Laufen in Corona-Zeiten oder: Lufthansa mit zweitem Standbein
Verfasst: 25.10.2020, 19:28
Beflügelt von der Erkenntnis, dass man auch in Corona-Zeiten seiner Wettkampflust frönen kann, hatte ich ermittelt, dass als einer der wenigen der Herbstlauf in Köln-Porz stattfinden sollte – mit entsprechendem Hygienekonzept und sonstigem Pipapo, versteht sich. Also rief ich die Anmeldemaske auf, gab brav sämtliche benötigte Daten ein, entschied mich für den Halbmarathon und klickte auf den Anmelde-Button. Sekundenschnell kam die Antwort „Teilnehmerlimit erreicht“ Kein Problem, dann melde ich halt für den Zehner. Also nochmal alles eingegeben, 10 km ausgewählt, Melde-Button – und wieder Antwort „Teilnehmerlimit erreicht“ Hmm, aber es bleibt ja noch der Fünfer. Ergo: Dateneingabe die dritte, 5 km, Melde-Button und dann – „Teilnehmerlimit erreicht“. Ja, verdammte Hacke, warum lassen die einen die Arbeit machen, um dann „Ätsch, is‘ nicht!“ zu rufen?!
Sauer, wie ich war, schrieb ich das dem Zeitnehmer. Der reagierte auch prompt, und kurze Zeit später erhielt ich eine Mail, dass die Veranstaltung auf 500 Teilnehmer insgesamt begrenzt sei und der Halbmarathon selbst noch einmal auf maximal 130 Läufer. Vorgabe der Stadt Köln! Okay, kann ich ja verstehen, aber warum platziert man so eine wichtige Info nicht direkt auf der Webseite und warum sperrt man dann nicht die Anmeldung, wenn das Limit erreicht ist? Ein Goodie gab’s aber noch drauf zu, nämlich (Zitat) „Durch eine Abmeldung sind nun gerade noch einmal drei Plätze (außer HM) frei geworden, Sie können es jetzt gerne noch einmal probieren.“ Ich bin erstaunt, welche Fortschritte die Mathematik seit Ende meines Studiums doch gemacht hat, denn nun gilt ja offiziell „500 – 1 = 497“. Egal, ich gab die Daten ein viertes Mal ein und meldete für den Fünfer.
2 Tage vor dem Lauf erhielt ich eine Mail mit einem Begleitschreiben und bereitete mich gründlich vor durch intensives Studium der 6 Seiten „Wichtige Informationen“. Die 136 gemeldeten 5 km-Läufer waren in 30-er Gruppen unterteilt, die im Abstand von jeweils 5 Minuten starten sollten. Zwecks „Entzerrung auf der Laufstrecke“ waren die Gruppen nach dem Zufallsprinzip zusammengestellt. Nach Ermittlung meiner Startzeit (Teilnehmerliste) plante ich meine Anreise so, dass ich punktgenau „15-20 Minuten vor der eigentlichen persönlichen Startzeit“ meine Startnummer abholen konnte, und legte für den Lauftag die Kleine Schwarze bereit, die auf dem Gelände, aber nicht während des Laufes zu tragen war.
Vor Ort war das auch alles vorbildlich organisiert: Eine Helferin überwachte, dass immer nur einer zur Startnummernabholung schritt, wobei die Helfer dort durch eine Plexiglasscheibe mit schmalem Durchlass abgetrennt waren. Eine andere Helferin regelte den Toilettenzugang usw. Im Startbereich sorgten deutlich sichtbare, aufgemalte Aufstellpunkte für ausreichend Abstand, und lange stand man da sowieso nicht. Auch wenn deutschland- und europaweit die Infiziertenzahlen hoch gehen: Laufveranstaltungen mit einem derart ausgefeiltem und überwachtem Hygienekonzept sind daran mit Sicherheit nicht beteiligt – selbst für den Fall, dass 4 aktuell Infizierte dabei gewesen sein sollten. (Bei 796 Infizierten pro 100.000 Einwohnern ist 4 der rein rechnerisch ermittelte Wert, falls alle Läufer aus Köln gekommen wären. Die unter Berücksichtigung weiterer Faktoren wahrscheinliche Zahl dürfte noch geringer sein.)
Das kleine 30-er Feld zog sich nach dem Start schnell weiter auseinander. Anfangs lief ich eine Zeitlang hinter einem Läufer her, der vielleicht 10 Meter vor mir rannte, alle anderen waren entweder weit davor oder weit hinter mir. Obwohl ich nicht sonderlich ängstlich bin, ging mir doch so durch den Kopf, dass, wenn ich die ganze Zeit in diesem Abstand hinter meinem Vordermann laufen würde, ich seine Abgase einatmen würde – ähnlich wie wenn langsam ein Auto vor einem fährt. Und was, wenn nun ausgerechnet derjenige einer der 4 oder 3 oder 2 oder auch der einzige wäre, der das Virus ausstoßen würde? Ich gehe zwar kalkuliert Risiken ein, aber hier gab es keinen Grund, der solches nahe legte. Also wechselte ich vorsichtshalber von rechts nach links, so dass ich seitlich versetzt hinter ihm lief. Lange brauchte es dann eh nicht mehr, bis ich ihn hinter mir ließ.
Es dauerte eine Weile, bis ich erneut in die Nähe anderer Läufer kam und zu 2 jungen Mädchen aufgelaufen war, die ihr Anfangstempo nicht mehr halten konnten. Einige Hundert Meter liefen wir zusammen, und dann war ich wieder allein. Abwechslung boten (wenige) Spaziergänger und ein junges Läuferpaar mit Hund. Der Ansporn, doch einen Tick schneller zu laufen, als es das Wohlfühltempo nahe legte, dieser Ansporn fehlte aber. Lediglich die letzten 300 m nach Abbiegen auf die Schlussgerade erzeugten einen letzten kleinen Motivationsschub, um sich nochmal richtig zu fordern. Nach 22:31 min war dieser "Corona-Lauf" beendet.
Ich will nicht unzufrieden oder undankbar sein. Es tat gut, einen Wettkampf laufen zu können. Der ist Salz in der Suppe des normalen Trainingslaufs und ein Fokus, der das Training ausrichtet. Auch hat der Veranstalter ohne Zweifel mit seinem Team einen tollen Job gemacht, diese Veranstaltung in der Form auf die Beine zu stellen und die Genehmigung einzuholen. Und doch: Es macht einen Unterschied, ob man Läufer um sich herum hat, mit denen man sich messen kann, die Anreiz geben, dranbleiben zu wollen, oder den Kick, vorbei zu gehen, und dabei etwas mehr herauszuholen, als es im Alleingang der Fall ist.
Im Zielbereich holte ich mir etwas zu trinken, beobachtete dabei kurz das Treiben bei der Startnummernausgabe, setzte anschließend wieder die Kleine Schwarze auf, und machte mich zügig auf den Weg zum Auto und zurück nach Haus. 6 waren in meiner Altersklasse gemeldet gewesen, und es blieb die Frage nach der Platzierung. Zuhause angekommen, dauerte es auch nicht lange, bis ich die Ergebnisliste im Internet aufrufen konnte. Aha, die Zeit hatte zu Platz 1 in der M70 gereicht. Und insgesamt? Von 136 Gemeldeten waren gerade mal 101 Läufer ins Ziel gekommen. Später sah ich mir die anderen Läufe an, und siehe da: Von 500 zugelassenen und angemeldeten Teilnehmern waren ganze 362 ins Ziel gelaufen (bzw. 11 davon gewalkt). Das ist eine Ausfallquote von fast 30%! Beim Halbmarathon, den ich ja eigentlich laufen wollte, war es noch auffälliger, da ist fast jeder Dritte nicht angetreten.
Beim Fliegen ist es ja völlig üblich, dass überbucht wird, da die Erfahrung zeigt, dass es immer etliche No-Shows gibt. Geflogen wird momentan in Corona-Zeiten ja kaum. Da ist doch der Gedanke naheliegend, dass die Lufthansa, die mit Staatsgeldern aufgepäppelt wird, sich ein neues Standbein sucht. Die hat doch bestimmt ausgefeilte Algorithmen, um genehmigte Kontingente dann auch möglichst optimal auszuschöpfen.
Bernd
Sauer, wie ich war, schrieb ich das dem Zeitnehmer. Der reagierte auch prompt, und kurze Zeit später erhielt ich eine Mail, dass die Veranstaltung auf 500 Teilnehmer insgesamt begrenzt sei und der Halbmarathon selbst noch einmal auf maximal 130 Läufer. Vorgabe der Stadt Köln! Okay, kann ich ja verstehen, aber warum platziert man so eine wichtige Info nicht direkt auf der Webseite und warum sperrt man dann nicht die Anmeldung, wenn das Limit erreicht ist? Ein Goodie gab’s aber noch drauf zu, nämlich (Zitat) „Durch eine Abmeldung sind nun gerade noch einmal drei Plätze (außer HM) frei geworden, Sie können es jetzt gerne noch einmal probieren.“ Ich bin erstaunt, welche Fortschritte die Mathematik seit Ende meines Studiums doch gemacht hat, denn nun gilt ja offiziell „500 – 1 = 497“. Egal, ich gab die Daten ein viertes Mal ein und meldete für den Fünfer.
2 Tage vor dem Lauf erhielt ich eine Mail mit einem Begleitschreiben und bereitete mich gründlich vor durch intensives Studium der 6 Seiten „Wichtige Informationen“. Die 136 gemeldeten 5 km-Läufer waren in 30-er Gruppen unterteilt, die im Abstand von jeweils 5 Minuten starten sollten. Zwecks „Entzerrung auf der Laufstrecke“ waren die Gruppen nach dem Zufallsprinzip zusammengestellt. Nach Ermittlung meiner Startzeit (Teilnehmerliste) plante ich meine Anreise so, dass ich punktgenau „15-20 Minuten vor der eigentlichen persönlichen Startzeit“ meine Startnummer abholen konnte, und legte für den Lauftag die Kleine Schwarze bereit, die auf dem Gelände, aber nicht während des Laufes zu tragen war.
Vor Ort war das auch alles vorbildlich organisiert: Eine Helferin überwachte, dass immer nur einer zur Startnummernabholung schritt, wobei die Helfer dort durch eine Plexiglasscheibe mit schmalem Durchlass abgetrennt waren. Eine andere Helferin regelte den Toilettenzugang usw. Im Startbereich sorgten deutlich sichtbare, aufgemalte Aufstellpunkte für ausreichend Abstand, und lange stand man da sowieso nicht. Auch wenn deutschland- und europaweit die Infiziertenzahlen hoch gehen: Laufveranstaltungen mit einem derart ausgefeiltem und überwachtem Hygienekonzept sind daran mit Sicherheit nicht beteiligt – selbst für den Fall, dass 4 aktuell Infizierte dabei gewesen sein sollten. (Bei 796 Infizierten pro 100.000 Einwohnern ist 4 der rein rechnerisch ermittelte Wert, falls alle Läufer aus Köln gekommen wären. Die unter Berücksichtigung weiterer Faktoren wahrscheinliche Zahl dürfte noch geringer sein.)
Das kleine 30-er Feld zog sich nach dem Start schnell weiter auseinander. Anfangs lief ich eine Zeitlang hinter einem Läufer her, der vielleicht 10 Meter vor mir rannte, alle anderen waren entweder weit davor oder weit hinter mir. Obwohl ich nicht sonderlich ängstlich bin, ging mir doch so durch den Kopf, dass, wenn ich die ganze Zeit in diesem Abstand hinter meinem Vordermann laufen würde, ich seine Abgase einatmen würde – ähnlich wie wenn langsam ein Auto vor einem fährt. Und was, wenn nun ausgerechnet derjenige einer der 4 oder 3 oder 2 oder auch der einzige wäre, der das Virus ausstoßen würde? Ich gehe zwar kalkuliert Risiken ein, aber hier gab es keinen Grund, der solches nahe legte. Also wechselte ich vorsichtshalber von rechts nach links, so dass ich seitlich versetzt hinter ihm lief. Lange brauchte es dann eh nicht mehr, bis ich ihn hinter mir ließ.
Es dauerte eine Weile, bis ich erneut in die Nähe anderer Läufer kam und zu 2 jungen Mädchen aufgelaufen war, die ihr Anfangstempo nicht mehr halten konnten. Einige Hundert Meter liefen wir zusammen, und dann war ich wieder allein. Abwechslung boten (wenige) Spaziergänger und ein junges Läuferpaar mit Hund. Der Ansporn, doch einen Tick schneller zu laufen, als es das Wohlfühltempo nahe legte, dieser Ansporn fehlte aber. Lediglich die letzten 300 m nach Abbiegen auf die Schlussgerade erzeugten einen letzten kleinen Motivationsschub, um sich nochmal richtig zu fordern. Nach 22:31 min war dieser "Corona-Lauf" beendet.
Ich will nicht unzufrieden oder undankbar sein. Es tat gut, einen Wettkampf laufen zu können. Der ist Salz in der Suppe des normalen Trainingslaufs und ein Fokus, der das Training ausrichtet. Auch hat der Veranstalter ohne Zweifel mit seinem Team einen tollen Job gemacht, diese Veranstaltung in der Form auf die Beine zu stellen und die Genehmigung einzuholen. Und doch: Es macht einen Unterschied, ob man Läufer um sich herum hat, mit denen man sich messen kann, die Anreiz geben, dranbleiben zu wollen, oder den Kick, vorbei zu gehen, und dabei etwas mehr herauszuholen, als es im Alleingang der Fall ist.
Im Zielbereich holte ich mir etwas zu trinken, beobachtete dabei kurz das Treiben bei der Startnummernausgabe, setzte anschließend wieder die Kleine Schwarze auf, und machte mich zügig auf den Weg zum Auto und zurück nach Haus. 6 waren in meiner Altersklasse gemeldet gewesen, und es blieb die Frage nach der Platzierung. Zuhause angekommen, dauerte es auch nicht lange, bis ich die Ergebnisliste im Internet aufrufen konnte. Aha, die Zeit hatte zu Platz 1 in der M70 gereicht. Und insgesamt? Von 136 Gemeldeten waren gerade mal 101 Läufer ins Ziel gekommen. Später sah ich mir die anderen Läufe an, und siehe da: Von 500 zugelassenen und angemeldeten Teilnehmern waren ganze 362 ins Ziel gelaufen (bzw. 11 davon gewalkt). Das ist eine Ausfallquote von fast 30%! Beim Halbmarathon, den ich ja eigentlich laufen wollte, war es noch auffälliger, da ist fast jeder Dritte nicht angetreten.
Beim Fliegen ist es ja völlig üblich, dass überbucht wird, da die Erfahrung zeigt, dass es immer etliche No-Shows gibt. Geflogen wird momentan in Corona-Zeiten ja kaum. Da ist doch der Gedanke naheliegend, dass die Lufthansa, die mit Staatsgeldern aufgepäppelt wird, sich ein neues Standbein sucht. Die hat doch bestimmt ausgefeilte Algorithmen, um genehmigte Kontingente dann auch möglichst optimal auszuschöpfen.
Bernd