854
von Edd Laddix
Guden Tach!
Ich möchte mich jetzt nach gut 10 Wochen Forums-Abstinenz doch mal wieder melden und berichten, wie es mir so ergangen ist. Hab gerade mal meinen letzten Eintrag gelesen; mir war gar nicht mehr in Erinnerung, dass ich in KW 18 bereits den Fuß vom Gas genommen hatte, wegen der Kniebeschwerden. Ich bin dann in KW 19 noch 21,1 km und 15 km gelaufen, bevor ich in mein Lauftagebuch für 3 Tage in Folge „Pause wg. Knieschmerzen“ schrieb, innerhalb derer ich einen Termin beim örtlichen Knie-Guru vereinbarte.
Jetzt war ich an den Punkt gekommen, an dem es wirklich begann, keinen Spaß mehr zu machen bzw. an dem der dauernde Knieschmerz die Freude am Laufen nahezu vollständig auffraß. Hinzu kam die Sorge, dass ich mir oder meinen Kniegelenken nur weiter damit schaden würde. Es fühlte sich verdammt ungesund an, nach einer Menge lose umherschwappendem Gerümpel, nach kaum noch Stabilität im Knie und völlig unzureichend ausgebildeter Oberschenkelmuskulatur. Zum ersten Mal seit meinem ITBS, Ende 2014, hatte ich das dringende Bedürfnis, bei einem Experten vorstellig zu werden, der mir ganz unverblümt sagt, was hier Sache ist. Ich war auf alles gefasst und blickte schon auf mögliche sportliche Alternativen für die Zukunft, sollten die Daumen der Orthopäden entschieden nach unten zeigen.
Wenige Tage später hatte ich bereits meinen Termin beim Kniespezialisten. Der mag zwar einen sehr guten Ruf haben, was das Ergebnis seiner operativen Eingriffe im Kniebereich angeht, meine Leidensgeschichte, Erfahrungen und Ansichten darüber, wie es evtl. zu meinem Knieleiden gekommen sein könnte, interessierten ihn aber nicht die Bohne. Er machte kurz die üblichen Checks und zeigte mir, wo bei mir an der Knieinnenseite die Plica zu spüren ist. Er fragte, ob ich da ab und zu mal Schmerzen hätte, gerade nach längerem Sitzen, was ich verneinte. Meine Schmerzen sind eher lateral und maximal noch mittig hinter der Patella, aber nicht medial. Das schien er allerdings nicht so wirklich glauben zu wollen, wie sich etwas später rausstellen sollte.
Na ja, erstmal schnell zum praxiseigenen Röntgen geschickt, um 30 min. später eine weitere Audienz beim Maestro zu bekommen. Der warf sich die Röntgenbilder auf den Schirm, murmelte irgendwas vor sich hin und ich fragte: „Na, sehen Sie da schon etwas?“. Er lachte nur kurz überheblich und murmelte sowas wie: „Nee, zum Glück nicht, dann hätten Sie Arthrose“. Aha, gut, dachte ich, es ging jetzt hier also lediglich erstmal darum, eine Arthrose auszuschließen - ok! Dann zückte er zwei bis drei zusammengetackerte aus einem orthopädischen Fachartikel herauskopierte DIN-A4-Seiten und markierte mit einem Textmarker einige scheinbar relevante Stellen. Also, zusammenfassend: kurz abgetastet, an der Plica rumgespielt, mich gefragt, ob ich da ab und zu Schmerzen hätte, speziell nach längerem Sitzen, was ich verneinte, Röntgen ohne Befund auf Arthrose, Diagnose: Schelfsyndrom.
Schien mir bis dahin erstmal nicht ganz so plausibel, aber ok und er schickte mich dann nach kurzem Anruf auch umgehend in das um die Ecke gelegene Radiologiezentrum zum MRT für beide Knie. Sowohl das bisherige Röntgen als auch vor allem das MRT kamen mir natürlich sehr gelegen. Nichts interessierte mich erstmal mehr als Bildgebung, um zu sehen, wie die Lage da drin so ist. Ich kam recht schnell dran und hatte nach dem Gespräch mit dem Radiologen auch schnell eine Ahnung vom Zustand meiner Knie. Bis auf einen kleinen, wenn auch tiefen Knorpelschaden sowohl rechts als auch links außen auf beiden Seiten, ist hier nichts Auffälliges zu sehen. Die Abnutzung der Knorpelflächen und der Zustand der Menisken entspricht absolut der eines 42-jährigen, die Plica ist unauffällig, kein Hinweis auf Medial Shelf, der Hofasche Fettkörper ganz leicht entzündet, Bänder alle top.
Mit diesem MRT-Befund bin ich dann aber nicht mehr ein drittes Mal zum Guru - er sagte ich solle einfach in der Folgewoche nochmal bei ihm reinschauen -, sondern ging gleich zu einem anderen, einem privat Niedergelassenen, der die Zeit hat und hoffentlich die Bereitschaft zeigt, seinen Patienten zuzuhören. Den hatte ich schnell gefunden und bekam umgehend einen Termin. Ihm konnte ich in aller Ruhe alles erzählen, wovon ich glaubte, dass es für seine Beurteilung meiner Situation relevant sein könnte, er hörte interessiert zu und stellte gezielt Zwischenfragen. Ne ganz andere Nummer. Er schaute sich den MRT-Befund an, erklärte mir nochmal, was das alles bedeutet und was es für mich und die Lauferei zu heißen habe. Er sagte, dass es keinerlei Grund für einen Eingriff gebe und auch keine Notwendigkeit bestehe, mit dem Laufen aufzuhören.
Ich erklärte ihm u.a., dass ich seit je her eine Dysbalance in der Beweglichkeit beider Hüften spüre und zwar beim Dehnen sowie beim Laufen und dass ich mir gut vorstellen könne, dass hier mitunter eine Ursache für Schmerzen in allen möglichen Bereichen liegen könnte. Er schaute sich das an und stimmte mir zu, dass hier etwas nicht ganz im Lot sei. Er empfahl mir, auch die Hüfte beidseitig noch röntgen zu lassen, um eine bereits beginnende Arthrose hier auszuschließen. Wäre der Befund hier positiv, müsste er mir allerdings ehrlicherweise davon abraten, das Laufen in dem bisherigen Maße fortzuführen. Zum Glück ist hier aber alles in Ordnung.
Ja, die genaue Ursache für die Schmerzen ist jetzt immernoch nicht gefunden. Die kleinen Knorpelschäden können es eigentlich nicht sein, meinte er. Nachdem er mich auf meine schiefe Beinstellung ansprach, fragte er noch, was ich von Einlagen halte. Er meinte, man könnte hier etwas korrigierend eingreifen und damit den Druck auf die Kniegelenke ein wenig zu nehmen. Ich sagte ihm, dass ich Einlagen zu Hause rumfliegen habe, zudem noch sensomotorische, die mich einen Haufen Geld für nichts gekostet haben. Die hatte ich damals - auch in 2014 - mal gegen meine AS-Probleme bekommen und konnte sie nie tragen, weil der Experte im Sanitätshaus es nicht hin bekam, die Teile so zurecht zu schleifen, dass ich ohne Schmerzen an den Fußsohlen auch nur darin gehen konnte. Die AS-Symptome sind irgendwann auch ohne diese überteuerten Dinger weggegangen.
Ich sagte ihm also, dass ich lieber fundamental daran arbeiten würde, mehr Muskulatur aufzubauen, um hierüber eine Stabilisierung zu erreichen, was er auch sofort einsah. Er verschrieb mir 20 Physiostunden, wovon ich bisher 5 hinter mir habe. Ich habe dem Phsyio, ähnlich dem Orthopäden erstmal meine Story gedrückt, um ihm einen Eindruck davon zu geben, mit wem und was er es zu tun hat. Ich bin mir bis heute nicht ganz sicher, ob er sich ein ordentliches Gesamtbild von der Situation machen konnte, sprich, ob er weiß, was es bedeutet, mit meiner Statur, in meinem Alter, mit meiner Lauferfahrung etc., hin und wieder 100 km in einer Woche zu laufen, die letzten Wochen des Öfteren über 30 km am Stück, ich weiß also nicht, ob er der richtige Mann für meinen Fall ist.
Insgesamt ist das Gute erstmal, dass ich das bekommen habe, was ich mir vorgestellt habe: MRT- und Röntgenbilder von beiden Knien, die größtenteils unauffällig sind, obendrein Röntgenbilder der Hüfte und Physiotermine. Ich hoffe, dass der Physio mir die richtigen Maßnahmen aufzeigen kann, um langfristig wieder - oder eher endlich - schmerzfrei zu laufen. Irgendwas war bisher immer nicht optimal.
Vom 27.05. bis 22.06. war ich genau 4 Wochen nicht ein einziges Mal laufen, um die Beschwerden, die ich irgendwann auch im Alltag hatte, vollkommen abklingen zu lassen. Am 12.06. hatte ich meinen ersten Physiotermin. Ende Juni hab ich mir ein neues Bike gekauft, nachdem mein altes Fully vor über einem Jahr geklaut wurde. Ich war zunächst sehr offen, was die Schublade angeht, in die ich bikemäßig greifen würde. Das ging von Urban-Bike über Fitnessbike und Rennrad bis hin zu wieder einem MTB. Während meines Besuchs im Canyon-Showroom in Koblenz hat mich das Fitnessbike am meisten überzeugt. Letztlich ein Bike mit Rennradgeometrie, aber geradem Lenker, was ich als guten Kompromiss aus Sportlichkeit und Komfort sehe. Mit der Radelei möchte ich zumindest vorübergehend einen Teil der Lauferei ersetzen, aber auch einfach mal wieder ein eigenes Rad haben, um mit der Freundin durch den Sommer zu radeln.
Gelaufen bin ich die letzten 3 - 4 Wochen auch wieder insgesamt 6 mal, nix länger als 10 km. Das geht so weit ok, die Knie merke ich ganz leicht über diese kurzen Distanzen und das Krafttraining läuft, wenngleich ich da noch nicht volle Fahrt aufgenommen habe. Das liegt auch daran, dass ich mittlerweile keine Eile mehr verspüre. Der zu Beginn des Jahres anvisierte FFM-Marathon im Herbst wird es dieses Jahr nicht werden. Ich schiele, was erste wirklich ernsthafte Wettkämpfe im Angriffsmodus betrifft, auf das Frühjahr 2020. Da wird es aber sehr wahrscheinlich kein Marathon, sondern erstmal wieder ein Halber. Ob ich diesen Herbst dann nochmal ohne größere persönliche Ambitionen was laufe, wird sich zeigen. Schwerpunkt muss jetzt endlich mal in einem ruhigen und gezielten Aufbau liegen.
Was ich da im März und April veranstaltet habe, war ganz offensichtlich nicht so das Wahre, wenn man mal sieht, wie sich die Monatskilometer seit dem letzten WK, Anfang Oktober 18, entwickelt haben:
Okt 18: 100
Nov 18: 80
Dez 18: 133
Jan 19: 171
Feb 19: 111
Mrz 19: 306
Apr 19: 334
Ich war sowas von (über)motiviert, hatte den ersten Marathon im Visier, war 8 - 9 kg über Zielgewicht, hatte die vergangenen 20 Wochen kaum was gemacht, aber dafür recht viel geraucht. Das war die sprichwörtliche Brechtstange, obwohl es sie überhaupt gebraucht hätte. Ich hatte noch insgesamt 27 (!) Wochen Grundlage + weitere 8 Wochen für das Marathonsharpening. Wozu die Eile?
Zunächst dachte ich ja auch an die üblichen saisonalen Anpassungsproblemchen mit den Knien nach Wiedereinstieg ins Training und Hochfahren der Wochenkilometer. Ich dachte, das legt sich schon alles wieder. Und vielleicht wären die Umfänge im März und April und auch die neue Welt derartig ausgedehnter LDLs kein Ding gewesen, wenn ich nicht die 20 Wochen zuvor so wenig gemacht hätte. Wer weiß das schon? Clever war dieser sprunghafte Anstieg des Umfangs ganz sicher nicht.
Jetzt heißt es also, geduldig sein, Hausaufgaben machen und langsam wieder reinsteigern. Sollte es wieder zu Problemen kommen, weiß ich immerhin, dass es in den Gelenken nicht so übel aussieht, wie es sich anfühlt. Dass diese Gewissheit trotz Schmerzen Spaß am Laufen garantiert, ist auszuschließen und dass die Lauferei unter solchen Umständen so sinnvoll ist, ebenfalls. Aber vielleicht kann ich in diesem semi-tollen Szenario - sollte es wirklich nicht besser kommen - vielleicht noch einen starken WK mitnehmen, bevor ich es gut sein lasse. Aber: Noch ist nicht aller Tage Abend.