Der Fototermin vom LT Bernd Hübner war um 7.15 h auf dem Pariser Platz anberaumt. Meine Befürchtung, dass die S- Bahn Richtung Brandenburger Tor überfüllt sein würde, bestätigte sich glücklicherweise nicht, es war entspannt, alles voller leerer Sitzplätze! War ja auch noch früh.
Schon am Bundesplatz war ich mit einem jungen Mann ins Gespräch gekommen, der ganz offenbar dasselbe Ziel hatte, ich sach nur: Starterbeutel. Es sollte sein zweiter Marathon insgesamt werden, der erste in Berlin. Am Pariser Platz trennten wir uns, nicht ohne dass ich ihm den Hübi- Lauftreff warm ans Herz gelegt hatte.

Nach dem Fotos machen wanderten wir zu unseren Kleiderzelten. Der für die Jubilee- Frauen war ziemlich weit hinten. Wir zögerten wegen der morgendlichen Kühle noch etwas mit dem Entblößen, aber immerhin hatte ich ja meinen schicken Wegschmeißpulli an. Noch eine Folie drüber, dann war es auszuhalten und wir schlugen den Weg zu den Startblöcken ein.
Dann das übliche Rumstehen in der Gedrängelwärme. Man lachte, alberte, machte Sprüche oder schwieg still, jeder versuchte auf seine Art, die Nervosität zu bewältigen. Die Spannung stieg, als die Topläufer vorgestellt wurden. Es ist immer ein überwältigender Moment, wenn die Startmusik einsetzt und dann die große Traube von Ballons in den Himmel steigt!
Wir schoben uns vor zur Startlinie, Garmin drücken und ab! Ich hoffte, mal wieder sub 5h bleiben zu können, das war mir 2007 zuletzt gelungen. 2013 hatte ich Berlin mit 5:01:23 und Frankfurt mit 40 Sekunden mehr gefinisht! Hatte mir ausgerechnet, wenn ich einen 7er Schnitt einhielt, müsste ich so gerade noch damit durchkommen.
Ich kann bei Wärme überhaupt nicht. Am besten läuft’s bei Regenwetter, dabei sind meine Bestzeiten gefallen. Ich hielt mich also, wenn möglich, im Schatten, es war ja noch kühl. Und obwohl ich einmal auf dem Dixi und nochmal im Gebüsch gewesen war, musste ich tatsächlich schon wieder Pipi! Also noch auf der Straße des 17. Juni in den Tiergarten gehuscht, sowas Blödes, das war mir noch nie passiert.
Ich lief nicht die blaue Linie, wollte ja die Schnelleren nicht bremsen. Folglich, wenn mein Garmin den nächsten km piepste, war das entsprechende km- Schild immer weiter ab. (Am Ende hatte ich 45,52 km auf der Uhr!) Ich hielt mich nun an die km- Schilder: bei 10 km muss ich 1:10 haben, bei 15 km 1: 45 etc.
Es war eng auf der Strecke, aber nun ja, das kennt man beim BM inzwischen.
Toll, ich war doch schneller, es lief super, bald hatte ich gegenüber dem 7er Schnitt 3 Minuten rausgelaufen, da konnte es gegen Ende auch etwas langsamer werden. Bei 10 km kriegte ich eine kurze Krise: oh je, wenn du doppelt so viel hast, bist du noch nicht mal beim Halben!! Ich verdrängte den Gedanken aber ganz rasch und stellte mir stattdessen die Streckenabschnitte vor, bei denen ich erfahrungsgemäß wieder Mut schöpfe, weil sie dem Ziel näher liegen und ich denken kann: nun schaffste es auf jeden Fall bis ins Ziel!
Die viele verschiedene Musik gefiel mir, es war wieder massenhaft Publikum an der Strecke, noch nie bin ich so oft mit Namen angefeuert worden. Und auch auf meine Jubilee- Rückennummer wurde ich mehrfach angesprochen, meist von anderen Jubilees. Immer wieder riefen mich Bekannte und Nichtläufer aus dem Hübilauftreff an – es war toll. Hinter den Yorckbrücken stand eine ehemalige Kollegin an der Strecke, mit der ich überhaupt nicht gerechnet hatte, die mich herzlich umarmte und mich dann energisch anschob mit den Worten: „Lauf weiter!!“ Das machte ich.
Ab dem Rathaus Schöneberg fing es an warm zu werden. Ich freute mich auf unseren Forumsstand am Rathaus Friedenau, den mein Mann immer mit ein paar lieben Helfern organisiert.
Auf dem Tisch eine Auswahl an Getränken, ich griff zu einem Becher, weil ich den Inhalt für alkoholfreies Bier hielt, es war aber Hefeweizen, das ekligste Getränk des Planeten. Pfui Teufel! Schnell goss ich einige Schlucke Cola hinterher, um diesen bittersauren Kotzegeschmack loszuwerden, und weiter gings, natürlich nachdem die notwendigen Fotos im Kasten waren.
Langsam wurde die Temperatur leistungsmindernd. Mein kleiner Vorsprung auf den 7er Schnitt begann zu schmelzen… An der Lentzeallee deckte ich mich mit Gels ein, ich hatte schon zwei „tote Frösche“ und ein Gel eingedrückt. Jetzt konnte ich noch zwei auf Vorrat mitnehmen.
Hohenzollerndamm. Die 30km- Marke. Noch war ein klitzekleiner Vorsprung vorhanden, bei 1,5 Minuten. Da durfte ich mich nicht aufhalten, wenn ich beim Stand km 34,5 ankam, wo viele aus meinem Lauftreff stehen und helfen.
Kurz vor dem Fehrbelliner Platz wartete meine Kollegin auf dem Mittelstreifen. Vor 2 Jahren hatte ich sie gebeten, mir eine Cola mitzubringen. Dieses Jahr hatte ich gar nichts davon gesagt, aber sie zog eine Flasche hervor und meinte, ich habe dir eine Cola mitgebracht, du hast doch mal gesagt, das würde helfen. Ich war sowas von happy! Genau das hatte gefehlt. Ich trank im Laufen etwa die Hälfte aus, hoffte bei km 34,5 auf Nachschub.
Aber entweder war die Cola dort alle, oder ich konnte nicht gucken, es gab keine. Mist! Und meine 5h- Ambitionen – tja, da ging es langsam um die Wurst bzw. um Sekunden. Ich hielt mich nicht auf, verzichtete auf das Foto, lief weiter.
Nach dem KadeWe kommt ein doofes Stück, man ist k.o., es gibt nur blöde Gebäude, und links rum geht’s auch noch ganz leicht rauf. Ich griff zum nächsten Trick: ich rede mir ein, ich bin GANZ FRISCH und locker. Und ich versuche mich so zu bewegen: schön gerade halten, Arme kräftig mitnehmen, Füße setze ich immer wieder etwas anders auf, mal betont schön abrollen, mal etwas vorfüßig, das verhindert immer gleiche Belastung.
Anscheinend wirkte ich überzeugend, denn ein Zuschauer rief mir zu: „Das sieht noch SEHR LOCKER aus!!“ Yo, man aussehen mag sein, aber innen drin ist anders…
Ich arbeitete mich vor, km für km, immer Blick auf den Garmin: schaffst du es noch?? Bei km 40 war ich ziemlich kaputt, und dann verrechnete ich mich auch noch, der Kopf war eben auch nicht mehr so fit, ich kam auf eine Nettozeit von deutlich über 5 Stunden. Scheiße, na, dann gehe ich jetzt mal, wenn die ganze Anstrengerei nix mehr nützt. Um den Gendarmenmarkt rum bin ich ein ganzes Stück gegangen, lief dann aber doch wieder an. Bei km 41 zeigte meine Uhr was mit 4:50:xx. Was?? Dann muss ich jetzt 1,2 km in knapp 10 Minuten schaffen, hallo?? Das kriege ich doch wohl hin!
Nun tuckelte ich los, ärgerte mich über die blöden Straßen vor der des 17 Juni, ich hätte gerne eine längere Zielgerade gehabt. Aber schließlich war auch die letzte Linkskurve geschafft, und nun guckte ich immer abwechselnd auf das Tor und meinen Garmin. Am Tor: so, jetzt noch 200 Meter. Dann auf das Ziel und den Garmin. Mist, die 42 km sind ja gar nicht genau am Tor, die kommen ja hier erst, also ab JETZT noch 200 Meter! Guck Garmin, guck Ziel, guck Garmin: 4:59, guck Ziel – hey, ich glaube, das klappt!
Nettozeit 4:59:28 also gerade eben so noch ein Marathon! Über 5 h wäre es bekanntlich keiner mehr gewesen.

Bonustrack
Die Rückfahrt mache ich ausnahmsweise mit der S- Bahn, weil meine Freundin zur S- Bahn wollte und wir noch alles beklönen wollten. (Sonst fahre ich immer ab Hauptbahnhof über Zoo nachhause.)
Ich steige in Schöneberg um. Und wen treffe ich auf dem Bahnsteig der Ringbahn? Denselben jungen Mann von der Hinfahrt! Was für ein Zufall! Er hatte mit 4:15 gefinisht. Er wohnt auch noch fast da, wo wir wohnen, so konnten wir noch von der S- Bahn zusammen nachhause gehen.