Engelhorn Sports Trail Cup 2018 - Short Distance - Heidelberg, Carlsberg, Schriesheim
Verfasst: 17.09.2018, 21:02
2018 ist offenbar das Jahr der Änderungen bei Engelhorn Sports Trailcup. Geänderte Reihenfolge der Läufe, dritte Änderung des Streckenbeginn des Himmelsleitertrail beim Gelita Trailmarathon Heidelberg in drei Jahren.
Dieses Mal heißt es also nicht Carlsberg - Heidelberg - Schriesheim, sondern Heidelberg ist die erste Station der Cup-Wertung.
Wie schon die beiden Jahre davor wird sich hier alles um die Short-Distance-Wertung drehen. Wie der Auftakt vor meiner Haustüre gelaufen ist, könnt ihr nachfolgend lesen.
Noch vor einigen Wochen war ich über die terminlichen Änderungen im Ablauf alles andere als begeistert, denn der Termin für den Himmelsleiterlauf kollidierte indirekt mit einem anderen Lauf, der fest in meinem Kalender eingeplant war.
Lange hab' ich mit mir gerungen, ob ich zwei Wettkämpfe (8km + 9km) in drei Tagen laufen solle. Glücklicherweise gab es auch bei dem anderen Lauf Änderungen und statt der ca. 8km langen Strecke wurde dort u.a. auch die 5km-Standarddistanz angeboten.
Davon ausgehend, dass der Himmelsleitertrail sowieso für den Trailcup den Streichwettbewerb darstellen würde, fiel sehr kurzfristig die Entscheidung den Lauf freitags als Wettkampf und den Himmelsleitertrail als Trainingslauf mitzunehmen.
Los ging es am 15.09. mit der Startnummernabholung und der Maultaschenparty am Vortag der Veranstaltung. Der Ablauf war zwar wie gewohnt reibungslos, die Maultaschen jedoch leider... wie kann ich es freundlich formulieren... nur mit einer sehr großen Menge Cola halbwegs erträglich. Neben einem Waldspaziergang besichtigten wir, d.h. meine bessere Hälfte und ich auch den geänderten Aufstieg zur Himmelsleiter, der auch die letzten rund 1.5km zum Ziel hin führen würden.
Im Vergleich zum letzten Jahr erfolgte der Anlauf zur namensgebenden Treppe nicht durch den Schlosspark und über die Schlossterrasse, sondern über die mehrfach gewundene Zufahrtstraße vom Heidelberger Kornmarkt hinauf zum Schloss. Erst ab dem Schloss-Wolfbrunnenweg, oberhalb des Heidelberger Schlosses war die Strecke wieder identisch.
Insgeheim erhoffte ich mir von dieser Änderung einen leichten Vorteil, denn statt zweier steilen Steigungen und einer flachen Passage war der Anstieg nun mehr oder minder gleichmäßig. Der Nachteil... kein ebener Abschnitt ab 200m bis zum Gipfel bei Km3. Die Wahrheit liegt aber letztlich immer noch auf der Strecke.
Die Nacht verlief einigermaßen ruhig. Pünktlich um vier, kurz vor'm ersten Weckerklingeln war ich wach und die üblichen Morgenrituale verliefen ohne weitere Vorkommnisse. Punkt 9 Uhr, zweieinhalb Stunden vor dem Start, kam ich an meinem gewohnten Parkplatz oberhalb des Schlosses um noch etwas die morgendliche Ruhe im Wald zu genießen bevor ich mich in den Trubel der Veranstaltung stürzen würde.
Aus mir unerfindlichen Gründen war ich hypernervös. Immer wieder schwofen meine Gedanken ab von der Natur hin zur richtigen Schuhwahl, der Frage ob Singlet oder T-Shirt, möglichen Taktiken und... und... und...!
Trotz beinahe wolkenlosem Himmel und strahlendem Sonnenschein war es anfangs noch recht frisch. Dies sollte sich aber recht schnell ändern. 10.30 Uhr fand ich mich am Start am Karlsplatz ein. Im Gegensatz zu letztem Jahr ging es dieses Mal weitaus beengter auf dem Start- und Zielgelände zu, was daran lag, dass auch die Startnummernabholung und Nachmeldungen hier stattfanden und nicht wie 2017 im benachbarten Palais Prinz Carl.
Wie im Jahr zuvor waren wieder einige Stände, Trampoline, Massage usw. vor Ort. Die Masse an Ständen, Läufern und auch einige Baustellen in der Umgebung führten - aus meiner Sicht - zu einer recht chaotischen und subobtimal gestalteten Anordnung auf dem Veranstaltungsgelände. Erst nach dem Start der Marathon-, Halftrail- und Staffelläufer um 11 Uhr wurde es etwas besser.
Das Aufwärmprogramm an sich fiel etwas spartanischer aus als sonst. Kurzes Einlaufen, lockeres ABC mit Gymnastik, Stretching und Koordination sowie 2 Steigerungen. Das war's.
Dann, bevor es in die Startaufstellung ging, noch kurz die ersten Minuten des Marathons an der großen Leinwand mit Livetracking verfolgt, die durchaus gute und vor allem laute Rockmusik genossen und in der mittlerweile knallenden Sonne die letzten Minuten vor dem Countdown auf der Startgeraden verbracht.
Punkt 11.30 Uhr war es soweit. Der Start...
Meine "Taktik" war eigentlich klar. 14min für die ersten zwei Kilometer bis zur Treppe, 17min (ca. die Zeit von letztem Jahr) für die Himmelsleiter und dann schauen was die restlichen 6km nach unten sich ergibt. Vor allem nicht stürzen, denn aufgrund des hohen Asphaltanteils und des extrem trockenen Waldbodens hatte ich mich für die normalen Saucony Ride 10 Straßenlaufschuhe anstatt für die profilbwährten Trailschuhe entschieden.
Und so geht es los...
Ich habe lange überlegt wie ich den Bericht formulieren soll. Ausführliche Beschreibung oder innerer Monolog? Geordnet oder chaotisch? ...letztlich bin ich zu dem Entschluss gekommen, den Lauf so wiederzugeben wie ich ihn wahrgenommen habe.
Raus aus dem Start, auf die proppenvolle Fußgängerzone zu, vorbei an Horden von Touristen und Weltenbummlern... nach links über Kopfsteinpflaster, nach 100m wieder rechts, vorbei an der Bergbahnstation und nach links in den Anstieg...Immer wieder klatschen Menschen und feuern uns an. Um mich herum wuselt es, vereinzelte Läufer laufen sehr schnell an mir vorbei, während ich versuche nicht zu schnell anzugehen.
Nach der nächsten Linkskurve folgt die erste 180° Kehre nach rechts, weiter nach oben... die ersten Läufer sind zu Gehern geworden obwohl die Steigung nur rund 8% beträgt. Geradeaus weiter, vorbei an teuren und alten Häusern und Villen am Fuße des Heidelberger Schlosses. Die nächste Kehre, diesmal nach links... und weiter stetig bergauf, den Blick auf das Schloss gerichtet, welches sich immer noch hoch über uns erhebt.
Die Straße ist schön breit... ein Läufer überholt mich beinahe schwebend... als wäre es das normalste auf der Welt. Und wieder 180° nach rechts... ich nehme vereinzelt die Zuschauer wahr, die uns begeistert anfeuern... ein kurzes Stück Kopfsteinpflaster an einer Kreuzung... kurz danach die letzte Wende nach links. Noch 300m, dann
wird es steiler werden. Einige haben sich schon deutlich übernommen und gehen, fallen zurück.
Wir biegen halb rechts ab, die Steigung wird nochmal steiler auf den letzten rund 200 Metern vor der Himmelsleiter, viele gehen, ich noch nicht... noch eine Kurve nach rechts und here we go...
Kurzer Blick auf die Uhr... keine 14min... es sind nur ca. 12. Ob sich das noch rächen wird...?
Die ersten 170m auf der Treppe sind länger als erwartet. Während meiner letzten Trainingseinheiten habe ich mir ein Technik für solche Situationen erprobt, die ich jetzt anwende. Blick auf die nächsten 4-5m fixiert und in Gedanken mit jedem Atemzug eins runterzählen, von 60 auf 0. Bei 0 angekommen wieder von vorne los.
Wohl oder übel muss ich mich dem Tempo meines Vordermanns anpassen, denn zum überholen ist es zu eng. Ich nehme bewußt jede Stufe, bei den höheren drücke ich die Knie mit den Armen durch. Irgendwann ist der erste Abschnitt bewältigt. Knapp vier Minuten sind vergangen. Gerechnet hatte ich mit zwei.
Es folgen ca. 200m aufwärts auf einem schotterigen Waldweg den man trotz ordentlicher Steigung gut belaufen kann. Ich beachte meine Mitläufer nur am Rande, laufe mein eigenes Rennen. Nur eine Läuferin fällt mir auf, denn mal überholt sie mich, dann ich wieder sie.
Danach, nach rechts in den Wald hinein, ebenso lang, ein kurzer, recht einfacher Trail. Eigentlich will ich wie im Training laufen, doch zweimal muss ich gehen bis ich den jeweiligen Vordermann an geeigneten Stellen überholen kann. Einen Blick für die Landschaft habe ich dieses Jahr überhaupt nicht... ich sehe nur den Trail.
Dann geht es zurück auf die Himmelsleiter. 450m, unzählige Stufen, permanentes Runterzählen von 60 auf 0, brennende Oberschenkel, kalter Schweiß, intensiv genießen heißt das Motto. Zweimal kreuzen wir Fußgängerwege, zweimal erlaube ich mir bewußt 10 Sekunden durchzuatmen ohne ein Position zu verlieren, zweimal schließe ich auf meinen Vordermann wieder auf, den ich eh nicht überholen könnte. Es fühlt sich an wie im Training, nur härter.
"Gleich sind wir oben!" tönt es. Ich weiß, dass es nicht stimmt, blicke trotzdem auf und verfluche den Kerl kurz. 100m können so lang sein, wenn man sie über teils kniehohe Stufen bewältigen muss. Beinahe automatisch gehe ich weiter, vermeide auf die Uhr zu schauen, aus Angst mir das Wohlgefühl durch eine schlechte Zeit kaputtzumachen... und immer wieder zähle ich.
Klatschen, Anfeuerungen... ich muss nicht hochschauen um zu wissen, dass wir gleich den Gipfel erreicht haben. Tue es aber trotzdem, schaue in die begeisterten Gesichter der Zuschauer... taxiere die Verpflegungsstation, von der ich weiß, dass ich sie ignorieren werde... puste kräftig durch, drücke meine Uhr bei ca. 29:40 ab... wie von Geisterhand geführt, ohne eigenes Zutun, zähle ich symbolisch, laut und mit den Fingern von 3 auf 0... etwas, dass ich sonst nie tue... und nehme Tempo auf.
Die ersten Schritte sind noch wackelig, doch das vergeht im Nu.
Der nun folgende Trail bergab, etwa 1.2km lang, ist genau wie ich ihn erwartet habe. Knochentrocken, knüppelhart, voller loser Steine, Wurzeln und festen Steinen. Ich kenne ihn, denn die letzten Wochen bin ich ihn zweimal im Training gelaufen.
Mit mir laufen ein Läufer und eine Läuferin. Der Läufer ist einen Tick schneller als ich, aber nur soviel, dass er erstmal nicht davoneilt. Allerdings nimmt er mir den Blick auf den Trail und so folge ich etliche Meter erstmal seinem Tritt, bis der Abstand groß genug ist, dass ich endlich meinen eigenen Weg finden kann.
Und es läuft... beinahe mit schlafwandlerischer Sicherheit finde ich jede Lücke, weiß wo ich bremsen und wo ich auch mal blitzschnell die Seiten wechseln muss.
Ich ermahne mich zur Vorsicht als ich zweimal mit der Fersensohle an einem Stein hängenbleibe. Meine Gedanken springen wie meine Füße und zeichnen die Ideallinie vor meinen Augen.
Etwa zur Hälfte folgt ein kurzer Zickzack-Abschnitt als wir einen Fußweg kreuzen und weiter geht es auf dem Trail. Eine Frau überholt mich, beachtlich schnell. Ich folge... und habe Glück.. in vollem Lauf bleibe ich mit dem großen Zeh an einem Stein hängen... obwohl... oder vielleicht weil ich so schnell bin kann ich mich abfangen ohne Gefahr zu laufen zu stürzen.
Aber es holt mich erstmal recht schmerzhaft von meinem hohen Ross der gefühlten Unfehlbarkeit.
Infolgedessen werde ich nochmal überholt und die Läufer vor mir entfernen sich ein Stück. Bald bin ich alleine auf dem Trail. Jetzt bloß nicht stürzen... Konzentration!
Am Ende des Trails biegen wir nach rechts auf einen leicht ansteigenden Waldweg. Ich sehe einige Läufer in ca. 200m Abstand vor mir. Genau wie 2017 will ich hier sammeln und mache etwas Druck ohne zu überpacen. Immer wieder rede ich mir ein, dass hier meine Stärke liegt... leicht bergauf... und werde bestätigt, denn die Läufer vor mir nähern sich wieder. Einen hole ich mir recht schnell, der Rest kommt sukzessive näher.
Vorbei an drei Zuschauern verlasse ich den Weg nach links auf den letzten Trail nach unten, drei Läufer direkt vor mir. Die Frau und ein weiterer Läufer entfernen sich, sie sind einfach auf dem Trail zu schnell für mich. Dem dritten bleibe ich auf dem geraden Weg bergab auf den Fersen. Kurz darauf gibt es einen Knick nach links, es wird etwas weniger steil und 20-30m danach bin ich auf seiner Höhe und gehe vorbei... mache bewußt Druck. Der Weg ist gut überschaubar und so kann ich Tempo aufnehmen bevor es in einer weiteren 180° Kurve etwas rutschig wird.
Da es dort aber bisher jedes Jahr rutschig war, stellt heute auch diese Kehre kein Problem dar und ich hole mir zudem noch eine weitere Position zurück.
Mittlerweile bin wie in Trance. Der Anstieg ist vergessen... ich verschwende keinen Gedanken an das was war... keine Sekunde kommt mir in den Sinn, dass ich einbrechen könnte... dass ich zu schnell unterwegs sein könnte.
Der Trail führt jetzt parallel der Zufahrsstraße zum Königstuhl entlang, kaum einen Meter breit, seitlich leicht abschüssig. Aber heute scheint mich nichts aufhalten zu können. Jetzt, hochkonzentriert, fliegen meine Füße nur so an den Hindernissen vorbei. Ich bin so im Fokus, dass ich nicht mal den Ast bemerke, der über den Weg ragt... bis er mir voll gegen die Brille und Stirn knallt. Doch selbst dies bringt mich nicht aus dem Tritt.
Es folgt eine kurze Treppe nach unten und auf Höhe Molkenkur geht es in das letzte anspruchsvollere Teilstück über. Kurz zuvor passiere ich das Schild, welches Kilometer 39 des Marathons markiert. Ich schaue auf die Uhr und sehe die Ziffern auf gerade auf 47min umspringen. 13min für ca. 3 km für sub60. Das wird vermutlich nix mehr, denke ich, denn jetzt folgen noch knapp 400m Kopfsteinpflaster gepaart mit groben Steinplatten, Reisig und Laub.
Runter von der Treppe, 100m Straße ansteigend und weiter hinunter. Sorgsam die Steine beobachtend umrunden wir den "Teufelsloch" genannten Hangabschnitt. Irgendwo zwischen den Bäumen vor mir sehe ich meinen Vordermann. Ungeduldig warte ich, dass das Kopfsteinpflaster endet und dann ist es soweit... Asphalt oder zumindest gut zu laufender Weg... Runner's flow at its best... Ich lasse die Katze fliegen... und wie sie fliegt... noch etwas mehr als zwei Kilometer und nur noch bergab.
Kurz nach dem 40er Schild biegen wir wieder auf die Straße, die zu Beginn den Anstieg markierte. Acht Minuten für zwei Kilometer. Heute ist alles anders. An anderen Tagen hätte ich hier sub60 abgebrochen, hätte mich entschieden mich nicht weiter zu quälen. Doch es ist kein Quälen... es ist einfach nur geil! Vier Läufer vor mir sind mittlerweile in Sichtweite und kommen Stück für Stück näher. Von hinten höre ich Schritte, werde überholt und hänge mich dran.
Auch die anderen werden Gas geben, soviel sei schon vorab gesagt.
Alles fliegt vorbei. Die erste Kehre nach unten... Tempo... die zweite... Tempo... die dritte... Tempo... kein Blick auf die Uhr... Tempo... die letzte Kehre... noch 400m... 300m... vorbei an den Zuschauern, die sich vor der Bergbahnstation zu einer Laola-Welle zusammengefunden haben... Blick auf die Uhr... 58:27... die vorletzte Kurve... in die enge Gasse an der Rückseite des Karlsplatzes, vorbei an den Gebäuden in denen ich teilweise früher studiert habe... ein aufgepuschter Streckenposten schreit "scharf links... Stufe"... ich biege scharf links... über die Stufe, durch das Zelt auf den Karlsplatz und über die Linie bei 59:15min.
Ich kann es erst nicht wirklich glauben... fast sechs Minuten und ca. 35 Plätze besser als 2017... und im dritten Anlauf endlich sub60 geknackt.
Nach zwei Minuten durchatmen und etwas Cola bin ich wieder bei Kräften, hole meine Sachen aus dem Kleiderdepot und mache mich erstmal auf dem Weg entlang der Strecke zum Auto. Heute war alles anders... normalerweise bin ich nach einem Lauf ruhig und in mich gekehrt, doch heute muntere ich die anderen Läufer auf ihren letzten Metern auf und genieße es den anderen zuzuschauen und von der einen oder anderen Läuferin ein Lächeln zu ernten.
Erst einen Tag später spüre ich die Folgen... mein Zeh ist dick, blau und tut sackeweh... aber ist wenigstens nicht gebrochen.
Fazit:
Abgesehen von dem beengten Veranstaltungsgelände und den - für mich - geschmacklich nicht zumutbaren Maultaschen, eine gelungene Veranstaltung. Herrliche, anspruchsvolle Kurzstrecke, gute Orga, super Stimmung. Ein gelungener Auftakt für den Trailcup 2018. Ende September geht es weiter in Carlsberg.
http://www.trailmarathon-heidelberg.de
Dieses Mal heißt es also nicht Carlsberg - Heidelberg - Schriesheim, sondern Heidelberg ist die erste Station der Cup-Wertung.
Wie schon die beiden Jahre davor wird sich hier alles um die Short-Distance-Wertung drehen. Wie der Auftakt vor meiner Haustüre gelaufen ist, könnt ihr nachfolgend lesen.
Noch vor einigen Wochen war ich über die terminlichen Änderungen im Ablauf alles andere als begeistert, denn der Termin für den Himmelsleiterlauf kollidierte indirekt mit einem anderen Lauf, der fest in meinem Kalender eingeplant war.
Lange hab' ich mit mir gerungen, ob ich zwei Wettkämpfe (8km + 9km) in drei Tagen laufen solle. Glücklicherweise gab es auch bei dem anderen Lauf Änderungen und statt der ca. 8km langen Strecke wurde dort u.a. auch die 5km-Standarddistanz angeboten.
Davon ausgehend, dass der Himmelsleitertrail sowieso für den Trailcup den Streichwettbewerb darstellen würde, fiel sehr kurzfristig die Entscheidung den Lauf freitags als Wettkampf und den Himmelsleitertrail als Trainingslauf mitzunehmen.
Los ging es am 15.09. mit der Startnummernabholung und der Maultaschenparty am Vortag der Veranstaltung. Der Ablauf war zwar wie gewohnt reibungslos, die Maultaschen jedoch leider... wie kann ich es freundlich formulieren... nur mit einer sehr großen Menge Cola halbwegs erträglich. Neben einem Waldspaziergang besichtigten wir, d.h. meine bessere Hälfte und ich auch den geänderten Aufstieg zur Himmelsleiter, der auch die letzten rund 1.5km zum Ziel hin führen würden.
Im Vergleich zum letzten Jahr erfolgte der Anlauf zur namensgebenden Treppe nicht durch den Schlosspark und über die Schlossterrasse, sondern über die mehrfach gewundene Zufahrtstraße vom Heidelberger Kornmarkt hinauf zum Schloss. Erst ab dem Schloss-Wolfbrunnenweg, oberhalb des Heidelberger Schlosses war die Strecke wieder identisch.
Insgeheim erhoffte ich mir von dieser Änderung einen leichten Vorteil, denn statt zweier steilen Steigungen und einer flachen Passage war der Anstieg nun mehr oder minder gleichmäßig. Der Nachteil... kein ebener Abschnitt ab 200m bis zum Gipfel bei Km3. Die Wahrheit liegt aber letztlich immer noch auf der Strecke.
Die Nacht verlief einigermaßen ruhig. Pünktlich um vier, kurz vor'm ersten Weckerklingeln war ich wach und die üblichen Morgenrituale verliefen ohne weitere Vorkommnisse. Punkt 9 Uhr, zweieinhalb Stunden vor dem Start, kam ich an meinem gewohnten Parkplatz oberhalb des Schlosses um noch etwas die morgendliche Ruhe im Wald zu genießen bevor ich mich in den Trubel der Veranstaltung stürzen würde.
Aus mir unerfindlichen Gründen war ich hypernervös. Immer wieder schwofen meine Gedanken ab von der Natur hin zur richtigen Schuhwahl, der Frage ob Singlet oder T-Shirt, möglichen Taktiken und... und... und...!
Trotz beinahe wolkenlosem Himmel und strahlendem Sonnenschein war es anfangs noch recht frisch. Dies sollte sich aber recht schnell ändern. 10.30 Uhr fand ich mich am Start am Karlsplatz ein. Im Gegensatz zu letztem Jahr ging es dieses Mal weitaus beengter auf dem Start- und Zielgelände zu, was daran lag, dass auch die Startnummernabholung und Nachmeldungen hier stattfanden und nicht wie 2017 im benachbarten Palais Prinz Carl.
Wie im Jahr zuvor waren wieder einige Stände, Trampoline, Massage usw. vor Ort. Die Masse an Ständen, Läufern und auch einige Baustellen in der Umgebung führten - aus meiner Sicht - zu einer recht chaotischen und subobtimal gestalteten Anordnung auf dem Veranstaltungsgelände. Erst nach dem Start der Marathon-, Halftrail- und Staffelläufer um 11 Uhr wurde es etwas besser.
Das Aufwärmprogramm an sich fiel etwas spartanischer aus als sonst. Kurzes Einlaufen, lockeres ABC mit Gymnastik, Stretching und Koordination sowie 2 Steigerungen. Das war's.
Dann, bevor es in die Startaufstellung ging, noch kurz die ersten Minuten des Marathons an der großen Leinwand mit Livetracking verfolgt, die durchaus gute und vor allem laute Rockmusik genossen und in der mittlerweile knallenden Sonne die letzten Minuten vor dem Countdown auf der Startgeraden verbracht.
Punkt 11.30 Uhr war es soweit. Der Start...
Meine "Taktik" war eigentlich klar. 14min für die ersten zwei Kilometer bis zur Treppe, 17min (ca. die Zeit von letztem Jahr) für die Himmelsleiter und dann schauen was die restlichen 6km nach unten sich ergibt. Vor allem nicht stürzen, denn aufgrund des hohen Asphaltanteils und des extrem trockenen Waldbodens hatte ich mich für die normalen Saucony Ride 10 Straßenlaufschuhe anstatt für die profilbwährten Trailschuhe entschieden.
Und so geht es los...
Ich habe lange überlegt wie ich den Bericht formulieren soll. Ausführliche Beschreibung oder innerer Monolog? Geordnet oder chaotisch? ...letztlich bin ich zu dem Entschluss gekommen, den Lauf so wiederzugeben wie ich ihn wahrgenommen habe.
Raus aus dem Start, auf die proppenvolle Fußgängerzone zu, vorbei an Horden von Touristen und Weltenbummlern... nach links über Kopfsteinpflaster, nach 100m wieder rechts, vorbei an der Bergbahnstation und nach links in den Anstieg...Immer wieder klatschen Menschen und feuern uns an. Um mich herum wuselt es, vereinzelte Läufer laufen sehr schnell an mir vorbei, während ich versuche nicht zu schnell anzugehen.
Nach der nächsten Linkskurve folgt die erste 180° Kehre nach rechts, weiter nach oben... die ersten Läufer sind zu Gehern geworden obwohl die Steigung nur rund 8% beträgt. Geradeaus weiter, vorbei an teuren und alten Häusern und Villen am Fuße des Heidelberger Schlosses. Die nächste Kehre, diesmal nach links... und weiter stetig bergauf, den Blick auf das Schloss gerichtet, welches sich immer noch hoch über uns erhebt.
Die Straße ist schön breit... ein Läufer überholt mich beinahe schwebend... als wäre es das normalste auf der Welt. Und wieder 180° nach rechts... ich nehme vereinzelt die Zuschauer wahr, die uns begeistert anfeuern... ein kurzes Stück Kopfsteinpflaster an einer Kreuzung... kurz danach die letzte Wende nach links. Noch 300m, dann
wird es steiler werden. Einige haben sich schon deutlich übernommen und gehen, fallen zurück.
Wir biegen halb rechts ab, die Steigung wird nochmal steiler auf den letzten rund 200 Metern vor der Himmelsleiter, viele gehen, ich noch nicht... noch eine Kurve nach rechts und here we go...
Kurzer Blick auf die Uhr... keine 14min... es sind nur ca. 12. Ob sich das noch rächen wird...?
Die ersten 170m auf der Treppe sind länger als erwartet. Während meiner letzten Trainingseinheiten habe ich mir ein Technik für solche Situationen erprobt, die ich jetzt anwende. Blick auf die nächsten 4-5m fixiert und in Gedanken mit jedem Atemzug eins runterzählen, von 60 auf 0. Bei 0 angekommen wieder von vorne los.
Wohl oder übel muss ich mich dem Tempo meines Vordermanns anpassen, denn zum überholen ist es zu eng. Ich nehme bewußt jede Stufe, bei den höheren drücke ich die Knie mit den Armen durch. Irgendwann ist der erste Abschnitt bewältigt. Knapp vier Minuten sind vergangen. Gerechnet hatte ich mit zwei.
Es folgen ca. 200m aufwärts auf einem schotterigen Waldweg den man trotz ordentlicher Steigung gut belaufen kann. Ich beachte meine Mitläufer nur am Rande, laufe mein eigenes Rennen. Nur eine Läuferin fällt mir auf, denn mal überholt sie mich, dann ich wieder sie.
Danach, nach rechts in den Wald hinein, ebenso lang, ein kurzer, recht einfacher Trail. Eigentlich will ich wie im Training laufen, doch zweimal muss ich gehen bis ich den jeweiligen Vordermann an geeigneten Stellen überholen kann. Einen Blick für die Landschaft habe ich dieses Jahr überhaupt nicht... ich sehe nur den Trail.
Dann geht es zurück auf die Himmelsleiter. 450m, unzählige Stufen, permanentes Runterzählen von 60 auf 0, brennende Oberschenkel, kalter Schweiß, intensiv genießen heißt das Motto. Zweimal kreuzen wir Fußgängerwege, zweimal erlaube ich mir bewußt 10 Sekunden durchzuatmen ohne ein Position zu verlieren, zweimal schließe ich auf meinen Vordermann wieder auf, den ich eh nicht überholen könnte. Es fühlt sich an wie im Training, nur härter.
"Gleich sind wir oben!" tönt es. Ich weiß, dass es nicht stimmt, blicke trotzdem auf und verfluche den Kerl kurz. 100m können so lang sein, wenn man sie über teils kniehohe Stufen bewältigen muss. Beinahe automatisch gehe ich weiter, vermeide auf die Uhr zu schauen, aus Angst mir das Wohlgefühl durch eine schlechte Zeit kaputtzumachen... und immer wieder zähle ich.
Klatschen, Anfeuerungen... ich muss nicht hochschauen um zu wissen, dass wir gleich den Gipfel erreicht haben. Tue es aber trotzdem, schaue in die begeisterten Gesichter der Zuschauer... taxiere die Verpflegungsstation, von der ich weiß, dass ich sie ignorieren werde... puste kräftig durch, drücke meine Uhr bei ca. 29:40 ab... wie von Geisterhand geführt, ohne eigenes Zutun, zähle ich symbolisch, laut und mit den Fingern von 3 auf 0... etwas, dass ich sonst nie tue... und nehme Tempo auf.
Die ersten Schritte sind noch wackelig, doch das vergeht im Nu.
Der nun folgende Trail bergab, etwa 1.2km lang, ist genau wie ich ihn erwartet habe. Knochentrocken, knüppelhart, voller loser Steine, Wurzeln und festen Steinen. Ich kenne ihn, denn die letzten Wochen bin ich ihn zweimal im Training gelaufen.
Mit mir laufen ein Läufer und eine Läuferin. Der Läufer ist einen Tick schneller als ich, aber nur soviel, dass er erstmal nicht davoneilt. Allerdings nimmt er mir den Blick auf den Trail und so folge ich etliche Meter erstmal seinem Tritt, bis der Abstand groß genug ist, dass ich endlich meinen eigenen Weg finden kann.
Und es läuft... beinahe mit schlafwandlerischer Sicherheit finde ich jede Lücke, weiß wo ich bremsen und wo ich auch mal blitzschnell die Seiten wechseln muss.
Ich ermahne mich zur Vorsicht als ich zweimal mit der Fersensohle an einem Stein hängenbleibe. Meine Gedanken springen wie meine Füße und zeichnen die Ideallinie vor meinen Augen.
Etwa zur Hälfte folgt ein kurzer Zickzack-Abschnitt als wir einen Fußweg kreuzen und weiter geht es auf dem Trail. Eine Frau überholt mich, beachtlich schnell. Ich folge... und habe Glück.. in vollem Lauf bleibe ich mit dem großen Zeh an einem Stein hängen... obwohl... oder vielleicht weil ich so schnell bin kann ich mich abfangen ohne Gefahr zu laufen zu stürzen.
Aber es holt mich erstmal recht schmerzhaft von meinem hohen Ross der gefühlten Unfehlbarkeit.
Infolgedessen werde ich nochmal überholt und die Läufer vor mir entfernen sich ein Stück. Bald bin ich alleine auf dem Trail. Jetzt bloß nicht stürzen... Konzentration!
Am Ende des Trails biegen wir nach rechts auf einen leicht ansteigenden Waldweg. Ich sehe einige Läufer in ca. 200m Abstand vor mir. Genau wie 2017 will ich hier sammeln und mache etwas Druck ohne zu überpacen. Immer wieder rede ich mir ein, dass hier meine Stärke liegt... leicht bergauf... und werde bestätigt, denn die Läufer vor mir nähern sich wieder. Einen hole ich mir recht schnell, der Rest kommt sukzessive näher.
Vorbei an drei Zuschauern verlasse ich den Weg nach links auf den letzten Trail nach unten, drei Läufer direkt vor mir. Die Frau und ein weiterer Läufer entfernen sich, sie sind einfach auf dem Trail zu schnell für mich. Dem dritten bleibe ich auf dem geraden Weg bergab auf den Fersen. Kurz darauf gibt es einen Knick nach links, es wird etwas weniger steil und 20-30m danach bin ich auf seiner Höhe und gehe vorbei... mache bewußt Druck. Der Weg ist gut überschaubar und so kann ich Tempo aufnehmen bevor es in einer weiteren 180° Kurve etwas rutschig wird.
Da es dort aber bisher jedes Jahr rutschig war, stellt heute auch diese Kehre kein Problem dar und ich hole mir zudem noch eine weitere Position zurück.
Mittlerweile bin wie in Trance. Der Anstieg ist vergessen... ich verschwende keinen Gedanken an das was war... keine Sekunde kommt mir in den Sinn, dass ich einbrechen könnte... dass ich zu schnell unterwegs sein könnte.
Der Trail führt jetzt parallel der Zufahrsstraße zum Königstuhl entlang, kaum einen Meter breit, seitlich leicht abschüssig. Aber heute scheint mich nichts aufhalten zu können. Jetzt, hochkonzentriert, fliegen meine Füße nur so an den Hindernissen vorbei. Ich bin so im Fokus, dass ich nicht mal den Ast bemerke, der über den Weg ragt... bis er mir voll gegen die Brille und Stirn knallt. Doch selbst dies bringt mich nicht aus dem Tritt.
Es folgt eine kurze Treppe nach unten und auf Höhe Molkenkur geht es in das letzte anspruchsvollere Teilstück über. Kurz zuvor passiere ich das Schild, welches Kilometer 39 des Marathons markiert. Ich schaue auf die Uhr und sehe die Ziffern auf gerade auf 47min umspringen. 13min für ca. 3 km für sub60. Das wird vermutlich nix mehr, denke ich, denn jetzt folgen noch knapp 400m Kopfsteinpflaster gepaart mit groben Steinplatten, Reisig und Laub.
Runter von der Treppe, 100m Straße ansteigend und weiter hinunter. Sorgsam die Steine beobachtend umrunden wir den "Teufelsloch" genannten Hangabschnitt. Irgendwo zwischen den Bäumen vor mir sehe ich meinen Vordermann. Ungeduldig warte ich, dass das Kopfsteinpflaster endet und dann ist es soweit... Asphalt oder zumindest gut zu laufender Weg... Runner's flow at its best... Ich lasse die Katze fliegen... und wie sie fliegt... noch etwas mehr als zwei Kilometer und nur noch bergab.
Kurz nach dem 40er Schild biegen wir wieder auf die Straße, die zu Beginn den Anstieg markierte. Acht Minuten für zwei Kilometer. Heute ist alles anders. An anderen Tagen hätte ich hier sub60 abgebrochen, hätte mich entschieden mich nicht weiter zu quälen. Doch es ist kein Quälen... es ist einfach nur geil! Vier Läufer vor mir sind mittlerweile in Sichtweite und kommen Stück für Stück näher. Von hinten höre ich Schritte, werde überholt und hänge mich dran.
Auch die anderen werden Gas geben, soviel sei schon vorab gesagt.
Alles fliegt vorbei. Die erste Kehre nach unten... Tempo... die zweite... Tempo... die dritte... Tempo... kein Blick auf die Uhr... Tempo... die letzte Kehre... noch 400m... 300m... vorbei an den Zuschauern, die sich vor der Bergbahnstation zu einer Laola-Welle zusammengefunden haben... Blick auf die Uhr... 58:27... die vorletzte Kurve... in die enge Gasse an der Rückseite des Karlsplatzes, vorbei an den Gebäuden in denen ich teilweise früher studiert habe... ein aufgepuschter Streckenposten schreit "scharf links... Stufe"... ich biege scharf links... über die Stufe, durch das Zelt auf den Karlsplatz und über die Linie bei 59:15min.
Ich kann es erst nicht wirklich glauben... fast sechs Minuten und ca. 35 Plätze besser als 2017... und im dritten Anlauf endlich sub60 geknackt.
Nach zwei Minuten durchatmen und etwas Cola bin ich wieder bei Kräften, hole meine Sachen aus dem Kleiderdepot und mache mich erstmal auf dem Weg entlang der Strecke zum Auto. Heute war alles anders... normalerweise bin ich nach einem Lauf ruhig und in mich gekehrt, doch heute muntere ich die anderen Läufer auf ihren letzten Metern auf und genieße es den anderen zuzuschauen und von der einen oder anderen Läuferin ein Lächeln zu ernten.
Erst einen Tag später spüre ich die Folgen... mein Zeh ist dick, blau und tut sackeweh... aber ist wenigstens nicht gebrochen.
Fazit:
Abgesehen von dem beengten Veranstaltungsgelände und den - für mich - geschmacklich nicht zumutbaren Maultaschen, eine gelungene Veranstaltung. Herrliche, anspruchsvolle Kurzstrecke, gute Orga, super Stimmung. Ein gelungener Auftakt für den Trailcup 2018. Ende September geht es weiter in Carlsberg.
http://www.trailmarathon-heidelberg.de