Es ist ja nicht nur Corona allein…
Verfasst: 04.03.2022, 10:55
[font=&]…das derzeit die Organisation einer Laufveranstaltung in eine kleine Abenteuerreise verwandelt. Als kleiner Verein richten wir jedes Jahr im Februar einen Crosslauf aus. Jedes Jahr? Nein, im letzten Jahr war Lockdown, und nichts ging mehr. Und in diesem Jahr? Die Crossläufe in Kapellen und Straberg, der Karnevalslauf in Mönchengladbach und viele weitere in der Region: abgesagt! Was machen wir? Mitte November wollten wir uns treffen und eine erste Entscheidung fällen: Go oder No-Go! Oder genauer: einsteigen in die Vorbereitung oder gleich abblasen? [/font]
[font=&]Was ab da passierte, welche Wendungen sich herausschälten, wie das Ganze plötzlich auf der Kippe stand, das will ich im folgenden Bericht schildern. Normalerweise ist die Organisation einer solchen Veranstaltung Routine für uns. Schon 7-mal zuvor haben wir das erfolgreich hinbekommen. Aber die Zeiten sind eben nicht normal. Es passierte sehr viel, und es war spannend.[/font]
[font=&]Was machen wir?[/font]
[font=&]Das Orga-Team, das sich am 15. November traf, besteht aus 4 Männern und 2 Frauen. Recht schnell waren wir uns einig: Wir versuchen es. Und wir klärten 2 Maximen: Alles findet draußen statt, und wir streichen alles, was draußen zu Ansammlungen führt. Das hieß: keine Siegerehrung, keine Urkundenausgabe, keine Kuchentheke, kein Grillstand, auch keine Duschen, keine Umkleideräume. Selbstverständlich 2G-Regel mit strikter Kontrolle und Maskenpflicht da, wo Kontakt unvermeidlich ist, d. h. im Startbereich und bei Abholung der Startunterlagen. [/font]
[font=&]Mehr besprachen wir erstmal nicht. Wir wollten abwarten, wie sich die Situation entwickeln würde und Anfang Januar über das weitere Vorgehen beraten. Die Situation entwickelte sich nicht gut. Im Gegenteil: Die Infektionen waren auf etwa das Doppelte angestiegen, aber es gab einen Lichtblick: Die Inzidenz war entkoppelt von der Zahl der Krankenhaus- und der Todesfälle. Dennoch: Im Orga-Team gab es auch zweifelnde Stimmen, ausgelöst durch Infektions- und Quarantäne-Erfahrungen an Kita und Schule, wo manche ihr Brot verdienen. Das Gros jedoch stimmte dafür, dass wir uns zunächst die Option offen halten sollten. Wenn es die Bedingungen oder die Verordnung nicht zulassen sollten, könnten wir später immer noch absagen. Wir berieten das Konzept der Veranstaltung unter Corona-Bedingungen. Ute war nicht glücklich über den Wegfall von Siegerehrung und Urkunden für die Bambini und die jüngeren Schüler. „Die freuen sich immer so darüber.“ Wir beschlossen, als Ersatz erstmalig an jeden der jüngeren Finisher eine Medaille auszugeben. [/font]
[font=&]Christian machte die Entwürfe und kümmerte sich um einen Anbieter. Der produzierte und lieferte sehr zügig, und beim nächsten Treffen konnten wir die Medaillen begutachten. Das Motiv kam gut rüber, aber was war das? Die Rückseiten verkratzt, als hätte jemand einen Käse in ein Kiesbeet gedrückt! Christian checkte die Lieferung durch: jede zweite Medaille war unansehnlich und damit unbrauchbar. Wenn wir sowas machen, dann soll’s auch ordentlich aussehen! Was nun? Das Telefonat mit dem Anbieter ergab: Bereits die an ihn gelieferten Rohlinge waren verkratzt. Der Anbieter schlug vor, ähnlich wie beim Motiv auf der Vorderseite auch die Rückseite zu bekleben. So konnten wir diese Misslichkeit beheben.[/font]
[font=&]Was machen die Helfer?[/font]
[font=&]Ein anderes Problem schien gravierender. Wir haben einen festen Stamm an Helfern, die eingespielt sind und dann immer durch einige neu Hinzukommende ergänzt werden. Würden diese auch diesmal wieder alle zusagen? Oder wären viele aufgrund der steigenden Inzidenzen verängstigt und würden abspringen? Die Abfrage ergab: Ja, wir können uns auf sie verlassen. Erste Voraussetzung erfüllt! Jedoch: jeder von uns kannte mittlerweile Leute, die sich in Isolation oder Quarantäne befanden. Was, wenn kurzfristig mehrere unserer Helfer deswegen ausfielen? Wir brauchten eine Reserve für solche Fälle, und dennoch war klar: 2 oder 3 ausfallende Helfer könnten ausgeglichen werden, vielleicht auch 4 oder 5. Aber bei 8 oder 10? Ich stellte mich auf einen Plan C ein, und der hieß: kurzfristige Absage der gesamten Veranstaltung im worst Case. Wir sparten zwar Helfer an der einen oder anderen Stelle ein, z. B. bei der Kuchentheke, aber andere Aufgaben kamen neu hinzu, z. B. die 2G-Kontrolle. Unterm Strich blieb die Gesamtzahl mit knapp 30 benötigten Helfern in etwa gleich. [/font]
[font=&]Einen Tag vor unserem Januartreffen gab es die ersten Anmeldungen in Raceresult: 5 aus einer laufbegeisterten Familie, die jedes Jahr dabei ist und sogar von weiter entfernt anreist. In der Vor-Corona-Zeit kamen wir insgesamt fast immer auf um die 400 Meldungen. Für dieses Mal rechnete ich mit vielleicht 150 – 200 und überlegte, wo wir die Grenze nach unten ziehen sollten. Für weniger als 50 Läufer z. B. würde sich der ganze Aufwand schlicht nicht lohnen. Ich befürchtete vor allem, dass die Schülerläufe diesmal sehr dünn besetzt sein würden, und dachte daran, wie wir ggfs. Läufe zusammenlegen könnten. Normalerweise veranstalten wir insgesamt 10 Läufe, gestaffelt nach Alter (angefangen bei den Bambini bis zu 7 Jahren und endend beim Hauptlauf über 5,1 km ab 18 Jahren).[/font]
[font=&]Was machen die Läufer?[/font]
[font=&]Zunächst lief die Anmeldung gewohnt schleppend. 2 Wochen vor dem Termin und damit 8 Tage vor Meldeschluss zählten wir etwas über 100 Meldungen. 2 Tage später stieg die Zahl auf deutlich über 200 an. Die folgenden Tage purzelten die Anmeldungen nur so herein, und als am Sonntag, den 13.2., die Anmeldung schloss, waren es 486 Läufer, die für die Wettbewerbe gemeldet waren. Wir hatten schon vorher festgelegt, dass es keine Vor-Ort-Nachmeldung geben würde, aber dass wir die Online-Meldung noch für ein Nachmelde-Fenster bis zum Mittwoch öffnen würden. Dadurch kamen noch einmal 35 Läufer hinzu. So viele Meldungen hatten wir lange nicht mehr. Das stellte eine weitere Herausforderung bei den Medaillen dar. Hatten wir vorher gerätselt, wie viel wir wohl für die Schülerläufe bis 11 Jahre brauchen würden, und uns, wie wir meinten, ganz großzügig auf 200 geeinigt, so mussten wir noch einmal 100 nachbestellen. Glücklicherweise war der Lieferant so flexibel, das hinzubekommen.[/font]
[font=&]Ich hatte vorher damit gerechnet, dass sich eher wenige Läufer und Zuschauer locker über die Zeit und über das Gelände verteilen würden. Nun mussten wir etwa mit der dreifachen Menge klar kommen. Manche Position musste mit mehr Leuten besetzt werden als geplant. Passenderweise erreichte mich 4 Tage vor der Veranstaltung der erste Helferausfall: infiziert! 2 Tage später der nächste Ausfall. Die „Reserven“ kommen zum Einsatz. Dennoch habe ich ein ungutes Gefühl. Bei der ursprünglich erwarteten Teilnehmerzahl von bis zu 200 wäre der Zieleinlauf ausreichend besetzt gewesen, aber nun stellt sich das problematisch dar. Dazu als Erklärung: Wir machen Zeitnahme ohne Chip, d. h. klassisch so, dass 2 Helfer bei Zieldurchlauf per Mausklick die Zeit erfassen und 20 – 30 Meter dahinter 2 andere Helfer die Startnummern aufschreiben. Beide Werte werden später im Auswerteprogramm zusammengefügt. Damit das hinterher richtig zusammen passt, achten weitere Helfer im Zielkanal als „Pusher“ darauf, dass dort nicht mehr überholt wird. [/font]
[font=&]Beim Hauptlauf ist das praktisch kein Problem, bei den Bambini- und Schülerläufen dagegen kommen aufgrund der Kürze der Strecken (500, 900, 1.300 m) viele Kinder in kurzer Zeit ins Ziel. Mit noch 2 verbliebenen Pushern ist das Risiko, hoch, dass es durcheinander geht, Zeiten nicht stimmen und erboste Eltern auf der Matte stehen. Ich gewinne meine Frau sowie ein befreundetes Ehepaar dazu, für ca. 2 Stunden auszuhelfen. Es wird sich zeigen, dass das auch absolut notwendig war.[/font]
[font=&]Am Mittwoch ruft Anke mich an. Sie war im Vereinsheim, aber da ist im ganzen Erdgeschoss keine einzige Steckdose mit Strom. Strom brauchen wir, ohne Strom läuft nichts – im wahrsten Sinne des Wortes. Verdammt nochmal! Darum hatte ich mich doch schon vor einigen Tagen gekümmert. Zur Erklärung: Unser Vereinsheim stammt aus den 70-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, und so sieht auch alles aus. Vor allem bei den Sanitäranlagen gibt es seit Jahren Probleme. Daher hat die Stadt eine grundlegende Renovierung beschlossen. Aber die stockt, hat ständig Verzögerungen. Die Arbeiten im Erdgeschoss sollten längst abgeschlossen sein. Sind sie aber nicht! Im Gegenteil, es herrscht Chaos. Von daher passt das mit der reinen Outdoor-Variante auch gut bzw. hat sich als die einzig machbare entpuppt. Tja, und dass wir Strom bekommen, darum wollte sich der Umbaukoordinator auf Vereinsseite kümmern. „Die hatten mir zugesagt, dass der Strom geschaltet wird.“ Er will nochmal nachhaken, zur Not müssten wir mit Kabeltrommeln Strom vom 1. Stock an die benötigten Stellen transportieren, für die Ziel-Laptops draußen durchs Fenster und übers Dach.[/font]
[font=&]Was macht die Stadtverwaltung?[/font]
[font=&]Der Lauftag rückt näher. Aber nicht nur der! Sturmwarnungen mit Orkanböen werden verkündet. Unser Lauf soll am Samstag stattfinden, Freitag erfolgt wie üblich der Aufbau. Etwa 300 Stangen werden in den Boden geschlagen und mit Flatterband verbunden. Damit wird die Laufstrecke markiert. Am Donnerstagmorgen ruft mich der Verantwortliche des Sportamtes an, was unser Plan B sei. Schließlich sei mit Ylenia gerade ein heftiger Sturm durch NRW gezogen, und der nächste sei ja bereits angekündigt. Ich antworte, dass wir natürlich die Entwicklung beobachten und je nach Lage entscheiden würden. Die Teilnehmer würden erfahrungsgemäß erst am Samstag anreisen. Ich erreiche alle per Mail und könnte, falls notwendig, noch am Freitag absagen. Das ist der spontan entwickelte Plan B. Später am Vormittag ruft mich der Bürgermeister an. Ähnliche Frage, ähnliche Antwort! Ich erfahre, dass die Verwaltung am liebsten alles absagen würde, also nicht nur unsere Veranstaltung, sondern alles auf städtischen Anlagen. Ich kenne beide, den Sportverantwortlichen und den Bürgermeister. Beide sind uns generell wohlgesonnen. Wir vereinbaren ein weiteres Telefonat für den Freitag.[/font]
[font=&]Freitagmorgen um 9 Uhr stehen alle Aufbauhelfer auf der Matte und machen sich an die Arbeit. Strom im Erdgeschoss ist nun doch vorhanden. Ich bemerke es, als ich die Kaffeemaschine für den Helferkaffee anschließe. Wir beschließen, wegen des jetzt schon spürbaren heftigen Windes und der angekündigten Orkanböen die Markierungsstangen enger zu setzen. Je länger das Flatterband zwischen 2 Stangen, umso eher reißt es und umso mehr Reparaturarbeiten haben wir Samstagmorgen! Logisch! Was wir unterschätzt haben: wir kommen mit unseren Stangen nicht hin. Bestimmt ein Viertel der Strecke ist unversorgt, als uns die Stangen ausgehen. [/font]
[font=&]Mittags erreicht mich der Anruf des Bürgermeisters. Der Verwaltungsrat hat sämtliche Sportanlagen der Stadt gesperrt, auch unsere. Die Crossläufe finden alle vollständig auf dem Vereinsgelände statt. Das aber gehört der Stadt. Es gibt aber auch eine gute Botschaft: Am Samstagmorgen um 9 Uhr wird es eine Begehung der Sportanlage durch 2 Vertreter der Stadt geben. Dann wird sich entscheiden, ob die Strecke gefahrlos zu laufen ist und freigegeben wird. Ob ich um 9 Uhr dabei sein kann? Na, und ob! Der Sturm ist für die Nacht von Freitag auf Samstag angekündigt. Ich erweitere meinen Wortschatz um den Namen Zeynep. In der Zwischenzeit hat Christian mit Sascha telefoniert. Sascha ist der schon erwähnte zweite Helfer, der ausfällt. Bei ihm ist es nicht Corona, sondern der Sturm. Sascha hat eine Baufirma und muss sich um Sturmschäden an 2 Baustellen kümmern. Aber er hat Christian Tipps gegeben, wo wir die dringend benötigten Stangen herbekommen können. Christian fährt los und kommt nach 2 Stunden mit 85 nagelneuen Stangen zurück. Wir können weiter aufbauen. [/font]
[font=&]Mein Handy klingelt. Es ist der Trainer eines Nachbarvereins. Sie sind mit vielen jungen Läufern angemeldet. Er hat gerade gehört, dass der Lauf abgesagt wurde. Eine Mutter im Verwaltungsrat hat von der Sperrung aller Sportanlagen berichtet. Ich erzähle ihm von dem Gespräch mit dem Bürgermeister und dass eine Entscheidung erst morgen fallen wird. Ich erkläre, dass ich bei einer erforderlichen Absage unmittelbar alle Anmelder (deren Adressen habe ich ja) informieren werde.[/font]
[font=&]Als Christian zurückkommt, sind Sabine und Tina aus der ersten „Schicht“ der Aufbauhelfer bereits fort, sich um ihre Kinder kümmern. Die zweite Schicht macht weiter und befestigt Flatterband. Allerdings nur an „unkritischen“ Stellen, an denen Wind und Sturm nicht so heftig angreifen. Die langen Geraden, an denen das Flatterband auch in den Vorjahren häufig gerissen ist, werden wir erst am Samstagmorgen abflattern. Ebenso wie das Befestigen der Banner, das Aufstellen der Pavillons und weitere Arbeiten, die vor dem Sturm keinen Sinn ergeben. Es bleibt also noch einiges zu tun am nächsten Vormittag. [/font]
[font=&]Am Nachmittag habe ich noch weitere Rückfragen bekommen, ob der Lauf überhaupt stattfinden wird. Als ich abends wieder zuhause bin, schreibe ich eine Mail, in der ich den aktuellen Stand darstelle und dass morgen früh final entschieden wird. Diese Mail versende ich Bcc an 158 Mail-Adressen. Das sind die Adressen sämtlicher Anmelder. (Bei den Vereinen hat jeder Anmelder alle seine „Schäfchen“ als Sammelanmeldung gemeldet.) Und noch etwas mache ich. Ich bereite 2 ganz kurze Mails vor: Die eine lautet: „Der Cross heute findet statt.“ Die andere lautet: „Der Cross heute ist abgesagt.“ Ich hoffe, dass ich die erste verschicken kann. [/font]
[font=&]Auf dem Vereinsgelände gibt es kein WLAN, auf dem Smartphone dagegen habe ich nicht die 158 Mail-Adressen bzw. weiß nicht, wie ich sie in das Bcc-Feld bekommen soll. Also gehe ich noch abends auf die Webseite meines Mail-Providers, bereite am Laptop beide Mails mit Bcc-Adressen vor und will austesten, sie später vom Smartphone aus abzuschicken. (Ich wohne in einem anderen Stadtteil und fahre 15 – 20 Minuten zum Vereinsgelände. Wieder nach Hause zu fahren würde morgen früh viel zu lange dauern.) Dieser Ansatz klappt nicht, also rufe ich Christian an und spreche mit ihm ab, morgen früh von seinem WLAN aus eine der beiden Mails zu verschicken, lasse mir sogar seine Netzwerkdaten geben, um am Samstagmorgen auf keinen Fall Zeit zu verlieren. Nachdem ich noch alle Sachen, die ich morgen brauche, ins Auto gepackt habe, gehe ich mit gemischten Gefühlen ins Bett.[/font]
[font=&]Was macht Zeynep?[/font]
[font=&]Nachts fegt der Sturm mit Wucht übers Land, aber ich bekomme davon nichts mit. Als ich gegen 9 Uhr das Vereinsgelände erreiche, sind die Zwei von der Stadt bereits am Prüfen der Strecke. Ich geselle mich dazu. Es sieht alles ganz gut aus. Fast alles! Am Rand des Vereinsgeländes stehen Bäume. An diesem Rand verläuft auch die Strecke, einmal hin, einmal zurück. Und einer dieser Bäume sieht schief aus, verdammt schief. Wir checken zusammen den Rest der Strecke, da ist alles okay, keine Gefahr. Wir kommen zum Problembaum zurück. Auch Willy ist mittlerweile dazu gestoßen. Der schiefe Baum sieht nicht gut aus. Ich gehe durch ein Loch im Zaun, um den Wurzelbereich zu begutachten. Und dann wird mir klar: der war vorher nicht so schief, den hat der Sturm in diese Lage gebracht. Damit steht fest: Hier können wir nicht laufen![/font]
[font=&]Willy und ich haben beide schon vorher überlegt, welche Alternativen es geben könnte. Und sind beide auf die gleiche Lösung gekommen: Die Strecke kann nicht zwischen Baumreihe und Kunstrasenplatz, also hinter letzterem verlaufen, sondern wir müssen umplanen und sie vor dem Platz verlaufen lassen. Das erfordert einige Anpassungen an anderer Stelle, auch der Startbereich der Bambiniläufe und der Zielbereich müssen verlegt werden. Alles machbar, aber ein wirklicher Knackpunkt bleibt: Die Strecke, die im Original durchgängig für Spikes geeignet ist, ja, von den schnelleren Läufern ausschließlich mit Spikes gelaufen wird, führt knapp 20 Meter über Betonplatten. Es hilft nichts: lieber mit dieser Einschränkung leben als die ganze Veranstaltung absagen! Die Entscheidung ist getroffen.[/font]
[font=&]Es ist mittlerweile 9:30 Uhr. Um 13 Uhr soll der erste Lauf starten. Es sind noch etliche gestern zurückgestellte Arbeiten offen, der geänderte Streckenteil muss neu gemacht werden. Mir ist leicht mulmig zumute. Ich bitte Willy, sich um Detailplanung und Herrichtung der Laufstrecke zu kümmern, schreibe eine WhatsApp an das Kernteam der Helfer mit der Bitte, unmittelbar zu kommen, und fahre zu Christian. Dort ergänze ich Mail Nummer 1 um die Angabe, dass ein kleines Stück auf Betonplatten gelaufen werden muss, und schicke sie ab. Christian setzt den gleichen Text auf unsere Facebook-Seite. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis der Server signalisiert, dass er 158 Empfänger erreicht hat. [/font]
[font=&]Als ich auf das Vereinsgelände zurückkehre, sehe ich, dass alle erwarteten Helfer da und kräftig am Arbeiten sind. Ein kleines erstes Aufatmen! Manche haben sogar ihre Kinder mitgebracht, die ebenfalls mit anpacken. Christian hatte 10 von diesen rutschfesten Gummimatten zuhause, die man unter Waschmaschinen stellt. Die hat er mitgebracht, um sie über die Betonplatten zu legen. Es sind natürlich viel zu wenige und er fragt, ob er noch mehr aus dem Baumarkt holen soll. Ich sage ihm, was ich auch allen anderen schon gesagt habe: Priorität 1 hat die Laufstrecke! Auf deren Fertigstellung müssen wir uns konzentrieren! Alles andere wird zunächst zurückgestellt. Erst wenn die Strecke steht, kümmern wir uns um die „Nice-to-have“ Sachen. Glücklicherweise kommen wir gut voran, und als die Streckenmarkierung fast schon abgeschlossen ist, fährt Christian zum Baumarkt. Am Ende sind sogar die Betonplatten recht gut abgedeckt und mit Spikes zu belaufen. [/font]
[font=&]Was machen die Läufe?[/font]
[font=&]So nach und nach treffen auch alle anderen Helfer ein, die für bestimmte Aufgaben und für bestimmte Zeiten eingeteilt sind. Es bleibt bei den 2 Ausfällen, wir sind gut aufgestellt. Als dann noch die ersten beiden Bambiniläufe – 500 m für die männlichen Bambini, danach 500 m für die weiblichen Bambini – mit neuem Start und neuem Ziel erfolgreich durch sind, legt sich meine Anspannung. Es ist windig, aber es bleibt die ganze Veranstaltung hindurch sonnig und regenfrei. Erst später, wenn längst alles wieder abgebaut ist, wird ein weiterer orkanartiger Sturm namens Antonia durch das Land fegen. Wir lagen mit unserem Cross genau dazwischen. Glück gehabt![/font]
[font=&]Rückblick: Als mittags unser Moderator Klaus eingetroffen war, lautete seine erste Frage: „Wie viele Läufer sind es denn heute?“ „Gemeldet sind 521“, antwortete ich, „bei normalem Schwund würde ich mit um die 400 rechnen, die tatsächlich kommen. Aber heute, mit Corona und dann noch dem Sturm, werden es weniger sein. Vielleicht 350 oder so.“ Falsche Einschätzung! Am Ende sprangen an diesem Samstag exakt 441 Läufer über die Strohballen auf dem Neukirchner Gelände. Darunter waren übrigens auch 2, die die Aussage, dass die Anmeldung geschlossen sei, nicht ganz ernst genommen hatten und denen ich nicht zumuten wollte, dass sie 100 km umsonst gefahren waren. Es waren im Übrigen – entgegen meiner ursprünglichen Einschätzung – gerade die Schülerläufe, die einen riesigen Zuspruch erfahren hatten, und sehr bemerkenswert: In fast allen Läufen rannten mehr Mädchen als Jungen über das Geläuf, bei den Altersklassen U12 und U14 (also bei den 10- bis 13-Jährigen) sogar jeweils doppelt so viele. [/font]
[font=&]Die Läufer heute waren offensichtlich happy, endlich wieder einmal einen Wettkampf laufen zu können, die Übungsleiter in den Vereinen nahmen dankbar die Gelegenheit wahr, die Fruchtbarkeit ihrer Trainingsbemühungen im Wettkampfeinsatz bewerten zu können. Die Resonanz schon während und dann auch nach der Veranstaltung war ausgesprochen positiv, natürlich besonders über die Durchführung als solche. Im Orga-Team fühlten wir uns bestätigt, trotz aller Widrigkeiten an der Option festgehalten zu haben, die Veranstaltung durchzuziehen, und nicht vorzeitig die Segel gestrichen zu haben. [/font]
[font=&]Was mache ich?[/font]
[font=&]Am nächsten Tag, dem Sonntag, wechselte ich aus der Rolle des Organisators wieder in die des Läufers. Ich war für eine Serie angemeldet, deren abschließender Halbmarathon ausgerechnet am folgenden Tag stattfinden sollte. Dieser Veranstalter war einer der wenigen gewesen, der seine Läufe nicht abgesagt hatte. Er hatte mir damit bei unseren eigenen Diskussionen, was wir machen würden, als positives Beispiel gedient. Ich lief dort also am Sonntagmittag bei eher trübem Wetter, aber ich lief mit schweren Beinen. Stundenlang auf dem Platz rumstehen bzw. rumschlendern kann anstrengender sein als flottes Laufen.[/font]
[font=&]Bernd[/font]
[font=&]Was ab da passierte, welche Wendungen sich herausschälten, wie das Ganze plötzlich auf der Kippe stand, das will ich im folgenden Bericht schildern. Normalerweise ist die Organisation einer solchen Veranstaltung Routine für uns. Schon 7-mal zuvor haben wir das erfolgreich hinbekommen. Aber die Zeiten sind eben nicht normal. Es passierte sehr viel, und es war spannend.[/font]
[font=&]Was machen wir?[/font]
[font=&]Das Orga-Team, das sich am 15. November traf, besteht aus 4 Männern und 2 Frauen. Recht schnell waren wir uns einig: Wir versuchen es. Und wir klärten 2 Maximen: Alles findet draußen statt, und wir streichen alles, was draußen zu Ansammlungen führt. Das hieß: keine Siegerehrung, keine Urkundenausgabe, keine Kuchentheke, kein Grillstand, auch keine Duschen, keine Umkleideräume. Selbstverständlich 2G-Regel mit strikter Kontrolle und Maskenpflicht da, wo Kontakt unvermeidlich ist, d. h. im Startbereich und bei Abholung der Startunterlagen. [/font]
[font=&]Mehr besprachen wir erstmal nicht. Wir wollten abwarten, wie sich die Situation entwickeln würde und Anfang Januar über das weitere Vorgehen beraten. Die Situation entwickelte sich nicht gut. Im Gegenteil: Die Infektionen waren auf etwa das Doppelte angestiegen, aber es gab einen Lichtblick: Die Inzidenz war entkoppelt von der Zahl der Krankenhaus- und der Todesfälle. Dennoch: Im Orga-Team gab es auch zweifelnde Stimmen, ausgelöst durch Infektions- und Quarantäne-Erfahrungen an Kita und Schule, wo manche ihr Brot verdienen. Das Gros jedoch stimmte dafür, dass wir uns zunächst die Option offen halten sollten. Wenn es die Bedingungen oder die Verordnung nicht zulassen sollten, könnten wir später immer noch absagen. Wir berieten das Konzept der Veranstaltung unter Corona-Bedingungen. Ute war nicht glücklich über den Wegfall von Siegerehrung und Urkunden für die Bambini und die jüngeren Schüler. „Die freuen sich immer so darüber.“ Wir beschlossen, als Ersatz erstmalig an jeden der jüngeren Finisher eine Medaille auszugeben. [/font]
[font=&]Christian machte die Entwürfe und kümmerte sich um einen Anbieter. Der produzierte und lieferte sehr zügig, und beim nächsten Treffen konnten wir die Medaillen begutachten. Das Motiv kam gut rüber, aber was war das? Die Rückseiten verkratzt, als hätte jemand einen Käse in ein Kiesbeet gedrückt! Christian checkte die Lieferung durch: jede zweite Medaille war unansehnlich und damit unbrauchbar. Wenn wir sowas machen, dann soll’s auch ordentlich aussehen! Was nun? Das Telefonat mit dem Anbieter ergab: Bereits die an ihn gelieferten Rohlinge waren verkratzt. Der Anbieter schlug vor, ähnlich wie beim Motiv auf der Vorderseite auch die Rückseite zu bekleben. So konnten wir diese Misslichkeit beheben.[/font]
[font=&]Was machen die Helfer?[/font]
[font=&]Ein anderes Problem schien gravierender. Wir haben einen festen Stamm an Helfern, die eingespielt sind und dann immer durch einige neu Hinzukommende ergänzt werden. Würden diese auch diesmal wieder alle zusagen? Oder wären viele aufgrund der steigenden Inzidenzen verängstigt und würden abspringen? Die Abfrage ergab: Ja, wir können uns auf sie verlassen. Erste Voraussetzung erfüllt! Jedoch: jeder von uns kannte mittlerweile Leute, die sich in Isolation oder Quarantäne befanden. Was, wenn kurzfristig mehrere unserer Helfer deswegen ausfielen? Wir brauchten eine Reserve für solche Fälle, und dennoch war klar: 2 oder 3 ausfallende Helfer könnten ausgeglichen werden, vielleicht auch 4 oder 5. Aber bei 8 oder 10? Ich stellte mich auf einen Plan C ein, und der hieß: kurzfristige Absage der gesamten Veranstaltung im worst Case. Wir sparten zwar Helfer an der einen oder anderen Stelle ein, z. B. bei der Kuchentheke, aber andere Aufgaben kamen neu hinzu, z. B. die 2G-Kontrolle. Unterm Strich blieb die Gesamtzahl mit knapp 30 benötigten Helfern in etwa gleich. [/font]
[font=&]Einen Tag vor unserem Januartreffen gab es die ersten Anmeldungen in Raceresult: 5 aus einer laufbegeisterten Familie, die jedes Jahr dabei ist und sogar von weiter entfernt anreist. In der Vor-Corona-Zeit kamen wir insgesamt fast immer auf um die 400 Meldungen. Für dieses Mal rechnete ich mit vielleicht 150 – 200 und überlegte, wo wir die Grenze nach unten ziehen sollten. Für weniger als 50 Läufer z. B. würde sich der ganze Aufwand schlicht nicht lohnen. Ich befürchtete vor allem, dass die Schülerläufe diesmal sehr dünn besetzt sein würden, und dachte daran, wie wir ggfs. Läufe zusammenlegen könnten. Normalerweise veranstalten wir insgesamt 10 Läufe, gestaffelt nach Alter (angefangen bei den Bambini bis zu 7 Jahren und endend beim Hauptlauf über 5,1 km ab 18 Jahren).[/font]
[font=&]Was machen die Läufer?[/font]
[font=&]Zunächst lief die Anmeldung gewohnt schleppend. 2 Wochen vor dem Termin und damit 8 Tage vor Meldeschluss zählten wir etwas über 100 Meldungen. 2 Tage später stieg die Zahl auf deutlich über 200 an. Die folgenden Tage purzelten die Anmeldungen nur so herein, und als am Sonntag, den 13.2., die Anmeldung schloss, waren es 486 Läufer, die für die Wettbewerbe gemeldet waren. Wir hatten schon vorher festgelegt, dass es keine Vor-Ort-Nachmeldung geben würde, aber dass wir die Online-Meldung noch für ein Nachmelde-Fenster bis zum Mittwoch öffnen würden. Dadurch kamen noch einmal 35 Läufer hinzu. So viele Meldungen hatten wir lange nicht mehr. Das stellte eine weitere Herausforderung bei den Medaillen dar. Hatten wir vorher gerätselt, wie viel wir wohl für die Schülerläufe bis 11 Jahre brauchen würden, und uns, wie wir meinten, ganz großzügig auf 200 geeinigt, so mussten wir noch einmal 100 nachbestellen. Glücklicherweise war der Lieferant so flexibel, das hinzubekommen.[/font]
[font=&]Ich hatte vorher damit gerechnet, dass sich eher wenige Läufer und Zuschauer locker über die Zeit und über das Gelände verteilen würden. Nun mussten wir etwa mit der dreifachen Menge klar kommen. Manche Position musste mit mehr Leuten besetzt werden als geplant. Passenderweise erreichte mich 4 Tage vor der Veranstaltung der erste Helferausfall: infiziert! 2 Tage später der nächste Ausfall. Die „Reserven“ kommen zum Einsatz. Dennoch habe ich ein ungutes Gefühl. Bei der ursprünglich erwarteten Teilnehmerzahl von bis zu 200 wäre der Zieleinlauf ausreichend besetzt gewesen, aber nun stellt sich das problematisch dar. Dazu als Erklärung: Wir machen Zeitnahme ohne Chip, d. h. klassisch so, dass 2 Helfer bei Zieldurchlauf per Mausklick die Zeit erfassen und 20 – 30 Meter dahinter 2 andere Helfer die Startnummern aufschreiben. Beide Werte werden später im Auswerteprogramm zusammengefügt. Damit das hinterher richtig zusammen passt, achten weitere Helfer im Zielkanal als „Pusher“ darauf, dass dort nicht mehr überholt wird. [/font]
[font=&]Beim Hauptlauf ist das praktisch kein Problem, bei den Bambini- und Schülerläufen dagegen kommen aufgrund der Kürze der Strecken (500, 900, 1.300 m) viele Kinder in kurzer Zeit ins Ziel. Mit noch 2 verbliebenen Pushern ist das Risiko, hoch, dass es durcheinander geht, Zeiten nicht stimmen und erboste Eltern auf der Matte stehen. Ich gewinne meine Frau sowie ein befreundetes Ehepaar dazu, für ca. 2 Stunden auszuhelfen. Es wird sich zeigen, dass das auch absolut notwendig war.[/font]
[font=&]Am Mittwoch ruft Anke mich an. Sie war im Vereinsheim, aber da ist im ganzen Erdgeschoss keine einzige Steckdose mit Strom. Strom brauchen wir, ohne Strom läuft nichts – im wahrsten Sinne des Wortes. Verdammt nochmal! Darum hatte ich mich doch schon vor einigen Tagen gekümmert. Zur Erklärung: Unser Vereinsheim stammt aus den 70-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, und so sieht auch alles aus. Vor allem bei den Sanitäranlagen gibt es seit Jahren Probleme. Daher hat die Stadt eine grundlegende Renovierung beschlossen. Aber die stockt, hat ständig Verzögerungen. Die Arbeiten im Erdgeschoss sollten längst abgeschlossen sein. Sind sie aber nicht! Im Gegenteil, es herrscht Chaos. Von daher passt das mit der reinen Outdoor-Variante auch gut bzw. hat sich als die einzig machbare entpuppt. Tja, und dass wir Strom bekommen, darum wollte sich der Umbaukoordinator auf Vereinsseite kümmern. „Die hatten mir zugesagt, dass der Strom geschaltet wird.“ Er will nochmal nachhaken, zur Not müssten wir mit Kabeltrommeln Strom vom 1. Stock an die benötigten Stellen transportieren, für die Ziel-Laptops draußen durchs Fenster und übers Dach.[/font]
[font=&]Was macht die Stadtverwaltung?[/font]
[font=&]Der Lauftag rückt näher. Aber nicht nur der! Sturmwarnungen mit Orkanböen werden verkündet. Unser Lauf soll am Samstag stattfinden, Freitag erfolgt wie üblich der Aufbau. Etwa 300 Stangen werden in den Boden geschlagen und mit Flatterband verbunden. Damit wird die Laufstrecke markiert. Am Donnerstagmorgen ruft mich der Verantwortliche des Sportamtes an, was unser Plan B sei. Schließlich sei mit Ylenia gerade ein heftiger Sturm durch NRW gezogen, und der nächste sei ja bereits angekündigt. Ich antworte, dass wir natürlich die Entwicklung beobachten und je nach Lage entscheiden würden. Die Teilnehmer würden erfahrungsgemäß erst am Samstag anreisen. Ich erreiche alle per Mail und könnte, falls notwendig, noch am Freitag absagen. Das ist der spontan entwickelte Plan B. Später am Vormittag ruft mich der Bürgermeister an. Ähnliche Frage, ähnliche Antwort! Ich erfahre, dass die Verwaltung am liebsten alles absagen würde, also nicht nur unsere Veranstaltung, sondern alles auf städtischen Anlagen. Ich kenne beide, den Sportverantwortlichen und den Bürgermeister. Beide sind uns generell wohlgesonnen. Wir vereinbaren ein weiteres Telefonat für den Freitag.[/font]
[font=&]Freitagmorgen um 9 Uhr stehen alle Aufbauhelfer auf der Matte und machen sich an die Arbeit. Strom im Erdgeschoss ist nun doch vorhanden. Ich bemerke es, als ich die Kaffeemaschine für den Helferkaffee anschließe. Wir beschließen, wegen des jetzt schon spürbaren heftigen Windes und der angekündigten Orkanböen die Markierungsstangen enger zu setzen. Je länger das Flatterband zwischen 2 Stangen, umso eher reißt es und umso mehr Reparaturarbeiten haben wir Samstagmorgen! Logisch! Was wir unterschätzt haben: wir kommen mit unseren Stangen nicht hin. Bestimmt ein Viertel der Strecke ist unversorgt, als uns die Stangen ausgehen. [/font]
[font=&]Mittags erreicht mich der Anruf des Bürgermeisters. Der Verwaltungsrat hat sämtliche Sportanlagen der Stadt gesperrt, auch unsere. Die Crossläufe finden alle vollständig auf dem Vereinsgelände statt. Das aber gehört der Stadt. Es gibt aber auch eine gute Botschaft: Am Samstagmorgen um 9 Uhr wird es eine Begehung der Sportanlage durch 2 Vertreter der Stadt geben. Dann wird sich entscheiden, ob die Strecke gefahrlos zu laufen ist und freigegeben wird. Ob ich um 9 Uhr dabei sein kann? Na, und ob! Der Sturm ist für die Nacht von Freitag auf Samstag angekündigt. Ich erweitere meinen Wortschatz um den Namen Zeynep. In der Zwischenzeit hat Christian mit Sascha telefoniert. Sascha ist der schon erwähnte zweite Helfer, der ausfällt. Bei ihm ist es nicht Corona, sondern der Sturm. Sascha hat eine Baufirma und muss sich um Sturmschäden an 2 Baustellen kümmern. Aber er hat Christian Tipps gegeben, wo wir die dringend benötigten Stangen herbekommen können. Christian fährt los und kommt nach 2 Stunden mit 85 nagelneuen Stangen zurück. Wir können weiter aufbauen. [/font]
[font=&]Mein Handy klingelt. Es ist der Trainer eines Nachbarvereins. Sie sind mit vielen jungen Läufern angemeldet. Er hat gerade gehört, dass der Lauf abgesagt wurde. Eine Mutter im Verwaltungsrat hat von der Sperrung aller Sportanlagen berichtet. Ich erzähle ihm von dem Gespräch mit dem Bürgermeister und dass eine Entscheidung erst morgen fallen wird. Ich erkläre, dass ich bei einer erforderlichen Absage unmittelbar alle Anmelder (deren Adressen habe ich ja) informieren werde.[/font]
[font=&]Als Christian zurückkommt, sind Sabine und Tina aus der ersten „Schicht“ der Aufbauhelfer bereits fort, sich um ihre Kinder kümmern. Die zweite Schicht macht weiter und befestigt Flatterband. Allerdings nur an „unkritischen“ Stellen, an denen Wind und Sturm nicht so heftig angreifen. Die langen Geraden, an denen das Flatterband auch in den Vorjahren häufig gerissen ist, werden wir erst am Samstagmorgen abflattern. Ebenso wie das Befestigen der Banner, das Aufstellen der Pavillons und weitere Arbeiten, die vor dem Sturm keinen Sinn ergeben. Es bleibt also noch einiges zu tun am nächsten Vormittag. [/font]
[font=&]Am Nachmittag habe ich noch weitere Rückfragen bekommen, ob der Lauf überhaupt stattfinden wird. Als ich abends wieder zuhause bin, schreibe ich eine Mail, in der ich den aktuellen Stand darstelle und dass morgen früh final entschieden wird. Diese Mail versende ich Bcc an 158 Mail-Adressen. Das sind die Adressen sämtlicher Anmelder. (Bei den Vereinen hat jeder Anmelder alle seine „Schäfchen“ als Sammelanmeldung gemeldet.) Und noch etwas mache ich. Ich bereite 2 ganz kurze Mails vor: Die eine lautet: „Der Cross heute findet statt.“ Die andere lautet: „Der Cross heute ist abgesagt.“ Ich hoffe, dass ich die erste verschicken kann. [/font]
[font=&]Auf dem Vereinsgelände gibt es kein WLAN, auf dem Smartphone dagegen habe ich nicht die 158 Mail-Adressen bzw. weiß nicht, wie ich sie in das Bcc-Feld bekommen soll. Also gehe ich noch abends auf die Webseite meines Mail-Providers, bereite am Laptop beide Mails mit Bcc-Adressen vor und will austesten, sie später vom Smartphone aus abzuschicken. (Ich wohne in einem anderen Stadtteil und fahre 15 – 20 Minuten zum Vereinsgelände. Wieder nach Hause zu fahren würde morgen früh viel zu lange dauern.) Dieser Ansatz klappt nicht, also rufe ich Christian an und spreche mit ihm ab, morgen früh von seinem WLAN aus eine der beiden Mails zu verschicken, lasse mir sogar seine Netzwerkdaten geben, um am Samstagmorgen auf keinen Fall Zeit zu verlieren. Nachdem ich noch alle Sachen, die ich morgen brauche, ins Auto gepackt habe, gehe ich mit gemischten Gefühlen ins Bett.[/font]
[font=&]Was macht Zeynep?[/font]
[font=&]Nachts fegt der Sturm mit Wucht übers Land, aber ich bekomme davon nichts mit. Als ich gegen 9 Uhr das Vereinsgelände erreiche, sind die Zwei von der Stadt bereits am Prüfen der Strecke. Ich geselle mich dazu. Es sieht alles ganz gut aus. Fast alles! Am Rand des Vereinsgeländes stehen Bäume. An diesem Rand verläuft auch die Strecke, einmal hin, einmal zurück. Und einer dieser Bäume sieht schief aus, verdammt schief. Wir checken zusammen den Rest der Strecke, da ist alles okay, keine Gefahr. Wir kommen zum Problembaum zurück. Auch Willy ist mittlerweile dazu gestoßen. Der schiefe Baum sieht nicht gut aus. Ich gehe durch ein Loch im Zaun, um den Wurzelbereich zu begutachten. Und dann wird mir klar: der war vorher nicht so schief, den hat der Sturm in diese Lage gebracht. Damit steht fest: Hier können wir nicht laufen![/font]
[font=&]Willy und ich haben beide schon vorher überlegt, welche Alternativen es geben könnte. Und sind beide auf die gleiche Lösung gekommen: Die Strecke kann nicht zwischen Baumreihe und Kunstrasenplatz, also hinter letzterem verlaufen, sondern wir müssen umplanen und sie vor dem Platz verlaufen lassen. Das erfordert einige Anpassungen an anderer Stelle, auch der Startbereich der Bambiniläufe und der Zielbereich müssen verlegt werden. Alles machbar, aber ein wirklicher Knackpunkt bleibt: Die Strecke, die im Original durchgängig für Spikes geeignet ist, ja, von den schnelleren Läufern ausschließlich mit Spikes gelaufen wird, führt knapp 20 Meter über Betonplatten. Es hilft nichts: lieber mit dieser Einschränkung leben als die ganze Veranstaltung absagen! Die Entscheidung ist getroffen.[/font]
[font=&]Es ist mittlerweile 9:30 Uhr. Um 13 Uhr soll der erste Lauf starten. Es sind noch etliche gestern zurückgestellte Arbeiten offen, der geänderte Streckenteil muss neu gemacht werden. Mir ist leicht mulmig zumute. Ich bitte Willy, sich um Detailplanung und Herrichtung der Laufstrecke zu kümmern, schreibe eine WhatsApp an das Kernteam der Helfer mit der Bitte, unmittelbar zu kommen, und fahre zu Christian. Dort ergänze ich Mail Nummer 1 um die Angabe, dass ein kleines Stück auf Betonplatten gelaufen werden muss, und schicke sie ab. Christian setzt den gleichen Text auf unsere Facebook-Seite. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis der Server signalisiert, dass er 158 Empfänger erreicht hat. [/font]
[font=&]Als ich auf das Vereinsgelände zurückkehre, sehe ich, dass alle erwarteten Helfer da und kräftig am Arbeiten sind. Ein kleines erstes Aufatmen! Manche haben sogar ihre Kinder mitgebracht, die ebenfalls mit anpacken. Christian hatte 10 von diesen rutschfesten Gummimatten zuhause, die man unter Waschmaschinen stellt. Die hat er mitgebracht, um sie über die Betonplatten zu legen. Es sind natürlich viel zu wenige und er fragt, ob er noch mehr aus dem Baumarkt holen soll. Ich sage ihm, was ich auch allen anderen schon gesagt habe: Priorität 1 hat die Laufstrecke! Auf deren Fertigstellung müssen wir uns konzentrieren! Alles andere wird zunächst zurückgestellt. Erst wenn die Strecke steht, kümmern wir uns um die „Nice-to-have“ Sachen. Glücklicherweise kommen wir gut voran, und als die Streckenmarkierung fast schon abgeschlossen ist, fährt Christian zum Baumarkt. Am Ende sind sogar die Betonplatten recht gut abgedeckt und mit Spikes zu belaufen. [/font]
[font=&]Was machen die Läufe?[/font]
[font=&]So nach und nach treffen auch alle anderen Helfer ein, die für bestimmte Aufgaben und für bestimmte Zeiten eingeteilt sind. Es bleibt bei den 2 Ausfällen, wir sind gut aufgestellt. Als dann noch die ersten beiden Bambiniläufe – 500 m für die männlichen Bambini, danach 500 m für die weiblichen Bambini – mit neuem Start und neuem Ziel erfolgreich durch sind, legt sich meine Anspannung. Es ist windig, aber es bleibt die ganze Veranstaltung hindurch sonnig und regenfrei. Erst später, wenn längst alles wieder abgebaut ist, wird ein weiterer orkanartiger Sturm namens Antonia durch das Land fegen. Wir lagen mit unserem Cross genau dazwischen. Glück gehabt![/font]
[font=&]Rückblick: Als mittags unser Moderator Klaus eingetroffen war, lautete seine erste Frage: „Wie viele Läufer sind es denn heute?“ „Gemeldet sind 521“, antwortete ich, „bei normalem Schwund würde ich mit um die 400 rechnen, die tatsächlich kommen. Aber heute, mit Corona und dann noch dem Sturm, werden es weniger sein. Vielleicht 350 oder so.“ Falsche Einschätzung! Am Ende sprangen an diesem Samstag exakt 441 Läufer über die Strohballen auf dem Neukirchner Gelände. Darunter waren übrigens auch 2, die die Aussage, dass die Anmeldung geschlossen sei, nicht ganz ernst genommen hatten und denen ich nicht zumuten wollte, dass sie 100 km umsonst gefahren waren. Es waren im Übrigen – entgegen meiner ursprünglichen Einschätzung – gerade die Schülerläufe, die einen riesigen Zuspruch erfahren hatten, und sehr bemerkenswert: In fast allen Läufen rannten mehr Mädchen als Jungen über das Geläuf, bei den Altersklassen U12 und U14 (also bei den 10- bis 13-Jährigen) sogar jeweils doppelt so viele. [/font]
[font=&]Die Läufer heute waren offensichtlich happy, endlich wieder einmal einen Wettkampf laufen zu können, die Übungsleiter in den Vereinen nahmen dankbar die Gelegenheit wahr, die Fruchtbarkeit ihrer Trainingsbemühungen im Wettkampfeinsatz bewerten zu können. Die Resonanz schon während und dann auch nach der Veranstaltung war ausgesprochen positiv, natürlich besonders über die Durchführung als solche. Im Orga-Team fühlten wir uns bestätigt, trotz aller Widrigkeiten an der Option festgehalten zu haben, die Veranstaltung durchzuziehen, und nicht vorzeitig die Segel gestrichen zu haben. [/font]
[font=&]Was mache ich?[/font]
[font=&]Am nächsten Tag, dem Sonntag, wechselte ich aus der Rolle des Organisators wieder in die des Läufers. Ich war für eine Serie angemeldet, deren abschließender Halbmarathon ausgerechnet am folgenden Tag stattfinden sollte. Dieser Veranstalter war einer der wenigen gewesen, der seine Läufe nicht abgesagt hatte. Er hatte mir damit bei unseren eigenen Diskussionen, was wir machen würden, als positives Beispiel gedient. Ich lief dort also am Sonntagmittag bei eher trübem Wetter, aber ich lief mit schweren Beinen. Stundenlang auf dem Platz rumstehen bzw. rumschlendern kann anstrengender sein als flottes Laufen.[/font]
[font=&]Bernd[/font]