Delmenhorst 2022 - er ist lernfähig.
Hier ein Link zu meinem Debut bei 24-h-Lauf von Delmenhorst, bei dem ich dann doch einige Fehler gemacht habe und so unter meiner damaligen Leistungsfähigkeit blieb und mir zudem den Anfang einer Plantarfasziitis eingefangen habe (da merkbar als unfassbar schmerzende Fußsohlen, die auch zur defacto-Aufgabe zwangen), die mir am Ende den Berlin-Marathon kostete.
https://forum.runnersworld.de/forum/thr ... ost2586655
So wurden es damals "nur" 110km. "Nur" weil ich die letzten 2h nicht mehr in der Lage war, zu laufen und die Form eigentlich Besseres versprochen hatte. Mal um die Form von damals einzusortieren: Ich bin in dem Jahr meine PB im Marathon mit 3:30 gelaufen, habe dann spontan noch den Elbtunnel-Marathon mitgemacht und den ohne Vorbereitung eben mal in 3:52 gelaufen, am Ende des Jahres kam dann noch ein 7:30h-Lauf, bei dem ich 72km schaffte.
Diesmal umgekehrte Vorzeichen. Ein Problemchen am Knie, das mir ein wenig Pause beschert hat und das ich nicht "größer züchten" wollte bescherte mir eine Woche nach dem HM 4 (fast) lauffreie Wochen. Ein wenig viel für Tapern. Dazu die Unsicherheit wegen des Knies. Und der letzte erfolgreiche Marathon ist aus der vor-covid-Zeit...
Es fand sich die leicht dezimierte Truppe aus dem Starter-Faden zusammen, ergänzt um den hochmotiverten Herrn Friemel, der auch gleich ablieferte. Hier geht es aber nur um Sportliche, den Rest gibt es im Starter-Faden.
Welche Fehler hatte ich letztes Mal gemacht? Am Anfang losgelaufen und erst gegangen, als Laufen nicht mehr ging. Sowas geht für einen kürzeren Lauf, wenn man die passende Form hat (bei mir war bisher das Maximum 72km). Wenn es länger wird als die Laufform reicht, macht so eine Taktik keinerlei Sinn.
Bei den Schuhen hatte ich munter gewechselt, die Basis waren aber die recht harten DS Trainer. Diesmal habe ich mich für die Saucony Endorphin Speed 2 entschieden, die sind sehr weich und ich fühle mich extrem wohl in ihnen. Socken 2x zwischendurch gewechselt und den Füßen ein wenig Chance zum Trocknen gegeben, diese haben es gedankt und auf den vielen KM keine Blase oder sonstigen Probleme gemacht.
Dazu hatte ich mich zu sehr auf die hervorragende Verpflegung vor Ort verlassen. Blöd, wenn es dort aber kein Iso gibt, die Cola irgendwann ausgeht und man nur noch die Wahl zwischen Wasser und Malzbier hat, wenn man die zwölfunddreißig angebotenen Obstsäfte nicht verträgt und deren Brühe nicht mag. Zudem ging der salzige Knabberkram aus, für einen Vielschwitzer ein großes Problem.
Also selbst vorgesorgt und alles mir Wichtige mitgebracht. Unter anderem 3 Tüten Erdnussflips, 3 Packungen Cracker, 1 Flasche konzentrierte Cola (eigentlich für Soda-Stream gedacht - diesmal aber nicht benötigt, weil die Cola bis zum Ende langte) - eine Flasche schmackhafte Brühe konzentriert, dazu Iso-Pulver zum Auflösen. Solange das Wasser nicht ausgeht, hätte ich komplett auf Selbstversorgung umstellen können. War nicht notwendig, denn alles war bis zum Schluss in ausreichenden Mengen da ....
Die Versorgung klappt hervorragend. Am Verpflegungsstand Unmgenen an Cola und Erdnussflips verdrückt, im eigenen "Basislager" nur bei längeren Pausen eingekehrt. Nur ein kurzer Versuch mit Weingummi ging fast in die Hose, ich schaffte es aber noch rechtzeitig, Schlimmeres zu verhindern.
Achja, was waren diesmal überhaupt meine Ziele:
a) Den Lauf bis zu letzten Sekunde laufen
b) Die 100km schaffen und das Ehrenfähnchen um die Strecke tragen
Es gab zwar noch Ziele
c) Die 110km von 2019 übertreffen
d) 125km schaffen und eine zweite Runde mit Fahne drehen
die waren angesichts der Form aber utopisch und hätten ein halbes Wunder benötigt.
Achja und Ziel e) Mich nicht wieder für lange Zeit abschießen...
Zum Lauf selbst: Wunder Punkt war das Knie, das merkte ich auf den ersten 30k, es wurde aber nicht schlimmer und hörte dann irgendwann auf. Ich habe sehr früh begonnen, Gehpausen einzubauen. Pausen waren recht kurz, geschlafen habe ich 2x insgesamt maximal 40 Minuten, das Cola-Koffein machts möglich.
Ich merkte dann recht früh wirklich müde Muskeln und es war klar, dass die erträumten >125km nicht in Reichweite sind. Als die Erholungen von Laufabschnitten mehr Zeit kosteten, als diese gegenüber reinem Gehen einsparten, sparte ich mir diese und latschte fast komplett.
In der Nacht machte ich 3 längere Pausen (länger heißt 20-40 Minuten), in denen ich ins Zelt kroch und die Beine auch ein wenig ausstreckte. Das machte ich jeweils, als sich erste Ansätze der von 2019 bekannten Fußsohlenschmerzen andeuteten. Hat geklappt, nur war danach das Anlaufen (bzw. "Angehen") unfassbar zäh, die Waden waren steinhart und benötigten fast 1km bis sie wieder wie vorher funktionierten.
Hochgerechnet, was so ginge und mit viel eingerechneter Sicherheit kam ich drauf, dass auch die 100km nix mehr würden, da ich garantiert noch langsamer werde. Raffi, der zu dem Zeitpunkt mit mir rundengleich war, rechnete hingegen für sich 100-120 mögliche km hoch, wenn er nur bis Mitternacht die 60km schaffen würde. Nix dazu gesagt, auch nicht gegengecheckt aber die 60km irgendwann gegen 23:30 Uhr zusammengehabt. Also ganz optimistisch gewesen. Raffi hatte kurz nach der Kalkulation (irgendwo zwischen 50 und 60km) leider Pech und sein Plan zerschlug sich..
Ich war für mich dann doch wieder einigermaßen optimistisch, kalkulierte aber nicht weiter.
Irgendwann in der Nacht hatte ich dann mal auf die Ergebnisliste gelinst. Platz 48 von 81 bei den Männern. Nach der Pause war es dann Platz 53... argh, die Konkurrenz hat erfolgreicher KM geschrubbt als ich, zweite Hälfte der Platzierungen klang nicht wirklich schön.
Die kurzen Pausen der Nacht halfen aber bei einer großen Aufholjagd, irgendwann in den sehr frühen Morgenstunden checkte ich erneut und war auf Platz 38. Klang schon besser. Gefühlt kam ich trotzdem nicht voran und hatte die 100km abgeschrieben. Dann eine Runde gemeinsam mit einem späteren 150km-Läufer gelatscht, ihm berichtet und er war - im Gegensatz zu mir- in der Lage zu rechnen. "Das schaffst Du locker!!!" - und zwar auch gut begründet, also nicht nur als pure Motivation gedacht.
Ich machte dann auch zwei Rechnungen auf. Ohne jede Verpflegungspause und in meimem besten Tempo hätte ich die 100km gegen 10 Uhr geschafft und mit pessimistischster Rechnung gegen 11:00. Zielschluss war um 12.
Getraut habe ich mir aber nicht. Also Pausen bestmöglich verkürzt, die sehr leckeren Frühstücksbrötchen latschenderweise verspeist und gegen 10:30 war dann tatsächlich meine 100-km-Fähnchen-Runde.
Und das war dann ungelogen der emotionalste Teil meiner bisherigen Laufkarriere. Wahrscheinlich weil ich dieses Ziel schon 2x aus den Augen verloren hatte. Schon beim Aufnehmen der Fahne konnte ich die Tränen kaum zurückhalten und die ganze Runde (auf der mich meine Frau begleitete), war unfassbar emotional. Dass ich dazu von den anderen Läufern extrem gefeiert wurde (mehr als letztesmal, da war der Zeitpunkt während des Frühstücks halt blöd) machte es nicht einfacher, nicht loszuheulen wie ein Schlosshund.
Nachdem diese Runde vorbei war und ich mich wieder im Griff hatte, ging ich mein nächstes Ziel an: Bis zur Schlussierene auf der Strecke bleiben und bis zur letzten Sekunde KM sammeln.
Nach einem Blick auf den Zwischenstand kam ein weiteres Ziel hinzu: Platz 25 war plötzlich in Reichweite. Es war erkennbar, welche Läufer vermutlich Feierabend gemacht hatten und wo sich noch was an Distanzen bewegte. Also weiter bei den Mini-Pausen geblieben, auf den letzen 2 Runden gar nicht mehr und dann auf den letzten Metern vor der Sirene auch wieder gelaufen.
Blick in die Ergebnisliste: Wie erwartet Platz 27, rundengleich mit zwei weiteren, die früher ihre 80 Runden beendet hatten. Jetzt kam es auf die Vermessung der Zusatzmeter an. Beim einen Läufer sprang die Distanz dann plötzlich von 106,12km auf 106,44km. Er war also doch bis zum Schluss dabei...? Bei mir tat sich lange nichts. Und endlich: 106,75km - und damit Platz 25.
Orthopädisch fühlt sich derzeit alles gut an. Unfassbar müde Muskeln, die aber gerade dabei sind, sich gut zu erholen.
Zusammenfassung: Alles realistisch Erreichbare erreicht. Ich bin megazufrieden.
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Runalyze-Profil
Mein Lauftagebuch "Ausgerechnet ich laufe"
PBs: 10k: 44:27 (3/18), HM: 1:37:59 (9/18), M: 3:30:35 (04/19) Ultra: 72,3km in 7:28h (12/19), 110km in 24h (6/19)
Mein Lauftagebuch "Ausgerechnet ich laufe"
PBs: 10k: 44:27 (3/18), HM: 1:37:59 (9/18), M: 3:30:35 (04/19) Ultra: 72,3km in 7:28h (12/19), 110km in 24h (6/19)