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Rennsteiglauf 2013 - mein 1. Supermarathon = 72,7 km

Rennsteiglauf 2013 - mein 1. Supermarathon = 72,7 km

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Sonntagmorgen, den 26.05.2013, auf der A4: Der Regen prasselt satt auf die Windschutzscheibe. Was habe ich doch gestern für ein Glück gehabt! Ich bin meinen ersten Supermarathon gelaufen und habe es wieder Erwarten nicht nur bis Schmiedefeld geschafft sondern bin auch noch trocken geblieben!

Aber jetzt erst mal alles von Anfang an.
Nach meinem ersten Ultralauf 2012 100 km um Ulm herum hatte ich mir eigentlich für heuer dessen Wiederholung vorgenommen. Leider fällt aber in diesem Jahr die Ulmer Laufnacht aus. Ich habe mir daher Anfang des Jahres als Ersatz den Rennsteig SM und/oder die 100 km von Biel herausgesucht. Zur Vorbereitung wollte ich u.a. 2-3 Marathons (Wien, Salzburg, Würzburg oder Regensburg) und natürlich meinen "Heim-HM" in Ingolstadt laufen. Wegen einer langwierigen Erkältung und aus anderen Gründen konnte ich aber nur in Wien (3:42:49) laufen. Mein Training war auch entsprechend dürftig. Noch in den letzten Tagen vor dem Rennsteiglauf schwankte ich daher, ob ich überhaupt nach Eisenach fahren sollte. Zudem waren die Wettervorhersagen mit "kalt und regnerisch" für einen überzeugten Schönwetterläufer wie mich auch wenig aufmunternd. Eigentlich weiß ich nicht wieso, aber ich bin dann am Freitag doch losgefahren und habe nachgemeldet. Die letzte Wetterprognose, welche ich am Freitagabend hörte, sagte einen bedeckten Himmel, 5-10 Grad und für den Nachmittag Regenschauer voraus. Ich legte mir daher folgende Ausrüstung zurecht: Asics Trabuco Laufschuhe mit Trailsohle und Goretex, eine 3/4-lange Tight, ein kurzärmeliges Laufshirt, eine Regenjacke mit einem zusätzlichen Regenumhang in der Tasche, Handschuhe und Laufkappe. In der Nacht konnte ich kaum schlafen; das Wetter schien allerdings ruhig zu bleiben..

Am Samstag bin ich um 3:30 Uhr aufgestanden. Um 5:00 Uhr war ich wie geplant in Eisenach und nach ein paar Minuten Fußweg auch schon auf dem Marktplatz, dem Startort. Im dort aufgebauten Zelt machten sich viele Läuferinnen und Läufer schon fertig. U.a. wurden alle möglichen Körperstellen mit irgendwelchen Mixturen eingerieben. Da hab ich wohl noch Wissenslücken. Stärker irritiert war ich allerdings davon, dass viele Läuferinnen und Läufer lange Laufhosen und sich insgesamt deutlich wärmer anzogen als ich das war. Ich fröstelte zwar etwas an den Beinen, mit dem zusätzlich übergeworfenen gelben Sack war es mir aber eigentlich am Körper nicht zu kalt. Meine Suche nach Dixis war erfolglos; ich fand nur eine öffentlich Toilettenanlage ( 50 Cent) hinter der Kirche mit langen Warteschlangen davor. In einem rechts davon in der Nähe stehenden Gasthaus lassen sie Läufer auf die Toiletten gehen - Danke! Danach bemerke ich, dass ich meine Handschuhe im Auto vergessen habe. Es ist noch eine Viertelstunde bis zum Start. Ich hole also noch meine Handschuhe und bin ein paar Minuten vor dem Start wieder zurück und schaue noch am Brunnen vorbei an dem sich einige Foris treffen wollten. Ich kann aber niemand sehen, den ich als solchen erkennen würde.

Pünktlich um 6:00 Uhr erfolgt der Start.

Durch meinen Standort am Brunnen bin ich relativ nahe am Startbogen und gehe so recht früh über die Startlinie. Ich lasse mich durch die Strassen der Altstadt mittreiben. Nach etwa 2 km verlässt man die Bebauung und es beginnt auch gleich der erste Anstieg. Bis Kilometer 25,5 müssen etwa 700 Höhenmeter erklommen werden! Dieser Streckenabschnitt machte mir als Neuling auf solch einer bergigen Strecke vorab die größten Kopfzerbrechen. Welches Tempo soll ich hier gehen? Wieviele Körner darf ich hier investieren? Ich hatte mir 2 Lauftabellen gemacht: eine mit 8 Minuten/km auf den ersten 25 Kilometern und danach mit 7 Minuten/km und eine andere mit durchgehend 7 Minuten/km. Die Zwischenzeiten hatte ich mir für alle 5 Kilometer aufgeschrieben.

Was mir bereits in Laufen bei den Durchschnittszeiten pro Kilometer dämmerte bestättigte der erste Zwischenzeitvergleich bei km 5 (es waren alle 5 Kilometer beschildert): 7er-Tabelle: 35 Minuten, FR 305: 28 Minuten = 7 Minuten zu schnell. Was soll ich jetzt tun? Eigentlich ist mein Tempo viel zu schnell, andererseits drohen am Nachmittag Regenschauer und ich kann an sich noch locker mitlaufen. Ich entscheide mich daher erstmal möglichst viel Strecke zu machen und rechne ohnehin damit wegen der Regenschauer bei km 55 mit Wertung auszusteigen. Mit kurzen Standpausen an den Getränkestellen und Verpflegungspunkten geht es so weiter; ich bleibe deutlich unter dem geplanten 7er Schnitt (bedeutet eine Laufzeit sub 8:30!). Bei km 30 habe ich 20 Minuten Vorsprung gegenüber meiner Lauftabelle. Die Streckenlänge und die Auf- und Abstiege (vor allem die 200 Höhenmeter wieder runter vom Großen Inselsberg machen sich mittlerweile deutlich, aber noch nicht besorgniserregend im Laufapparat bemerkbar. Am nächsten Verpflegungspunkt gönne ich mir angesichts des Vorsprungs eine längere Pause (ca. 4 Minuten). Da ich seit gestern bereits einen nervösen Magen und deshalb auch auf die Heichelheimer Klöße verzichtet habe, nehme ich an den Verpflegungsstellen nur Tee, den "Schleim" und ab und zu ein Bananenstück. Vom Schleim nehme ich meist gleich 2 der häufig ohnehin nur halb gefüllten Becher.

Bei der Halbzeitpause habe ich auch einige kleine Steinchen aus meinem rechten Schuh geholt. Beim Weiterlaufen zeigt sich, dass die Zunge des Schuhes nun nicht mehr richtig liegt und drückt. Also nochmals stoppen, Doppelknoten wieder auflösen und Zunge richten. Ein paar hundert Meter weiter muß ich die Prozedur wiederholen, weil mir jetzt die Schuhe zu eng geschnürrt sind. Als ich nach ein paar Kilometern im anderen Schuh Steinchen spüre, habe ich keine Lust mehr die ganze Prozedur wieder anzufangen. Bei km 50 nehme ich das erste meiner beiden Gels(das 2. bringe ich ungebraucht ins Ziel). Bei km 55 habe ich ein Polster von 21 Minuten. Zwischendurch hat entgegen der Wettervorhersagen sogar ab und zu die Sonne herausgeblinzelt. Auch gab es mal etwas Wind. Die Temperatur dürfte gefühlt zwischen 5 und 10 Grad gelegen haben. Meine Klamotten waren für mein Gefühl für die Verhältnisse ideal. Ich nahm lediglich ab und zu mal die Kappe ab oder zog auch die Handschuhe mal aus. Die Strecke war v.a. anfangs naß, teils waren die Waldwege steinig, teils mit Wurzeln. Stellenweise gab es kleinere und auch größere Pfützen. Nur einige Kilometer waren geteert. Von daher war ich auch mit meiner Schuhwahl (Trail-Sohle + Goretex) ganz zufrieden. Nur ein Mal strauchelte ich an einer Wurzel, konnte mich aber noch ohne Bodenkontakt abfangen. Wegen der schwierigen Geländeverhältnisse habe ich überwiegend zu Boden geschaut. Auf Grund des fast durchgehend vorhandenen Waldes waren zudem wenig Ausblicke in die Landschaft möglich.

Nachdem es immer noch nicht nach Regenschauern ausschaut beschließe ich nicht bei km 55 auszusteigen, auch wenn die Fußsohlen mittlerweile brennen, die Zehen bergab schmerzhaft an die Schuhe stoßen und auch die Gelenke zu schmerzen anfangen. Ich ging anfangs davon aus, dass ich mein herausgelaufenes Zeitpolster gegen Ende hin wegen der nachlassenden Kondition wieder aufbrauchen würde. Als ich bei km 60 merke, dass ich meine Pace immer noch halten kann und damit eventuell sogar noch eine Zeit unter 8:15 möglich sein könnte, nehme ich mir vor auf den ebenen und den abfallenden Streckenteilen eine Pace um die 6:00 Minuten/km zu versuchen um dadurch die Verluste vom Gehen an den steileren Anstiegen wieder auszugleichen. Auch ja, dass habe ich bisher schamhaft verschwiegen. Auch ich bin bei diesem Lauf gegangen. Bereits an den ersten steileren Steigungen mußte ich feststellen, dass die Läuferinnen und Läufer in meinem Umfeld und damit wohl auch mit einem ähnlichen Leistungsvermögen bis auf ganz wenige Ausnahmen hier an den Steigungen gehen. Auch wenn es gegen meine Läuferehre ging, schien es mir als Neuling irgendwie doch sinnvoll zu sein, dem Beispiel der erfahrenen Rennsteigbezwinger zu folgen.

Am Großen Beerberg (etwa km 62) erreiche ich bei "Plänkners Aussicht" den höchsten Punkt der Strecke (973 m). Der Streckenposten weist darauf hin, dass es nun nur noch bergab geht. Bald weiß ich es besser. Es kommen mindestens noch 2 Anstiege, einer davon gefühlt über einen Kilometer lang. Ein 70-Kilometerschild ist mir nicht mehr aufgefallen. Als ich nach dem FR 305 schon deutlich mehr als 72 km gelaufen bin, spannt sich ein Bogen mit der Aufschrift "Nur noch 1086 m bis zum schönsten Ziel der Welt" über den Weg. Schreck laß nach! Ist jetzt trotz aller Leiden meine sub 8:15 wieder in Gefahr? Obwohl ich ohne Rücksicht auf die diversen Schmerzmeldungen meines Laufapparates schon seit einigen Kilometern andauernd an meinem Grenzbereich laufe, will dieser Lauf kein Ende nehmen und die Strecke scheint statt dessen immer länger zu werden. Endlich kommt doch noch das Ziel in Sicht und ich laufe an einem applaudieren Zuschauerspalier entlang durch den Zielkanal und über die Zeitmeßmatte.

Mein erster SM ist geschafft. Die Zeit? 8:11:35 = Wahnsinn. Wie für jeden Neuling war Durchkommen mein erstes Ziel. Da ich aber immer einen zeitlichen Anhalt brauche, hatte ich vorab mal eine sub 9 h, im günstigsten Fall eine sub 8:30 h angepeilt. In meiner AK M60 bin ich auf dem 11. Platz von 102 Finishern gelandet und damit mehr als zufrieden.

Die Organisation bewerte ich insgesamt gesehen als gut, wenn auch die Wege im Zielbereich für kaputte Läuferbeine recht lang sind, v.a. zum Bustransfer im Ortszentrum. Aber das läßt wohl bei den Gegebenheiten kaum besser machen. Verbessert werden sollte die Lösung mit den unbewachten Kleiderbeuteln auf der Wiese. Manche lagen richtig im Dreck. Ein paar Minuten Anstehen an der Shirtausgabe und beim Urkundendruck gehen bei solch einer Großveranstaltung in Ordnung. Die Lösung zum Duschen ist zwar einfach (Zelt zum Umkleiden und Holzhalle mit besserer Tröpfchendusche), erfüllt aber ihren Zweck problemlos. 50 - 60 Euro Organisationsbeitrag (Funktions-Finishershirt inclusive!) erscheinen mir verglichen mit anderen Veranstaltungen preiswert.

Auch ja, geregnet hat es am Samstag Nachmittag dann auch noch. Zu der Zeit saß ich aber bereits im Bus der uns zurück nach Eisenach brachte. Wir konnten dabei allerdings noch etliche Läuferinnen und Läufer auf der Laufstrecke sehen.


Vielen Dank fürs Lesen,

euer lauf_opa

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Danke für den emotionalen Bericht! Ich bin immer wieder begeistert, was Menschen, die deutlich älter als ich sind, zu leisten im Stande sind. Ihr seid alle meine Vorbilder!
Übrigens, die Dixis am Start befinden sich in Startrichtung links neben dem Startbogen im Hof einer Seitengasse. Das hatte ich zufällig am Vortag beim Abholen der Startunterlagen entdeckt.Weitere Tipps, z.B. zur Übernachtung, gibt es in meinem Bericht vom Rennsteiglauf Supermarathon 2013.

Viele Grüße,
Das Pulsmesser

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Respekt, was für eine großartige Leistung! :daumen:

Und dazu dein wirklich toller, interessanter und absolut lesenswerter Bericht- ich danke dir. :)
Lauftagebuch


Bild


"Herr Ringel meint, dass Max schlechter gerungen hat, als im Training und befürchtet Wettkampfangst."

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toole Leistung und toller Bericht !! Hab mich gestern definitive entschieden den SM 2014 zu laufen, hoffe mir läufts so gut wie dir.

Gruss der Schweizer

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Danke sehr lauf_opa für interessanten und informativen Bericht!

Starke Leistung! Ich habe mich auch für meinen ersten SM angemeldet. Dem entsprechend ist jede Erfahrung/Bericht von großer Interesse. Bin schon auf die Strecke und den Verlauf gespannt.

Gruß, Vladimir

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Hallo Vladimir,

dein Interesse an meinem Bericht und deine Rückmeldung haben mich sehr gefreut! Auch bei allen anderen möchte ich mich noch für das Lesen des Laufberichtes und die Rückmeldungen bedanken.

Der Rennsteig Supermarathon ist wirklich ein beeindruckendes Erlebnis. Da ich ungern darauf verzichten will, werde ich in meinem 3. Ultra-Jahr versuchen sowohl den SM als auch wieder die 100 Kilometer bei der Ulmer Laufnacht zu laufen.

Dir, Vladimir, und auch allen anderen Läuferinnen und Läufern wünsche ich noch ein gesundes und erfolgreiches Laufjahr 2014!


Grüße vom lauf_opa.
Aus gesundheitlichen Gründen (Hüft-OP, Leistenbruch-OP) seit 2018 leider keine längeren Läufe mehr.

2022: München Marathon: 4:08:58, 3. in M70

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Danke lauf_opa für die Antwort auf die Antwort! :)

Ich mache mir Gedanken über die Übernachtungsmöglichkeit. Wahrscheinlich werden wir zu viert anreisen. Tochter 25 und der Sohn 15 wollen HM laufen. Bei dem Sohn habe ich bedenken, ob Rennsteig HM nicht zu viel für einen 15 Jährigen ist. Aber der Junge drängt wie eine Lokomotive darauf. Er ist im Jahr 2013 ein paar 10er Wettbewerbe gelaufen.

Im Frühjahr, noch vor dem Rennsteig sind für ihn 2x 10 km Wettbewerbe geplant und in Würzburg wo ich auch Marathon laufe, will er seinen HM Debüt feiern.

Was das Übernachten angeht, danke an "Das Pulsmesser". Er hat in seinem Blog eine Übernachtung bei Elisabethgymnasium erwähnt. Das wäre für uns eine gute Möglichkeit. Nur werden wir dann noch schauen müssen, wie die Kids zu ihrem HM Start kommen.

Wir freuen uns schon in Voraus. Der Sohn brennt förmlich. Werde wohl alle Bedenken ausräumen müssen und ihn die Woche noch für das HM anmelden.

Viele Grüße, Vladimir

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Hallo Vladimir,

in meinem Fall sind die grundsätzlichen Möglichkeiten bezüglich Unterkunft und Transfer recht überschaubar.

Bei deiner "Laufgruppe" - Gratulation zu deinem sportlichen Nachwuchs - gibt es wohl eine Vielzahl von Möglichkeiten, jeweils mit entsprechenden Vor- und Nachteilen für einzelne Mitglieder der Gruppe. Aus eigenen Kenntnissen kann ich dir leider da nicht weiterhelfen.

Ich würde dir empfehlen hierzu ein eigenes Thema im Unterforum "Wettkämpfe und Laufveranstaltungen" mit dem Titel "Rennsteig-"Läufe" 2014; Unterkünfte und Transfers?" oder so ähnlich anzufangen. Ein paar Rennsteigveteranen mit einschlägigen Erfahrungen dürften dir hoffentlich weiterhelfen können.

Ich wünsche dir und deiner Laufgruppe schon einmal ein tolles Lauferlebnis am Rennsteig.


Grüße vom lauf_opa
Aus gesundheitlichen Gründen (Hüft-OP, Leistenbruch-OP) seit 2018 leider keine längeren Läufe mehr.

2022: München Marathon: 4:08:58, 3. in M70

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Ich würde in dem Fall in Oberhof ein Zimmer suchen (schnellstmöglich, sonst ist alles weg - Schmiedefeld hast du sowieso keine Chance mehr)
Für dich fährt dann 4:05 Uhr :geil: ein Busnach Eisenach und der Nachwuchs ist am Start.
Von Schmiedefeld gibt es bis abends einen Buspendel nach Oberhof zurück.
Da man aber unbedingt die Party am Abend in Schmiedefeld erleben muß, nutzt auch der letzte Bus um 19 Uhr nichts meh und man muß man von dort mit einem Taxi (stehen vor dem Festzelt rum) die 17 km nach Oberhof zurückfahren, falls man keine Fahrer hat.
Neue Laufabenteuer im Blog

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Die Variante in Oberhof zu übernachten ist wirklich ganz gut! Danke 10jorg61,

habe heute gut 30 Hotels aus Oberhof angeschrieben. Vier Absangen/Ausgebucht habe ich schon. Falls alles für die Zeit schon weg ist, werden wir auf die benachbarten Dörfchen ausweichen müssen. Ist auch nicht schlimm. Wir kommen ja mit dem Auto.

Egal wie es kommt, es wird klasse! :zwinker4:

Bei heutigem Lauf hatten wir viele Laufkollegen getroffen, bei dem schönen Wetter kamen die alle. Endlich mal nicht alleine auf der Stecke.

Viele Grüße, Vladimir
Antworten

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