So, da ist er, der superlange Bericht:
Nach meinem ersten Marathon letztes Jahr war ich so angepiekt, dass schon beim Zieleinlauf feststand: das will ich wieder.
Angemeldet für 2013 sobald es ging Glück gehabt mit der ersten "Welle". Trainingsstart nach dem HM Hannover, um die langen Läufe langsam aufbauen zu können. Und es lief...schleppend...
Sonst bin ich nie krank, dieses Jahr dann dafür mehrfach. Frau wird ja schlauer: statt weiter zu trainieren jedes Mal konsequent Pause gemacht. Und tatsächlich zahlte sich das aus. Trotzdem war es deprimierend, wenn mal wieder wie aus dem Nichts die Sehne unter dem Fuß muckte... oder eine Stimmbandentzündung mit Fieber mich 14 Tage aus dem Rennen nahm.
Ansonsten lief es im Training mit Höhen und Tiefen, mal war es viel zu heiß und ich brach den 30er schon nach 10 km ab, mal lief es einfach nur super und ich lief und lief und lief Die langen Läufe fielen mir dieses Jahr deutlich leichter, zumindest körperlich.
Ziel: gesund ankommen.
Wunschziel: schneller als letztes Jahr (5:13:X)
Utopisches Ziel: unter 5 Stunden.
Einige im Forum waren überzeugt, das klappt nach dem Training. Ich war überzeugt: nie im Leben.
Die Woche vorher war ich so nervös, konnte kaum schlafen, Kreislauf, Magen, alles bäh. Das wird von WK zu WK schlimmer, keine Ahnung warum.
Am Samstag sind wir dann morgens nach Berlin aufgebrochen, kamen prima durch und waren schon um kurz nach 12 im Hotel. Das Zimmer war auch schon fertig, Sachen hochgebracht und auf zur Messe, schnell die Unterlagen holen.
Erster Fehler: schnell. ;)
Erster Stopp an der U-Bahn -Himmerlherrgottnocheins, kein Kleingeld... und der Automat nimmt natürlich keine 20 € Scheine, die neuen 5er auch nicht... wieder hoch und bei H&M eine Fusselbürste gekauft, damit wir Kleingeld hatten
Nun aber fix los. Zweiter Fehler: Fix. Bahn kam und kam nicht.
Kurzfassung: durch den Pendelverkehr brauchten wir ewig. Aber immerhin mussten wir dieses Mal nicht schon vor dem Gebäude anstehen. Erst bei der Startnummernvergabe etwas Anstehen, aber das war ok. Beutel, Startnummer und Bändchen bekommen, Tshirt und Sleeves gekauft und wieder zurück.
Im Hotel noch ausgeruht und genau wie letztes Jahr die Inliner beobachtet. Und was zum Henker ziehe ich nun an? Die Entscheidung fiel auf mein derzeitiges Lieblingsshirt, die anderen 3 (ähem) landeten wieder im Koffer.
Abends zum Italiener. Die Nervosität war plötzlich weg. Sie kam aber wieder, ich verbrachte eine halbwegs schlaflose Nacht, die bereits um 3:30 Uhr zu Ende war. Kurz mit Det_Isse pn't, wann und wo wir uns treffen, dann zum Frühstück. Essen? Brrr, aber ohne Essen ist auch keine gute Idee. Nach der Erfahrung letztes Jahr nicht so viel getrunken , umgezogen und los Richtung Adlon. Meine Hüfte muckt, aber das hatte ich letztes Jahr auch, wird schon weggehen.
Hm, hoffentlich erkenne ich Det_Isse auch.... ah, ja, das da vorn, det musse sein
War das schön, eine so liebe "Leidensgenossin" zu treffen. Wir haben uns blendend verstanden und viel gelacht, das hat mir so viel Nervosität genommen -ich danke dir ganz ganz doll , jederzeit gern wieder!!
Mein Mann hat noch ein paar Bilder von uns gemacht, uns zum Startbereich gebracht und dann sind wir losgetigert, den Startbeutel wegbringen. Natürlich nach ganz hinten :o) aber wir hatten ja Zeit und so mussten wir nicht so lange im Startblock rumstehen. Also alles prima gelaufen.
Im Startbereich gings dann irgendwie ganz schnell -waren noch zweimal die Dixies besuchen, beim ersten Mal verschwand mein Hosenband. Hätte ich geahnt, dass das nicht das einzige ist, was verschwindet, hätte ich wohl alles nochmal fester verknotet...
Als wir langsam nach vorn gingen, aus den Überziehklamotten geschält.. und dann ging es auch schon los.
Start und PIEP, los geht's. Sentimental denke ich an letztes Jahr. War das toll... hoffentlich klappt es wieder so gut. Dummerweise schleppe ich immer noch jemanden mit: Herrn Selbstzweifel. Und der wiegt schwer!
Oh, da ist schon das schöne 1km-Schild - ha, das geht aber fix - Tempo anpassen, ja, passt fast. Auch wenn ich es mir nicht zutraute, wenigstens versuchen wollte ich es: mit 7er Tempo bleibt man knapp unter 5 Stunden.
Bis km 2 hab ich Det_isse noch gesehen, dann war sie im Gewusel verschwunden. Da ihre Zielzeit auch deutlich unter meiner lag, klar, ich bin eben Schnecke.
Und schon unter 40 km, geht doch! Der Bereich Rücken-Hüfte tut immer noch weh. Nun komm, locker dich schon!
Jedes Mal, wenn ein km-Schild in Sicht kam, das Tempo vorsichtig angepasst und halbwegs passend die Kilometer abgehakt. KM 3, 4, die Schilder scheinen regelrecht heranzurasen, und da ist schon km 5!
Die Berliner sind einfach toll: es war so viel los an der Strecke, überall Party, Kinderhände zum Abklatschen, Musik... Das die Leute sogar in meinem Zeitbereich noch an der Strecke stehen und den Läufern zujubeln, unbezahlbar.
Die Hüfte muckt. Irgendwas vom unteren Rücken zieht über die Hüfte in den Oberschenkel. Aua. Nun locker dich schon!
Hätte ich das mal nicht so oft gedacht. Es lockerte sich tatsächlich etwas, ohne, dass ich es zurerst merkte. Und löste sich dann ganz....
Ich habe sehr lange Haare und hatte einen Zopf - bis km 6 zumindest. Dann hatte ich keinen Zopf mehr. Plötzlich merkte ich, dass sich irgendwas komisch anfühlt. Super, Zopfgummi verloren, Haare lösen sich auf. "Toll" beim Laufen, stört so gar nicht...
Ich kam erstmal total aus dem Rhythmus. So ein Mist aber auch. Grummelnd suchte ich nach einem Ersatzhaarband, fand es irgendwann. Aber: im Laufen ging das Flechten gar nicht.
An die Seite und stehenbleiben. Zopf schnell neu flechten, wenigstens bis zur Hälfte, Gummi drum, richtig fest und weiter, etwas zügiger, aber nicht zu schnell werden.... ok, 22 Sek Verzögerung, dann noch 8 Sek und bei km 9 war ich wieder im Plan. Perfekt.
Das Tempo war moderat, immer wieder musste ich ein bisschen bremsen, aber es lief gut, bis auf die rechte Seite, die immer noch zog. Oh, schon 10 km. Und immer noch richtig gut in der Zeit, unter 1:10 sollte das sein und war es auch.
Noch kam mir das Tempo sehr langsam vor, aber die ganze Zeit dachte ich: wenn du ab km 35 noch kannst, kannst du immer noch schneller werden, mach langsam.
Das kann schwer sein, wenn die Muskeln sich so frisch anfühlen. Aber es ging.
Km 14 kam in Sicht, hey, das erste Drittel hast du! Die Beine fühlen sich an sich noch frisch an, aber die Hüfte, eieiei... das wird und wird nicht besser und zieht ganz schön. Schade, wie gut könnte sich das ohne den Schmerz anfühlen. Egal, weitergeht es.
Nur noch 28 km.
Die Stimmung war einfach toll. Die km-Schilder begannen, sich "richtig" anzufühlen. Statt "oh, wie jetzt, schon wieder ein Schild?" war es jetzt "Nächster km- passt".
Bei km 17 hinter mir zwei Frauen "ich höre beim Halbmarathon auf!" "Ich hab dir doch gleich gesagt, das geht nicht ohne Läufe über 20 km!" "Jaaa, ist ja gut, ich kann jedenfalls nicht mehr!" ...
Erstaunlich, wie viele schon vor 20 km gehen mussten -oder wollten? Warum muckt immer noch die Hüfte? Aua. Schöner Mist, tut ganz schön weh.
Ob das was wird mit unter 5? Hm, na, wenigstens unter 5:13. Komm schon, gleich hast du den Halben und dann sinds weniger km als du schon hast. Und 21 km schaffst du doch locker.
HM genau in der Zeit geschafft, die ich vor hatte. Immerhin.
Ich fing an, die Kilometer runterzuzählen. Unter 20 - das schaffe ich, so oder so. Aber langsam ist es anstrengend. Warum ist das jetzt schon so anstrengend? Km 22-24 sind mein Tiefpunkt. War ja ok mit dem Halben in dem Tempo, wenn der Rest halt langsamer ist... Beine schwer, Hüfte schmerzt, Motivation...naja.
So, jetzt reiß dich mal zusammen, das ist hier kein Training, das ist der Tag, auf den du hintrainiert hast, das darf anstrengend sein. Gegen ein bisschen "Beißen" hab ich nichts. Und kurz nach km 25 geht es mit einem Mal wieder.
Noch bin ich gut in der Zeit.
Aua, das Ziehen wird immer schlimmer. Wenn das nicht wäre, wäre alles chico, meine Beine sind tatsächlich wieder lockerer.
Ich konzentriere mich also auf das gute Gefühl in den Beinen und blende die Hüfte aus. Klappt.
Langsam stehen die Schilder weiter auseinander als 1km, eindeutig. Aber gleich bin ich bei 30 km, das ist doch schon mal eine Hausnummer. Und bei km 35 steht die "Motivationswand" - da freue ich mich drauf. Mein Mann hat mir etwas geschrieben, ich freue mich drauf.
Und schon sinds nur noch 12 km, drei kleine Runden, das ist doch nichts. Hüstel, naja, fast nichts. Tempo? Passt.
Ganz langsam schleicht sich der Gedanke ein, dass ich wirklich unter 5 Stunden ankommen kann, wenn das so weiter geht. Und jetzt möchte ich nicht mehr langsamer werden, nichts da. Sch... auf die Hüfte, komm schon, das Tempo kannst du halten.
Und tatsächlich, ich komme sogar etwas schneller voran als vorher, plötzlich bin ich im einstelligen Kilometer-Bereich. Bei KM 35 freue ich mich über die Nachricht. Toll, dass das so gut geklappt hat. Es motiviert mich so sehr und nur noch 7!
So langsam stehen die Kilometerschilder aber weit auseinander. 1km? Nenene, der Weg ist viiiiel weiter! ich gucke nicht mehr auf meine Uhr, ich laufe nur noch. Immer mit Blick auf das nächste Schild, was einfach nicht kommt.
Km 36, 37, 38... komm, noch 4! Eine kleine Runde noch! Jetzt lauf schon! Auaaa, das zieht rechts.
Wo ist das besch.... nächste Schild? so schnell ändert sich das. Noch 3 km und ich kann noch, ich schaffe das ....ah, ich schaffe das unter 5 Stunden!!!! Ein Blick auf die Uhr hat mir gerade gesagt, wenn ich jetzt nicht gerade krabbele, dann wird das was.
2 km noch - und hey, hier waren wir doch gestern essen und sind nachher wieder da...
So, komm, noch ein Schild und dann siehst du das Brandenburger Tor, jetzt nur nicht langsamer werden. Und hier kam dann die partielle Blindheit. Ich habe keine Ahnung, wo das verdammte Schild war, ich hab es nicht gesehen, km 41 gab es bei mir nicht.
Zum Glück kannte ich ja den Weg aus 2012 und wusste, die eine Kurve noch, dann nur noch geradeaus.
Unter den Linden - ich bin gleich da! Und vor dem Brandenburger Tor wartet mein Mann... gleich... rechts, und: ja, da ist er! Freudestrahlend winke ich rüber und bin auch schon vorbei. Durch das Tor laufen, nur noch ein paar Meter. Gerade jetzt läuft "an Tagen wie diesen" und ich kann das voll unterschreiben.... so könnte das bleiben!
Superglücklich laufe ich ins Ziel, Arme hoch, strahlend. FR gedrückt, weitergehumpelt. Gehumpelt? Ja, aua, meine Hüfte.
Ach, egal, was solls, ich hab es geschafft. Unter 5!!! Ich kann es nicht fassen, ein Tränchen läuft mir über die Wange, aber ich bin so glücklich und stolz auf mich. Medaille, Folie, Foto...
Die Voraburkunde sagte mir dann: 4:52 - eine Zeit, die ich niemals für möglich gehalten hätte.
Splits
5 km 06:57
10 km 06:59
15 km 07:00
20 km 07:02
Half 06:53
25 km 07:05
30 km 06:59
35 km 06:54
40 km 06:53
Finish 06:31
Wer auch immer mir den Tipp gegeben hatte hier im Forum "km-Schild sehen und Tempo sanft (!) anpassen" -1000Dank...
Ja, eigentlich logisch, aber man kommt manchmal nicht auf die einfachsten Sachen . Aber damit hat es tatsächlich mal fast geklappt mit dem Tempo halten.
Ok, dieses Mal tat mir hinterher wirklich einiges weh, meine Oberschenkel hatten gefühlt den Umfang von Fässern, aber dieses tolle Gefühl - einfach unglaublich aber sooo gut.
Berlin 2013 war für mich einfach nur toll. Die Hüfte zieht noch, ich bin müde wie selten, aber immer noch ganz stolz auf mich.
Nur einen einzigen Nachteil hat das Ganze: wie soll ich das je wieder schaffen?
Berlin Marathon 2013
1Das größte Vergnügen im Leben besteht darin, das zu tun, von dem die Leute sagen, du könntest es nicht. (Walter Bagehot)
"Ist der Marathon für Frauen etwa auch 42,2 km lang?" (Überraschter Kollege im Büro)
"Ist der Marathon für Frauen etwa auch 42,2 km lang?" (Überraschter Kollege im Büro)