Banner

"Marathon ohne nennenswertes Training" - Erfahrungsbericht

"Marathon ohne nennenswertes Training" - Erfahrungsbericht

1
Da in dem Thread ein Interesse bestand auch mal einen Bericht über die praktische Ausführung dieser "Dummheit" zu lesen, werde ich euch von an dieser Erfahrung teilnehmen lassen.

Zu mir, ich laufe, mit einer etwa 3 monatigen verletzungsbedingten Pause im letzten Herbst, seit gut 2 Jahren, normalerweise zwischen 20 und 35 WKM. Weniger aus Faulheit, als aus Verletzungsanfälligkeit am Knie. Bin beispielsweise den ganzen Sommer über täglich für 1-1,5 Stunden ins Fitnessstudio gegangen, damit, und dem Laufen, komme ich auf mehr Stunden Sport die Woche wie manch Ultraläufer, schätze ich einfach mal ins Blaue hinein :D
Vor 6 Wochen habe ich an einem Berglauf über 28km mit 1200hm teilgenommen. Auch eine ansich blöde Idee, nachdem ich während meiner Laufkarriere ganze 4 Läufe mit über 100hm absolviert habe. Bei Kilometer 22 und nach knapp 3 Stunden war der Akku leer und für die restlichen 6 Kilometer habe ich eine Stunde benötigt.
Da ich aber eher der Typ der lieber im Ziel halbtot eingeht und 1 Woche nicht gehen kann, anstatt lächelnd mit der Kraft für ne weitere Stunde Lauf finished, war ich wieder geil auf Wettkämpfe.
Ein paar Tage später habe ich mit einem Freund das Internet nach kommenden Veranstaltungen durchsucht und dabei sind wir auf den München Marathon gestoßen, Halbmarathon war schon ausgebucht, also scheiß drauf, und für den Marathon angemeldet.

Noch 5 Wochen Zeit, wir beschließen einen 25er und zwei 30er in den folgenden Wochen zu laufen und die Wochenkilometer auf mindestens 50 zu erhöhen. Dabei wollte ich von meiner Seite aus maximal 3 Einheiten die Woche absolvieren, aus den erwähnten Knieproblemen. Kurz angemerkt, der letzte Lauf über 15 Kilometer (den Berglauf und die zwei "Vorbereitungsläufe über etwa 17 Kilometer ausgenommen) ist 1,5 Jahre her.

Letztendlich lief ich zwei mal 24 Kilometer und einmal 28 Kilometer in einer Pace um die 6:30. Nach allen drei dieser Läufe war ich ziemlich geschafft, meine beiden Knie schmerzten, die Oberschenkel brannten nach 28 km so sehr, dass ich beim folgenden nicht in der Lage war zu stehen.
Außerdem musste ich nach danach ein Tempolauf ausfallen lassen, weil ich 4-5 Tage schon beim Gehen Schmerzen hatte.
Ansonsten war ich mit den Tempoläufen allerdings ganz zufrieden, eine Pace von 5:20 bis 5:50 über 8-13 km ist mMn okay für eine angepeilte MRT Zielzeit von 4:15.

Die erste direkte Vorbereitung für den Wettkampf Sonntag war den Schlafrhythmus umzustellen. Als momentan arbeitsloser Abendschüler schlafe ich durchschnittlich von 6 Uhr morgens bis 2 Uhr nachmittags, das galt es ab Donnerstag auf etwa 23:00 - 7:30 zu korrigieren. Damit war ich übrigens verdammt erfolgreich, ich konnte am Samstag um 9 Uhr abends schlafen gehen, was ich wohl nüchtern seit 10 Jahren nicht mehr gemacht habe.

Am Wettkampftag hatte es morgens 7 Grad. Ich entschloss mich mit kurzen Tights und kurzärmlich + Gilet zu laufen. Ein Fehler, quasi mit dem Startschuss brach die Wolkendecke auf und es hatte gefühlte 25°C in der Sonne.

Die erste Hälfte des Rennens verlief ereignislos. Mein Kollege und ich hatten uns an die Pacemakerin für 4:15 angehängt, die ein schön konstantes Tempo lief. Im Grunde genommen war dieser Teil einfach nur fad, ebenso wie das meiste des Streckenverlaufs.
Ab da und spätestens nach etwa 25 Kilometer spürte ich langsam, dass es nun härter wird und immer öfter blickte ich auf meine Uhr, immer länger erschienen mir die Abstände der Kilometertafeln. Ab Kilometer 28-30, ich erinnere mich nicht mehr genau, war mir dann klar, die 4:15 schaffe ich nicht. Innerhalb von 10 Kilometern veränderte sich meine Stimmung von Euphorie zu Verzweiflung. Auch wenn 12 Kilometer nicht lange sind, mir wurde, so deutlich wie in den vergangenen 6 Wochen nicht mehr, klar, dass auch 2 Kilometer die Hölle sein können.
Ich begann zu rechnen. Wie schnell muss ich laufen um das alternative Ziel von 4:30 zu erreichen? Was ist die Pace um unter 5 Stunden zu bleiben, welche wie wir wissen, ja kein Marathon mehr sind?
Noch konnte ich in der Gruppe bleiben, die sich über die letzten Kilometer schon verkleinert hatte. Bei Kilometer 33 dann war endgültig Schluss. Wer weiß, wäre es Kilometer 40, ich wäre eventuell weiter dran geblieben. Aber die Schmerzen in den Beinen, die Erschöpfung, die Hitze und die Psyche ließen mich abreißen. Es fühlte sich an als läufe ich gegen einen starken Gegenwind, nur leider ohne die damit verbundene Abkühlung.

Kurz darauf legte ich die erste Gehpause ein. Mehr und mehr Leute taten mir gleich und so war ich sogar in der Lage andere zu überholen. Etwa 100-200 Meter nach jedem Kilometerschild beschloss ich. Und ich rechnete wieder, jetzt mit dem unbedingten Ziel vor dem 4:30 Ballon ins Olympiastadion einzulaufen. Ich dachte an die Medaille und Motivationssprüche wie "Pain is weakness leaving the body".
In dem Stil ging es weiter bis etwa Kilometer 40, die Stimmung wurde wieder besser. Mein Plan ging auf. Die kurzen Gehpause kosteten zwar Zeit, aber die 4:30 schaffe ich, das wurde mir mehr und mehr klar, auch wenn ich inzwischen das kleine 1x1 nicht mehr beherrschte.
Nun keine Pausen mehr, jetzt heißts beißen, die gut 10 Minuten gehen, jede Sekunde die ich gewinnen kann zählt. Auch bei meinen Mitläufern sieht es ähnlich aus, das Feld wird wieder schneller. Bei Kilometer 41 höre ich eine Motivationsansprache, "nur mehr 1,2 Kilometer, es geht bergab!", oder so ähnlich. Zumindest zweites konnte ich zwar nicht nachvollziehen, aber seinen Zweck erfüllte es trotzdem. Der 43. Kilometer beginnt auf meiner Uhr. Letztendlich werden es 42,51, den letzten drücke ich auf eine 4:xx und ich überquere schließlich mit einer Zeit von 4:25:32 das Ziel.

Fazit: Bin einerseits glücklich, ich hab den Marathon gepackt, ein vor 2 Monaten noch utopisches Ziel. Die Zeit ist okay, aber auf der anderen Seite denke ich darüber nach ob nicht doch noch mehr drinnen gewesen wäre, wäre ich langsamer gestartet. Oder wäre nicht doch noch mehr auf den letzten 9 Kilometern möglich gewesen?
Aber eines kann ich ganz bestimmt sagen, die Entscheidung teilzunehmen war sicher kein Fehler.

2
Glückwunsch :-) ... und dann auch noch die Energie aufgebracht hier direkt zu berichten, vorbildlich ;-)

Wie heißt es immer so schön: Es gibt nur ein richtiges Tempo, das eigene! :-)

LG Manfred
Antworten

Zurück zu „Laufberichte“