Ich habe mir heute morgen einige Gedanken dazu gemacht, ob ich mich zu den Kommentaren von Rolli äußern soll – und wenn ja, auf welche Art und Weise – oder ob es am besten ist, so etwas einfach zu ignorieren. Mir ist die Absicht hinter solchen Beiträgen nämlich ehrlich gesagt schleierhaft. Ich kann es mir aber auch nach reiflichem Überlegen fast nicht anders erklären, als dass er mich damit einfach schlechtmachen will. Weshalb irgend jemand so etwas tun sollte, verstehe ich aber nicht und werde ich vermutlich auch nie verstehen. Dazu glaube ich einfach viel zu sehr an das grundsätzlich Gute in jedem Menschen.
Von daher frage ich mich natürlich trotzdem: Wenn ich davon ausgehe, dass Rolli der Meinung ist, dass er mit seinen Beiträgen etwas Gutes tut, wo kann dann das Problem und/oder Missverständnis liegen? Und der für mich einzig logische Schluss: er kennt mich, meinen Hintergrund und meine Denkweise zu wenig, als dass er das was ich tue richtig einschätzen könnte. Das kann ich nun entweder Rolli vorwerfen (er hätte ja mal fragen können, bevor er mich beschuldigt) oder ich überlege mir, ob es möglicherweise auch anderen hier so geht, dass sie mich meiner Meinung nach falsch einschätzen, weil ich so wenig von mir preisgebe, dass diese Gefahr besteht. Wenn ich ganz ehrlich bin komme ich zu der Antwort, dass dies tatsächlich möglich ist. Ihr wisst ja wirklich sehr wenig von mir. Deshalb hier jetzt einfach mal ein wenig zu mir. Ich hoffe, das kann dazu beitragen, dass ihr dadurch besser versteht, warum ich so bin wie ich bin.
Ich werde in etwas mehr als einem Monat 42, bin Schweizer, wohne aber seit ziemlich genau 5 Jahren in Bielefeld. Ich bin hierhergezogen, weil meine Freundin hier lebt, wir davon schon knapp 3 1/2 Jahre lang eine Fernbeziehung geführt haben und es für mich zu dem Zeitpunkt deutlich einfacher war umzuziehen als es für sie gewesen wäre. Ich habe als ich hierher gezogen bin ein Informatikstudium begonnen, dieses jedoch nach einem Jahr abgebrochen und habe stattdessen auf Sportwissenschaft gewechselt. Wenn nichts komplett Unvorhergesehenes dazwischenkommt werde ich in einigen Wochen den Bachelor haben.
Die Entscheidung zu wechseln ist mir nicht gerade leicht gefallen, da mir durchaus bewusst ist, dass aus finanzieller bzw. Karriere-Sicht ein Informatikstudium sicher die objektiv gesehen bessere Wahl ist. Allerdings habe ich die letzten 20 Jahre schon viele Entscheidungen im Hinblick darauf getroffen, was "vernünftiger" ist und viele Dinge nicht durchgezogen, weil ich nicht wirklich davon überzeugt war, wenngleich da natürlich auch noch andere Faktoren mit reinspielten. Das ist wenig hilfreich, wenn man immer einer der besten in der Schule war (ohne großen Aufwand) aber irgendwann der Einzige ist, der "noch nichts erreicht hat im Leben". Wenn dann noch eine gewisse Veranlagung dazu kommt, sich immer zu hinterfragen und an sich selbst zu zweifeln, hilft das auch nicht gerade.
Warum ich jetzt also Sportwissenschaft studiere? Weil ich vor mittlerweile gut 6 Jahren mit dem Laufen angefangen habe. Und da ich wenn ich etwas mache, das auch
richtig machen will, habe ich angefangen, mich ins Thema einzulesen. Einerseits im Internet, andererseits mithilfe von Büchern. Am Anfang waren das einige wenige (Steffny, Daniels, Magness, Noakes), in denen es sehr direkt um das Laufen an und für sich ging. Im Laufe der Zeit wurden es jedoch immer mehr und die thematische Breite nahm auch immer weiter zu. Vom Laufen ging es zu Trainingswissenschaft und Physiologie, dann kamen Dinge wie Sportpsychologie hinzu, dann Psychologie ganz allgemein sowie Bücher zu Coaching, Lernen, Medizin, Biomechanik, Krafttraining, Geschichte, Soziologie, Management, Philosophie, Statistik usw. Hier mal ein halbwegs aktuelles Foto von einem Teil meiner Bücher (die meisten haben einen zumindest indirekten Bezug zum Sport):
Natürlich kamen viele dieser Bücher auch erst im Laufe des Studiums dazu. Nicht, dass sie dafür nötig gewesen wären. Aber habe ich schon erwähnt, dass wenn ich etwas mache, dann
richtig?
Jedenfalls habe ich – nach reiflicher Überlegung – entschieden, dass das Laufen (und der Sport) das ist, mit dem ich in welcher Form auch immer mein Geld verdienen will. Deshalb habe ich mal ausnahmsweise nicht das getan, was vernünftig ist, sondern mich für etwas entschieden, für das ich wirklich brenne.
Dass ich einen für diesen Bereich völlig untypischen Hintergrund habe, sehe ich dabei – außer in schlechten Momenten, die wohl jede*r kennt – mittlerweile nicht mehr als Schwäche und Nachteil an, sondern vielmehr als etwas, das mich einzigartig macht und mir eine andere Sicht auf die Dinge ermöglicht. Dass es immer Leute geben wird, die mehr daran interessiert sind, ob jemand über den "richtigen" Lebenslauf verfügt, ohne dass sie sich für die Person hinter den Erfahrungen (oder nicht) als Athlet und dem geradlinigen (oder eben holprigen und kurvigen) Karrierepfad interessieren, damit kann ich mittlerweile ebenfalls gut leben. Insofern hat mir das Laufen bzw. der Sport auch dabei geholfen, mich so zu akzeptieren wie ich bin, ohne mich ständig mit anderen vergleichen zu müssen, die trotz offensichtlich weniger guten Voraussetzungen viel mehr "erreicht" haben (was auch immer das heißen mag).
So habe ich die letzten vier Jahre praktisch jede freie Minute damit verbracht, entweder im Internet oder Büchern zu lesen, Videos zu schauen, Podcasts zu hören, Konferenzen im In- und Ausland zu besuchen und ganz allgemein im Studium und außerhalb dieses möglichst viel zu lernen. Das geschah und geschieht teilweise auch auf Kosten der Zeit mit meiner Freundin (oder der Zeit, in der ich etwas im Haushalt hätte machen können/sollen), was mir wirklich leid tut.
Ich arbeite noch daran, da die richtige Balance zu finden.
Jedenfalls habe ich dabei ehrlich gesagt auch verdammt viel über mich selbst gelernt und warum ich so bin und mich so verhalte, wie ich es tue – was nicht immer einfach war. Aber ich bin überzeugt davon, dass man nur wenn man sich selbst
wirklich kennt (und mit sich selbst im Reinen ist) auch andere optimal unterstützen kann. Und darum geht es im Endeffekt, egal was wir tun. Das war für mich jedenfalls eine der Haupterkenntnisse der letzten Jahre und das ist auch etwas, was für mich die besten Coaches und allgemein die "erfolgreichsten" Personen in vielen Bereichen auszeichnet.
Was mir zudem auch wieder klar geworden ist: Die Allerbesten sind sich ganz genau bewusst, wo ihre Grenzen liegen und was und wie viel sie nicht wissen. Das ist etwas, das ich lange Zeit als Schwäche angesehen habe. Man gibt doch nicht zu, wenn man etwas nicht weiß. Dabei ist das völlig idiotisch, wie soll man so etwas lernen? Deshalb ist mir auch absolut klar, dass ich noch so viel theoretisches Wissen ansammeln kann, ohne die praktische Erfahrung und die Möglichkeit, die Theorie mit der Praxis zu verknüpfen ist dieses – je nach Karrierepfad – nicht viel wert. Denn dass dieses theoretische Wissen auf einem durchaus respektablen Stand ist wurde mir u.a. auch von einem Bundestrainer im Laufbereich bestätigt, bei dem ich mein zweimonatiges Praktikum im Rahmen des Studiums absolviert habe.
Was mir also fehlt ist hauptsächlich die Erfahrung und diese zu sammeln, daran arbeite ich. Einerseits mit dem Coaching, das ich aufgrund der Aktion machen kann, die ich hier im Forum gestartet habe. Andererseits habe ich auch den Online-Teil des C-Trainerscheins absolviert, auch wenn ich den (Präsenz-) Lizenzkurs erst nächstes Jahr werde besuchen können. Wenn nun also jemand das Gefühl hat, dass ich (noch) über zu wenig praktische Erfahrung verfüge, so kann ich dem absolut zustimmen. Und das ist ja auch allen klar, mit denen ich zusammenarbeite. Dass dabei Fehler passieren werden: völlig normal. Wer etwas anderes behauptet lügt meiner Meinung nach oder macht sich etwas vor. Ich werde aber selbstverständlich alles mir mögliche dafür tun, dass sich diese möglichst nicht nachhaltig auswirken und auch nicht wiederholen. Denn am Ende geht es mir einfach nur darum, anderen möglichst gut helfen zu können dabei,
ihren Weg zu gehen (oder diesen teilweise auch erst zu entdecken), wie auch immer der aussehen mag.
LG
Alain