Farhad's Hamburg Marathon 2016
Verfasst: 19.04.2016, 21:57
Marathon Hamburg am 17.04.2016, longversion
Name: Farhad
Alter: 53
Laufen seit: 2011
Erster Marathon: 2012 in 3:42:40
Bester Marathon: 2015 in Frankfurt: 3:08:22
Bester HM: 2015 in Hamburg 1:29:48
Bester 10km-Lauf: 2013 in Hamburg 41:40
Vorgeschichte
Nach dem Seuchenjahr 2014 und dem sehr schmerzhaften Marathon in Hamburg 2015, bei dem ich 40 km mit sehr starken Schmerzen, mich in 3:16 ins Ziel gekämpft hatte und mir ein Kompartment-Syndrom garniert mit Shin splints eingehandelt hatte, wollte ich vorerst nichts mehr wissen von einem Marathon. Die immer wieder auftretenden orthopädischen Probleme hatten Spuren hinterlassen. Daraufhin habe ich mein Training umgestellt, und bin nicht mehr nach einem festen Plan gelaufen, sondern variabel nach Gefühl. Ich habe nach und nach Tempoeinheiten eingebaut und auch die Grundgeschwindigkeit erhöht. Ende September bin ich in Hamburg meine bisherige HM-PB in 1:29 gelaufen, was ich als Bestätigung für mein neues Training gesehen habe. Das Wichtigste war aber, dass ich von größeren Verletzungen verschont geblieben bin und dadurch mich konstant weiter entwickeln konnte. Einen Herbstmarathon hatte ich für 2015 zwar nicht vorgesehen, aber ich wurde überzeugt, den Startplatz eines verletzten Freundes (Hallo Tobi) beim Frankfurt Marathon zu übernehmen. Der Marathon verlief überraschend gut, zumindest bis km 27, ab dort hatte ich starke Knieschmerzen rechts, die mich langsamer machten, am Ende lief ich dennoch eine deutliche PB in 3:08 und war positiv überrascht. So war nun klar, dass ich in Hamburg auf jeden Fall antreten würde und zum Glück haben sich viele Kollegen aus dem sub 3:20-er Faden ebenfalls für Hamburg angemeldet, freiwillig oder auch nicht. Alle, die 2015 dabei waren, wollten wieder antreten und noch einige dazu. Wie es aber bei einer langen Marathonvorbereitung so ist, gab es auch einige verletzungsbedingte Absagen, aber auch neue Zusagen, so dass wir doch eine tolle Truppe zusammen bekamen.
Mein Ziel für Hamburg war, möglichst nahe an die 3 Stunden ran zu kommen und vielleicht sogar knapp darunter zu bleiben, auch wenn die Vorleistungen auf den Unterdistanzen nicht unbedingt dafür sprachen. Meine Argumentation war, dass ich mit 3:08 aus Frankfurt 2015 mein langfristiges Ziel (sub 3:10 hatte ich mir mal als Maximum vorgenommen) erreicht habe und deswegen ruhig was riskieren kann, es war mir egal, ob ich 3:04 oder 3:30 laufe, ein sub 3 Versuch war es wert, bevor ich zu alt wäre für den versuch. Ich merkte, dass mein Training fruchtete und Geschwindigkeiten, die ich nie für möglich gehalten hatte, machbar waren. Mein Laufband hat mir geholfen, die Koordination für schnelle Intervalle in Ruhe zu üben und dem orthopädischen Apparat auf höhere Geschwindigkeiten vorzubereiten. Ich hatte irgendwann dann tatsächlich Spaß an solchen Intervallen, eine Hassliebe war entstanden.
Die Vorbereitung verlief im Vergleich zu den bisherigen Marathons gut und auf einem höheren Level. Orthopädische Probleme kleinerer Art wurden wie üblich sofort und maximal therapiert, meine Kraft-Stabi-Dehnung-Rolle-Sessions wurden abends regelmäßig durchgeführt, bei größeren Problemen kamen die Tapes, Eisbehandlung und mehr zum Einsatz, um schnell wieder fit zu sein und konstant weiter trainieren zu können. Mal war es die Wade, mal der Fuß und mal das Knie, aber hauptsächlich waren diesmal die linke Plantarsehne sowie meine durch Frostbeulen lädierten Zehen der limitierende Faktor, speziell die Plantarsehne musste maximal therapiert werden, wobei die notwendigen Eisbehandlungen für die Zehen eher kontraproduktiv waren, aber irgend einen Tod muss man sterben. So mogelte ich mich durch die Vorbereitung, die aus priavten Gründen im Dezember 3 Wochen komplett und im März 2 Wochen auf Halbmast runter gefahren werden musste. Ab dem 21. März konnte ich wieder gut einsteigen, wobei das harte Training mich immer wieder zur Therapie des einen oder anderen orthopädischen Problems zwang, dennoch lief alles gut bis zum Donnerstag vor dem Marathon. Da lief auf einmal die Nase, der Hals kratzte, ich war richtig erkältet, aber ohne Fieber. So wurde es wieder spannend, ich tat alles, um zumindest bis Sonntag die Erkältung in den Griff zu bekommen, ging nur am Freitag gezwungenermaßen zur Arbeit und holte mir die Startunterlagen, blieb aber sonst dick eingepackt im Bett oder auf dem Sofa, Tee trinkend und schwitzend. Ich musste auch auf das Samstagstreffen bei der Messe verzichten, da lag ich immer noch ziemlich down im Bett und hoffte auf Sonntag und auf den Effekt von Adrenalin und Endorphinen.
Der Renntag
Sonntag wachte ich um 5:40 Uhr auf, fühlte mich besser und tat so, als wäre nichts gewesen, würgte mein Frühstück runter, tapete die üblichen Verdächtigen (Wade, Proneus, tibialis anterior, Knie samt vastus medialis und lateralis) und die linke Plantarsehne, cremte die Füße ausgiebig ein und nahm meine ST Racer, da die Frostbeulenzehen mehr Platz brauchten als sonst und nur diese Schuhe vorne schön weit waren für mich. Ich entscheid mich für das gleiche Outfit, ähnlich wie in Frankfurt mit Singlet, kurze Hose und langen Socken ohne Kompression, um die Wirkung von Tapes nicht negativ zu beeinflussen. Gegen 7:15 Uhr ging ich aus dem Haus, bei der Kleiderabgabe angekommen suchte ich die anderen und wurde von Jan gefunden und gleich herzlich begrüßt und hochgehoben, endlich wieder sahen wir uns, Tobias war auch schon da. Jan war schon voller Tatendrang und besprach, oder besser gesagt befahl die Rennstrategie, die ersten Kilometer in 4:18 anzugehen und dann allmählich auf 4:12 zu beschleunigen, ich und Tobias waren natürlich völlig einverstanden. Bald kam ein bärtiger junger Mann zu uns rüber, und ich lernte Sascha endlich persönlich kennen. Sven war auch schon da und machte einen sehr konzentrierten Eindruck, er fragte mich, ob ich seine Strategie, die er vorher in seinem Thread geschrieben hatte kenne, ich bejahte und war mir sicher, dass er es durchziehen würde können. Sascha ging es den Umständen entsprechend besser und wir plauderten eine Weile. Wir warteten auf die anderen, Christian und Markus und Wolfgang kamen noch dazu, einfach herrlich, wir begrüßten uns herzlich und erinnerten uns an die gemeinsamen Rennen 2015 und erzählten uns, was wir uns vornehmen wollten. Markus konnte ich nicht überreden, mit uns zu laufen, Christian schon gar nicht.
Irgendwann mussten wir zum Start und trafen uns alle, bis auf Wolfgang im Block B, jedenfalls dachten wir das. Nach dem Startschuss waren Tobias, Sascha und ich direkt hinter Jan, aber nicht lange, es war recht eng auf der Karolinenstraße und wir haben gleich ein paar Meter auf Jan verloren, er konnte sich irgendwie seinen Weg besser durch die Massen freimachen als wir drei, ob es wohl an seiner athletischen Figur lag? Tobias und ich liefen ihm nach, anti war wohl ein paar Meter hinter uns und hat sich etwas zurück gehalten. Die Pace war am Anfang durch die Masse vorgegeben, Jan sah immer wieder auf die Uhr und zu uns rüber und wollte, dass wir aufschließen, irgendwie klappte es aber nicht so gut, er wollte uns ja wie geplant in 4:18 durchbringen, was auch funktionierte, dafür musste ich aber wohl zu viel investieren, um die anfängliche Pace von 5:00 auf Q-Pace 4:18 zu bringen. Ich mühte mich ab, aber auch auf der Reeperbahn kam ich Jan nicht entscheidend näher, die Beine schienen schwer zu sein und wollten nicht auf Geschwindigkeit kommen, ich wollte die Intensität am Anfang niedrig halten, da in Hamburg die ersten 5 km ja doch wellig sind, andererseits wollte ich gerne zu Jan aufschließen, der 2. km ging in 4:10 durch, der 3. in 4:21, ich versuchte eine Intensität zu laufen, von der ich glaubte, diese bis zum Schluss halten zu können. Tobias schloss dann zu Jan auf, ich konnte den Anschluss leider nicht herstellen, er war mir einfach zu schnell, also gab ich den Versuch auf und begnügte mich damit, die beiden in Sichtweite zu behalten und nach der Wende in Altona auf der Berg ab Passage mit weniger Anstrengung ran zu laufen. So langsam kam so etwas wie Rhythmus auf, die Kilometer 4 bis 8 gingen in 4:12, 4:16, 4:09, 4:14 und 4:15 durch. Ich konnte Jan und Tobias noch sehen, die zu 3:00-er Ballon aufschlossen und diese noch überholten, da sah ich Überraschenderweise Markus direkt hinter dem Ballon laufen, ich konnte mir nicht erklären, wie er sich an mir vorbei gemogelt hatte, ohne dass ich ihn sah, freute mich aber sehr drüber und rief ihn ein paar mal, aber er war wohl im Tunnel und reagierte nicht, bis ich ihn auf dem Rücken klatschte. Wir liefen eine ganze Weile zusammen, bis zum Landungsbrücken. Mein Vorhaben, Jan näher zu kommen scheiterte, der 3:00-er Zug beschleunigte und die weiteren Kilometer bis km 12 gingen in 4:07, 4:09, 3:58 und 4:08 durch, Jan und Tobias waren aber wohl noch schneller unterwegs und zogen weiter weg. Ich war zwar nun gut unterwegs, aber wirklich am Limit und habe meiner Meinung nach zu viel investieren müssen. In Frankfurt flog ich die ersten 20 km so dahin, ohne mich schwer anstrengen zu müssen, an diesem Tag in Hamburg fiel mir alles schwerer, ich verwarf den Gedanken an warum und wieso und versuchte so locker wie möglich schnell zu laufen, an den Landungsbrücken verlor ich Markus aus den Augen und war dann alleine unterwegs, die Kilometer 13 bis 16 gingen in 4:13, 4:12, 4:18 und 4:08, durch. Aus dem Tunnel rauskommend lief jemand in der Kurve direkt vor meine Füße, ich kam ins Stolpern und wäre beinahe vorne rüber gestürzt, behielt aber zum Glück noch das Gleichgewicht, es ging an der Binnenalster weiter, ich versuchte konstant zügig zu laufen, die weiteren bis zur HM Marke in Sierichstraße gingen in 4:01, 4:06, 4:09, 4:14 und 4:15 durch, ich folgte einfach dem 3-er Ballon und verließ mich auf die Erfahrung der Pacemaker, was im Nachhinein gesehen doch ein Fehler war, denn sie liefen nicht konstant, es gab Abschnitte mit 3:55 und welche mit 4:25 dabei und das tat mir sicher weniger gut. Bei km 19 entdeckte ich Tobias, der aber noch einen guten Eindruck machte, Jan war ihm wohl zu schnell geworden. Ich und Tobias liefen knapp 4 km zusammen, bis km 23, und überquerten die HM Marke gemeinsam bei 1:29:54. Bei km 23 am Stadtpark wurde er langsamer, ich versuchte weiter, dem 3-er Ballon zu folgen. Bei km 24 entdeckte ich zu meinem Entsetzen Sven, langsam laufend und mit einer Hand am Kreuz, unser schnellster hatte wohl einen Hexenschuss, so brutal kann Marathon sein, ich legte beim Vorbeilaufen meine Hand auf seinen Rücken und sagte, er möge bitte durchhalten, habe aber nicht ernsthaft damit gerechnet, dass er durchkommt. Man kann es ihm nicht hoch genug anrechnen, dieses Rennen doch beendet zu haben, in einer respektablen Zeit zwar, aber eine Zeit die weit weg war von seinem Vermögen. Ich lief an Sven vorbei und blieb an dem 3-er Ballon dran, es wurde immer härter, wie sich das bei einem Marathon gehört und ich konnte zu keinem Zeitpunkt die Pace machen, die ich wollte, jedenfalls hatte ich das Gefühl, dass es eine sehr zähe geschichte werden würde, es war ein stetiger Kampf, der aber zum Glück ohne orthopädische Probleme über die Bühne gegangen ist, zum aller ersten mal überhaupt bin ich einen Marathon mit normal üblichen Schmerzen gelaufen, ohne gravierende orthopädische Probleme. Die Kilometer 22 bis 27 gingen in 4:07, 4:25, 4:06, 4:14, 4:19 und 4.16 durch. City Nord war hinter mir. Ich versuchte mich gegen Paceverlust aufzubäumen und dem 3-er Ballon näher zu kommen, wobei ich dachte, sie wären vor mir gestartet und deswegen ich ein paar Meter auf sie verlieren dürfte. Die Kilometer 28 bis 33 gingen in 4:11, 4:16, 4:12, 4:15, 4:20 und 4:14 durch. Ich war noch im Plan, wusste aber, dass ich schon zu viel investiert hatte. Die Beine wurden schwerer und der 3-er Ballon entfernte sich langsam aber stetig von mir, egal wie ich dagegen ankämpfte. Unterwegs kamen mir ein paar mal auch die Gedanken über eine Aufgabe, die ich aber erfolgreich vertrieb. Ich war absolut am Limit, schon von Anfang an, was meine Leistungsfähigkeit anbetrifft. Diesmal war der limitierende Faktor nicht die Orthopädie, sondern die Tagesform und die antrainierte Leistung. Die Kilometer 34 bis 40, von Maienweg bis nach Eppendorf und an die Alster ran waren hart, und zum ersten mal hatte ich so etwas wie Gegenwind, und wusste nun genau, dass ich nicht unter 3 Stunden kommen würde und versuchte einfach, alles aus mir rauszuholen und den Marathon anständig, ohne Gehpausen und ohne dass ich zu langsam wurde zu beenden, die Paces waren 4:28, 4:25, 4.26, 4.22, 4:26, 4:20 und 4:24. Ich hatte nun nur noch 2 Kilometer vor mir und versuchte mehrmals zu beschleunigen, was mir jedes mal nur kurz gelang, ich keuchte und fluchte und versuchte mich an jedem Mitläufer weiter zu ziehen. Die Kilometer 41 und 42, von Dammtor bis planten un blomen waren die langsamsten, 4:37 und 4:32, ich war glücklich, nicht aufgegeben zu haben und das Rennen beenden zu können. Die letzten 200m wurden anständig in 3:47 gelaufen. Ich kam in 3:02:58 brutto, 3:02:37 netto durch. Völlig entkräftet lief ich durchs Ziel und wackelte schon bedenklich, just in diesem Moment kam mir Jan entgegen, der netterweise und Gott sei Dank gewartet hatte und einen Sturz bzw. ein unanständiges Anfassen fremder Läuferinnen meinerseits, wie in Frankfurt geschehen, verhinderte. Ich hielt mich an ihm und war überglücklich, es geschafft zu haben, auch wenn die Traumzeit dabei nicht herausgekommen war. Ich hatte mich von 3:16 in HH 2015 über 3:08 in Frankfurt 2015 auf eine 3:02 gesteigert, und mit dem 46. AK-Platz bei einem solchen Event hatte ich meine beste Plazierung erlaufen. Ich fragte Jan nach seiner Zeit und freute mich mit ihm über sein geniales Rennen. Mit Brühe in einer und Dextrodrink in anderer Hand postierten wir uns in der Mitte der Halle, redeten über unser Rennen und hielten Ausschau nach den anderen. Tobias sahen wir als ersten, er war fix und fertig, aschfahl im Gesicht und ziemlich am Ende, gegen ihn war ich noch fit und holte ihn was zu füttern, er saß nur und brachte kaum ein Wort raus. Jan zog sich die Schuhe aus und wollte sich noch barfuß auslaufen, während wir uns kein cm bewegen konnten, so ein verrückter Kerl. Etwas später kam Sascha dazu, dann haben wir noch Sven entdeckt und Christian und Markus kamen auch dazu. Nach dem Umziehen unterhielten wir uns noch kurz auf dem Gelände und machten uns dann im Anschluss auf dem Weg zu mir. Und das war definitv ein absolutes highlight, ein Haufen Laufverrückte, die sich direkt nach einem solchen Marathon, voll gepumpt mit Adrenalin und Endorphinen, und mit einem Bier intus, die den Weg von Halle nach Hamburg durch unseren Susi alias dkf gefunden hatte, über Marathon, Triathlon, Training, Ernährung, weitere Planungen und Gott weiß was unterhielten, einfach herrlich, schade nur, dass nicht alle dabei waren, Wolfgang und Sascha haben wir natürlich speziell vermisst. Somit konnte auch die Verarbeitung des Erlebten, gut oder weniger gut, gleich begonnen werden.
Wir verabschiedeten uns mit dem Gedanken, sowohl den Marathon als auch das Treffen unbedingt zu wiederholen.
Es war ein unvergesslicher Tag und wird es für immer bleiben, wer weiß, was das Leben für uns bringen wird.
In diesem Sinne, danke für die Geduld
Farhad
Name: Farhad
Alter: 53
Laufen seit: 2011
Erster Marathon: 2012 in 3:42:40
Bester Marathon: 2015 in Frankfurt: 3:08:22
Bester HM: 2015 in Hamburg 1:29:48
Bester 10km-Lauf: 2013 in Hamburg 41:40
Vorgeschichte
Nach dem Seuchenjahr 2014 und dem sehr schmerzhaften Marathon in Hamburg 2015, bei dem ich 40 km mit sehr starken Schmerzen, mich in 3:16 ins Ziel gekämpft hatte und mir ein Kompartment-Syndrom garniert mit Shin splints eingehandelt hatte, wollte ich vorerst nichts mehr wissen von einem Marathon. Die immer wieder auftretenden orthopädischen Probleme hatten Spuren hinterlassen. Daraufhin habe ich mein Training umgestellt, und bin nicht mehr nach einem festen Plan gelaufen, sondern variabel nach Gefühl. Ich habe nach und nach Tempoeinheiten eingebaut und auch die Grundgeschwindigkeit erhöht. Ende September bin ich in Hamburg meine bisherige HM-PB in 1:29 gelaufen, was ich als Bestätigung für mein neues Training gesehen habe. Das Wichtigste war aber, dass ich von größeren Verletzungen verschont geblieben bin und dadurch mich konstant weiter entwickeln konnte. Einen Herbstmarathon hatte ich für 2015 zwar nicht vorgesehen, aber ich wurde überzeugt, den Startplatz eines verletzten Freundes (Hallo Tobi) beim Frankfurt Marathon zu übernehmen. Der Marathon verlief überraschend gut, zumindest bis km 27, ab dort hatte ich starke Knieschmerzen rechts, die mich langsamer machten, am Ende lief ich dennoch eine deutliche PB in 3:08 und war positiv überrascht. So war nun klar, dass ich in Hamburg auf jeden Fall antreten würde und zum Glück haben sich viele Kollegen aus dem sub 3:20-er Faden ebenfalls für Hamburg angemeldet, freiwillig oder auch nicht. Alle, die 2015 dabei waren, wollten wieder antreten und noch einige dazu. Wie es aber bei einer langen Marathonvorbereitung so ist, gab es auch einige verletzungsbedingte Absagen, aber auch neue Zusagen, so dass wir doch eine tolle Truppe zusammen bekamen.
Mein Ziel für Hamburg war, möglichst nahe an die 3 Stunden ran zu kommen und vielleicht sogar knapp darunter zu bleiben, auch wenn die Vorleistungen auf den Unterdistanzen nicht unbedingt dafür sprachen. Meine Argumentation war, dass ich mit 3:08 aus Frankfurt 2015 mein langfristiges Ziel (sub 3:10 hatte ich mir mal als Maximum vorgenommen) erreicht habe und deswegen ruhig was riskieren kann, es war mir egal, ob ich 3:04 oder 3:30 laufe, ein sub 3 Versuch war es wert, bevor ich zu alt wäre für den versuch. Ich merkte, dass mein Training fruchtete und Geschwindigkeiten, die ich nie für möglich gehalten hatte, machbar waren. Mein Laufband hat mir geholfen, die Koordination für schnelle Intervalle in Ruhe zu üben und dem orthopädischen Apparat auf höhere Geschwindigkeiten vorzubereiten. Ich hatte irgendwann dann tatsächlich Spaß an solchen Intervallen, eine Hassliebe war entstanden.
Die Vorbereitung verlief im Vergleich zu den bisherigen Marathons gut und auf einem höheren Level. Orthopädische Probleme kleinerer Art wurden wie üblich sofort und maximal therapiert, meine Kraft-Stabi-Dehnung-Rolle-Sessions wurden abends regelmäßig durchgeführt, bei größeren Problemen kamen die Tapes, Eisbehandlung und mehr zum Einsatz, um schnell wieder fit zu sein und konstant weiter trainieren zu können. Mal war es die Wade, mal der Fuß und mal das Knie, aber hauptsächlich waren diesmal die linke Plantarsehne sowie meine durch Frostbeulen lädierten Zehen der limitierende Faktor, speziell die Plantarsehne musste maximal therapiert werden, wobei die notwendigen Eisbehandlungen für die Zehen eher kontraproduktiv waren, aber irgend einen Tod muss man sterben. So mogelte ich mich durch die Vorbereitung, die aus priavten Gründen im Dezember 3 Wochen komplett und im März 2 Wochen auf Halbmast runter gefahren werden musste. Ab dem 21. März konnte ich wieder gut einsteigen, wobei das harte Training mich immer wieder zur Therapie des einen oder anderen orthopädischen Problems zwang, dennoch lief alles gut bis zum Donnerstag vor dem Marathon. Da lief auf einmal die Nase, der Hals kratzte, ich war richtig erkältet, aber ohne Fieber. So wurde es wieder spannend, ich tat alles, um zumindest bis Sonntag die Erkältung in den Griff zu bekommen, ging nur am Freitag gezwungenermaßen zur Arbeit und holte mir die Startunterlagen, blieb aber sonst dick eingepackt im Bett oder auf dem Sofa, Tee trinkend und schwitzend. Ich musste auch auf das Samstagstreffen bei der Messe verzichten, da lag ich immer noch ziemlich down im Bett und hoffte auf Sonntag und auf den Effekt von Adrenalin und Endorphinen.
Der Renntag
Sonntag wachte ich um 5:40 Uhr auf, fühlte mich besser und tat so, als wäre nichts gewesen, würgte mein Frühstück runter, tapete die üblichen Verdächtigen (Wade, Proneus, tibialis anterior, Knie samt vastus medialis und lateralis) und die linke Plantarsehne, cremte die Füße ausgiebig ein und nahm meine ST Racer, da die Frostbeulenzehen mehr Platz brauchten als sonst und nur diese Schuhe vorne schön weit waren für mich. Ich entscheid mich für das gleiche Outfit, ähnlich wie in Frankfurt mit Singlet, kurze Hose und langen Socken ohne Kompression, um die Wirkung von Tapes nicht negativ zu beeinflussen. Gegen 7:15 Uhr ging ich aus dem Haus, bei der Kleiderabgabe angekommen suchte ich die anderen und wurde von Jan gefunden und gleich herzlich begrüßt und hochgehoben, endlich wieder sahen wir uns, Tobias war auch schon da. Jan war schon voller Tatendrang und besprach, oder besser gesagt befahl die Rennstrategie, die ersten Kilometer in 4:18 anzugehen und dann allmählich auf 4:12 zu beschleunigen, ich und Tobias waren natürlich völlig einverstanden. Bald kam ein bärtiger junger Mann zu uns rüber, und ich lernte Sascha endlich persönlich kennen. Sven war auch schon da und machte einen sehr konzentrierten Eindruck, er fragte mich, ob ich seine Strategie, die er vorher in seinem Thread geschrieben hatte kenne, ich bejahte und war mir sicher, dass er es durchziehen würde können. Sascha ging es den Umständen entsprechend besser und wir plauderten eine Weile. Wir warteten auf die anderen, Christian und Markus und Wolfgang kamen noch dazu, einfach herrlich, wir begrüßten uns herzlich und erinnerten uns an die gemeinsamen Rennen 2015 und erzählten uns, was wir uns vornehmen wollten. Markus konnte ich nicht überreden, mit uns zu laufen, Christian schon gar nicht.
Irgendwann mussten wir zum Start und trafen uns alle, bis auf Wolfgang im Block B, jedenfalls dachten wir das. Nach dem Startschuss waren Tobias, Sascha und ich direkt hinter Jan, aber nicht lange, es war recht eng auf der Karolinenstraße und wir haben gleich ein paar Meter auf Jan verloren, er konnte sich irgendwie seinen Weg besser durch die Massen freimachen als wir drei, ob es wohl an seiner athletischen Figur lag? Tobias und ich liefen ihm nach, anti war wohl ein paar Meter hinter uns und hat sich etwas zurück gehalten. Die Pace war am Anfang durch die Masse vorgegeben, Jan sah immer wieder auf die Uhr und zu uns rüber und wollte, dass wir aufschließen, irgendwie klappte es aber nicht so gut, er wollte uns ja wie geplant in 4:18 durchbringen, was auch funktionierte, dafür musste ich aber wohl zu viel investieren, um die anfängliche Pace von 5:00 auf Q-Pace 4:18 zu bringen. Ich mühte mich ab, aber auch auf der Reeperbahn kam ich Jan nicht entscheidend näher, die Beine schienen schwer zu sein und wollten nicht auf Geschwindigkeit kommen, ich wollte die Intensität am Anfang niedrig halten, da in Hamburg die ersten 5 km ja doch wellig sind, andererseits wollte ich gerne zu Jan aufschließen, der 2. km ging in 4:10 durch, der 3. in 4:21, ich versuchte eine Intensität zu laufen, von der ich glaubte, diese bis zum Schluss halten zu können. Tobias schloss dann zu Jan auf, ich konnte den Anschluss leider nicht herstellen, er war mir einfach zu schnell, also gab ich den Versuch auf und begnügte mich damit, die beiden in Sichtweite zu behalten und nach der Wende in Altona auf der Berg ab Passage mit weniger Anstrengung ran zu laufen. So langsam kam so etwas wie Rhythmus auf, die Kilometer 4 bis 8 gingen in 4:12, 4:16, 4:09, 4:14 und 4:15 durch. Ich konnte Jan und Tobias noch sehen, die zu 3:00-er Ballon aufschlossen und diese noch überholten, da sah ich Überraschenderweise Markus direkt hinter dem Ballon laufen, ich konnte mir nicht erklären, wie er sich an mir vorbei gemogelt hatte, ohne dass ich ihn sah, freute mich aber sehr drüber und rief ihn ein paar mal, aber er war wohl im Tunnel und reagierte nicht, bis ich ihn auf dem Rücken klatschte. Wir liefen eine ganze Weile zusammen, bis zum Landungsbrücken. Mein Vorhaben, Jan näher zu kommen scheiterte, der 3:00-er Zug beschleunigte und die weiteren Kilometer bis km 12 gingen in 4:07, 4:09, 3:58 und 4:08 durch, Jan und Tobias waren aber wohl noch schneller unterwegs und zogen weiter weg. Ich war zwar nun gut unterwegs, aber wirklich am Limit und habe meiner Meinung nach zu viel investieren müssen. In Frankfurt flog ich die ersten 20 km so dahin, ohne mich schwer anstrengen zu müssen, an diesem Tag in Hamburg fiel mir alles schwerer, ich verwarf den Gedanken an warum und wieso und versuchte so locker wie möglich schnell zu laufen, an den Landungsbrücken verlor ich Markus aus den Augen und war dann alleine unterwegs, die Kilometer 13 bis 16 gingen in 4:13, 4:12, 4:18 und 4:08, durch. Aus dem Tunnel rauskommend lief jemand in der Kurve direkt vor meine Füße, ich kam ins Stolpern und wäre beinahe vorne rüber gestürzt, behielt aber zum Glück noch das Gleichgewicht, es ging an der Binnenalster weiter, ich versuchte konstant zügig zu laufen, die weiteren bis zur HM Marke in Sierichstraße gingen in 4:01, 4:06, 4:09, 4:14 und 4:15 durch, ich folgte einfach dem 3-er Ballon und verließ mich auf die Erfahrung der Pacemaker, was im Nachhinein gesehen doch ein Fehler war, denn sie liefen nicht konstant, es gab Abschnitte mit 3:55 und welche mit 4:25 dabei und das tat mir sicher weniger gut. Bei km 19 entdeckte ich Tobias, der aber noch einen guten Eindruck machte, Jan war ihm wohl zu schnell geworden. Ich und Tobias liefen knapp 4 km zusammen, bis km 23, und überquerten die HM Marke gemeinsam bei 1:29:54. Bei km 23 am Stadtpark wurde er langsamer, ich versuchte weiter, dem 3-er Ballon zu folgen. Bei km 24 entdeckte ich zu meinem Entsetzen Sven, langsam laufend und mit einer Hand am Kreuz, unser schnellster hatte wohl einen Hexenschuss, so brutal kann Marathon sein, ich legte beim Vorbeilaufen meine Hand auf seinen Rücken und sagte, er möge bitte durchhalten, habe aber nicht ernsthaft damit gerechnet, dass er durchkommt. Man kann es ihm nicht hoch genug anrechnen, dieses Rennen doch beendet zu haben, in einer respektablen Zeit zwar, aber eine Zeit die weit weg war von seinem Vermögen. Ich lief an Sven vorbei und blieb an dem 3-er Ballon dran, es wurde immer härter, wie sich das bei einem Marathon gehört und ich konnte zu keinem Zeitpunkt die Pace machen, die ich wollte, jedenfalls hatte ich das Gefühl, dass es eine sehr zähe geschichte werden würde, es war ein stetiger Kampf, der aber zum Glück ohne orthopädische Probleme über die Bühne gegangen ist, zum aller ersten mal überhaupt bin ich einen Marathon mit normal üblichen Schmerzen gelaufen, ohne gravierende orthopädische Probleme. Die Kilometer 22 bis 27 gingen in 4:07, 4:25, 4:06, 4:14, 4:19 und 4.16 durch. City Nord war hinter mir. Ich versuchte mich gegen Paceverlust aufzubäumen und dem 3-er Ballon näher zu kommen, wobei ich dachte, sie wären vor mir gestartet und deswegen ich ein paar Meter auf sie verlieren dürfte. Die Kilometer 28 bis 33 gingen in 4:11, 4:16, 4:12, 4:15, 4:20 und 4:14 durch. Ich war noch im Plan, wusste aber, dass ich schon zu viel investiert hatte. Die Beine wurden schwerer und der 3-er Ballon entfernte sich langsam aber stetig von mir, egal wie ich dagegen ankämpfte. Unterwegs kamen mir ein paar mal auch die Gedanken über eine Aufgabe, die ich aber erfolgreich vertrieb. Ich war absolut am Limit, schon von Anfang an, was meine Leistungsfähigkeit anbetrifft. Diesmal war der limitierende Faktor nicht die Orthopädie, sondern die Tagesform und die antrainierte Leistung. Die Kilometer 34 bis 40, von Maienweg bis nach Eppendorf und an die Alster ran waren hart, und zum ersten mal hatte ich so etwas wie Gegenwind, und wusste nun genau, dass ich nicht unter 3 Stunden kommen würde und versuchte einfach, alles aus mir rauszuholen und den Marathon anständig, ohne Gehpausen und ohne dass ich zu langsam wurde zu beenden, die Paces waren 4:28, 4:25, 4.26, 4.22, 4:26, 4:20 und 4:24. Ich hatte nun nur noch 2 Kilometer vor mir und versuchte mehrmals zu beschleunigen, was mir jedes mal nur kurz gelang, ich keuchte und fluchte und versuchte mich an jedem Mitläufer weiter zu ziehen. Die Kilometer 41 und 42, von Dammtor bis planten un blomen waren die langsamsten, 4:37 und 4:32, ich war glücklich, nicht aufgegeben zu haben und das Rennen beenden zu können. Die letzten 200m wurden anständig in 3:47 gelaufen. Ich kam in 3:02:58 brutto, 3:02:37 netto durch. Völlig entkräftet lief ich durchs Ziel und wackelte schon bedenklich, just in diesem Moment kam mir Jan entgegen, der netterweise und Gott sei Dank gewartet hatte und einen Sturz bzw. ein unanständiges Anfassen fremder Läuferinnen meinerseits, wie in Frankfurt geschehen, verhinderte. Ich hielt mich an ihm und war überglücklich, es geschafft zu haben, auch wenn die Traumzeit dabei nicht herausgekommen war. Ich hatte mich von 3:16 in HH 2015 über 3:08 in Frankfurt 2015 auf eine 3:02 gesteigert, und mit dem 46. AK-Platz bei einem solchen Event hatte ich meine beste Plazierung erlaufen. Ich fragte Jan nach seiner Zeit und freute mich mit ihm über sein geniales Rennen. Mit Brühe in einer und Dextrodrink in anderer Hand postierten wir uns in der Mitte der Halle, redeten über unser Rennen und hielten Ausschau nach den anderen. Tobias sahen wir als ersten, er war fix und fertig, aschfahl im Gesicht und ziemlich am Ende, gegen ihn war ich noch fit und holte ihn was zu füttern, er saß nur und brachte kaum ein Wort raus. Jan zog sich die Schuhe aus und wollte sich noch barfuß auslaufen, während wir uns kein cm bewegen konnten, so ein verrückter Kerl. Etwas später kam Sascha dazu, dann haben wir noch Sven entdeckt und Christian und Markus kamen auch dazu. Nach dem Umziehen unterhielten wir uns noch kurz auf dem Gelände und machten uns dann im Anschluss auf dem Weg zu mir. Und das war definitv ein absolutes highlight, ein Haufen Laufverrückte, die sich direkt nach einem solchen Marathon, voll gepumpt mit Adrenalin und Endorphinen, und mit einem Bier intus, die den Weg von Halle nach Hamburg durch unseren Susi alias dkf gefunden hatte, über Marathon, Triathlon, Training, Ernährung, weitere Planungen und Gott weiß was unterhielten, einfach herrlich, schade nur, dass nicht alle dabei waren, Wolfgang und Sascha haben wir natürlich speziell vermisst. Somit konnte auch die Verarbeitung des Erlebten, gut oder weniger gut, gleich begonnen werden.
Wir verabschiedeten uns mit dem Gedanken, sowohl den Marathon als auch das Treffen unbedingt zu wiederholen.
Es war ein unvergesslicher Tag und wird es für immer bleiben, wer weiß, was das Leben für uns bringen wird.
In diesem Sinne, danke für die Geduld
Farhad