Rennsteiglaufbericht: b) der Lauf
Pünktlich um 4:24 klingelte der Wecker. Blöd, dass ich sofort als erstes mit Durchfallalarm die Toilette besuchen musste. Anscheinend habe ich in den letzten Tagen zu viel gefuttert – nee Quatsch, ich doch nicht – oder dummerweise was falsches erwischt. Na wird schon schiefgehen.
Zum Glück waren es gute Wanderbedingungen. Um die 8°C, mit Tageshöchsttemperatur um 15°C, dabei heiter bis wolking, eventuell mit ein paar Schauern ab 14 Uhr, wo ich dann aber schon mehr als halb fertig (haha pun intended) sein müsste.
Von Hotel aus bekamen wir ein Lunchpaket aka Frühstücksbeutel, worin sich ein Sandwich, eine Tomate, ein Apfel, eine Mandarine, ein hartgekochtes Ei, ein Joghurt und ein Apfelsaftbeutel befanden. Davon konnte ich nur den Sandwich und das Ei gebrauchen. Zum Glück lief die Kaffeemaschine, und ich hatte noch eine Banane vom Vortag übrig!
Gegen 5 grummelte es wieder, und ich musste wieder schnell ins Bad rennen. Hoffentlich geht das nicht so weiter. Ein erfahrenerer Kollege, der mit seiner Zielpace von 9:30/km arg optimistisch war, hatte uns ein Taxi für 5:15 bestellt, was prinzipiell gut klappen sollte. Nur bekam der Fahrer um 5:13 einen Anruf von der Zentrale, dass er doch bitte noch 5 Minuten warten sollte, falls ein schlecht organisierter Läufer noch spät auftauchen sollte. Kam aber keiner, so dass wir dann gegen 5:20 losgefahren sind. War auch ok; gegen 5:40 konnte ich dann meinen Kleidersack abgeben und musste dann noch "schnell" die Toilette aufsuchen, da das Grummeln wieder kam. Seufz. Da war natürlich eine laaange Schlange, aber um 5:55 war ich dann doch endlich dran.
Dann schnellstmöglich – Aufwärmen ist ja immer gut – zum Start gerannt. Tja, da war alles voll. Also gab es drei Möglichkeiten: 1) vernünftig und zielgerecht hinten anstellen; 2) iwo in der Mitte elegant über den Zaun klettern; 3) vorne rein und sich etwas nach hinten quetschen.
Klar, ich hätte normalerweise 1) gewählt, aber ich sah Susi schon wieder schimpfend vor mir. #fear
Option 2 kam natürlich auch nicht in Frage – wer will sich denn schon vorm Start auf die Nase legen? Also wurde es Option 3, mit dem kleinen Problem, dass ich da nur 2 Reihen nach hinten konnte, da alles so voll war. Krampfhaft und erfolglos habe ich dann versucht, lässig und schnell auszusehen. Na ja, hoffentlich rennen die 2400 (?) Läufer mich nicht sofort über den Haufen…
1 Minute noch. Welle? Schunkeln?? Wasn hier los? Viel zu voll… Um 6:00:03 fingen die ersten dann zu Mosern an. Gegen 6:00:10 ging dann doch endlich der Countdown los, und ab ging’s. Plan war, von der Anstrengung her locker bis zügig zu laufen, d.h. irgendwo zwischen MRT und Easy Pace, und dann zu wandern, wo nötig, und zu fressen, wo möglich. Somit wurde ich natürlich auf den ersten 5 km ständig überholt. #rotelaterne
Die ersten 25 km ging’s zunächst auf gut laufbaren Wegen bergan hoch zum Großen Inselsberg, von HM 215 hoch auf 916 m. Oi. Die ersten 20 km konnte ich noch gut laufen, mit 5 km-Durchschnittspaces von 5:46 / 5:32 / 5:52 / 5:50. Der Weg war auch gut laufbar, meistens auf einem breiten Schotter-Waldweg, dazu über ein wurzliges Stück von km 18 – 20. Dabei bin ich bei den ersten Verpflegungsstellen noch durchgelaufen, wobei ich mir stets zwecks Darmberuhigung ein kleines Bananenstückchen gönnte, bis dann das letzte steile Stück des Inselsberg kam, mit ca. 200 HM rauf auf den letzten 2,5 km. Da musste ich natürlich – wie praktisch alle um mich rum – viel wandern, wobei ich allerdings weiter zurückfiel, da ich wegen der Achilles beim Gehen doch merkbar and leider langsam humpeln muss. So gingen diese 5 km nur im Schnitt von 7:09/km weg. #rotelaterne
Ach ja, die 5 km-Schilder standen übrigens arg nervich. Die ersten waren recht gut um die km 4,9, 9,9, 14,9 und 19,9 platziert, aber dann kam das 25 km-Schild erst bei km 25,5 nach meinem Garmin. Na es gibt schlimmeres, aber trotzdem… Laut offiziellen Splits lief ich diese ersten 25,5 km @6:08 und lag auf Platz 266.
Nach der Spitze des Inselsberg sollte sich meine nächste große Schwäche zeigen: steiles Bergablaufen. Nu ging es – anfangs mit Treppenstufen – 200 HM runter über eine etwa 1,3 km lange Strecke. Dort sausten nur so alle an mir vorbei, so dass ich nu endgültig auf dem allerletzten Platz lag. Zum Glück ging es anschließend auf recht guten Waldwegen immer nur etwas rauf und runter bis zur – mehr oder weniger - Halbzeit bei 720 HM und 36,9 km. Das Teilstück lief ich offiziell @5:49. Inzwischen hatte ich auch mal den trinkbaren Haferschleim probiert. Na ja. Leider wurde das Bauchgrimmen immer mehr, aber ansonsten fühlte ich mich recht gut nach immerhin nun schon 3h42m Laufen/Wandern.
So wurde es also langsam Zeit, sich nach einem gut geschützten aber nahen Baum umzuschauen. Dort habe ich mich dann erstmal gemütlich hingesetzt, aber leider kam nur Luft raus. Das kostete mich 2 Minuten, aber seitdem gaben Magen und Darm Ruhe, wohl auch, weil ich von da an nur noch Cola, Tee und Bananenstückchen zu mir nahm.
So um die Zeit gab es mehr und mehr größere Pfützen und schlammige Abschnitte (bis etwa km 54), so dass man etwas mehr aufpassen und hier und da ausweichen musste. Dazu wurde es auch hier und da wieder steiler, immer wieder runter und dann stückweise hoch bis HM 881 bei der Schmalkalder Loipe; und u.a. dann beim 43.ten km mal wieder satte 100 m hoch. Die nächste offizielle Splitzeit kam beim Grenzadler bei km 54 (HM 842); auf den letzten 17 km lag meine Durchschnittspace bei blamablen 6:33/km, was mir Platz 264 einbrachte. Zumindest war somit mein 25. Ultra nach 5h34m geschafft, da man ja hier legal aussteigen könnte. Allerdings hatte Susi das zwar im Vorfeld erwähnt, warum auch immer, aber dann sofort brutalst verboten. #fear
Nu zeigte sich auch mehr und mehr meine Ermüdung, aber das höchste Stück sollte ja noch kommen! Andererseits waren ja nur noch 20 km zu bewältigen, was ja nu wirklich jeder kann. Dummerweise ging’s sofort wieder bergauf, so dass ich wieder wandern und somit Plätze verlieren musste. U.a. "liefen" wir den Rennsteigskiweg zur Suhler Ausspanne bei HM 922 m und dann zum Peak von HM 974 bei 62 km am Großen Beerberg. Nach einigem hoch und runter, zum Glück mehr runter als hoch, erreichten wir Schmücke bei 65 km (HM 916). Schnitt über die letzten 11 km war wieder nur peinliche 6:23/km, und ich war nu schon 6h44m unterwegs und lag auf Platz 251. Ich war inzwischen arg müde, und die Oberschenkel taten inzwischen auch vom vielen Laufen, insbesondere bergab, weh.
Ab hier sollte es angeblich nur noch bergab gehen. Das stimmte zwar tendenziell, aber eben auch nur tendenziell. Während neben uns eine schöne asphaltierte Straße lag, auf der ich noch vor zwei Tagen mit Susi gefahren war, musste man sich leider daneben auf einen kleinen holprigen Weg schlagen, versehen mit lauter Wurzeln und Steinen. Das sollte sich nun rächen, denn ich kam sofort ins Straucheln, kämpfte ein paar Meter erfolglos gegens Fallen, und dann war’s aus. Im Fallen erinnerte mich ans gute alte Langlanglang, so dass ich nicht auf die Knie knallte, sondern seitlich auf die Rippen. Autsch.
Strategisch geschickt blieb ich erstmal blutend liegen, da ich ja ohnehin eine Pause brauchte. Außerdem hoffte ich auf fiese Sanitäter, die mich doch bitte in ein gemütliches Krankenhausbett mit Schnitzel und Pommes und Bier bringen sollte. Kam aber keiner. Also machte ich mich langsam auf, ging ein paar Schritte, um dann testweise loszujoggen. Somit habe ich für den km 66 satte 7 Minuten gebraucht, obwohl der 45 m bergab ging. #rotelaterneabersowasvon
Garmin was zerkratzt, Hand tat weh, Ellbogen und Schulter bluteten auch, und anfangs konnte ich auch nicht tief einatmen. So langsam wurd’s aber wieder besser, denn die Oberschenkelschmerzen übertünchten alles, so dass bergab auf "zügige" 5:20/km beschleunigen konnte. Nachdem ich die drei gemeinen Läufer wieder überholt hatte, die mich einfach so hatten liegen lassen anstatt nette Sanitäter mit Schnitzel usw. zu besorgen, lief ich dann auf den letzten 6 km – meist bergab mit 1 – 2 Anstiegen – regelmäßig um anfeuernde Wanderer mit Stöcken rum, bis ich endlich die lauten Ansagen vom Ziel hören konnte. Inzwischen gab’s auch wieder regelmäßige km-Schilder, so dass ich wusste, dass ich etwa 500 m mehr laufen musste als von Garmin behauptet. So schaffte ich dann doch noch die letzten paar km immerhin @5:25, 5:04, 5:16 und 5:25 (je nach HM), sowie die letzten 400 m @5:01.
Macht gerundete 7:37, sowie 5:54/km auf den letzten 9 km seit Schmücke inkl. fallen und bergab rollen lassen. Offiziell Platz 251, 6:08/km für die 73,9 km mit 1867 m rauf und 1392 m runter.
Ach ja, im Schnitt lag ich bei 79% der HFmax, was hier im Faden ja locker ist. Von wegen WK.
#rotelaterne
Nu aber auch ab zu den Sanitätern zum Verwöhnen lassen!
Danke fürs Lesen, Mitfiebern und Anfeuern!
"If you want to become a better runner, you have to run more often. It is that easy." - Tom Fleming