Valencia Marathon 2018
Verfasst: 06.08.2019, 19:39
Bei so viel Laufberichten haut man auch gerne noch mal selbst in die Tasten. Es ist nun doch schon eine ganze Weile her, möchte aber doch auf dieser Seite von meinem Valencia Marathon vom vergangenen Dezember erzählen. Der Vollständigkeit halber, um den Lauf damit abzuschließen, aber vielleicht hilft der Bericht ja auch Interessierten, die einen Marathon kurz vor Jahresschluss suchen.
Eigentlich wollte ich schon im Februar 2018 in Sevilla endlich unter den 3:30 bleiben. Das sollte das Ziel der bescheidenen Laufkarriere sein. Einmal erfüllt, wollte ich nur noch gemütliche Wettkämpfe laufen. Ich hatte mich wie schon bei den letzten Läufen mit den Jahresplänen von Peter Greif vorbereitet, aber dann besuchte mich ein guter Freund mit seinem Kleinkind, das von der Krippe jeden Monat eine neue Krankheit nach Hause schleppt. Acht Tage vor dem Wettkampf hatte ich Magengrippe und die dauerte und dauerte.
Dann machte ich auch noch den Fehler, die Vorbereitung für Sevilla ein wenig auszudehnen und acht Wochen später in Madrid anzutreten. Eine Marathonvorbereitung ist immer ein schmaler Grat, eine nach Greif noch viel mehr, das lässt sich nicht einfach wie ein Kaugummi ein bisschen länger ziehen. Ein Muskelfaserriss war das Ergebnis, nach etwa 35 km stand fest, das wir mein erster DNF.
So konnte ich es für dieses Jahr bleiben lassen, oder es in der zweiten Jahreshälfte noch mal versuchen. Valencia hat seinen Marathon inzwischen auf den ersten Sonntag im Dezember verlegt. Ein hervorragendes Datum, ermöglicht es doch anders als die vielen Herbstwettkämpfe eine Vorbereitung ohne Hitze. So dehnte ich die Sommergeneration ein wenig weiter aus und begann im September mit der erweiterten Vorbereitung, bevor Peters Acht-Wochenplan startete. Die Vorbereitung lief verdammt gut. Bis irgendwas durcheinander kam. Mein Magen-Darm-Trakt spielte wieder verrückt, ich bekam Tabletten verschrieben, fast zwei Wochen Trainingsausfall waren die Folge. Auch der drei Wochen vor dem Wettkampf vorgesehene Halbmarathon musste ausfallen.
Ich schrieb Jens an, der in der Firma Greif nun den ja leider verstorbenen Peter ersetzt. Er meinte, ich solle einfach weiter nach Plan trainieren und mir nicht so einen Kopf machen. Doch beim letzten 35er war an 15 km Endbeschleunigung überhaupt nicht zu denken, die Tabletten hatten meinen Blutdruck in die Höhe getrieben, das wirkte sich auch noch aus, nachdem ich sie schon abgesetzt hatte. Die letzten Tempoeinheiten funktionierten dann aber wieder. So fuhr ich letztlich nach Valencia und wollte erst während des Laufs entscheiden, ob ich noch am Ziel sub 3:30 festhalte.
Wir reisten am Freitag an, das Hotel war das allerletzte Loch, das kann man nicht anders sagen, es war kalt und feucht und die Wände waren aus Papier. Später, nach dem Lauf, sind wir umgezogen. Am Strand Malvarosa gibt es zahlreiche Hotels, wir sind ins Balandret gegangen, was ich mit Ausnahme seines Restaurants sehr empfehlen kann. Aber auch die anderen Unterkünfte wirkten hier angenehm. Insofern, vergesst die Innenstadthotels.
Aber mir war ja alles egal, ich war mit der beste aller Ehefrauen nach langer Zeit mal wieder im Kurzurlaub. Ich wollte einen Marathon laufen, aber der geistige Abstand zur möglichen Zielzeit ließ mich die beiden Tage sehr entspannt verbringen. Wir spazierten am Strand, aßen dort eine Paella und genossen die Sonne und den Blick aufs Meer. Vieles war improvisiert, kein Restaurant gebucht, aber es war alles wunderbar. Am Samstag lief ich noch diesen Minilauf im Greifs Plänen am Samstag vor dem Marathon, 2 km mit leichten Steigerungen, „lass diese Einheit nicht weg, sie ist wichtig“, steht im Plan, mancher lächelt darüber.
Die Marathonmesse in der futuristischen Stadt der Künste und Wissenschaften hatten wir schon am Freitag kurz nach unserer Ankunft in der Stadt besucht. Der Komplex mag architektonisch beeindrucken, er hat aber ja immerhin auch 1,3 Milliarden Euro gekostet, vier Mal mehr, als vom Architekten Santiago Calatrava veranschlagt. Für mich ist sie darum auch ein Wahrzeichen für die Kosten der Korruption und Spekulation gerade in dieser spanischen Region im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts, insofern mag ich das Wunderwerk nicht besonders. Aber auch die Messe hat mich enttäuscht. Ich wollte mir noch irgendein Schnäppchen kaufen, aber die Messe war für den inzwischen größten Marathon Spaniens unangemessen klein. Mehr als Nummer abholen und tschüss war da nicht drin. Die konnten uns nicht mal sagen, wie wir am Sonntag mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Startbereich kommen.
Erst am Abend vor dem Lauf wurde ich etwas nervös. „Jetzt bist Du aber doch sehr fokusiert“, meinte meine Frau und lächelte. Ja, das war ich dann doch schon, das italienische Lokal vor dem Lauf hatte ich schon einige Wochen davor reserviert. Das empfiehlt sich, Valencia ist mit 750.000 Einwohnern keine große Stadt und die 25.000 Läufer überfordern sie ein wenig, insbesondere, wenn die alle am selben Tag nur Paella oder Nudeln essen und vor 23 Uhr im Bett sein wollen.
Natürlich war längst alles für den nächsten Tag vorbereitet, so gegen fünf Uhr stand ich am Sonntag auf und aß meine Carbokuchen, die ich mir zu Hause gemacht hatte und trank dazu diverse Sportgetränke. Kaffee wollte ich eigentlich auf dem Weg zum Bus noch trinken, fand aber nichts, was offen gewesen wäre.
Der Hinweg zum Start…, na ja, ich kam irgendwie an. Die Haltestelle, an der laut Touristeninformation die Busse in den Startbereich abfahren sollten, war verlegt worden, aber zum Glück wussten andere Läufer davon und wir gingen gemeinsam weiter. Am Ende fuhren wir in völlig überfüllten Bussen zum Start, vorbei an vielen Haltestellen mit vielen enttäuschten Läufern, die nicht mehr reinpassten. Mit dem schlechten ÖPNV hatten wir auch noch mal bei der Rückfahrt zu tun, das ist das größte Minus, das ich den Organisatoren ankreiden möchte. Es ist zwar auch verständlich, die Stadt hat keine U-Bahn, durch den Marathon können die Busse entweder gar nicht, oder nicht auf ihren gewohnten Strecken fahren. Aber die Fremdenverkehrsbüros müssen doch über die Streckenführungen an so einem Tag informiert sein!
Ich bin immer sehr früh im Startbereich und gebe dort meine Klamotten ab, ich mag keine Dixies, in denen schon 50 Leute vor mir waren. Es soll mir auch nicht wie Sabrina Mockenhaupt gehen, deren Olympiateilnahme hier 2015 an verschlossenen Toilettentüren gescheitert ist. Sie konnte tatsächlich nicht vor dem Lauf aufs Klo, weil entgegen vorheriger Absprachen im Elitebereich die Toiletten versperrt waren, was während des Laufs zu Problemen im Bauch führte, wie auf ihrer Facebookseite mal nachzulesen war. Am Ende wurde sie Fünfte mit 2:30:44, eine phantastische Zeit nach ihrer Verletzungspause, aber eben auch 2:10 über der Norm für Rio.
Mein spanischer Lauffreund David, der ebenfalls unter 3:30 laufen wollte, ist sogar noch viel relaxter als ich am Start und treibt mich damit zum Wahnsinn. Natürlich kam er mit seiner Gruppe viel später an, wartete dann noch auf andere für das Erinnerungsfotos und natürlich fiel ihm im letzten Moment noch ein, dass er aufs Klo muss und natürlich waren die Schlangen davor dann schon sehr lang. Lang waren auch die Schlangen vor den Boxen mit recht engen Eingängen. Dort wurde streng kontrolliert, so dauerte es bestimmt noch mal 20 Minuten, bis wir im Block waren.
Pünktlich um 8:30 Uhr ging es los, eine gute Uhrzeit, auch im Dezember kann es hier kann die Sonne noch unangenehm warm werden. Man kann auch sonst Pech mit dem Wetter haben. Durch die Nähe zum Meer kann die Luftfeuchtigkeit auch mal sehr hoch sein oder Wind aufkommen. Zum Glück blieben wir davon verschont.
Valencia macht zwar Werbung damit, der flachste Marathon Spaniens zu sein, aber direkt nach dem Start geht es erst mal über eine lange Brücke mit entsprechendem Anstieg. Aber ab dann läuft es sich gut, kein Vergleich etwa mit der verstopften Strecke in Berlin. Wir konnten schnell in unsere 4:50-pace finden. Ich hatte die Zwischenzeiten für alle 5 km-Abschnitte auf den Arm geschrieben und konnte ansagen, wie wir in der Zeit sind, wir haben uns gegenseitig gebremst oder auch angetrieben, wenn es mal zu gemütlich wurde. Gleichzeitig konnten wir uns ein wenig die Zeit mit Gesprächen über alles Mögliche vertreiben, der Lauf wurde kurzweiliger.
Obwohl es in Valencia teilweise auch über lange Vorstadtgeraden geht, gilt die Stimmung als die beste bei den spanischen Läufen. In der Region haben die Blasorchester und Rhythmusgruppen eine lange Tradition, sie stehen während des Laufs praktisch an jeder Straßenecke. Ab der HM-Marke merkt man ja normalerweise, wie es läuft, und diesmal lief es wirklich gut. Nichts zog, keine Probleme, wir waren beide guter Dinge. Bei km 30 sollte meine wunderbare Begleiterin stehen und Fotos schießen, ich rief David zu, weiterzulaufen, ich würde ihn schon einholen, lief auf sie zu, küsste sie, sie lief ein paar Meter mit, dann musste ich kurz zu David spurten. Doch es lief so gut an diesem Tag, auch das machte mir nichts aus. Es ging wieder aus der Innenstadt raus, vorbei am Stadion des FC Levante, einem von zwei Erstligisten Valencias, dann gibt es eine Kehrtwende zurück in die Stadt.
Bei km 35, ohne jede Vorzeichen, sagte mir David: „Lauf weiter, meine Beine sind hart.“ Ich wollte nicht, erzählte ihm was von Durchalten usw, doch er bestand darauf: „Sonst ist Deine Zielzeit in Gefahr.“ Da hatte er Recht. Wir hatten zwar durchaus ein gutes Polster, aber das ist am Schluss eines Marathons schnell weg. So ließ ich ihn zurück und nach ein paar Minuten spürte ich, was es heißt, plötzlich alleine im Marathon zu sein. Es war etwas anderes, es fehlte die Zuversicht des anderen. Menschenskind, wo ist nur die Stierkampfarena, dachte ich mir, an der wir vorbeilaufen sollten, doch sie kam und kam nicht. Der Marathon zog sie plötzlich wie Kaugummi in die Länge.
Irgendwann, so bei km 38 vielleicht, schüttete ich mir eiskaltes Wasser nicht nur über den Kopf, sondern auch auf die Beine. Sie schmerzten gar nicht so sehr, ich wollte sie nur kühlen, doch die Oberschenkel machten sofort zu. Was für ein Riesenfehler! Doch es sollte das einzige wirkliche Problem bleiben. Ich zwang mich, weiterzulaufen und nach und nach wurde klar, dass ich die 3:30 knacken würde. Das Polster war ok, ich könnte mich nun quälen und noch ein paar Minuten rausholen, oder es einfach nur noch genießen. Die Strecke war nun natürlich jetzt an beiden Rändern voll mit Leuten, die Gasse wurde enger, aber es war phantastisch. Es tat überhaupt nichts weh, zumindest nicht so, dass ich kämpfen müsste. Ich dachte an meinen vor einem Jahr verstorbenen Vater, verscheuchte den Gedanken gleich wieder, weil ich ihn kitschig fand. Gleichzeitig dachte ich an Peter Greif, diesen verrückten Trainer mit seinen 35-km-Läufen in der Vorbereitung, über die so viele den Kopf schütteln und der in diesem Jahr verstorben war.
Irgendwann ging es dann wirklich runter zum alten Flussbett, in dem die Stadt der Künste und der Wissenschaften liegt, und es ging (au weiah!!!) über kleine Pflastersteine, die sich durch die Schuhsohle bohrten. Dann einmal hart rechts und dann noch hart links und das Ziel war vor Augen. Die Organisatoren verkaufen den Zieleinlauf als „über Wasser laufen“, weil er über einen breiten Steg über einen künstlichen See führt. Na ja. Mit 3:28:29 war nun das Ziel erreicht. Nun sollte jeder weitere Marathon gemütlicher werden, hatte ich mir vorgenommen.
Der Zielbereich ist weitläufig, kein Gedränge nirgends. Als ich meine wunderbare Frau anrufen wollte, stellte ich fest, dass mein Handy buchstäblich Baden gegangen ist. Ich führte es in einem kleinen Neoprengürtel mit mir, der muss offen gewesen sein, als ich mir Wasser überschüttete. Nichts ging mehr. Das trübte aber die große Euphorie nicht. Viel wichtiger war: Auch David kam noch rechtzeitig ins Ziel, die letzten km ist er noch geflogen, um es zu packen. 3:29:42, mehr Zeit hätte er sich nicht mehr nehmen können.
Die Medaillen wurden im Verpflegungsbeutel überreicht. Ok, wir sind keine Olympiasieger, aber der Moment, in dem ein freundlicher Helfer sie einem um den Hals hängt, ist schon ein besonderer. Was die Euphorie auch nicht minderte, war der Umstand, dass wir hinterher zurück ins Hotel in der Stadtmitte laufen mussten. So was Blödes habe ich noch nie erlebt. Es fuhren weder Taxis noch Busse, weil die Marathonstrecke den Zugang versperrte. Na gut, ich hab’s als Regenerationslauf verbucht. Dann gab es noch mal eine Paella zur Feier des Tages mit Cava, dem spanischen Sekt. War lecker, aber es war die dritte an diesem Wochenende, ich glaube, wir haben dann ein paar Monate lang keinen Reis mehr gegessen.
Zusammengefasst: Wenn man eine schnelle Strecke für einen Marathon in der zweiten Jahreshälfte sucht, liegt man mit Valencia goldrichtig. Die Stadt ist gut zu erreichen, Anfang Dezember nicht voller Touristen, die Chancen auf gutes Wetter stehen gut. Für ein kleines Startgeld von 50 Euro (early bird) gibt's ein Finishershirt, ausreichend zu trinken, sowohl Wasser wie auch Sportgetränke. Gels und Riegel des Sponsors Enervit habe ich nicht probiert. Ein kleines Minus gibt es für die kleine Messe, die zudem am Samstag sehr voll wird. Es gibt eine Paella-Party, die ich nicht mitgenommen habe. Größtes Minus für den katastrophalen ÖPNV zum und vom Start- und Zielbereich, da sollte man sich die Route vorher gut zurechtlegen. Ganz wichtig: Man muss sich früh entscheiden. In diesem Jahr, 2019, waren die Plätze schon im Juni vergeben. Womöglich entscheiden sich die Veranstalter ab 2020 für ein Losverfahren.
Eigentlich wollte ich schon im Februar 2018 in Sevilla endlich unter den 3:30 bleiben. Das sollte das Ziel der bescheidenen Laufkarriere sein. Einmal erfüllt, wollte ich nur noch gemütliche Wettkämpfe laufen. Ich hatte mich wie schon bei den letzten Läufen mit den Jahresplänen von Peter Greif vorbereitet, aber dann besuchte mich ein guter Freund mit seinem Kleinkind, das von der Krippe jeden Monat eine neue Krankheit nach Hause schleppt. Acht Tage vor dem Wettkampf hatte ich Magengrippe und die dauerte und dauerte.
Dann machte ich auch noch den Fehler, die Vorbereitung für Sevilla ein wenig auszudehnen und acht Wochen später in Madrid anzutreten. Eine Marathonvorbereitung ist immer ein schmaler Grat, eine nach Greif noch viel mehr, das lässt sich nicht einfach wie ein Kaugummi ein bisschen länger ziehen. Ein Muskelfaserriss war das Ergebnis, nach etwa 35 km stand fest, das wir mein erster DNF.
So konnte ich es für dieses Jahr bleiben lassen, oder es in der zweiten Jahreshälfte noch mal versuchen. Valencia hat seinen Marathon inzwischen auf den ersten Sonntag im Dezember verlegt. Ein hervorragendes Datum, ermöglicht es doch anders als die vielen Herbstwettkämpfe eine Vorbereitung ohne Hitze. So dehnte ich die Sommergeneration ein wenig weiter aus und begann im September mit der erweiterten Vorbereitung, bevor Peters Acht-Wochenplan startete. Die Vorbereitung lief verdammt gut. Bis irgendwas durcheinander kam. Mein Magen-Darm-Trakt spielte wieder verrückt, ich bekam Tabletten verschrieben, fast zwei Wochen Trainingsausfall waren die Folge. Auch der drei Wochen vor dem Wettkampf vorgesehene Halbmarathon musste ausfallen.
Ich schrieb Jens an, der in der Firma Greif nun den ja leider verstorbenen Peter ersetzt. Er meinte, ich solle einfach weiter nach Plan trainieren und mir nicht so einen Kopf machen. Doch beim letzten 35er war an 15 km Endbeschleunigung überhaupt nicht zu denken, die Tabletten hatten meinen Blutdruck in die Höhe getrieben, das wirkte sich auch noch aus, nachdem ich sie schon abgesetzt hatte. Die letzten Tempoeinheiten funktionierten dann aber wieder. So fuhr ich letztlich nach Valencia und wollte erst während des Laufs entscheiden, ob ich noch am Ziel sub 3:30 festhalte.
Wir reisten am Freitag an, das Hotel war das allerletzte Loch, das kann man nicht anders sagen, es war kalt und feucht und die Wände waren aus Papier. Später, nach dem Lauf, sind wir umgezogen. Am Strand Malvarosa gibt es zahlreiche Hotels, wir sind ins Balandret gegangen, was ich mit Ausnahme seines Restaurants sehr empfehlen kann. Aber auch die anderen Unterkünfte wirkten hier angenehm. Insofern, vergesst die Innenstadthotels.
Aber mir war ja alles egal, ich war mit der beste aller Ehefrauen nach langer Zeit mal wieder im Kurzurlaub. Ich wollte einen Marathon laufen, aber der geistige Abstand zur möglichen Zielzeit ließ mich die beiden Tage sehr entspannt verbringen. Wir spazierten am Strand, aßen dort eine Paella und genossen die Sonne und den Blick aufs Meer. Vieles war improvisiert, kein Restaurant gebucht, aber es war alles wunderbar. Am Samstag lief ich noch diesen Minilauf im Greifs Plänen am Samstag vor dem Marathon, 2 km mit leichten Steigerungen, „lass diese Einheit nicht weg, sie ist wichtig“, steht im Plan, mancher lächelt darüber.
Die Marathonmesse in der futuristischen Stadt der Künste und Wissenschaften hatten wir schon am Freitag kurz nach unserer Ankunft in der Stadt besucht. Der Komplex mag architektonisch beeindrucken, er hat aber ja immerhin auch 1,3 Milliarden Euro gekostet, vier Mal mehr, als vom Architekten Santiago Calatrava veranschlagt. Für mich ist sie darum auch ein Wahrzeichen für die Kosten der Korruption und Spekulation gerade in dieser spanischen Region im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts, insofern mag ich das Wunderwerk nicht besonders. Aber auch die Messe hat mich enttäuscht. Ich wollte mir noch irgendein Schnäppchen kaufen, aber die Messe war für den inzwischen größten Marathon Spaniens unangemessen klein. Mehr als Nummer abholen und tschüss war da nicht drin. Die konnten uns nicht mal sagen, wie wir am Sonntag mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Startbereich kommen.
Erst am Abend vor dem Lauf wurde ich etwas nervös. „Jetzt bist Du aber doch sehr fokusiert“, meinte meine Frau und lächelte. Ja, das war ich dann doch schon, das italienische Lokal vor dem Lauf hatte ich schon einige Wochen davor reserviert. Das empfiehlt sich, Valencia ist mit 750.000 Einwohnern keine große Stadt und die 25.000 Läufer überfordern sie ein wenig, insbesondere, wenn die alle am selben Tag nur Paella oder Nudeln essen und vor 23 Uhr im Bett sein wollen.
Natürlich war längst alles für den nächsten Tag vorbereitet, so gegen fünf Uhr stand ich am Sonntag auf und aß meine Carbokuchen, die ich mir zu Hause gemacht hatte und trank dazu diverse Sportgetränke. Kaffee wollte ich eigentlich auf dem Weg zum Bus noch trinken, fand aber nichts, was offen gewesen wäre.
Der Hinweg zum Start…, na ja, ich kam irgendwie an. Die Haltestelle, an der laut Touristeninformation die Busse in den Startbereich abfahren sollten, war verlegt worden, aber zum Glück wussten andere Läufer davon und wir gingen gemeinsam weiter. Am Ende fuhren wir in völlig überfüllten Bussen zum Start, vorbei an vielen Haltestellen mit vielen enttäuschten Läufern, die nicht mehr reinpassten. Mit dem schlechten ÖPNV hatten wir auch noch mal bei der Rückfahrt zu tun, das ist das größte Minus, das ich den Organisatoren ankreiden möchte. Es ist zwar auch verständlich, die Stadt hat keine U-Bahn, durch den Marathon können die Busse entweder gar nicht, oder nicht auf ihren gewohnten Strecken fahren. Aber die Fremdenverkehrsbüros müssen doch über die Streckenführungen an so einem Tag informiert sein!
Ich bin immer sehr früh im Startbereich und gebe dort meine Klamotten ab, ich mag keine Dixies, in denen schon 50 Leute vor mir waren. Es soll mir auch nicht wie Sabrina Mockenhaupt gehen, deren Olympiateilnahme hier 2015 an verschlossenen Toilettentüren gescheitert ist. Sie konnte tatsächlich nicht vor dem Lauf aufs Klo, weil entgegen vorheriger Absprachen im Elitebereich die Toiletten versperrt waren, was während des Laufs zu Problemen im Bauch führte, wie auf ihrer Facebookseite mal nachzulesen war. Am Ende wurde sie Fünfte mit 2:30:44, eine phantastische Zeit nach ihrer Verletzungspause, aber eben auch 2:10 über der Norm für Rio.
Mein spanischer Lauffreund David, der ebenfalls unter 3:30 laufen wollte, ist sogar noch viel relaxter als ich am Start und treibt mich damit zum Wahnsinn. Natürlich kam er mit seiner Gruppe viel später an, wartete dann noch auf andere für das Erinnerungsfotos und natürlich fiel ihm im letzten Moment noch ein, dass er aufs Klo muss und natürlich waren die Schlangen davor dann schon sehr lang. Lang waren auch die Schlangen vor den Boxen mit recht engen Eingängen. Dort wurde streng kontrolliert, so dauerte es bestimmt noch mal 20 Minuten, bis wir im Block waren.
Pünktlich um 8:30 Uhr ging es los, eine gute Uhrzeit, auch im Dezember kann es hier kann die Sonne noch unangenehm warm werden. Man kann auch sonst Pech mit dem Wetter haben. Durch die Nähe zum Meer kann die Luftfeuchtigkeit auch mal sehr hoch sein oder Wind aufkommen. Zum Glück blieben wir davon verschont.
Valencia macht zwar Werbung damit, der flachste Marathon Spaniens zu sein, aber direkt nach dem Start geht es erst mal über eine lange Brücke mit entsprechendem Anstieg. Aber ab dann läuft es sich gut, kein Vergleich etwa mit der verstopften Strecke in Berlin. Wir konnten schnell in unsere 4:50-pace finden. Ich hatte die Zwischenzeiten für alle 5 km-Abschnitte auf den Arm geschrieben und konnte ansagen, wie wir in der Zeit sind, wir haben uns gegenseitig gebremst oder auch angetrieben, wenn es mal zu gemütlich wurde. Gleichzeitig konnten wir uns ein wenig die Zeit mit Gesprächen über alles Mögliche vertreiben, der Lauf wurde kurzweiliger.
Obwohl es in Valencia teilweise auch über lange Vorstadtgeraden geht, gilt die Stimmung als die beste bei den spanischen Läufen. In der Region haben die Blasorchester und Rhythmusgruppen eine lange Tradition, sie stehen während des Laufs praktisch an jeder Straßenecke. Ab der HM-Marke merkt man ja normalerweise, wie es läuft, und diesmal lief es wirklich gut. Nichts zog, keine Probleme, wir waren beide guter Dinge. Bei km 30 sollte meine wunderbare Begleiterin stehen und Fotos schießen, ich rief David zu, weiterzulaufen, ich würde ihn schon einholen, lief auf sie zu, küsste sie, sie lief ein paar Meter mit, dann musste ich kurz zu David spurten. Doch es lief so gut an diesem Tag, auch das machte mir nichts aus. Es ging wieder aus der Innenstadt raus, vorbei am Stadion des FC Levante, einem von zwei Erstligisten Valencias, dann gibt es eine Kehrtwende zurück in die Stadt.
Bei km 35, ohne jede Vorzeichen, sagte mir David: „Lauf weiter, meine Beine sind hart.“ Ich wollte nicht, erzählte ihm was von Durchalten usw, doch er bestand darauf: „Sonst ist Deine Zielzeit in Gefahr.“ Da hatte er Recht. Wir hatten zwar durchaus ein gutes Polster, aber das ist am Schluss eines Marathons schnell weg. So ließ ich ihn zurück und nach ein paar Minuten spürte ich, was es heißt, plötzlich alleine im Marathon zu sein. Es war etwas anderes, es fehlte die Zuversicht des anderen. Menschenskind, wo ist nur die Stierkampfarena, dachte ich mir, an der wir vorbeilaufen sollten, doch sie kam und kam nicht. Der Marathon zog sie plötzlich wie Kaugummi in die Länge.
Irgendwann, so bei km 38 vielleicht, schüttete ich mir eiskaltes Wasser nicht nur über den Kopf, sondern auch auf die Beine. Sie schmerzten gar nicht so sehr, ich wollte sie nur kühlen, doch die Oberschenkel machten sofort zu. Was für ein Riesenfehler! Doch es sollte das einzige wirkliche Problem bleiben. Ich zwang mich, weiterzulaufen und nach und nach wurde klar, dass ich die 3:30 knacken würde. Das Polster war ok, ich könnte mich nun quälen und noch ein paar Minuten rausholen, oder es einfach nur noch genießen. Die Strecke war nun natürlich jetzt an beiden Rändern voll mit Leuten, die Gasse wurde enger, aber es war phantastisch. Es tat überhaupt nichts weh, zumindest nicht so, dass ich kämpfen müsste. Ich dachte an meinen vor einem Jahr verstorbenen Vater, verscheuchte den Gedanken gleich wieder, weil ich ihn kitschig fand. Gleichzeitig dachte ich an Peter Greif, diesen verrückten Trainer mit seinen 35-km-Läufen in der Vorbereitung, über die so viele den Kopf schütteln und der in diesem Jahr verstorben war.
Irgendwann ging es dann wirklich runter zum alten Flussbett, in dem die Stadt der Künste und der Wissenschaften liegt, und es ging (au weiah!!!) über kleine Pflastersteine, die sich durch die Schuhsohle bohrten. Dann einmal hart rechts und dann noch hart links und das Ziel war vor Augen. Die Organisatoren verkaufen den Zieleinlauf als „über Wasser laufen“, weil er über einen breiten Steg über einen künstlichen See führt. Na ja. Mit 3:28:29 war nun das Ziel erreicht. Nun sollte jeder weitere Marathon gemütlicher werden, hatte ich mir vorgenommen.
Der Zielbereich ist weitläufig, kein Gedränge nirgends. Als ich meine wunderbare Frau anrufen wollte, stellte ich fest, dass mein Handy buchstäblich Baden gegangen ist. Ich führte es in einem kleinen Neoprengürtel mit mir, der muss offen gewesen sein, als ich mir Wasser überschüttete. Nichts ging mehr. Das trübte aber die große Euphorie nicht. Viel wichtiger war: Auch David kam noch rechtzeitig ins Ziel, die letzten km ist er noch geflogen, um es zu packen. 3:29:42, mehr Zeit hätte er sich nicht mehr nehmen können.
Die Medaillen wurden im Verpflegungsbeutel überreicht. Ok, wir sind keine Olympiasieger, aber der Moment, in dem ein freundlicher Helfer sie einem um den Hals hängt, ist schon ein besonderer. Was die Euphorie auch nicht minderte, war der Umstand, dass wir hinterher zurück ins Hotel in der Stadtmitte laufen mussten. So was Blödes habe ich noch nie erlebt. Es fuhren weder Taxis noch Busse, weil die Marathonstrecke den Zugang versperrte. Na gut, ich hab’s als Regenerationslauf verbucht. Dann gab es noch mal eine Paella zur Feier des Tages mit Cava, dem spanischen Sekt. War lecker, aber es war die dritte an diesem Wochenende, ich glaube, wir haben dann ein paar Monate lang keinen Reis mehr gegessen.
Zusammengefasst: Wenn man eine schnelle Strecke für einen Marathon in der zweiten Jahreshälfte sucht, liegt man mit Valencia goldrichtig. Die Stadt ist gut zu erreichen, Anfang Dezember nicht voller Touristen, die Chancen auf gutes Wetter stehen gut. Für ein kleines Startgeld von 50 Euro (early bird) gibt's ein Finishershirt, ausreichend zu trinken, sowohl Wasser wie auch Sportgetränke. Gels und Riegel des Sponsors Enervit habe ich nicht probiert. Ein kleines Minus gibt es für die kleine Messe, die zudem am Samstag sehr voll wird. Es gibt eine Paella-Party, die ich nicht mitgenommen habe. Größtes Minus für den katastrophalen ÖPNV zum und vom Start- und Zielbereich, da sollte man sich die Route vorher gut zurechtlegen. Ganz wichtig: Man muss sich früh entscheiden. In diesem Jahr, 2019, waren die Plätze schon im Juni vergeben. Womöglich entscheiden sich die Veranstalter ab 2020 für ein Losverfahren.