Antracis hat geschrieben:
Der Hinweis auf die veränderten Resultate im Teilnehmerfeld der Marathone ist zwar interessant, hat aber einfach zu viele Einflussfaktoren, als dass einer von uns beiden seine Zeit damit verschwenden sollte, damit seine Argumentation zu stützen.
So schwierig finde ich das nicht. Es gibt imo zwei Hauptfaktoren für die Stärke der Läufer aus der guten alten Zeit:
1) Die bessere Grundkonditionierung der Läufer, die eben ohne Mamataxi, mit schlechterem ÖPNV und viel mehr Bewegung aufgewachsen sind.
2) Die höhere Trainingsbelastung der Läufer. (Warum das so war, dürfte nicht nur mit 1) zusammenhängen, sondern mit einer vielzahl von Faktoren, die erstmal aber nicht so wichtig sind)
Beides führt eben zu besseren Zeiten, auch durch weniger Energieverbrauch beim Laufen. Könnte durchaus dazu führen, dass weniger KH-Zufuhr nötig ist.
Man könnte auch noch anführen, dass mehr Läufer im Verein waren, von da schon gute Unterdistanzleistungen mitbrachten ... etc. Passt aber auch wieder zu dem Argument mit der aerob capacity.
So schlecht ist das Argument mit der "guten alten Läuferzeit" nicht.
Antracis hat geschrieben:
Ich hab etwas Überblick in dem Thema durchs Studium und berufliche Tätigkeit (Ich weiß, das befähigt nicht zum rechthaben...) und die von Dir vertretene Meinung stellt sich nach meiner Erinnerung in Ihrer Radikalität gegen die Mehrheit der Standardliteratur in Sachen Sportphysiologie. Und damit meine ich jetzt nicht Herrn Hottenrott und nicht nur deutschsprachige Autoren. Und das umzupusten, da reichen mir zwei Zitate aus einer Studie nicht für, und auch nicht der Kalkulator. Anderen hier reicht das offenbar und Mainstreammeinungen sind eh nicht populär in Foren.
Ach mainstreammeinungen sind unglaublich populär, auch hier ... da wird wirklich immer und immer wieder dasselbe nachgeredet, damit meine ich jetzt nicht dich. Aber die meisten lesen ein bis zwei Bücher und sind dann davon überzeugt, dass sei die Wahrheit.
Vielleicht hast du dich im Studium auch mal mit Wissenschaftstheorie beschäftigt. Vielleicht hast du auch schonmal zurückgeschaut und die Hypes der Sportwissenschaft samt anschließender Relativierung gesehen. Vielleicht hats du schon einem untersucht, was hinter "Ich weiß, das ich nichts weiß" steckt. Wenn nicht, wäre das vielleicht ratsam.
Denn gerade in der Sportwissenschaft haben imo viele Probleme zuzugeben, was bei vielen Fragestellungen am nächsten an der Wahrheit ist: "Genau wissen wir es eigentlich nicht. Es könnte so sein, aber auch anders." Das ist auch verstädnlich, man muss ja sein eigenes Gehalt und den Forschungsetat rechtfertigen ...
Beispiel: Etliche halten an der Laktatschwellentheorie und entsprechenden Leistungsdiagnosen fest, als seien das der Weisheit letzter Schluss, ob wohl es seit Jahren massive - völlig berechtigte - Kritik gibt. Die Zahl der Leistungsdiagnosen, von denen ich allein hier im Forum lese, bei denen entweder die Ergebnisse oder deren Interpretationen extrem fragwürdig sind, steigt jedes Jahr weiter. Auch Mehrheitsmeinungen aus der Standardliteratur werden häufig später von weiterer Forschung falsifiziert oder zumindest stark relativiert, das ist der Lauf der Wissenschaft.
Für mich gibt es - einen leider populären besonders in Deutschland populären -
pseudowissenschaftlichen Irrweg im Training. Man schaut zu sehr auf das, was man gerade im Labor messen kann, ob das jetzt lactat, vo2max oder was auch immer ist. Man schaut zu wenig auf die Interaktion zwischen verschiedenen Traininsgarten, auf die verschiedenen Läufertypen, auf die Psyche, auf das große Ganze.
Es gibt da eh einen großen Unterschied zwischen Trainer und Sportwissenschaftler. Mich als Trainer interessieren nur ganz wenige Athleten. Ich will nicht wissen, welches Training oder welche KH-Versorgung im Durchschnitt bei 100 Leuten einigermaßen wirkt, sondern, auf welches Training
meine Athleten gut ansprechen und welche KH-Versorgung die brauchen.
Bei mir selbst ist es z. b. einfach so, ich habe nie einen Hungerast oder ein Hammermann-Problem sowas, so lange ich anständig esse. Lange Einheiten sind muskulär hart, solange ich noch nicht gut genug trainiert bin. Wenn ich aber dann so weit bin, das ich das muskulär verkrafte, ist auch die Energie kein Problem. Und der von burny zitierte Satz aus der Studie liefert da eine sehr gute Erklärung, die zu mir passt.
Es gibt da auch diesen Trend, zu einfache Zuschreibungen vorzunehmen, und in dem Zusammenhang sehe ich manchmal auch die Kohlehydratversorgung:
verletzt im bereich der untren Extremitäten - klar falsche Schuhe
Krämpfe im Marathon - klar, zu wenig Salz/Mineralien
Der Hammermann kommt - klar, zu wenig KH aufgenommen
Dann gibt es noch das Wetter und was alles für Gründe. Kann ja alles auch mal sein, doch so klar ist das oft nicht. Und es fällt doch auf, dass gerne vermieden wird, die Ursachen im Training bzw. in unrealistischen Zielen zu suchen.
Gruß
C