Danke euch allen für die Glückwünsche! Ich bin auch am Tag danach noch absolut geschockt, was da gestern passiert ist
Eins gleich vorweg, die Strecke gestern war nicht vermessen und definitiv zu kurz. Wie viel zu kurz ist Spekulation, der Stryd sagt knapp 200m, Google nur 50m, andere hatten auch 300m zu wenig. Das ist letztendlich für meine Bewertung der Leistung auch gar nicht so entscheidend. Demnach werde ich die Zeit selbstverständlich auch nicht als PB werten.
Die Woche war, wie ich ja hier schon geschrieben hatte, etwas zäh. Ich spürte die harten letzten Wochen sehr deutlich in den Beinen, dazu kam Stress auf Arbeit und so war ich doch etwas verunsichert, wo die Reise hingehen würde. Die 3km Schwelle am Donnerstag liefen recht locker, das gab zumindest etwas Auftrieb. Eigentlich hatten wir das Wochenende mit einem Besuch bei Freunden verbinden wollen, aber nachdem der Rest der Familie mit Erkältung flach lag, musste ich kurzfristig umplanen. Zum Glück begann der Lauf erst um 11 Uhr und so konnte ich ohne großen Stress nach einem gemütlichen Frühstück anreisen. Bei den Wegen (Startnummer holen, Aufwärmen, Beutel abgeben) hatte ich mich aber etwas verschätzt und so war ich erst 5 Minuten vor dem Start bei der Beutelabgabe. Hier machte es sich bezahlt bei einer gut organisierten und eher familiären Veranstaltung am Start zu sein, ich stand keine 2 Minuten später in der ersten Reihe im Startblock. Hier wurden gerade die Favoriten vorgestellt, zu denen ich augenscheinlich nicht zählte
Das Wetter war bis auf ein klitzekleines Detail eigentlich perfekt, kühl und sonnig, wenn ja wenn da dieser Sturm nicht gewesen wäre. Windgeschwindigkeiten um 50km/h mit Böen bis zu 70km/h waren vorhergesagt und die bekamen wir auch direkt ins Gesicht. Neben mir erkannte ich "Local Hero" Dickson Kurui, der auch schon einige Läufe in Dresden gewonnen hatte. Damit war der erste Platz dann eigentlich auch schon vergeben, da muss man sich nur seine Bestzeiten anschauen. Es blieb nicht viel Zeit, um mir eine Taktik zurecht zu legen. Ich wusste, dass der erste Kilometer abschüssig aber auch direkt in den Gegenwind führte. Ich beschloss hart anzulaufen, um das Feld gleich mal etwas zu sortieren.
Als der Startschuss pünktlich auf dem Markt in Halle fiel, setzte ich diesen Plan auch direkt in die Tat um. Zu meinem Erstaunen lief aber tatsächlich ein Triathlet vom SV Halle sogar noch etwas flotter an. Ich schaute kurz auf die Uhr, die Leistungswerte waren deutlich über 5k-Niveau. Der Wind blies uns erbarmungslos ins Gesicht. Ich fühlte mich trotzdem stark und übernahm schon vor der ersten Brücke über die Saale die Führung. Ich halte das Tempo weiter hoch, blicke mich nicht um, das Ziel ist Stärke zu demonstrieren. Nach anderthalb harten Kilometern kommt der erste Richtungswechsel, der Wind kommt jetzt von der Seite und bläst mich zweimal von der Straße. Ich stolpere leicht, kann mich aber zum Glück abfangen. Bei Kilometer 3 gibt es ein kleines Stimmungsnest, genau da wo die 10km Strecke abzweigt und auch wir später wieder langlaufen werden. Ansonsten ist es sehr einsam und so vernehme ich deutlich die Schritte meines letzten Begleiters. Ich muss mich nicht umdrehen, um zu wissen um wen es sich handelt. Es geht jetzt 3km schnurgerade und leicht ansteigend zur Dölauer Heide, einem Waldabschnitt, der uns für fast 6 Kilometer etwas Schutz vor dem Wind bieten wird. Seite an Seite nehmen wir den Abschnitt in Angriff. Ich erwarte nicht, dass das lange so bleiben wird, immerhin ist mein "Konkurrent" einen Kopf kleiner und sicher mehr als 10 Kilogramm leichter, ein Vorteil in diesem welligen Abschnitt. Geschützt vom Wind und auf guten, festen Waldwegen halte ich den Druck aufrecht. Wir fliegen gemeinsam die leichten Hügel hinauf und hinab, beide stets darauf bedacht uns nicht in die Quere zu kommen. An der 10km Marke verlassen wir den Wald. Ich blicke flüchtig auf die Uhr und sehe eine 33er Zeit. Das erstaunt mich dann doch. Schließlich sollte das der härteste Teil des Rennens gewesen sein, die nächsten 6 Kilometer geht es leicht abschüssig bzw. flach mit Rückenwind zurück. Dieser Teil macht einfach nur phänomenal Spaß. Ohne große Anstrengung fliegen wir in ca. 3:15 Pace dahin. Es fühlt sich nicht hart an, aber verdammt schnell.
Bei Kilometer 14 kommt eine neue Herausforderung ins Spiel, wir treffen nun zunächst auf die Walker und später auf die langsameren Läufer der 10km Strecke, die 20 Minuten nach uns gestartet sind. Leider gibt es trotz der ausdauernden Bemühungen unseres Führungsfahrrades jede Menge heikle Situationen. Walker, mit Stöcken, die zu dritt nebeneinander laufen, Läufer mit fetten Kopfhörern, es nervt einfach nur. Auch der Rückenwind ist nun wieder vorbei und die Beine signalisieren, dass der härteste Teil ansteht. Im Zickzack um die anderen Läufer geht es von der Burg Griebichenstein am Saaleufer zurück ins Zentrum. Das Führungsfahrrad versucht weiterhin uns bestmöglich den Weg freizumachen. Es wird zunehmend schwieriger ein positives Mindset zu behalten. Die Anstrengung, der Wind, die Mitläufer und wieso eigentlich läuft dieser Kenianer eigentlich immer einen Schritt hinter mir? Für 1 Stunde habe ich das nicht einmal aktiv wahrgenommen, aber jetzt plötzlich stört es mich. Ich muss mich aktiv aus diesen Gedanken herausreißen. Und aufpassen nicht noch zu stürzen. Rauf auf den Fußweg, runter vom Fußweg, enge Kurven mit feuchtem Laub, vom Hoch der Kilometer 10-15 ist nicht mehr viel übrig. Nichtsdestotrotz sind wir weiter in einer flotten Pace unterwegs, es hilft einen Mitläufer an der Seite zu haben. Ganz vorsichtig versuche ich an ein paar Stellen mal anzutesten, ob er vielleicht doch einfach keinen guten Tag hat. Das Ergebnis ist ernüchternd, jede leichte Tempoverschärfung wird direkt beantwortet.
Wir nähern uns dem Ziel, die 20km-Marke auf dem Asphalt und die Stimme des Sprechers im Ziel läuten das Finale ein. Es geht ein letztes Mal bergan, die selbe Strecke, die wir am Start hinuntergelaufen sind. Fast schon erwartbar zieht mein Konkurrent hier mühelos an, ich habe nichts entgegenzusetzen. Der Frust darüber hält sich in Grenzen, er ist einfach deutlich stärker. Am Marktplatz erwartet uns ein enthusiastisches Publikum, die letzten Meter genieße ich den Jubel, für einen Endspurt fehlt mir die Kraft. Ich komme ins Ziel, beglückwünsche Dickson zu seinem starken Lauf. Erst jetzt schaue ich auf die Uhr, die ich seit der 10km Marke kein einziges Mal beachtet hatte. "WAS???" ist mein erster Gedanke. Da steht tatsächlich eine 1:09! Irre! Ich hatte zwar durchaus gespürt, dass wir flott unterwegs waren, aber diese Zeit schockiert mich. Auch wenn die Strecke etwas kurz war, die äußeren Umstände und die Höhenmeter waren eigentlich nicht für eine Bestzeit geeignet. Ich plaudere noch etwas mit dem Veranstalter und einigen Läufern, dann heißt es aber schnell ins Warme und umziehen. Noch auf dem kompletten Rückweg habe ich ein Grinsen im Gesicht.
Das Fazit aus dem Rennen ist für mich, dass ich aktuell in meiner besten Form aller Zeiten bin. Ich hatte durchaus schon ein gutes Gefühl in den letzten Wochen, auch weil ich dieses Mal die meisten harten Einheiten nicht in Wettkampfschuhen gelaufen bin, oft auch komplett gegen den Wind und daher die Zeiten durchaus im Verhältnis etwas stärker eingeschätzt habe, als es von außen wirkt. Das ich aber unter diesen Umständen zu solch einer Zeit in der Lage bin, hat mich dann doch etwas geschockt. Jetzt heißt es einfach nur keinen Unsinn mehr machen, gesund bleiben und dann bin ich mal sehr gespannt, ob ich mich auch in New York nochmal überraschend kann...
Die Strecke war wirklich sehr schön, nicht bestlistenfähig und nicht super schnell, aber angenehm zu laufen. Die Veranstaltung ist toll organisiert und hat einen recht familiären Charakter.
Hier noch die nackten Zahlen des Laufs:
Offizielle Zeit: 1:09:51h
Platz (gesamt): 2
Platz (AK): 1
Splits:
Abschnitt 1 - Gegenwind zur Dölauer Heide - 4.2km - 3:24 Min/km - 375W
Abschnitt 2 - Durch die Heide - 5.5km - 3:22 Min/km - 359W
Abschnitt 3 - Rückenwind am Heiderand - 3.7km - 3:13 Min/km - 363W
Abschnitt 4 - Slalom durch die Walker - 3.6km - 3:17 Min/km - 368W
Abschnitt 5 - Entlang der Saale bis ins Ziel - 3.9km - 3:23 Min/km - 366W
Und hier noch der Wochenüberblick:
Vorbereitung New York Marathon 2024 - Block 3/4 "Spezifischer Block" - Woche 8/9 - 07.10.2024 bis 13.10.2024 - Entlastungswoche
Tag |
Sportart |
Details |
Mo |
Laufen (Dauerlauf + Bergsprints) |
10.3km @4:47Min/km mit 4 Bergsprints |
Di |
Radfahren (Pendeln)
Laufen (Schwelle) |
18.4km
17.0km @4:18Min/km mit 4 * 1.61km @3:29 / 1Min TP |
Mi |
Laufen (Dauerlauf)
Radfahren (Pendeln) |
18.2km @4:28Min/km
18.2km |
Do |
Laufen (Schwelle) |
9.9km @4:11Min/km mit 3k @3:22 |
Fr |
Krafttraining |
Langhantel & Core (Körpergewicht) |
Sa |
Laufen (Dauerlauf) |
6.7km @4:32Min/km mit 3 Strides |
So |
Laufen (Wettkampf-„Halbmarathon“)
Laufen (Warm-up) |
1:09:51, 20.9km @3:20Min/km
4km @4:06 mit 3‘ @3:18, 1‘ @3:05 & 2 Strides |
Gesamt |
Laufen
Radfahren |
87.1km (6:02h, 7 Einheiten, 581 TRIMP)
36.5km (1:46h, 2 Einheiten (Pendeln)) |