Ausflug, meine Freunde die Johanniter und dumme Kommentare.
So lässt sich mein heutiger Tag in drei Bereiche Gliedern.
Da wir heute schönstes Wetter hatten stand kurzerhand ein kleiner Familienausflug mit meiner Mutter und meinen zwei kleinsten Geschwistern auf dem Plan. Ein kleiner Gutshof ein paar Km von uns entfernt hatte Tag der offenen Scheunentür und da es dort Neben Ponyreiten und Streichelzoo noch so einiges anderes für Kinder gab, sind wir dort hingefahren.
Auf dem Parkplatz angekommen ging es erst mal ans ausladen (mit mir zu verreisen ist in letzter Zeit ja leider nicht ganz so einfach) des Rollis und der Kühltasche (Das Diazepam darf nicht besonders Warm gelagert werden) und Joey hat sich beim herausspringen aus der Hundebox bald das Genick gebrochen weil sie ja keine 2 Sekunden warten kann, bis ich Platz gemacht habe

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Im Eingangsbereich standen die Sanitäter von den Johannitern welche mich Gott sei Dank mal nicht gekannt haben

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Dann ging es weiter über das Gelände und meine Geschwister sind ab zum Ponyreiten. Obwohl ich mittlerweile schon sehr viel selber laufe und stehe, habe ich mich beim Warten dann doch in den Rollstuhl gesetzt. Mit den Monitoren die ebenfalls am Rollstuhl hingen (für den Vitaguard gibt es so eine Wunderschöne *hust* blaue Tasche mit Gurt und für das Handgerät vom Pulsoxi haben wir eine Schutzhülle mit Band.) und den ganzen Kabeln sieht das natürlich erstklassig aus. Obwohl wir die Alarmgrenzen angepasst haben (Puls und HF Werte alamieren bei >160 und <50, SpO2 alarmiert bei <85% und die AF bei < 8 ) gibt es hin und wieder Alarm (Hauptsächlich wegen kurzer Sättigungsabfälle oder erhöhter HF und PF) und das kommt natürlich sehr gut. Genervt wie üblich schalte ich dann den Alarm auf still und die Blicke der Erwachsenen und Kinder wandern zu mir. Man sollte zwar meinen, dass man sich irgendwann daran gewöhnt wenn man ständig doof angeguckt wird weil man mit Gips, Halskrause, Verbänden, Gurten und Co durch die Gegend läuft, so wirklich habe ich das aber irgendwie nie getan.
Ein kleines Mädchen ein paar Schritte entfernt (Dürfte so in dem Alter von meinem kleinen Bruder gewesen sein, also so um die 6 Jahre +/- in etwa) fragte mich dann warum ich im Rollstuhl sitze. Für mich überhaupt kein Problem. Die Mutter hat das Kind dann aber am Arm zurück gezogen und meinte zu dem Kind: Das Mädchen ist krank. Sowas fragt man nicht.
Das Kind hat dann gefragt >Was hat das Mädchen denn< und die Mutter sagte nur>Pscht< Ich persönlich konnte das nicht verstehen, bin aufgestanden und habe sie gefragt, ob sie sich mal in den Rollstuhl setzten möchte. Die Mutter war ganz sprachlos und als das Mädchen mich gefragt hat, was ich habe, habe ich einfach geantwortet, dass mein Hirn manchmal ein bisschen herum spinnt und ich deshalb manchmal einen Rollstuhl brauche. Anschließend durfte ich noch die Zahlen auf den Monitoren erklären (was Kinder so faszinierend an den Dingern Finden wird mir wohl ein Rätsel bleiben) und auch wieso mein Pflaster ein Kabel hat und leuchtet.
Als meine kleine Schwester und mein Bruder zurück kamen haben sich die Mädels begrüßt. Die beiden sind in der gleichen Schule und wir wohnen nur ein paar Häuser voneinander entfernt.
Eigentlich war ich ja der Meinung, dass meine Geschwister nur Nachteile aus den Anfällen und den Folgen der Anfälle ziehen. Heute ist mir dann klar geworden: Keins von meinen Geschwisterkindern wird je Probleme oder dergleichen mit "behinderten" Mitmenschen haben (ja ich mag das Wort nicht). Sie sind im Grunde damit aufgewachsen. Für die drei ist es ganz normal mich mit Monitoring, humpelndem Gang, oder auch mal im Rollstuhl zu sehen. Das ist für keinen von uns durchweg alltäglich, aber sie würden nie auf die Idee kommen mich deswegen anders zu behandeln. (Mein kleiner Bruder hat sogar noch Angst, dass ich vor ihm alle Ostereier finde und dergleichen) Wenigstens diese Selbstverständlichkeit im Umgang mit anderen, nicht ganz gesunden Menschen, wird ihnen vielleicht mal zugute kommen.
Dumme Kommentare habe ich heute dennoch einige zu hören bekommen. Von manchen waren sie erschreckend, von anderen machten sie mir wenig aus. Ich fand nur erschreckend, wie manche Eltern von kleineren Kindern damit umgegangen sind.
Neben Ponyreiten, Streichelzoo, allen möglichen Ramsch-Ständen usw gab es natürlich auch Fressbuden, nein, quatsch, die Currywurst-Stände heißen ja jetzt auch Catering, und unheimliche live-Musik (was natürlich wieder genau das richtige für mich mich war wo ich ja so ein Freund von lauten Geräuschen bin) die mich kurzzeitig dazu brachte mich zu fragen ob das Topamax Wahrnehmungsverzerrungen als Nebenwirkungen haben könnte. Da meine Mutter die Musik aber genauso... speziell fand, scheint es einfach nicht unser Stil gewesen zu sein.
Am Ende machte Joey noch mal ordentlich Theater und auch das Pulsoxi wollte wegen zu niedriger Sättigung keine Ruhe geben. Als wir fast vom Gelände runter waren kam dann ein, immerhin relativ leichter, Anfall den meine Mutter mit Diazepam sehr schnell unterbrechen konnte. Da ich es aber geschafft habe direkt neben dem RTW der Johanniter zu krampfen, haben die mich natürlich erst mal in den Wagen gesetzt, Blutdruck gemessen usw. Die waren völlig neben der Spur wenn man die zu uns vergleicht. Am liebsten hätte man mich sofort in die Klinik gebracht und ein EEG geschrieben und sonst was noch geht und wir sind das mittlerweile so gewohnt, dass wir nur noch sagen "Ab Nachhause und gut ist" Nach einem Anruf in der Reha und einem Gespräch mit dem Diensthabenden Arzt durften wir dann auch gehen (Normalerweise hätten sie mir den Zugang am liebsten gezogen, aber nachdem erklärt wurde, dass ich bis vor kurzem einen Hickman hatte und meine Eltern sich mit dem Spritzen bestimmter Medikamente und der Katheter-pflege auskennen, hat man den dann doch weiter liegen gelassen) und haben nur eine Kochsalz-Gluckose Infusion+ Besteck mitbekommen um das Diazepam besser aus dem Körper zu spülen. Nicht das wir nicht noch welche Zuhause gehabt hätten, aber da wir endlich gehen wollten, haben wir das Zeugs eingepackt und sind gegangen.
Auf der Autofahrt bin ich dann ziemlich schnell eingeschlafen, Zuhause haben wir nur Geschwister und Hund abgesetzt und sind mit Gepäck weiter zurück zur Reha gefahren. Dank meines Mittagsschlafes kann ich jetzt nämlich mal wieder nicht schlafen und ich hoffe nur, dass sich dies nicht im Laufe des Tages rächen wird.
Das jetzt