Die letzten Tage vorm Rennen waren nicht die ideale Vorbereitung, wobei meine Beine sich super anfühlten. Am Donnerstag Abend hatte ich einen wunderschönen Abend mit 5 Kollegen aus Montreal in Berlin, nachdem ich vorher noch kurz meine Startnummer abgeholt hatte. Ich zeigte Ihnen die Berliner Innenstadt und dann ging es zum leckeren Steak-Essen. Am Samstag erhielt ich dann leider die Nachricht, dass einer meiner Kollegen mit Corona im Bett liegt und sofort fühlte ich mich auch leicht kränklich, was natürlich nicht stimmte. Aber die Gedanken jetzt kurz vorm Rennen mich angesteckt zu haben, beschäftigte mich schon sehr und immerhin saßen wir 2 Std. im Restaurant am gleichen Tisch. Aber der 30min shake out run am Morgen war wenigstens bestens. Nun ja...erstmal ging es jetzt eh mal wieder in Möbelhäuser und noch etwas die Wohnung meiner Freundin für den Umzug vorbereiten. Insgesamt waren wir so 5 Stunden unterwegs und als ich am späten Nachmittag endlich zu Hause war, legte ich mich nur noch ko auf die Couch. Um 23h ging es dann ins Bett und erstmals konnte ich komplett durchschlafen bis um 6h der Wecker klingelte. Das hatte ich noch nie vorm Rennen.
Der Weg zum Start, die Kleiderbeutel-Abgabe und alles im Startbereich klappte wieder ohne Probleme, nur dass plötzlich meine Garmin Uhr mit kaputtem Armband am Boden lag. Warum genau heute? Zum Glück konnte ich es mit etwas tape provisorisch fixieren und mit Uhr an den Start gehen. Im Startblock ordnete ich mich relativ weit vorne im Block C ein. Das Wetter war nahezu perfekt, wobei es mir wärmer vorkam als gedacht (ich mag es einfach kalt zum laufen, da ich immer sehr schnell schwitze). Anderthalb Minuten nach dem Startschuss ging es für mich über die Startlinie und obwohl es deutlich voller auf der Strecke war, konnte ich gut mein Tempo laufen. Bei 2.5 km wartete dann schon das erste Mal meine Tochter und zauberte mir ein Lächeln auf die Lippen. Ansonsten war ich heute leider wenig am lächeln. Der Stress der letzten Wochen hatten schon die Vorfreude auf den Marathon in Grenzen gehalten, da ich eher mit dem Umzug beschäftigt war und irgendwie fühlte ich mich heute schlapp.
Meine Pace, war aber sehr gut und die ersten
5km lief ich in genau 00:22:00 (4:24/km).
Es ging jetzt über die Turmstr. zurück zum Regierungsviertel und auch wenn sich die Beine gut anfühlten, fehlte mir etwas Kraft im Körper. Bei jedem Getränkestand kippte ich mir einen Becher Wasser über den Kopf weil mir schon sehr warm war. Mein Puls war leicht zu hoch aber ich wollte auch nicht wirklich die Pace reduzieren, da sich der Schritt super anfühlte. Schwer zu beschreiben was ich da fühlte. Irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen heute 42km in egal welcher Pace zu laufen. Die Stimmung an der Strecke war aber super heute und es waren viel mehr Zuschauer als bei meinen zwei letzten Teilnahmen. Das pushte mich immer wieder und ich nahm mir vor immer nur in 5km Abschnitten zu denken.
KM 5-10: 00:22:07 (4:26/km)
Zwischenzeit KM 10: 00:44:07
Langsam dachte ich mal wieder an den weisen Spruch "Bis Halbmarathon muss man mit Handbremse laufen" und merkte, dass ich das heute überhaupt nicht tat. Ich lief die Pace die ich trainiert hatte und die sich gut anfühlte, aber nach Handbremse oder "noch sehr locker" fühlte es sich nicht an. Mein Puls passte dazu und war ca. 5 Schläge zu hoch. Ab ich entschloss mich zu kämpfen und bei KM 14 wartete dann meine Freundin mit Getränk und zweitem Gel für mich. Ich lief wie im Tunnel und die KM flogen nur so an mir vorbei, aber es war mega hart.
KM 10-15: 00:22:17 (4:28/km)
Zwischenzeit KM 15: 01:06:24
Es ging jetzt durch Kreuzberg Richtung Schöneberg und die Stimmung wurde immer besser, aber ich war leider nur mit meinem Kampf gegen meinen Schweinehund beschäftigt. Ich nahm die Zuschauer war und klatschte auch mit ein paar Kindern ab, aber irgenwie nahm ich das alles nicht so bewusst war. Die Vorstellung an den Rest der Strecke fiel mir immer schwerer. Ich dachte ich würde langsamer, aber erstaunlicherweise hielt ich die Pace noch relativ konstant. Ich schaute auch nicht mehr auf den Puls, da der eh zu hoch war und lief nur noch nach Gefühl. Ich war nah am roten Bereich, aber versuchte stets die Grenze dazu nicht zu überschreiten, was erstaunlich gut ging.
KM 15-20: 00:22:19 (4:28/km)
Zwischenzeit KM 20: 01:28:43
Es folgte jetzt die Halbmarathon-Marke, die ich in
01:33:38 passierte. Das entsprach relativ genau meiner Zielpace. Mein Hauptziel war zwar eine Sub 3:10h, aber innerlich schielte ich seit dem HM im April eher in Richtung 3:06h (4:25/km). Ich entspannte ein wenig, weil ich daran dachte, dass jetzt einfach umdrehen und zurücklaufen von der Entfernung her machbar wäre. Das war leichter als mir vorzustellen noch einen HM laufen zu müssen. In Schöneberg war die Stimmung auch weiterhin super. Bei KM 23 stand mein Vater und rief mir zu, dass ich super aussehe. Ich rief nur zurück, wie hart es heute ist. Bei KM 25 ging es dann quasi an meiner Haustür vorbei in Richtung Wilmersdorf. Ein paar Nachbarn und Freunde feuerten mich an und mir ging es etwas besser. Meine Mutter wartete mit Gel und Getränk auf mich und die Gels brauchte ich heute sehr. Insgesamt nahm ich diesmal 6 statt 5 gels zu mir, weil ich hoffte dadurch mehr Energie zu bekommen, was auch kurzfristig ganz gut half.
KM 20-25: 00:22:34 (4:31/km)
Zwischenzeit KM 25: 01:51:17
Kurz nach KM 25 kam eine Familie auf die super Idee die Strecke mit einem Bollerwagen zu überqueren. Es waren aber keinerlei Lücken da und so blieben sie direkt vor mir stehen. Ich schrie sie nur an und konnte gerade noch so ausweichen. Das zusätzliche Adrenalin war aber dafür ganz hilfreich.

Es ging jetzt Richtung Wilden Eber und die Steigung merkte ich deutlich. Die Beine fühlten sich aber dank der Gels noch gut an und ich überlegte kurz etwas zu Beschleunigen, was ich aber schnell wieder beiseite schob. Ab KM 35 wollte ich frühestens nochmal alles geben, da ich heute doch Angst vor dem Mann mit dem Hammer hatte, den ich bisher bei allen Marathons vermeiden konnte. Die KM gingen immer noch total schnell vorüber, was meinen Kampf erträglicher machte. KM 30 sehnte ich herbei, obwohl ich daran dachte, dass dort ja erst so richtig der Marathon beginnt. Aber mich entspannte es eher, weil ich wusste, dass ich 12km noch schaffen würde irgenwie.
KM 25-30: 00:22:30 (4:30/km)
Zwischenzeit KM 30: 02:13:47
Am Fehbelliner Platz war die Stimmung wieder mega und plötzlich hörte ich meinen Namen rufen. Meine Tochter stand mit ihrer Schwester, meiner Ex-Frau und ihrem Mann an der rechten Straßenseite (eigentlich wollten sie am Ku-Damm stehen). Schnell kreuzte ich nach rechts um natürlich wieder abzuklatschen. Per Whatsapp durfte ich später den schönen Spruch lesen, dass man als Mann ja nur noch eine Brustwarze braucht

. Im Ziel hatte ich dann auch festgestellt, dass sich irgenwann im Rennen mein eines Tape verabschiedet hatte und meine rechte Brustwarze blutig das Singlet Rot gefärbt hatte.

Die Pace konnte ich noch ganz gut um 4:30/km halten und ich wusste, dass ich etwas über 1min Puffer auf 3:10h hatte. Ich fing an zu rechnen auf wieviel ich die Pace später reduzieren könnte wenn nötig um noch mein Hauptziel zu erreichen. Jeder KM der nah an 4:30 war, beruhigte mich immer mehr. Bei KM 34 stand dann meine Freundin mit dem letzten Cola-Koffein Gel und der Ku-Damm war dann schnell passiert.
KM 30-35: 00:22:36 (4:31/km)
Zwischenzeit KM 35: 02:36:23
Bei KM 35 hatte ich vor 10km überlegt leicht zu beschleunigen, aber dafür war keine Kraft dar. Im Gegenteil, es wurde jetzt doch deutlich härter und der Kampf wurde größer. Die KM wurden immer zäher und kamen mir immer weiter vor. Die Pace ging jetzt doch deutlich runter, aber ich war mir sicher, dass ich noch genug Puffer hatte. Gleichzeitig war ich zuversichtlich dass ich die letzten 2km auch nochmal beschleunigen könnte. Ab KM 30 wurden die Getränkestationen immer anstrengender, da mehr und mehr Läufer sich einen Becher nahmen und sofort stehen blieben um zu trinken. Nur wenige tates dies erst nach den Ständen um die anderen Läufer nicht zu blockieren. So lief ich 2x fast direkt in andere Läufer rein, da sie abrupt vor mir anhielten um zu trinken (wer das liest und es noch nicht weiß: Bitte immer erst nach den Getränkeständen am Rand zum Trinken anhalten, ansonsten funktioniert das bei diesen Massen nicht und führt immer zu Kollissionen).
Bei KM 37-39 war ich positiv über meine Pace überrascht, das bei den KM Markern mir für die 2km zusammen eine Pace von 4:20/km angezeigt wurde. Bei KM 40 relativierte sich das allerdings, da mir dieser mit über 5:00/km angezeigt wurde. Hier standen eindeutig mind. 2 Markierungen falsch.
KM 35-40: 00:23:02 (4:37/km)
Zwischenzeit KM 40: 02:59:25
Das Ziel war jetzt in Reichweite und ich wusste, dass ich die letzten 2,195km in ca. 10min schaffen kann. Die Beine waren jetzt schwer und so richtig Beschleunigen ging auch nicht mehr. Daher konzentrierte ich mich darauf die Pace zu halten und nicht noch einzubrechen. Das Einbiegen auf die Straße unter den Linden war dann eine riesen Befreiung und ich sah das Brandenburger Tor immer näher kommen. Ich genoss die letzten Meter, winkte meiner Freundin zu und freute mich über das errichen meines Hauptziels.
KM 40-Ziel: 00:10:01 (4:34/km)
Ziel: 03:09:26
Insgesamt war es heute mein härtester Wettkampf. Ich kämpfte fast die gesamte Strecke mit mir und konnte das schöne Wetter, die super Atmosphäre und auch meine tolle Zeit nie richtig genießen. Nach 24h darüber nachdenken, bin ich sicher, dass zwei Gründe dazu führten.
1. Ich bin zu schnell angegangen und gerade auf den ersten 5 km hätte ich 5s / km langsamer laufen sollen. Dann hätte ich mehr Kraft für den zweiten Teil gehabt und das Rennen mehr genießen können. Die Zielzeit wäre ziemlich sicher die gleiche oder noch leicht besser gewesen. Viel mehr als 3:09:00 wäre aber heute einfach nicht drin gewesen, was auch ok ist.
2. Der Umzugsstress der letzten Wochen und Tage war einfach kontraproduktiv für ein schönes Rennen. Ich war vom Kopf her nicht frei und nicht entspannt. Das war jetzt nichts was ich anders hätte planen können, aber zeigt mir, dass ich in Zukunft wenn möglich mir mehr Erholung (Arbeit, etc.) in der Woche vorm Marathon gönnen werde.
Am Ende bin ich sehr stolz, dass ich den Kampf gegen meinen Schweinehund über fast 40km gewonnen habe. Jetzt steht erstmal der Umzug und dann zwei Geschäftsreisen an, bevor es am 22.10. zum Glück endlich in den Urlaub Richtung Florida / New York geht, mit dem schönen Abschluss durch die 5 boroughs von New York
