BMW Berlin Marathon 2023
Vorbereitung
Die Vorbereitung wurde ja in dem Faden hier ausführlich dokumentiert. Da ich mit der Vorbereitung im Vorjahr sehr zufrieden war und am Ende auch eine deutliche Bestzeit heraus gekommen ist, war mein Plan diese Vorbereitung dieses Jahr ziemlich exakt zu wiederholen: 13 Wochen inklusive einer Festival-Pausenwoche, grob orientiert an Pfitzingers "55 to 70 Miles" 12-Wochen Plan, aber mit zusätzlichen wöchentlichen Laufgruppen-Intervallen, und alle nicht expliziten Tempoläufe von der Pace her rein nach Körpergefühl gelaufen, komplett ohne irgendwelche Vorgaben.
Die ersten 7 Wochen lief das auch echt super, keine Probleme oder Überlastungs-Symptome, alles ein bisschen schneller als im Vorjahr und ein Trainingsrekord nach dem anderen gelaufen.

Dann kam das Musik-Festival, wo ich zur Formerhaltung jeden Tag zumindest ein paar Kilometer gejoggt bin, das hat im Vorjahr auch gut funktioniert. Gegend Ende ist dann aber leider das passiert, was realistisch betrachtet zu befürchten war: Ich habe mir eine Erkältung, vermutlich inklusive einem Hauch von Covid eingefangen.

Das hat mich dann eine Woche richtiges Training gekostet, und vorallem hat sich - bis heute ! - ein hartnäckiger Rest-Husten und ein leichter Ansatz von Schnupfen gehalten. Da ich mich ansonsten gesund gefühlt habe, ich kein Fieber hatte und Ruhe- und Belastungspuls und HRV komplett unauffällig waren, war dann meine Taktik das einfach zu ignorieren und wie gewohnt weiter zu trainieren. Das lief dann auch leidlich ok, ich hatte niemals das Gefühl dass mich die Erkältung irgendwie beeinträchtigt hätte und ich bin in der Zeit u.a. immerhin noch meinen zweitschnellsten Halbmarathon aller Zeiten gelaufen. Aber ideal war das trotzdem alles nicht, und auch wenn der ganz große Formeinbruch ausgeblieben ist, irgendwie gesteigert habe ich meine Form in den Wochen definitiv auch nicht mehr.
Richtig übel sieht das ganze auf der Formkurve in runalyze aus:
Ich bin zwar überzeugt dass der Graph die Lage deutlich dramatischer wirken lässt, als sie wirklich war (Skalierung vom Graphen beachten; Durch Glättungseffekte alles etwas verzögert; VO2max
bei mir eh nicht der entscheidende Faktor), aber ein wenig fragt man sich da schon was ohne Erkältung möglich gewesen wäre...
Rennwochenende
Da das jetzt schon mein achter Start in Berlin war, kenne ich dort das ganze Drumherum mittlerweile in- und auswendig und konnte einfach komplett ohne Stress mein übliches Programm abspulen:
Freitag früh in den Zug nach Berlin, mittags dann in kurzes Ründchen um die Spree gedreht und anschließend die Startnummer auf Messe abgeholt. Samstag dann ausgiebig frühstücken, zum immer wieder netten Frühstückslauf von Schloss Charlottenburg rein ins Olympiastadion, dort ein zweiten Frühstück abgesahnt, nachmittags dann auf einen gemütliche Kaffee mit Frau und Herr Anti (+ weiteren Triathleten) getroffen, anschließend ein letztes mal den Magen vollschlagen und dann zeitig ins Bett. Das einzige was mir echt Sorgen gemacht hat, war weiterhin mein Gesundheitszustand: Wie den kompletten letzten Monat durch immer noch mit Resterkältung. Und wenn ich ganz ehrlich bin, ist es die Tage vor dem Marathon eher schlechter als besser geworden, bzw. zwar weniger Husten, dafür aber mehr Schnupfen und etwas Druck auf den Ohren...
Sonntag früh dann auch wieder mein übliches Programm abgespult: Wecker auf 5:30h gestellt, um 6:00h ein kleines Alibi-Frühstück (Ein Brötchen mit Honig, ein Croissant und ein Cappuccino) und kurz vor acht dann den 10 minütigen Fußweg Richtung Startgelände angetreten. Das Wetter hätte besser kaum sein können, ~14°C, nahezu windstill und leicht bewölkt / neblig. Also Kleiderbeutel abgegeben und dann so ~40min vor Start gemütlich zum Startblock aufgebrochen. Da Berlin ja doch 'etwas' größer ist sollte man da stets ausreichend Zeit für einplanen! Die Wegführung zu den Startblöcken im Tiergarten war dieses Jahr aber irgendwie komisch und kaputt, die letzten 20m durften sich die Läufermassen irgendwie abseits der Wege quer durch die Büsche schlängeln.

Im Startblock selbst war es dann aber angenehm luftig und nicht ganz so komplett überfüllt, wie ich es bei anderen Marathons schon erlebt habe. Ich bin aus Startblock C gestartet, da die meisten 3:00er-Pacemaker an der Grenze zwischen B und C standen habe ich mich dort dann auch lieber mal etwas weiter vorne eingeordnet. Vor dem Start im Block dann die übliche angespannte, aber doch sehr gute Stimmung. Spätestens wenn 'The Alan Parsons Project - Sirus' erklingt ist man mental beim Berlin Marathon angekommen. Und als bei der Vorstellung von Kipchoge die gesammelte Läufermenge um einen herum kollektiv ausflippt, war dann sowieso Gänsehautstimmung.
Rennen
Zum eigentlichen Rennverlauf kann ich gar nicht so arg viel berichten, war ein relativ ereignisarmes Rennen für mich.
Ich war ja noch in der ersten Startwelle, also war der Startschuss auch für mich offiziell Start. Mit ein paar tausend Läufern vor einem dauert das aber natürlich trotzdem ein wenig länger und gut 4min nach Eliud durfte ich dann auch auf die Strecke.

Die ersten paar hundert Meter schwimmt man da dann eh immer einfach in der Masse mit, ob man will oder nicht.

Nach vielleicht 300m durfte ich dann noch einen kleinen Schlenker zur Seite machen, da irgend so ein Tollpatsch dort einen Eimer Farbe verschütten musste

, aber alles kein Problem und souverän von den Ordner gehandhabt!
Anschließend habe ich dann bemerkt, dass auf der anderen Straßenseite gerade zufälligerweise einer der 3:00er Pace unterwegs war. Erfahrungsgemäß ist das in Berlin immer ziemlich Glückssache, da das Feld vor dem Start so stark in die Länge gezogen wird, dass selbst eine Pacer, der eigentlich fast neben einen steht, auch gut und gerne mal 30s früher oder später starten kann. Also habe ich diesmal die Chance genutzt und mich an den Pacer dran gehängt. Größtenteils hat das auch erstaunlich gut funktioniert und ich fand es erstaunlich "entspannend" mich nicht selbst ums Pacing kümmern zu müssen. Aber andererseits ist es dort um die Pacer herum schon
extrem voll und man muss ziemlich konzertiert laufen. Auch muss man höllisch aufpassen, den Pacer nicht im Gedränge zu verlieren. Wenn die Gruppe mal durch eine Engstelle durch muss, hat man da schnell mal 5-10s Rückstand gewonnen, die man zügig wieder aufholen sollte. Außerdem hat man hinten immer die Leute, die Stück für Stück abreißen lassen und aus der Gruppe herausfallen. Wenn man da nicht aufpasst und die zügig überholt, verliert man auch schneller als einem lieb ist komplett ungewollt den Anschluss.
So lief ich also für gut 25km einfach dem Pacemaker hinterher, ohne nennenswerte besondere Vorkommnisse. Für die ersten 20km hat sich das diesmal alles erstaunlich gut und "locker" angefühlt. So zwischen km 10 und 20 war wohl auch das einzige Fenster, in dem ich geglaubt hätte das eine sub3 tatsächlich im Bereich des möglichen sein könnte. Ungefähr ab der HM-Marke wurden die Beine dann aber allmählich doch etwas schwerer, nicht dramatisch, aber eben doch nicht mehr so frisch wie am Anfang. Irgendwann kurz nach km25, wo dann auch die einzigen nennenswerte Höhenmeter der Strecke kommen, musste ich den Pacemaker leider doch allmählich ziehen lassen. Hätte ich es drauf angelegt, hätte ich garantiert noch ein paar Kilometer länger dran bleiben können, hat sich vom Effort her aber einfach nicht mehr richtig angefühlt. Ich gehe stark von aus, dass ich das am Ende dann richtig bitter bezahlt hätte. Auch im Nachhinein betrachtet denke ich, dass die Entscheidung ein klein wenig Tempo rauszunehmen korrekt war. Dass die sub3 somit beerdigt ist, war mir natürlich klar. Bis ziemlich genau km30 haben meine Zeitreserven noch gereicht, dann ist die Zeitprognose meiner Uhr auf >3h umgesprungen.
Mir war aber klar, dass ich ohne
richtig bösen Einbruch immer noch auf deutlichem PB-Kurs war, und die Beine haben sich immerhin noch deutlich besser als im Vorjahr angefühlt. Also habe ich einfach probiert, die restlichen 12km irgendwie "in Würde" nach Hause zu bringen, ohne zu sehr die Zeit zu achten. Mittlerweile hatte sich dann auch die Sonne durchgesetzt, und an manchen Abschnitten der Strecke wurde es ein ein bisschen warm. Aber imho nicht wirklich tragisch, da hatte ich schon deutlich schlimmeres erlebt. Auch die wie immer phantastische Stimmung an der Strecke hat natürlich sehr geholfen, immer wieder faszinierend wie motivierend es ist, wenn wildfremde Leute einen per Namen anfeuern.

Im Vergleich zu den Mitläufern hat sich das überholt werden und das selbst überholen diesmal auch grob die Waage gehalten, deutlich motivierenden als wenn gefühlt das gesamte Feld an einen vorbei zieht. So konnte ich den ganz großen Einbruch also erfolgreich verhindern, bin leidlich gleichmäßig bis ins Ziel gekommen und dabei zumindest stets unter 4:35/km geblieben. Ziemlich krass fand ich, und wohl eine gute Veranschaulichung meines muskulären Zustands, das komplette Ausbleiben eines Endspurts. Ich war wirklich motiviert, spätestens ab den Brandenburger Tor gibt es eigentlich kein Halten mehr, ich habe es echt probiert, aber sinnbildlich aufs Gaspedal gedrückt ... und exakt nichts, Pace komplett unverändert geblieben.
Im Ziel dann aber trotzdem überglücklich und stolz, mit
3:02:46h meine PB um sagenhafte 2:57min verbessert!
(OK, sagen wir mal zu 90% glücklich über die PB, zu 10% unglücklich über die verpasste sub3

)
Nachspiel
Nach dem Zieleinlauf dann überglücklich den langen Weg Richtung Zielverpflegung angetreten, erstmal 3-4 Becher Wasser auf Ex getrunken :scwitz2:, eine Verpflegungstüte geschnappt und den Kleiderbeutel abgeholt. Dort dann noch zufällig jemanden hier aus der Gegend getroffen, der immerhin eine 2:57:xx gelaufen ist :wow, aber dank Sturz auf der Zielgeraden seine PB um 7s verpasst hat.

Im Tracking dann gesehen, dass auch die meisten anderen mir bekannten Läufer gut durchgekommen sind, bzw. auf einem sehr guten Weg waren.

Anschließend noch schnell bei der Medaillengravur vorbei (neue PB => Gravur

), noch ein paar Minuten an den Streckenrand gestellt und Leute angefeuert, dann aber doch schnell zurück ins Hotelbett und die Beine etwas hochgelegt.
Abends dann noch mit ein paar Leuten getroffen und das Experiment gestartet, wie sich (moderater) Alkoholkonsum und feiern bis nachts um 1:00 so auf die Marathon-Regeneration auswirkt...
Fakten & Zahlen
Platz (M): 3250 / 28583
Platz (M35): 724 / 4488
Offizielle Splits
Puls: 86% HFmax, nahezu konstant über die volle Distanz, ohne erkennbaren Drift
Schuhe: Nike Vaporfly Next% 3
Verpflegung: 1x Maurten Solid 225 kurz vor Start, 1x Maurten Gel 100 @km10, 1x Maurten Gel 100 Caf @km20, Wasserbecher an ~2/3 der Verpflegungsstände