Von den ersten Läufen in Jeans bis zum vorläufigen Höhepunkt - einer 3:05
Verfasst: 26.10.2015, 17:05
Wer meine bisherige Geschichte ein bisschen verfolgt hat, weiß, dass ich irgendwie ein bisschen anders bin.
Die Entscheidung für die Lauferei folgte, nach dem sich diverse Puzzleteile langsam zusammenfügten.
In der Schule war ich beim Sport eher deutlich im hinteren Drittel.
Ein etwas entfernterer Verwandter aus Frankfurt wollte mich in meinen Zwanzigern animieren, ein bisschen Sport zu machen. 2-3x die Woche hat man Zeit, hat er gemeint. Er selbst lief mit 49 seine sehr beachtliche PB im Marathon, und zwar 2:41:xx (jetzt ist er 80). Er wollte gar nicht unbedingt, dass ich auf Marathon raus gehe, sondern einfach ein bisschen Sport mache. Damals konnte ich damit rein gar nix anfangen. Gut, mein großes Haupthobby war damals die Zeichnerei/Malerei. Ich dachte, kann ich nicht, will ich nicht, brauch ich nicht...
Ca. 6 Jahre pendelte ich beruflich nach Frankfurt. Oft fuhr ich mit dem Zug. Da ich im Büro immer wieder bis zur letzten Sekunde festklebte, musste ich mich beeilen die nächste U-Bahn zu erreichen, damit ich noch meinen Zug erwischte. Oft rannte ich wie verrückt zur Station. Wenn ich zur Bank musste, trabte ich meistens. Da merkte ich zum ersten Mal, irgendwie macht sowas ja Spaß...
Dann besuchte ich einmal die Körperweltenausstellung. Dort hieß es einer Umfrage zufolge, dass 70% (soweit ich mich erinnere) der Besucher im Nachhinein mit Sport anfingen. Damals war ich 30 und begann mit Liegestützen und Situps. Eine Kollegin meinte, „damit machst Du aber noch nichts für die Ausdauer“.
Als ich mit 33 arbeitslos wurde, dachte ich, hhhmmm, jetzt hab ich mal wieder Zeit, kanns ja mal probieren. Ich rechnete überhaupt nicht damit konsequent zu sein und war sicher, dass ich sehr bald wieder aufhöre. Deshalb lief ich das erste Jahr in Jeans und leichten Straßenschuhen so 3 - max. 9-10km. Mit der Materie befasste ich mich überhaupt nicht. Ich rannte drauf los, meist so schnell ich grade irgendwie konnte. Ohne Uhr startete ich an der Raiffeisenbankuhr und beendete dort meine Läufe. Das war meine einzige „Kontrolle“. Die Distanz hatte ich über Google-Earth gemessen.
Als ich mich mit jemandem aus der Nachbarschaft für meinen ersten WK, den Citylauf in Aschaffenburg (7,9km) anmeldete, beschloss ich ca. 3 Monate vorher mir endlich das nötigste Utensial zu besorgen.
Ein halbes Jahr später hatte ich meinen ersten 10er (weiter ohne Uhr), den ich geplant in einer 44er Zeit unter 45 schaffte. Hierauf ging der erste HM (mittelmäßig profiliert) ziemlich schief. Ich kam das erste Mal mit massiven Kreislaufproblemen grade noch über die Ziellinie. Sanitäter kümmerten sich um mich.
Dafür lief der erste Marathon (Mannheim) einfach genial. Ich nahm mir (wiederum noch ohne Uhr) vor unter 4 Std. zu bleiben. Ich schätzte meine Möglichkeiten auf ca. 3:50-3:55 und „joggte“ die ganze Zeit grinsend (auf jedem Foto bis zuletzt) fast locker in 3:46 durch, wobei ich beim 4er Pace-Maker startete, mich „vorkämpfte“ und fast noch den 3:45er einholte. Dieses fast ständige Überholen tat der Psyche gut und machte Spaß auf mehr...
So ging es die letzten Jahre mit kleineren und größeren Aufs- und Abs insgesamt immer weiter aufwärts. Den absoluten Supergau erlebte ich während eines HMs bei ca. km 17 mit einem Prä-Kollaps. Bei mir ist das ein komisches Phänomen. Wenn ich mich übernehme, fangen meine Füße an heißzulaufen (kein Brennen, sondern eher als ob ich über eine heiße Herdplatte laufe). Damals meinte ich, trotzdem Druck machen zu können. Dann ging nix mehr. Ich ging ins Gehen über, selbst das gelang mir nicht mehr. Torkelnd wurde ich vom Streckenpersonal aufgefordert, mich hinzulegen. Ich glaube, ich war tatsächlich mal ein paar Sekunden weg. Mit dem Krankenwagen wurde ich ins nächste Krankenhaus transportiert. Während der Fahrt war ich aber zumindest geistig schon wieder voll da und quatschte denen, glaub ich, die Ohren zu.
Mittlerweile kenne ich meinen Körper besser und reize lieber nicht die letzte Minute/Sekunde aus und gehe beim Marathon im Zweifel lieber rechtzeitig ins Wandern über.
Nach meiner Erfahrung gehen 1-2 Marathons schief, dafür gelingt dann wieder einer umso besser.
Meine 10er-Bestzeit von 2013 (38:59) konnte ich nicht mehr verbessern, obwohl ich eigentlich deutlich schneller als damals bin (Intervalle und auch lockere Läufe). Insgesamt war es bisher aber wohl das beste Laufjahr. Viele 39er 10er, mein erster HM unter 1:30 (1:28:xx), fast immer AK-mäßig auf dem 1. - 3. Platz. Damit kann ich allerdings nicht prahlen, da die 40 bei uns eher die dankbarste AK ist und ich bei den 45 und 50er wiederum keine Chance hätte. Gute Leistungen sind eben nur relativ. Persönlich bin ich damit aber momentan sehr zufrieden.
Das Jahr wurde jetzt mit dem Frankfurt-Marathon gekrönt.
Nachdem ich mich im Frühjahr erst ungeplant recht kurzfristig für den Würzburg-Marathon entschied, erreicht ich dort eine 3:12er Zeit. Ich ging etwas vorsichtig vor, u.a. da ich am nächsten Tag arbeiten musste. Zwar nur einen halben Tag, aber momentan hab ich keinen Bürojob, bzw. keine sitzende Tätigkeit, sondern stehe, gehe, renne manchmal, und bin den ganzen Tag mehr oder weniger in Bewegung. 2 Wochen zuvor war ich beim „WorldRun“ in 3 Stunden 39,71km unterwegs.
Ich trainiere nicht nach Plan sondern eher nach Gefühl, Lust und Liebe, bzw. was mir grade sinnvoll erscheint. Wobei ich schon versuche, gewisse Regeln einzuhalten und vor allem möglichst abwechslungsreich zu trainieren. Ich nehme mir meistens von Woche zu Woche bestimmte Trainings vor, die ich aber ggf. anpasse. Dazu gehören Intervalle, Tempoläufe, lockere Läufe mit Endbeschleunigung, Bergsprints, längere Läufe, etc... (dieses Jahr liegt der Jahresdurchschnitt bisher bei knapp über 70km).
Mir ist einfach die Freiheit, die ich beim Laufen immer wieder spüre wichtig. Auch möglichst schmerzlos laufen zu können. Das machen zu können, was ich will. Und bei lockeren Läufen fühle ich mich oft fast schwerelos, als ob es keine Widerstände gibt und ich als eine Art Magnetschwebebahn über irgendwelchen imaginären Schienen schwebe/gleite. Das ist einfach nur Geil! Gerade manchmal nachts, nach der Spätschicht durch die Dunkelheit über den Fahrradweg zu gleiten, oft ohne Lampe, nur das wichtigste wahrnehmend, das hat was... … Zur Sicherheit hab ich mind. Reflektoren und Blinklichter dabei.
Mir sind niedrigere Wochenumfänge, dafür mehr (Durchschnitts)Tempo lieber.
Auch mein Laufstil ist nicht ganz alltäglich. Es ist meist so ein schlenkernder, irgendwie eiernder Lauf, vielleicht ein bisschen vergleichbar mit dem der kenianischen Topläuferin Priscah Jeptoo, nur halt „ein bisschen“ langsamer.
So lief mein persönliches Training bis recht kurz vor Frankfurt für mich sehr zufriedenstellend und gut. So wie ich es mir vorstellte. Auch mit den Wettkämpfen im laufenden Jahr war ich meist zufrieden bis sehr zufrieden. Dann erwischte mich zuletzt noch eine mindestens mittelschwere Erkältung. Ich trainierte weiter, grade so, wie ich es noch irgendwie verantworten konnte, was aber eine eher schon etwas unvernünftige Gratwanderung war. Die Form litt bis fast zuletzt nicht. Dann stieg der Puls (auch Ruhepuls) doch etwas und die letzten Trainings fielen mir zunehmend schwerer. Die Erkältung verschwand zum Glück fast wieder.
Dann kam das Rennwochenende.
Nachts konnte ich keine Minute schlafen. Um 4:20 stand ich auf, nahm noch was Leichtes zu mir und um 6:00 startete der Zug. 1 x Umsteigen und um ca. 7:36 war ich am Frf-Hbf (Startunterlagen hatte ich schon Freitags abgeholt). Kleiderbeutel abgegeben, ausgiebig erleichtert und zum Hammermann, bzw. Asics-Block gegangen. Dort wollte ich mich mit Farhad und Dennis aus dem Forum (2 von den anonymen sub3:20ern) treffen. Ich fand sie nicht.
Ich stellte mich etwas nach dem 3:14er Pacemaker auf. Allerdings stand nicht weit vor mir auch der 2:59er.
Es ging los.
Am Anfang ist das Gedränge erfahrungsgemäß sehr groß und man muss sich konzentrieren nicht über andere Beine zu stolpern, bzw. nicht zu fallen, wenn einem von hinten jemand reinläuft. Mein Ziel war in erster Linie eine möglichst deutliche neue PB, mind. unter 3:10.
Zwischendurch war ich in den vergangen Monaten mal auf der Schiene, ernsthaft, die sub3 in Angriff zu nehmen. Nicht zuletzt durch Erfahrungen anderer Läufer in dem Faden und durch die Erkältung siegte aber die Vernunft. Kreislaufbedingte starke Einbrüche hatte ich schon genug. Ich wollte zuletzt einfach versuchen einen möglichst guten, vernünftigen Marathon zu laufen, aber nicht auf volles Risiko gehen. Ich brauchte für mich einfach noch ein Erfolgserlebnis zum Jahresabschluss und keinen Frust, wenn ich nach 32-35km mal wiedermal auf Wanderschaft gehen muss.
Ich fand ein für mich gutes Tempo. Zu Beginn lief ich sogar auf den 2:59er PM auf, der noch sehr defensiv unterwegs war. Irgendwann zog er aber deutlich an. Ich lies ihn ziehen. Das Tempo war mir vom Gefühl zu riskant. Mein persönliches Tempo fühlte sich auch nicht ganz unanstrengend an. Nichts desto trotz wurde ich immer lockerer und konnte die Durchschnittspace immer weiter anziehen. Ich fand meinen Rhythmus. So lies ich es ohne allzu großen Druck laufen. Ich weiß gar nicht mehr so richtig was ich die ganze Zeit gedacht und gesehen habe. Irgendwie war ich ganz bei mir beim Lauf. Irgendwann hörte ich einen jugendlichen Zuschauer lachen und sagen „wie läuft denn der??“. Damit hat er sicher mich gemeint. Hat mich nicht geärgert, ich find das ja selbst witzig. Aber den Gedanken „das musst Du erstmal nachmachen...“ konnte ich mir nicht ganz verkneifen, hihi.
Als ich bei km 19 einen der ersten Geher sah, dachte ich, es sieht gut aus, fühlt sich noch gut an, ich hoffe einfach mal, dass mir das heute erspart bleibt. Ich atmete immer noch sehr ruhig und kontrolliert. Die Durchschnittspace bewegte sich von ca. 4:25 immer weiter in Richtung 4:22, bei km 30 war sie bei 4:21.
In Würzburg damals nahm ich kein Gel oder Ähnliches zu mir und ich brauchte es auch nicht. Bei einem 10er gewann ich mal einen Gutschein von 10€, den ich an einem Stand auf dem Gelände gegen 4 Koffeingels (nach denen man nichts trinken braucht) eintauschte. Drei probierte ich während der langen Läufe im Training aus. Einen nahm ich mit. Den 30. km wollte ich dann eh ein bisschen ruhiger angehen, war dann auch der langsamste km mit 4:40. Verteilt über den Kilometer nuckelte ich immer mal an dem Gel. Danach zog ich wieder etwas an. Es wurde jetzt schon zunehmend schwieriger die Pace zu halten und gelang auch nicht mehr so ganz. Ich wurde insgesamt ein bisschen langsamer, erlebte aber keinen wirklichen Einbruch. Bei km 37 sah ich einen Läufer vor mir. Von der Statur, den Haaren und dem Laufstil (mir bekannt aus einem Ziel-Video eines HMs) könnte er auf Farhad passen, dachte ich. Ich lief auf und schielte ein bisschen verstohlen rüber und versuchte den Namen auf der Startnummer zu lesen. Da drehte er den Kopf zu mir und grüßte mich. Ich sagte, “komm wir machen zusammen weiter“. Er meinte aber, ich soll weiter laufen. So nahm ich meinen momentan Rhythmus mit und zog von Dannen.
Bei km 38 fuhr ein kleiner Anflug eines Krampfes für eine Sekunde durch meine rechte Wade. Fast sofort hatte ich das wieder unter Kontrolle. Ab da lief ich aber noch ein bisschen vorsichtiger. Ein paar weitere kleine Attacken folgten noch bis ins Ziel, jetzt war ich schon irgendwie fertig.
Dort wartete ich auf Farhad. Grüßend kam er dann langsam auf mich zu und ich ihm entgegen. Er erzählte mir von seinen Schwierigkeiten und Leiden. Dann kam wenig später auch Dennis dazu, der wohl noch mehr litt. Etwas unbeholfen versuchte ich die beiden ein bisschen zu stützen. Während wir uns unterhielten, fühlte ich mich schon wieder fast so, als hätte ich nur einen harten Trainingslauf gehabt. Weiteres kann man im sub3:20er nachlesen. Vor den beiden habe ich höchsten Respekt (als Menschen und vor ihrer Leistung), wie sie sich trotz ihrer wirklich nicht kleinen Probleme zu einer (deutlichen) PB durchkämpften. Es war erst der 2. Marathon von Dennis.
Von solchen Schmerzen bleib ich eigentlich verschont, bei mir ist es, wenn es schief geht, der Kreislauf, der schlapp macht. Ich könnte mit solchen Schmerzen nicht so gut umgehen. Die beiden sind wirklich sympathische moderne Gladiatoren und es war sehr schön sie kennen zu lernen.
Hier noch meine einzelnen Splits:
5 km 04:24
10 km 04:23
15 km 04:22
20 km 04:21
21,1 04:20
25 km 04:19
30 km 04:21
35 km 04:29
40 km 04:29
42km 04:28
Die Zeit: 3:05:18
Als ich mich im Zug auf der Heimfahrt befand, musste ich einmal umsteigen. An der Haltestelle zuvor verließen andere Fahrgäste, die neben mir und mir gegenüber saßen den Zug. Es war eng. Ich musste die Beine etwas verlagern. Da schoss ein gewaltiger Krampf durch meinen hinteren rechten Oberschenkel, gleich darauf auch durch mein anderes Bein. Ich dachte, Scheiße, ich muss doch gleich raus, will doch nicht nach Würzburg weiter fahren. Was mach ich, wenn ich nicht mehr hoch komme??! Ging dann aber doch.
Wenn ich bis dahin gezweifelt hatte, ob ich das ganze zu lasch angegangen bin, bestärkte mich es im Gefühl, zumindest nichts falsch gemacht zu haben. Vielleicht hab ich diesmal sogar tatsächlich alles richtig gemacht. Wenn ich es schneller angegangen wäre, hätte ich möglicherweise nicht nur mit kleinen, kurze Anflügen von Krampfanfällen zu kämpfen gehabt, sondern mit richtigen, starken Krämpfen. Dann wäre die Zeit deutlich schlechter ausgefallen. Auch das Risiko, wieder kreislaufmäßig einzugehen, wäre höher gewesen.
Nein, genauso war es perfekt! Das Training hat meistens Spaß gemacht und sich gelohnt. Der Marathon hat mir wieder ein Stückchen mehr Selbstvertrauen geschenkt. Ich hab eine recht deutliche PB erzielt. Was will ich mehr.
Alles Weitere wird die Zukunft zeigen... mal sehen ... Vielleicht ist die sub3 greifbar, nächstes Jahr... übernächstes Jahr … in fünf Jahren... ,wenn nicht, auch kein Weltuntergang.
Wenn ich eine Zeitmaschine hätte, 8 Jahre zurück reisen und das meinem damaligen Ich erzählen würde, hätte ich sicher eine bestenfalls verständnislos ungläubige Person vor mir.
...
Die Entscheidung für die Lauferei folgte, nach dem sich diverse Puzzleteile langsam zusammenfügten.
In der Schule war ich beim Sport eher deutlich im hinteren Drittel.
Ein etwas entfernterer Verwandter aus Frankfurt wollte mich in meinen Zwanzigern animieren, ein bisschen Sport zu machen. 2-3x die Woche hat man Zeit, hat er gemeint. Er selbst lief mit 49 seine sehr beachtliche PB im Marathon, und zwar 2:41:xx (jetzt ist er 80). Er wollte gar nicht unbedingt, dass ich auf Marathon raus gehe, sondern einfach ein bisschen Sport mache. Damals konnte ich damit rein gar nix anfangen. Gut, mein großes Haupthobby war damals die Zeichnerei/Malerei. Ich dachte, kann ich nicht, will ich nicht, brauch ich nicht...
Ca. 6 Jahre pendelte ich beruflich nach Frankfurt. Oft fuhr ich mit dem Zug. Da ich im Büro immer wieder bis zur letzten Sekunde festklebte, musste ich mich beeilen die nächste U-Bahn zu erreichen, damit ich noch meinen Zug erwischte. Oft rannte ich wie verrückt zur Station. Wenn ich zur Bank musste, trabte ich meistens. Da merkte ich zum ersten Mal, irgendwie macht sowas ja Spaß...
Dann besuchte ich einmal die Körperweltenausstellung. Dort hieß es einer Umfrage zufolge, dass 70% (soweit ich mich erinnere) der Besucher im Nachhinein mit Sport anfingen. Damals war ich 30 und begann mit Liegestützen und Situps. Eine Kollegin meinte, „damit machst Du aber noch nichts für die Ausdauer“.
Als ich mit 33 arbeitslos wurde, dachte ich, hhhmmm, jetzt hab ich mal wieder Zeit, kanns ja mal probieren. Ich rechnete überhaupt nicht damit konsequent zu sein und war sicher, dass ich sehr bald wieder aufhöre. Deshalb lief ich das erste Jahr in Jeans und leichten Straßenschuhen so 3 - max. 9-10km. Mit der Materie befasste ich mich überhaupt nicht. Ich rannte drauf los, meist so schnell ich grade irgendwie konnte. Ohne Uhr startete ich an der Raiffeisenbankuhr und beendete dort meine Läufe. Das war meine einzige „Kontrolle“. Die Distanz hatte ich über Google-Earth gemessen.
Als ich mich mit jemandem aus der Nachbarschaft für meinen ersten WK, den Citylauf in Aschaffenburg (7,9km) anmeldete, beschloss ich ca. 3 Monate vorher mir endlich das nötigste Utensial zu besorgen.
Ein halbes Jahr später hatte ich meinen ersten 10er (weiter ohne Uhr), den ich geplant in einer 44er Zeit unter 45 schaffte. Hierauf ging der erste HM (mittelmäßig profiliert) ziemlich schief. Ich kam das erste Mal mit massiven Kreislaufproblemen grade noch über die Ziellinie. Sanitäter kümmerten sich um mich.
Dafür lief der erste Marathon (Mannheim) einfach genial. Ich nahm mir (wiederum noch ohne Uhr) vor unter 4 Std. zu bleiben. Ich schätzte meine Möglichkeiten auf ca. 3:50-3:55 und „joggte“ die ganze Zeit grinsend (auf jedem Foto bis zuletzt) fast locker in 3:46 durch, wobei ich beim 4er Pace-Maker startete, mich „vorkämpfte“ und fast noch den 3:45er einholte. Dieses fast ständige Überholen tat der Psyche gut und machte Spaß auf mehr...
So ging es die letzten Jahre mit kleineren und größeren Aufs- und Abs insgesamt immer weiter aufwärts. Den absoluten Supergau erlebte ich während eines HMs bei ca. km 17 mit einem Prä-Kollaps. Bei mir ist das ein komisches Phänomen. Wenn ich mich übernehme, fangen meine Füße an heißzulaufen (kein Brennen, sondern eher als ob ich über eine heiße Herdplatte laufe). Damals meinte ich, trotzdem Druck machen zu können. Dann ging nix mehr. Ich ging ins Gehen über, selbst das gelang mir nicht mehr. Torkelnd wurde ich vom Streckenpersonal aufgefordert, mich hinzulegen. Ich glaube, ich war tatsächlich mal ein paar Sekunden weg. Mit dem Krankenwagen wurde ich ins nächste Krankenhaus transportiert. Während der Fahrt war ich aber zumindest geistig schon wieder voll da und quatschte denen, glaub ich, die Ohren zu.
Mittlerweile kenne ich meinen Körper besser und reize lieber nicht die letzte Minute/Sekunde aus und gehe beim Marathon im Zweifel lieber rechtzeitig ins Wandern über.
Nach meiner Erfahrung gehen 1-2 Marathons schief, dafür gelingt dann wieder einer umso besser.
Meine 10er-Bestzeit von 2013 (38:59) konnte ich nicht mehr verbessern, obwohl ich eigentlich deutlich schneller als damals bin (Intervalle und auch lockere Läufe). Insgesamt war es bisher aber wohl das beste Laufjahr. Viele 39er 10er, mein erster HM unter 1:30 (1:28:xx), fast immer AK-mäßig auf dem 1. - 3. Platz. Damit kann ich allerdings nicht prahlen, da die 40 bei uns eher die dankbarste AK ist und ich bei den 45 und 50er wiederum keine Chance hätte. Gute Leistungen sind eben nur relativ. Persönlich bin ich damit aber momentan sehr zufrieden.
Das Jahr wurde jetzt mit dem Frankfurt-Marathon gekrönt.
Nachdem ich mich im Frühjahr erst ungeplant recht kurzfristig für den Würzburg-Marathon entschied, erreicht ich dort eine 3:12er Zeit. Ich ging etwas vorsichtig vor, u.a. da ich am nächsten Tag arbeiten musste. Zwar nur einen halben Tag, aber momentan hab ich keinen Bürojob, bzw. keine sitzende Tätigkeit, sondern stehe, gehe, renne manchmal, und bin den ganzen Tag mehr oder weniger in Bewegung. 2 Wochen zuvor war ich beim „WorldRun“ in 3 Stunden 39,71km unterwegs.
Ich trainiere nicht nach Plan sondern eher nach Gefühl, Lust und Liebe, bzw. was mir grade sinnvoll erscheint. Wobei ich schon versuche, gewisse Regeln einzuhalten und vor allem möglichst abwechslungsreich zu trainieren. Ich nehme mir meistens von Woche zu Woche bestimmte Trainings vor, die ich aber ggf. anpasse. Dazu gehören Intervalle, Tempoläufe, lockere Läufe mit Endbeschleunigung, Bergsprints, längere Läufe, etc... (dieses Jahr liegt der Jahresdurchschnitt bisher bei knapp über 70km).
Mir ist einfach die Freiheit, die ich beim Laufen immer wieder spüre wichtig. Auch möglichst schmerzlos laufen zu können. Das machen zu können, was ich will. Und bei lockeren Läufen fühle ich mich oft fast schwerelos, als ob es keine Widerstände gibt und ich als eine Art Magnetschwebebahn über irgendwelchen imaginären Schienen schwebe/gleite. Das ist einfach nur Geil! Gerade manchmal nachts, nach der Spätschicht durch die Dunkelheit über den Fahrradweg zu gleiten, oft ohne Lampe, nur das wichtigste wahrnehmend, das hat was... … Zur Sicherheit hab ich mind. Reflektoren und Blinklichter dabei.
Mir sind niedrigere Wochenumfänge, dafür mehr (Durchschnitts)Tempo lieber.
Auch mein Laufstil ist nicht ganz alltäglich. Es ist meist so ein schlenkernder, irgendwie eiernder Lauf, vielleicht ein bisschen vergleichbar mit dem der kenianischen Topläuferin Priscah Jeptoo, nur halt „ein bisschen“ langsamer.
So lief mein persönliches Training bis recht kurz vor Frankfurt für mich sehr zufriedenstellend und gut. So wie ich es mir vorstellte. Auch mit den Wettkämpfen im laufenden Jahr war ich meist zufrieden bis sehr zufrieden. Dann erwischte mich zuletzt noch eine mindestens mittelschwere Erkältung. Ich trainierte weiter, grade so, wie ich es noch irgendwie verantworten konnte, was aber eine eher schon etwas unvernünftige Gratwanderung war. Die Form litt bis fast zuletzt nicht. Dann stieg der Puls (auch Ruhepuls) doch etwas und die letzten Trainings fielen mir zunehmend schwerer. Die Erkältung verschwand zum Glück fast wieder.
Dann kam das Rennwochenende.
Nachts konnte ich keine Minute schlafen. Um 4:20 stand ich auf, nahm noch was Leichtes zu mir und um 6:00 startete der Zug. 1 x Umsteigen und um ca. 7:36 war ich am Frf-Hbf (Startunterlagen hatte ich schon Freitags abgeholt). Kleiderbeutel abgegeben, ausgiebig erleichtert und zum Hammermann, bzw. Asics-Block gegangen. Dort wollte ich mich mit Farhad und Dennis aus dem Forum (2 von den anonymen sub3:20ern) treffen. Ich fand sie nicht.
Ich stellte mich etwas nach dem 3:14er Pacemaker auf. Allerdings stand nicht weit vor mir auch der 2:59er.
Es ging los.
Am Anfang ist das Gedränge erfahrungsgemäß sehr groß und man muss sich konzentrieren nicht über andere Beine zu stolpern, bzw. nicht zu fallen, wenn einem von hinten jemand reinläuft. Mein Ziel war in erster Linie eine möglichst deutliche neue PB, mind. unter 3:10.
Zwischendurch war ich in den vergangen Monaten mal auf der Schiene, ernsthaft, die sub3 in Angriff zu nehmen. Nicht zuletzt durch Erfahrungen anderer Läufer in dem Faden und durch die Erkältung siegte aber die Vernunft. Kreislaufbedingte starke Einbrüche hatte ich schon genug. Ich wollte zuletzt einfach versuchen einen möglichst guten, vernünftigen Marathon zu laufen, aber nicht auf volles Risiko gehen. Ich brauchte für mich einfach noch ein Erfolgserlebnis zum Jahresabschluss und keinen Frust, wenn ich nach 32-35km mal wiedermal auf Wanderschaft gehen muss.
Ich fand ein für mich gutes Tempo. Zu Beginn lief ich sogar auf den 2:59er PM auf, der noch sehr defensiv unterwegs war. Irgendwann zog er aber deutlich an. Ich lies ihn ziehen. Das Tempo war mir vom Gefühl zu riskant. Mein persönliches Tempo fühlte sich auch nicht ganz unanstrengend an. Nichts desto trotz wurde ich immer lockerer und konnte die Durchschnittspace immer weiter anziehen. Ich fand meinen Rhythmus. So lies ich es ohne allzu großen Druck laufen. Ich weiß gar nicht mehr so richtig was ich die ganze Zeit gedacht und gesehen habe. Irgendwie war ich ganz bei mir beim Lauf. Irgendwann hörte ich einen jugendlichen Zuschauer lachen und sagen „wie läuft denn der??“. Damit hat er sicher mich gemeint. Hat mich nicht geärgert, ich find das ja selbst witzig. Aber den Gedanken „das musst Du erstmal nachmachen...“ konnte ich mir nicht ganz verkneifen, hihi.
Als ich bei km 19 einen der ersten Geher sah, dachte ich, es sieht gut aus, fühlt sich noch gut an, ich hoffe einfach mal, dass mir das heute erspart bleibt. Ich atmete immer noch sehr ruhig und kontrolliert. Die Durchschnittspace bewegte sich von ca. 4:25 immer weiter in Richtung 4:22, bei km 30 war sie bei 4:21.
In Würzburg damals nahm ich kein Gel oder Ähnliches zu mir und ich brauchte es auch nicht. Bei einem 10er gewann ich mal einen Gutschein von 10€, den ich an einem Stand auf dem Gelände gegen 4 Koffeingels (nach denen man nichts trinken braucht) eintauschte. Drei probierte ich während der langen Läufe im Training aus. Einen nahm ich mit. Den 30. km wollte ich dann eh ein bisschen ruhiger angehen, war dann auch der langsamste km mit 4:40. Verteilt über den Kilometer nuckelte ich immer mal an dem Gel. Danach zog ich wieder etwas an. Es wurde jetzt schon zunehmend schwieriger die Pace zu halten und gelang auch nicht mehr so ganz. Ich wurde insgesamt ein bisschen langsamer, erlebte aber keinen wirklichen Einbruch. Bei km 37 sah ich einen Läufer vor mir. Von der Statur, den Haaren und dem Laufstil (mir bekannt aus einem Ziel-Video eines HMs) könnte er auf Farhad passen, dachte ich. Ich lief auf und schielte ein bisschen verstohlen rüber und versuchte den Namen auf der Startnummer zu lesen. Da drehte er den Kopf zu mir und grüßte mich. Ich sagte, “komm wir machen zusammen weiter“. Er meinte aber, ich soll weiter laufen. So nahm ich meinen momentan Rhythmus mit und zog von Dannen.
Bei km 38 fuhr ein kleiner Anflug eines Krampfes für eine Sekunde durch meine rechte Wade. Fast sofort hatte ich das wieder unter Kontrolle. Ab da lief ich aber noch ein bisschen vorsichtiger. Ein paar weitere kleine Attacken folgten noch bis ins Ziel, jetzt war ich schon irgendwie fertig.
Dort wartete ich auf Farhad. Grüßend kam er dann langsam auf mich zu und ich ihm entgegen. Er erzählte mir von seinen Schwierigkeiten und Leiden. Dann kam wenig später auch Dennis dazu, der wohl noch mehr litt. Etwas unbeholfen versuchte ich die beiden ein bisschen zu stützen. Während wir uns unterhielten, fühlte ich mich schon wieder fast so, als hätte ich nur einen harten Trainingslauf gehabt. Weiteres kann man im sub3:20er nachlesen. Vor den beiden habe ich höchsten Respekt (als Menschen und vor ihrer Leistung), wie sie sich trotz ihrer wirklich nicht kleinen Probleme zu einer (deutlichen) PB durchkämpften. Es war erst der 2. Marathon von Dennis.
Von solchen Schmerzen bleib ich eigentlich verschont, bei mir ist es, wenn es schief geht, der Kreislauf, der schlapp macht. Ich könnte mit solchen Schmerzen nicht so gut umgehen. Die beiden sind wirklich sympathische moderne Gladiatoren und es war sehr schön sie kennen zu lernen.
Hier noch meine einzelnen Splits:
5 km 04:24
10 km 04:23
15 km 04:22
20 km 04:21
21,1 04:20
25 km 04:19
30 km 04:21
35 km 04:29
40 km 04:29
42km 04:28
Die Zeit: 3:05:18
Als ich mich im Zug auf der Heimfahrt befand, musste ich einmal umsteigen. An der Haltestelle zuvor verließen andere Fahrgäste, die neben mir und mir gegenüber saßen den Zug. Es war eng. Ich musste die Beine etwas verlagern. Da schoss ein gewaltiger Krampf durch meinen hinteren rechten Oberschenkel, gleich darauf auch durch mein anderes Bein. Ich dachte, Scheiße, ich muss doch gleich raus, will doch nicht nach Würzburg weiter fahren. Was mach ich, wenn ich nicht mehr hoch komme??! Ging dann aber doch.
Wenn ich bis dahin gezweifelt hatte, ob ich das ganze zu lasch angegangen bin, bestärkte mich es im Gefühl, zumindest nichts falsch gemacht zu haben. Vielleicht hab ich diesmal sogar tatsächlich alles richtig gemacht. Wenn ich es schneller angegangen wäre, hätte ich möglicherweise nicht nur mit kleinen, kurze Anflügen von Krampfanfällen zu kämpfen gehabt, sondern mit richtigen, starken Krämpfen. Dann wäre die Zeit deutlich schlechter ausgefallen. Auch das Risiko, wieder kreislaufmäßig einzugehen, wäre höher gewesen.
Nein, genauso war es perfekt! Das Training hat meistens Spaß gemacht und sich gelohnt. Der Marathon hat mir wieder ein Stückchen mehr Selbstvertrauen geschenkt. Ich hab eine recht deutliche PB erzielt. Was will ich mehr.
Alles Weitere wird die Zukunft zeigen... mal sehen ... Vielleicht ist die sub3 greifbar, nächstes Jahr... übernächstes Jahr … in fünf Jahren... ,wenn nicht, auch kein Weltuntergang.
Wenn ich eine Zeitmaschine hätte, 8 Jahre zurück reisen und das meinem damaligen Ich erzählen würde, hätte ich sicher eine bestenfalls verständnislos ungläubige Person vor mir.
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