Mit etwas Verspätung noch Glückwunsch an
@movingdet65 und
@Fjodoro zu euren starken Leistungen! Wenn ich das richtig sehe, dann habt ihr beide eure Ziele erreicht und das bei sicher nicht einfachen Rahmenbedingungen
Steffen42 hat geschrieben:Und Ihr so?
Ich hatte mir für Freitag ja ein kleines "Mini-Tapering" verordnet. Also nach Arbeit los und nur eine kleine Runde (7km) mit 3 Strides. Sollte eigentlich kein Problem sein, fühlte sich aber schrecklich an. Überall zwickte es, die Beine waren schwer. Zum Glück kenne ich dieses Phänomen schon und so schmunzelte ich eher darüber.
Am Samstag Nachmittag ging es dann nach Prag. Da ich noch die Startunterlagen abholen musste, war ich sehr zeitig da und konnte alles ganz entspannt angehen. Das Wetter war, wie die ganze Woche schon, einfach nur widerlich heiß. So verbrachte ich die Zeit vor dem Start zu einem großem Teil in einem klimatisierten Einkaufszentrum. Pünktlich zur Eröffnung ging es in die "Technical Area", auf dem Wenzelsplatz, die wie immer bei den RunCzech-Rennen super funktionierte. Ausreichend Toiletten (sogar richtige WCs), Umkleideräume, Duschen, Wasser, eine super funktionierende riesige Beutelabgabe, da fehlt es wirklich an nichts und man muss auch nirgends länger warten. Bei Läufen mit 5.000-10.000 Teilnehmern keine Selbstverständlichkeit.
Pünktlich zum Warmlaufen aufgebrochen, kam der nächste kleine Dämpfer. Die Beine fühlten sich ähnlich zäh an wie am Freitag. Also joggte ich gemütlich zur Moldau und begann mit dem dynamischen Dehnen. Das tat den Beinen spürbar gut. Danach folgen in meiner Aufwärmroutine ein paar Intervalle, startend mit 3' @Schwelle, dann 1' @VO2max und noch 2 Strides nach Gefühl. Erstmals seit London hatte ich wieder die Alphafly am Fuß. Der Vortrieb dieses Schuhs ist wirklich phänomenal. Ich startete, gefühlt gemütlich, in das Schwellenintervall und stellte beim Kontrollblick nach einer Minute fest, dass ich am flachen Moldauufer in Sub3:10 Pace unterwegs war
So schlecht konnten die Beine also wohl doch nicht sein. Den Rest des Warm-ups habe ich dann darauf geachtet nicht zu überziehen. Pünktlich 10 Minuten vor dem Start ging ich in die Aufstellung und war positiv überrascht, dass man im Vergleich zu meinen bisherigen Läufen in Prag den "Block A" hier deutlich kleiner gestaltet und nochmal separat abgesperrt hatte. So konnte ich mich problemlos direkt hinter den Profi-Läufern einordnen. Es waren im Profi-Bereich 36 Männer und 23 Frauen am Start, darunter 3 mit 26er Bestzeiten und 1 Sub30 bei den Damen. Kurzum, ein wirklich hochkarätiges Feld. Als ich so den Körperbau der Athleten im vorderen Bereich betrachtete, fühlte ich mich plötzlich ziemlich moppelig
Vor Ort aus nächster Nähe versteht man erstmal so richtig wie austrainiert die Weltspitze ist. So vergingen die letzten Minuten dann mit der Vorstellung der Topfavoriten und unter dem Jubel des enthusiastischen Publikums ging es auf die Strecke. Der Moderator "motivierte" uns noch mit der Aussage, dass es immer noch 26 Grad warm war
Die ersten Meter glichen eher einer Massenkeilerei als einem Laufevent. Direkt vor mir schubste ein junger Mann eine der Eliteläuferinnen zur Seite, da kann man nur mit dem Kopf schütteln. Ich versuchte mich nicht stressen zu lassen und fand auf dem abschüssigen ersten Kilometer gut in mein Tempo. Mit einer Links-Rechts-Schikane ging es ans Moldau-Ufer und kurz vor der berüchtigten Unterführung, die ich schon vom Halbmarathon kannte, stand das erste Kilometer-Schild. Die Uhr manuell abgedrückt und erstmal fast in Ohnmacht gefallen: 3:02! Auch wenn es ein Stück weit der Strecke geschuldet war, so schnell bin ich noch nie in einem Rennen angegangen. So langsam hatte sich das Feld nun sortiert und ich lief an der Spitze einer Gruppe. Wie groß diese war konnte ich nicht sehen, den deutlich hörbaren Geräuschen der Superschuhe nach zu urteilen, waren es wohl mehrere Leute. Ich fand meinen Rhythmus und Kilometer 2 ging recht ereignislos in ca. 3:20 durch. Kein Problem, hier war der Anstieg aus der Unterführung dabei, der erfahrungsgemäß ein paar Sekunden kostet. Nun begann das Rennen so richtig. Knapp vor uns liefen kleinere Grüppchen unter anderen mit einigen weiblichen Elite-Läuferinnen. Einige davon konnten wir auf dem flachen Abschnitt am Moldau-Ufer einsammeln und auch in unserer Gruppe wechselten jetzt häufiger die Positionen. Die Pace des dritten Kilometers lag bei 3:15 und es fühlte sich immer noch erstaunlich locker an. Auf dem vierten Kilometer kamen wir zur ersten 180 Grad Wende, was in der Gruppe bei diesen Geschwindigkeiten immer etwas heikel ist. Es ging alles gut, kostete aber ein paar Sekunden. Mit 3:20 war weiter alles im Plan. Kilometer 5 ging dann wieder flach und gerade zurück, die Uhr zeigte 3:15. Unsere Gruppe hatte sich mittlerweile deutlich verkleinert. Es waren nur noch 3-4 Leute. Von vorn sammelten wir noch ein paar Läufer/-innen ein, darunter zwei Afrikanerinnen aus der Elite. Die erste Streckenhälfte ging also in ca. 16:12 Minuten weg und ich fühlte mich noch sehr stark. Bei Kilometer 6 folgte wieder die Unterführung, bei der ich erstmals etwas reißen lassen musste, aber schnell den Anschluss an die 2 Mitläufer wieder herstellte. Auch dieser Kilometer ging noch in 3:16 durch und ich begann so langsam an eine Zeit unter 32:30 zu glauben.
Je riss mich jedoch der nächste Abschnitt aus diesen Träumen. Es begann nun ein schier endloses ansteigendes Stück auf Kopfsteinpflaster. Nicht steil, aber kontinuierlich ging es auf der Strecke hinauf und bei mir bergab. Ich musste meine Mitstreiter ziehen lassen, spürte nun zum ersten Mal die Hitze und hatte das Gefühl, dass die Beine zwar schneller könnten, aber der Kreislauf am Limit war. Ich nahm den Kampf an und hielt dagegen, aber wirklich beschleunigen konnte ich nicht mehr. Über eine Brücke ging es auf die andere Flussseite und erstmal wieder leicht bergab. Ich verspürte etwas Erholung, schneller laufen konnte ich trotzdem nicht mehr. Trotz des starken Einbruchs, Kilometer 7 bis 9 gingen nur noch im Bereich 3:25-3:30 weg, wurde ich nicht überholt, jetzt litten wohl alle. Bei Kilometer 9 die letzte 180-Grad-Wende, ich war froh dass ich nicht über meine eigenen Beine fiel, ich war am Limit. Noch einmal pushte ich mich innerlich alles zu geben, das Ziel war nicht mehr weit. So kam ich tatsächlich langsam nochmal an meinen ehemaligen Mitstreiter heran und gemeinsam holten wir auf dem Weg zum Ziel noch 2 weitere Läufer ein. Plötzlich kam noch einmal so etwas wie ein zweiter Wind auf und ich spürte wie ich schneller und schneller wurde. Es ging nun zurück in die Innenstadt, wieder Kopfsteinpflaster, aber das war jetzt auch egal. Die Zuschauer machten ein riesiges Spektakel und so mobilisierte ich nochmal die letzten Kräfte für so etwas wie einen Schlussspurt. Als ich die Uhr am Ziel sah sprang sie gerade auf 33 Minuten um, Enttäuschung machte sich in mir breit. Relativ emotionslos überlief ich den Zielstrich, brauchte erstmal ein paar Sekunden um mich zu sammeln. Mein Mund war komplett ausgetrocknet, ich brauchte dringend etwas zu trinken. Erst jetzt stoppte ich die Uhr ab, nahm die Zeit nur am Rande war. Anderthalb Liter Wasser und Iso-Trink schüttete ich in ein paar Minuten in mich rein. Nicht sinnvoll, aber der Körper gierte danach. Erstaunlich fand ich wie locker sich die Beine anfühlten, sie waren an diesem Tag sicher nicht der Begrenzer. Ich schlenderte den Weg zurück zum Wenzelsplatz, mitten durch die Touristen und das Partyvolk, es war ja Samstag Abend. Eine irgendwie recht skurrile Situation. Auch nach dem Rennen funktionierte alles reibungslos und so war ich kurze Zeit später schon wieder auf dem Weg nach Hause.
Mit etwas Abstand sehe ich das Rennen deutlich positiver als direkt im Ziel. Der positive Split lässt sich ein gutes Stück weit mit der Strecke erklären. Selbst die Top5 der Profis hatten zwischen 20 und 60s mehr für die zweite Hälfte gebraucht, da lag ich mit 46s ganz gut. Auch die Leute mit denen ich unterwegs war bzw. die ich hinter mir gelassen hatte, haben zu großen Teilen deutlich schnellere Bestzeiten. Die Damen, die ich auf den ersten 5 Kilometer eingeholt hatte sind Sub32-Läuferinnen (Bestzeiten aus 2024), der Sieger M40, der knapp 10s vor mir im Ziel war, hat dieses Jahr schon 32:14 und 1:08:52 stehen. Es sollte an diesem Tag einfach nicht sein mit der PB, ich bin mir aber sicher, dass da noch einiges gehen kann auf den 10km.
Die Form ist auf alle Fälle schon sehr gut, das gibt mir Zuversicht.
Das ist jetzt doch "etwas" länger geworden wie geplant. Sehr es mir nach, beim Schreiben fallen mir immer noch so viele Details ein, einen guten Teil davon schreibe ich noch nicht einmal auf
Hier noch die nackten Zahlen:
Offizielle Zeit: 33:08
Splits: 16:12 / 16:56
Zwischenzeiten (ca.): 3:02 - 3:20 - 3:15 - 3:20 - 3:15 - 3:16 - 3:26 - 3:28 - 3:29 - 3:16
Gesamt: 40/4825
Männer: 35/3122
AK M40: 2/383
Um das starke Feld mal etwas in Zahlen zu fassen, es gab 68 Sub-35 und 230 Sub-40 Läufer/-innen.
Die Wochenzusammenfassung aus Zeitgründen dann separat.