Dann hab ich den vermutlich dort gesehen. Ich sah den nämlich als Jugendlicher (leider nicht von Beginn) im Fernsehen und wollte den unbedingt wieder sehen, aber der kam nirgends. Als meine damalige Freundin mich dann vor 10 Jahren oder so im Shopping-Center in der Kinderspielecke (DVD-Abteilung) absetzte, um in Ruhe shoppen zu können, bin ich zufällig drüber gestolpert.Waldkater hat geschrieben:Oh Ethan!
Der Film lief damals bei uns im WDR 3 Fernsehen (mindestens schon 20 Jahre her).
Oh ja. Der Film ist damals in den USA leider einhellig bei Kritik und Publikum durchgefallen; in Europa nur beim Publikum. Mittlerweile rehabilitiert, aber nicht in dem Maße, wie ich es mir gewünschte hätte. Der Film ist aber wirklich nur schwer zugänglich und konnte auch nur von Cassavetes, dem unabhängigsten aller unabhängigen Filmemacher, realisiert werden. Hinzu kommt, dass die Handlung des Films eigentlich nur den Rahmen bildet, um Cassavetes Schaffen in Hollywood zu reflektieren. Zeitgenössische Kritiker haben das bemerkt und gerne als Abrechnung mit Hollywood abgetan, haben aber vernachlässigt oder gar nicht berücksichtigt, dass es in erster Linie auch ein Seelenstripties des Regisseurs ist, der mit sich härter ins Gericht geht als mit seinem Umfeld. Dabei begeht der Regisseur aber nicht den Fehler und drückt auf die Tränendrüse, sondern lässt den wunderbaren Ben Gazarra (in seiner besten Rolle!) als eine Art Alter Ego agieren, der in seinem eignen Film "unfreiwillig" komisch und völlig deplatziert wirkt.Ein leider unterbewerteter Film (liegt wohl am Filmtitel)
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[TD="bgcolor: #EDEDFC"]Die Ermordung eines chinesischen Buchmachers (auch Mord an einem chinesischen Buchmacher)[/TD]
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Zur Handlung: diese ist schnell erzählt: Cosmo Vitelli (Gazarra) ist Nachtclubbesitzer und hat sich das Geld dafür bei einem Kredithai geliehen. Der Film beginnt damit, dass Cosmo die letzte Rate für seinen Club bezahlt und nun endlich schuldenfrei und (somit) unabhängig geworden ist. Als kurz darauf ein paar Gangster sein Strip-Lokal besuchen (und ihm viele Komplimente machen), bieten sie ihm an, demnächst ihren Club zu besuchen, um an einer Poker-Party teilzunehmen. Cosmo lässt sich darauf ein und verliert 23000 Dollar.
Weil er das Geld nicht hat, verlangen die Gangster stattdessen einen Mord von ihm. Das Opfer: ein chinesischer Buchmacher, wie es der Titel besagt. Cosmo geht darauf ein, der vermeintliche Buchmacher entpuppt sich jedoch als (ein) Gangster-Boss der chinesischen Mafia. (Der Titel des Films ist also schon gelogen: Man bekommt nicht das, was einem "versprochen" wurde, sondern stellt sich als etwas anderes heraus.) Cosmo Vitelli, eigentlich eher unscheinbar, tötet den Boss und fast seinen ganzen Clan absolut professionell - abgeklärt und mit stoischer Ruhe -, wird dabei jedoch selbst schwer (und tödlich?) verwundet und kehrt zu seinem Club zurück, als wenn nichts gewesen wäre, um die nächste (und letzte?) Ansage zu machen. Aus.
Interpretation: Wie schon angedeutet, refektiert der Film Cassavetes "unabhängiges" Schaffen in Hollywood. Für Cosmo (alias Gazarra alias Cassavetes) ist sein Strip-Club sein Ein und Alles. Stets betont Cosmo, dass er in seinem Club alles selbst macht (er macht die Ansagen, sucht die Tänzerinnen aus und so weiter und so fort) und somit auch für alles verantwortlich ist. Die Tänzerinnen sind für ihn seine Familie und er ist für sie wie ein Vater, auch wenn er was mit ihnen, zumindest mit einer, am Laufen hat. Cosmo selbst ist irgendwo zischen rührend und lachhaft anzusiedeln. Stets im weißen Jacket mit Ansteckblume macht er seine Ansagen in seinem billigen Strip-Schuppen, den er für etwas ganz Besonderes und "künstlerisches" hält. Es ist der Figur und der Verkörperung von Gazarra zu verdanken, dass das ganze nicht (nur) lachhaft wirkt: Cosmo leitet seinen Club rührend - mit (kindlicher) Liebe und Hingabe.
Aber er verkauft sich auch, obwohl er es nicht muss (!). Sein Club ist bezahlt und er lässt sich von "Großen" bezirzen und kommt in deren "Club". Er versucht in deren "Club" unabhängig zu bleiben, indem er seine ganze Gefolgschaft (hier: Tänzerinnen) mitbringt. Aber man will nur Cosmo und man sieht, wie seine Mädels gelangweilt rumsitzen, weil sie nicht gebraucht werden, was vorher schon allen - außer Cosmo - klar war.
Natürlich verliert Cosmo im Spiel der Großen und muss eine "Auftragsarbeit" annehmen, die sich als sehr als kniffelig rausstellt. So kniffelig, dass nicht mal seine Auftraggeben glauben, dass er das schaffen könnte. Aber der alte Korea-Veteran Cosmo weiß wie man spielt, äh, tötet. Abgeklärt und völlig emotionslos macht Cosmo, was man von ihm verlangt. Und zwar besser, als er es sollte. Nun will man Cosmo schnell wieder loswerden (im Film = töten). (Das ist eine mehr als eindeutige Anspielung auf die Arbeit als Schauspieler von Cassavetes, der, um seine eigenen Projekte zu finanzieren (also um unabhängig bleiben zu können) immer wieder Rollenangebote annahm und teils unvergessliche Leistungen bot [u.a. in Das Dreckige Dutzend und Rosmaries Baby]. Aber was er selbst davon hielt, beantwortet wohl der Film. ABER: Dass er im Morden besser ist als als Nachtclubbesitzer, ist schon ein bitterböses Selbsteingeständnis und sehr zynisch..)
Und die schönste Szene des Films bringt das alles nochmal wunderschön auf den Punkt: Nachdem Cosmo das besagte emotionslose Massaker begangen hat, verlässt er abgeklärt den Tatort, sieht auf seiner Flucht ein öffentliches Telefon am gegenüberliegenden Straßenrand und unterbricht seine Flucht, um in seinem Club anzurufen, wie es dort läuft. In meinen Augen eine der schönsten Szenen der Filmgeschichte.
Fazit: Wer bereit ist, sich auf einen absolut langsamen Film einzulassen, der sich allen Regeln des Genres widersetzt, wird um eine wunderbare Erfahrung reicher sein. Überwiegend mit der Handkamera und an Originalschauplätzen gedreht, ist der Film zudem ein beeindruckendes Zeitdokument von L.A. der 70er-Jahre. Und, ich wiederhole mich gerne: Ben Gazarra ist einfach unwiderstehlich. Und, um den Bogen zu den Coens zu schlagen: In The Big Lebowski darf Gazarra seine eigene Rolle selbst parodieren.