Der Eiger Ultra Trail ist ein Lauf, der meiner Meinung nach auf die ToDo-Liste von jedem begeisterten Bergläufer gehört und immer irgendwie Platz haben sollte. Letztes Jahr war die Erstaustragung, da hab ich mich noch einer gewissen Zurückhaltung angemeldet. Die Ausschreibung sprach vom „Prinzip der teilweisen Selbstversorgung und eigenständiger Verpflegung und obligatorischem Material“, also musste man sich schon mal trennen von dem Gedanken, dass man an jeder Ecke betüdelt wird. Gebrannt von den Berichten anderer Läufe sieht man sich ja viel eher vor geistigem Auge irgendwo zwei Kilometer vor einer Schützhütte erfrieren oder verdursten oder verhungern. Wie auch immer.
Andererseits hat sowohl der E51 wie auch der grosse E101 einen sensationellen Streckenverlauf, ich kenn die Berge meiner alten Heimat vom Wandern im Sommer wie auch vom Skifahren im Winter, und der Gedanke, einen Lauf quer durch dieses Gegend zu machen fasziniert mich ausserordentlich. Daher war ich letztes Jahr dabei, und war so begeistert, dass ich mich auch für die zweite Austragung gleich wieder für den E51 angemeldet habe. Die Ausführung war letztes Jahr schon toll, und dieses Jahr sollte es gemäss den Organisatoren noch ein paar Besserungen geben. Ich war gespannt.
Letztes Jahr hatten wir mit einem harten, vorangegangenen Winter zu kämpfen und hatten entsprechend noch einige Schneefelder zu überqueren. Dieses Jahr wars nicht so arg, der Schnee war – leider – überall schon weg, dafür wars aber nach meinem Empfinden auch entschieden wärmer als letztes Jahr. Während ich letztes Jahr am Start noch gefroren habe, ist es diesmal schon morgens um 7 sehr warm, so dass ich gleich im T-Shirt starte. Am Start reihe ich mich ein bisschen zu weit hinten ein, was ich leider die nächsten paar Stunden bereuen werde, denn irgendwie komm ich aus dem Pulk nicht raus, über mehrere Kilometer nicht. Ausserdem steckt mir eine Mitläuferin gleich nach dem Start ihren Stock ins Knie, was ich nicht wirklich prickelnd finde. Während ich letztes Jahr schon nach ein paar Kilometern mit einem kleinen Trüppchen ziemlich zügig unterwegs war, hab ich dieses Jahr mehr das Gefühl, auf der Moräne beim Jungfrau-Marathon zu sein. Inklusiv teilweise völligem Stillstand der ganzen Läufer-Perlenschnur. Aber wir sind ja bei einem Ultra, wer will denn schon auf den ersten 2 Stunden die Nerven verlieren, es wird ja noch viel passieren bis zum Ziel.
Ausserdem hat es auch einen gewissen Unterhaltungswert, in diesem gedrängten Läuferfeld die einzelnen Läufer zu begutachten und den Diskussionen zuzuhören. Fasziniert folge ich einem Dialog zwischen zwei Läufern, von denen der eine mit Armlingen, Dreiviertel-Tights, den obligaten Kompressionssocken und einem ziemlich dicken Shirt unterwegs ist. „Ist dir nicht warm?“ „Nein“. „Ist dir immer noch nicht warm?“. „Nein, guck mal den Himmel, da kommt bald ein Gewitter“. Ich guck auch zum Himmel, seh nur ein paar Schlierwolken. Gewitter ist übrigens keins gekommen, und der Läufer hat den ganzen Lauf in dieser Ausrüstung absolviert.
Bald schon haben wir den ersten Posten erreicht, die grosse Scheidegg. Ich bin gespannt, wie sich die erste „Besserung“ des Laufes entwickelt. Man muss nämlich selber einen Trinkbecher mitschleppen, es werden keine Becher abgegeben. Die Idee find ich Klasse, allerdings hab ich meine Bedenken, wieviel Zeit es brauchen wird, bis man seinen Becher füllen kann. Das ist aber zumindest beim ersten Posten kein Problem, denn es hat viele nette Helfer, die mit Literbechern dastehen und einem ganz fix den Becher füllen und erst noch ein Lächeln und ein gutes Wort für einen parat haben. Super gut!
Rasch geht’s daher weiter. Nach dem langen Aufstieg kommen nun genussvolle Kilometer Richtung First, wo man viel laufen kann. Und natürlich lächeln für den Fotografen.
Und dann ist man auch schon bei der First angekommen. Erster Cut-Off, noch über eine Stunde Zeit. Der Verpflegungstand ist, wie schon letztes Jahr in einer Wiese, und hier herrscht ein ziemliches Gedränge. Und da passiert dann etwas, woraus ich sehr viel lernen kann/muss/sollte. Es wird deutlich kommuniziert, dass man nun seine Trinkblase auffüllen soll, weil es bis Schynige Platte (22 km später, auch die Distanzen zu den nächsten Posten werden sauber mit einem Schild kommuniziert) keine Gelegenheit mehr geben wird, die Trinkblase aufzufüllen. Wie gesagt, es herrscht ein ziemliches Gewusel, ich finde „mein“ Isogetränk nicht, und so lass ich halt das „long Energy“ Getränk nachfüllen, hab aber noch von der ursprünglich eingefüllten Isoplörre im Beutel und schütte das vorher nicht weg. Ja, das ist ziemlich doof, wie ich ungefähr 1.5 km später beim ersten Schluck feststelle, denn „long energy“ macht mit „Red orange“ ein Gemisch, dass ungefähr gleich aussieht wie das Wasser vom Fussbad nach einem Ultralauf, und auch so schmeckt! Umkehren mag ich nicht. Immerhin hat es ja unterwegs doch noch Posten, wo man wenigstens mit dem Becher trinken kann, aber das reicht halt bei dieser Hitze irgendwie nicht. Und wie gesagt, im Gegensatz zu letztem Jahr, wo das Faulhorn in Wolken gehüllt war und man schön im Schatten und im Kühlen den Aufstieg zu besagtem Berg absolvieren konnte, brennt die Sonne dieses Jahr gnadenlos. Von oben kommen die ersten Läufer wieder runter, die aufgegeben haben. Viele bleiben stehen, einige setzen sich sogar hin oder liegen ab. Auch ich leide, obwohl ich eigentlich genau bei diesen Streckenabschnitten normalerweise Zeit gutmache. Aber irgendwann mal bin ich doch oben, und schütte dann natürlich alles in mich rein, was ich irgendwie in den Becher reinkriege. Jaja, war ja klar, was jetzt passiert. Der Magen sagt örgs.
Während ich letztes Jahr wie ein Reh Richtung Schynige Platte runtergelaufen bin, und all Bergab-Passagen mit einem breiten Grinsen runtergeholpert bin, quäle ich mich nun unter dauerndem Aufstossen bis hin zum Schluckauf Kilometer um Kilometer vorwärts. So richtig Spass mag da nicht aufkommen, aber immerhin gibt’s jede Menge schöne Aussicht, was ich ein bisschen tröstet. Endlich, endlich kommt die Schynige Platte, ich kann endlich diese grässliche Mischung aus meiner Trinkblase ausschütten und mit was Vernünftigem auffüllen. Cola gibt’s auch, aber natürlich lässt sich meine Superzicke Magen nicht mehr einfach so besänftigen. Den nachfolgenden, sehr, sehr steilen Abstieg muss ich weiterhin sehr verhalten absolvieren. Aber so langsam kommt die Form zurück, und zu meinem Glück bin ich endlich soweit, dass ich diesen letzten kurz-knackigen Aufstieg vor Burglauenen wieder zügig absolvieren kann.
Beim letzten Posten Burglauenen nur noch kurz Rast gemacht, dies auch, weil der Bahnübergang grad am schliessen war, und ich vom letzten Jahr weiss, dass man da, wenn man Pech hat viele Minuten verlieren kann. Wenn ich jetzt noch Gas gebe, komm ich wenigstens unter 10 Stunden ins Ziel. Wobei Gas geben relativ ist, oft verfalle ich in zügiges Gehen. Die Luft ist raus, die Körner verschenkt. Dann der letzte Anstieg nach Grindelwald hoch. Im Dorf ist eine Bombenstimmung. Die letzten paar Meter doch nochmals laufen, das Anfeuern und den Applaus geniessen, zum Ziel abbiegen, runterrennen und einfach nur jubeln, als Entschädigung für all die Zeit, wo ich gelitten habe.
Im Ziel gibt’s ein Finisher-Shirt und eine ganz spezielle Medaille, nämlich statt dem üblichen, metalligen Bömmel einem Stein vom Eiger, das find ich Klasse. Versöhnt bin ich von einem Moment zum anderen. Danke liebes Organisations-Team, es war wieder mal einfach nur Klasse, ich werde garantiert wieder am Start sein!
Mit vielen Grüssen und danke fürs Mitlesen
