Hallo an alle,
ich lese hier mal wieder eine sehr interessante Diskussion.
hepp78 hat geschrieben:
Ich denke auch bei McMillan kann man hoffnungslos überziehen wenn man die riesige Pace Range der Easy Runs sieht.
Man kann in jedem Plan leicht überziehen, wenn man
1) die Prinzipien hinter dem Plan nicht verstanden hat, akzeptiert und berücksichtigt
2) nicht genügend „auf seinen Körper hört“ bzw in der Lage ist, die Signale des Körpers zu verstehen und darauf zu reagieren d. h. gegebenfalls auch den Plan bzw dessen Umsetzung zu ändern.
3) nicht berücksichtigt, dass der ganze Mensch mit Physis, Mentalität und Psyche trainiert und läuft und extreme individuelle Unterschiede in all diesen drei Bereichen vorhanden sind, wir brauchen also eine holistische Perspektive
Mal zunächst zu 1)
Bei vielen der großen amerikanischen Namen ist Lydiard ein großer oder der größte Einfluss. Die Pace- bzw Effort Angaben Lydiards sind nicht einfach zu verstehen, aber die meisten erfolgreichen Interpreten haben dazu in erster Linie zwei Sätze zu sagen: „Run by feel“ und „Let the pace come to you.“
Darum geht’s. Die Pace eines easy runs legen wir nicht am Vortag und auch nicht am Anfang des Laufs fest, sondern sie ergibt sich. Das ist die Idee. Die geht aber natürlich davon aus, dass ein Minimum an Körpergefühl vorhanden ist (daher Punkt 2.) Und im Zweifelsfall sollte man eher etwas langsamer beginnen, denn steigern können wir immer noch und das ist für die Psyche viel besser. („Am Anfang haben wir uns im 5er schnitt eingerollt dann laufen lassen und nicht mehr auf die Uhr geschaut und waren am Ende überrascht, dass die letzten km im 4‘30er Schnitt waren“ ist besser als "Zu schnell los gelaufen und dann wollte ich das Tempo unbedingt halten, am Ende war der Lauf deutlich härter als geplant)
Um nicht zu überziehen, brauchen manche Läufer mehr Infos, andere weniger. Das muss man mit Trial and Error herausfinden. Ich tendiere dazu, so selten wir möglich auf die Uhr zu schauen und so viel wie möglich nach Gefühl zu laufen.
Für Läufer mit dem Körpergefühl eines Betonklotzes wurden dann kompliziertere Trainingssysteme entwickelt, so wie das ein Teil der dt. Sportwissenschaftler propagiert, da gibt es dann eben nicht einen großen Bereich für die lockeren Läufe, sondern drei, vier, fünf oder noch mehr und alles schön per Pulsuhr kontrolliert. Am Ende kann das ein gutes Belastungsgefühl kaum ersetzen.
Also für McMillan, Daniels und Pfitzinger denke ich ist dieses „run by feel“ Prinzip umsetzen zu können extrem wichtig.
Und am Ende gilt das auch für die Tempoeinheiten. Es geht immer um die Anstrengung im Kontext des Erholungsgrades und der Bedingung, nicht in erster Linie um absolute Zeiten.
Canova teil ja in „internal load“ und „external load“ ein. Internal Load ist eben nach (gefühlter) Belastung und sehr veränderlich. So läuft jemand z. B. womöglich am Anfang einer Phase 5km TDL in 20 min und in der nächsten in 19:10 min aber die internal load ist diesselbe.
External Load ist eben: Ziel Sub3 also 4‘14 MRT und davon alles ableiten.
Im Profibereich muss irgendwann Richtung Saisonhöhepunkt auf „external load“ umgestellt werden, denn ist gibt Qualizeiten und Leistungsbereiche, die für Teilnahmen an bestimmten WK nötig sind.
Im Hobbybereich dagegen kann es ein Fehler sein, früh eine Zielzeit festzulegen und davon nahezu alle geforderten Trainingsleistungen abzuleiten, also früh auf „external load“ umzustellen. Stattdessen ist es vielleicht eher sinnvoll zu sagen: „Ich möchte in den nächsten 3 Monaten mit meinen Ressourcen und Möglichkeiten den bestmöglichen Marathon vorbereiten, wie schnell dass dann wird werde ich sehen.“ Irgendwann wird man natürlich eine Zielzeit in den Kopf kriegen, aber das muss ja nicht ein halbes Jahr vorher klar sein.
Gruß
C (Mal wieder auf dem Weg zum regelmäßigen Läufer)