, weniger links“ und verkaufte mir einen Assics Gel Kayano 19. Damit ging’s auch Anfangs recht gut, bis ich im „Long Jogg“ bei 75 min angelangt bin…seitdem die Beschwerden oben.

Ok, da ich nicht bis zur Magenblutung Voltaren schlucken möchte, war ich gestern bei einem Bewegungstherapeuten. Bei der gestellten Diagnose, wundert mich, dass ich überhaupt so weit gekommen bin :) :
  • Starker Überpronierer rechts, mit Hüfteinknickung links (daher auch die Hüftschmerzen früher)
  • Kein Überpronierer links
  • Senk- und Spreizfuß
  • Overcrosser

Empfehlung:
  • Neutralschuh und aktiv korrigierende Einlagen

Die Einlagen habe ich mir gleich mal anpassen lassen und einen Neutralschuh mitgenommen. Die Einlagen soll ich _IMMER_ tragen, sogar zu Hause. Nach der Eintragezeit im Normalschuh, soll ich mit den Einlagen laufen - bis dahin noch mit dem Gel Kayano, den ich nach Umstieg auf Einlagen+Neutralschuh aber nicht mehr verwenden soll.

Was mich etwas wundert ist, dass meine Schmerzen hauptsächlich rechts sind, obwohl rechts die Pronationsstütze des Gel Kayano doch eigentlich "richtig" ist.

Nach langem Monolog, nun meine Fragen:
  • Ist die „Diagnose“ plausibel?
  • Gibt es alternative Behandlungen zu Einlagen?
  • Muss ich wirklich mein ganzes Leben lang in jeder Situation Einlagen tragen – bislang hatte ich im Alltag kaum Probleme.
  • Wäre eine Laufschule hilfreich – oder kann ich mir das sparen, weil ich sowieso nicht Barfuß laufen soll?
  • Muss ich den Kayano wirklich in die Tonne kloppen, oder kann ich dem zumindest ab und zu damit laufen, bis 800 km erreicht sind (aktuell hat er ca. 250 km drauf).

Fragen über Fragen, dabei lernt man laufen doch schon als Baby :D

Danke schon mal für alle Antworten
Tom

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Also wenn die "Einlage" die einzige Therapieform sein soll, dann stelle ich das schwer in Frage.

Zu Deiner Ausgangslage: Du trainierst erst seit 3 Monaten und mit relativ hohem Umfang dafür. Das alleine reicht schon für eine Überlastung.

Dazu kommt eine bissl ungünstige Ausgangslage, was die Biomechanik betrifft (so die Diagnosen stimmen), ist aber jetzt auch nix sehr ungewöhnliches, die meisten Menschen sind mehr oder weniger "schief", können aber durch individuelles Training dies bis zu einem gewissen Grad kompensieren (ausgleichen). Du wirst trotzdem bei der Umfangsteigerung immer bissl vorsichter sein müssen, als Läufer mit einer besseren Ausgangslage (ich zb bin auch recht empflich, trotz des ganzen orthopädischen Vorwissens).

Ich würde forlgendermaßen vorgehen:
- Laufpause kombiniert mit Triggerpunkt-Massagen beim Physiotherapeuten (da kannst Du auch gleich nachfragen, ob es bei Dir mehr der Muskel selbst oder die Beinhaut ist - weil Du das ja in frage gestellt hast).
- Wenn nix mehr wehtut vorsichtiger Laufeinstieg mit weichen Schuhen auf weichem Boden, sehr (!) langsames Trabtempo, nie über den Schmerz hinwegtrainieren
- Parallel konsequent funktionelles Training entsprechend Deiner Fußfunktion (wenn keine messtechnische Diagnostik diesbezüglich möglich, dann "ins Blaue" mit Physiotherapeuten trainieren, Schwerpunkt Dreipunktstand, -gang).
- Laufanalyse macht so, wie es die meisten Institute anbieten, in meinen Augen keinen Sinn. Ich will die Läufer immer zusätzlich draußen sehen und auch Ermüdungseffekte beurteilen können.

Mit Einlagen ist das so eine Sache - dazu kann ich nix sagen, ohne Deine Fußfunktion zu kennen - nur 95% der Schienbeinprobleme würde ich nicht mit Einlage behandeln (wenn nicht eine andere Indikation noch vorliegt).

Liebe Grüße,
Sandrina
http://www.sandrina-illes.at/buchprojekt
Trainingsbetreuung und Laufanalysen
BUCHPROJEKT Duathlon
Staatsmeisterin 10 000m (2016/17), Halbmarathon (2016/17), 3000m Halle (2018), Crosslauf (2018), Duathlon (2014-2018)
Duathlon Weltmeisterin Standarddistanz und Europameisterin Mitteldistanz (2018)

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d.h. 3-4 mal die Woche, ca. 30-40 km / Woche
Das ist und bleibt eben das obere Ende des noch vertretbaren, zumal in der Alterklasse (+ Übergewicht) und bei den vermutlichen physischen Prädispositionen wie man sie dir diagnostiziert hat. Wenn das Natural Running Buch so viel wie "Laufbibel" heißen soll, dann findest du darin auch viele sinnvolle Hinweise um dein Training zu rahmen (Lauf ABC, Muskeltraining...) und deinen Apparat zu stärken. Der stärkt sich zwar in bestimmten Teilen auch durch das Laufen selbst, aber nicht in 3-4 Monaten. Zumal wenn du durch Übertraining eine Anpassung durch Schädigung deiner Voraussetzungen betreibst.

Was die Frage der Pronation/Überpronation betrifft, würde ich dir ergänzend raten, das einmal selbst zu beobachten. Geh auf einen Sportplatz, laufe langsam und analysiere mal einen kompletten Lauf über, was da unten passiert. Dann suchst du dir mal eine Spiegelpassage und läufst die entlang. Finde ruhig einmal selbst heraus wie stark du bei welchem Tempo pronierst. Bedenke dabei deine Haltung (Rücken gerade, Rumpf stabil und Hüfte gestreckt, Füße nach hinten federn lassen, Arme nicht schleudern, sondern im Dreieck, Hände unverkrampft) und laufe entspannt. Eine sportmedizinische Laufanalyse (möglichst in einem universitären Sportzentrum) ist eine Sache, die kann helfen Prädispositionen zu diagnostizieren, aber du hast ständig und bei jedem Lauf auch einen aktiven Einfluss auf deine Art zu laufen: Das fängt an mit dem Tempo und endet mit der Haltung.

Stabilschuhe wie der Kayano greifen massiv in die Bewegung ein. Wie fühlen sich deine Füße und Unterschenkel/Gelenke nach dem Lauf an? Sind die noch entspannt oder fühlen sie sich verdreht bzw. unter Druck an, wenn du sie aus den Schuhen rauslässt?

Meine Tipps kurzgefasst:

- Fahre deine Steigerungen bei drei Läufen die Woche maximal zehn Kilometer noch einmal runter und steigere langsamer mit Rücksicht auf deine körperliche Disposition.

- Trainiere deinen Apparat, mindestens mal im ersten Jahr.

- Betrachte die Laufschuhsuche fortlaufend mit kritischen Augen. Ich bekam auch wegen vermeintlicher Überpronation einen Stabilschuh angeraten und hatte monatelang Probleme damit, weil mein Apparat mit dem Steuern der Pronation nicht zurechtkam.
»Viele Weltmeister sind Alkoholiker geworden, aber ich bin der erste Alkoholiker, der Weltmeister wurde.« / Eckhard Dagge
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