100 Meilen sollt Ihr laufen - oder Euch die Haare raufen!
Verfasst: 18.08.2023, 19:33
Niemand hat die Absicht 100 Meilen zu laufen - Manche tun es doch!
3x war ich bisher dabei - direkt nacheinander, von 2015 - 2017 beim "komfortabelsten aller 100Meilen-Läufe" -
so wird in Ultra-Kreisen gemunkelt... nun es ist wohl schon was wahres daran wenn man so die Bedingungen anderer
100Meiler vor Augen hat.
Es stellt sich nur die Frage: "Kann ein 100 Meilen Lauf auf irgendeine Art und Weise komfortabel sein?"
Anschließend musste ich aus gesundheitlichen Gründen 2x Startplatz abgeben und das böse "C" und mangelnde
Ausdauerfitness hinderten mich an weiteren Teilnahmen. Dieses Jahr wollte ich es nochmals wissen... das ich die
10 in 10 (Bad Blumau) leider nicht komplett absolvieren konnte versetzt mir (nicht nur moralisch) einen gehörigen
Dämpfer... mein Wiedereinstieg zeigte mir aber auch Moral und Kampfeswille sind intakt.
Also - Let's Do it!
Ich bin, wie immer am Freitag mit der Bahn angereist und wohne - wie sicherlich ca 95% aller Teilnehmer, sofern Sie nicht aus der Berliner Umgebung kommen, oder hier Bekannte haben bei denen Sie übernachten - im "Mannschaftshotel" H2/H4. Hier finden alle Veranstaltungen rund um den Lauf statt, auch Klaus läuft mir dabei erstmals über den Weg: Einchecken, Ausgabe Startunterlagen, Briefing und natürlich die große Pasta-Party (in mehreren Etappen) - dazwischen und dabei wird wie immer gefachsimpelt, geschnackt, geblödelt, Erfahrungen ausgetauscht ... und dergleichen mehr - und wenn es nur den Zweck hat sich von der Riesenaufgabe am Renntag abzulenken... oder wie auch immer.
Dazwischen packe ich meine 4 Dropbags: 3 für die gr. Wechselpunkte (hier wechseln die 4er-Staffelläufer u.a.) und 1 für's Ziel.
Die Nachtausrüstung (reflektierende Warnweste, Stirnlampe) wird für den 2.WP empfohlen, es sei denn man erreicht bereits
den 3. garantiert um 21Uhr. Die Pflichtausrüstung muss man dauerhaft bei sich führen: Rettungsdecke (Goldfolie), (Falt-)
Becher, mind. 0,5l Flüssigkeit in Trink-blase/flasche und ein eingeschaltetes Handy dessen Nr. man für die Erreichbarkeit
hinterlegen muss.
Diese Dinge finden sich alles in bzw an meinem Laufrucksack, dazu mehrere Gel, Powerbank da ich mit dem Handy (über
Komoot) auch navigiere, Ersatzpowerbank und Ersatzstirnlampe.
Auf die Dropbags verteile ich dann zusätzlich weitere Gels, Ersatz-socken/Slips, Blasenpflaster, Ersatzvaseline, Isopulver
für mein speziellen "Zaubertrank", auch mal Laufschuhe, Laufklamotten, 2x Regenjacke und ein paar kl. Handtücher.
Alles fein säuberlich verpackt auf die entsprechend beschrifteten Dropbags... die Materialschlacht war eigentlich nur
beim Spartathlon noch schlimmer. Wer sich da von Jemanden begleiten lässt hat es bedeutend einfacher. Hier bei diesem
Lauf ist Radbegleitung ab dem ersten Wechselpunkt (KM56) erlaubt.
Beim Briefing erfahren wir auch das sogar der Bundeskanzler diesen Wechselpunkt einen Besuch abstatten wird...
Mauerweglauf ist immer auch Gedenken und Politik!
Ich versuche bewusst nicht zu früh ins Bett zu gehen... das hat eh keinen Sinn bei mir - doch als ich gegen 23Uhr gerne
schlafen möchte klappt das nicht. Als um 4:15 mein Handyalarm losgeht habe ich bestenfalls 2,5Std geschlafen - kann
ich nun nicht ändern (war schon öfter so). Ein kurzes Frühstück, dann vorm Hotel auf den Bus warten der uns zum Start/Ziel
Erika-Hess-Stadion bringen soll. Doch so pünktlich geht das alles nicht, wie ich aus dem Vorjahr schon gehört habe. Ich
entdecke Udo wie Er auch auf den Bus wartet - immerhin kommt der dann mit "nur" 10min Verspätung.
Kurz darauf sind wir im Eisstadion angelangt, auf der zentralen Betonplatte sind die Tische und Bänke aufgebaut, der
Start befindet sich etwas oberhalb, gleich daneben. Nachdem ich meine Beutel abgegeben habe, bleibt noch etwas
Zeit mich zu "sammeln". Die Wettervorhersage: von den Temperaturen her halbwegs annehmbar - aber eine drückende
Schwüle wird erwartet und macht auch allen Teilnehmern zu schaffen... Abkühlung/Erfrischung ist für den Abend in
Form von Regen angekündigt. Meine Form könnte natürlich besser sein - meine Zuversicht auch. Ich weiß ich werde
heute alle meine physische und psychische Kraft brauchen, die in mir steckt... am besten etwas mehr noch. Meine
mentalen Monster kriegen heute mehr als genug zu tun - all das ist mir bewusst! Nun Roland - bitte mit positiver
Zuversicht an den Start - ich aktiviere meinen Track ... die Uhren auf "Start" und um 6Uhr... los geht die Sause...
Es geht im Uhrzeigersinn auf dem Mauerweg entlang, also zuerst südlich durch die Innenstadt. Wir müssen uns an
die Verkehrsregeln halten, somit an roten Ampeln stehen bleiben. Auf dem ersten Stück zum Checkpoint Charlie gibt
es eine Ausnahme, hier regelt die Polizei den Verkehr... wir dürfen sofort rüber. die 5,7Km bis dahin bin ich deutlich
unter 7min/Km. Zum 2.VP East Side Gallery 4,7Km sind es sogar unter 6:30min/Km. Die Stadt ist noch recht leer
und so lenkt - außer rote Ampeln - nicht viel vom Laufgeschehen ab. Ich stelle fest die Wegweisungen vom Handy
kommen noch zu leise bzw hier ist es zu laut - ich werde es später ändern. Die Wegweisung ist bisher hervorragend
und trägt dazu bei das ich fast bis Km30 ca 6:30min/Km laufen kann. Dann werden die Halts an den VP's auch länger.
Ein gefühlt "ewig langer" Abschnitt am Teltower Kanal ist eintönig weil schnurgerade, ansonsten ist natürlich alles dabei: Ausfallstraßen, Wohnstraßen, Wander-/Radwege z.T. übersät mit Wurzeln und Stolperfallen. Doch noch ist es relativ
einfach zu Laufen - die Wärme nimmt langsam zu. Der 1.MA geht locker unter 5Std. weg - das ist beruhigend.
Den 1.WP Sportplatz Teltow erreiche ich nach gut 6:30Std, hier brauche ich etwas zum Vorräte auffüllen. Da wir hier
schon das südlichste Stück erlaufen, geht es nun hauptsächlich Richtung Westen. Vom VP10 Königsweg sind es quasi
fast 7Km geradeaus zur Gedenkstätte Griebnitzsee... das ist nicht ganz einfach. Hier erlebe ich Seltsames: Ein Läufer
erreicht kurz hinter mir den VP, auf den letzten Metern reißt Er sich den Laufrucksack runter, Reißverschluss auf,
Zigarettenschachtel raus ... und zündet sich eine Fluppe an, setzt sich hin und qualmt - im Ziel beim Berlin-MA habe
ich sowas schon paarmal gesehen, aber mitten in einem Ultralauf?? Als ich das später Anderen erzähle, höre ich: den
habe ich auch gesehen - der hat auch da...oder dort gequalmt - das ist echt was Neues für mich!
Vorbei am Wannsee auf dem Weg Richtung Potsdam spüre ich aufsteigende Erschöpfung. Die Aussicht VP12
Brauhaus Meierei bei KM 76 mit leckeren Bier soll mich aufbauen - doch das will nicht gelingen, gefühlt schleiche
ich zum VP hin, als hätte mir Jemand den Stecker gezogen... so schnell kann es mit der Zuversicht vorbei sein....
Endlich komme ich an - eigentlich finde ich es dort klasse, war schon in meiner "mauerweglauflosen Zeit" als reiner
Touri dort... hat sich gelohnt!
Am VP falle ich sofort auf die Bank... eine bleierne, lähmende Erschöpfung macht sich in meinem Körper breit... kann
das der Schwüle geschuldet sein... oder ist es schlicht und ergreifend mangelnde Ausdauer? Vom Vorsatz hier 2-3
Becher Bier zu trinken bin ich "meilenweit" entfernt... ich sitze da, drücke mir zwei Salztabletten rein, ein Becher Cola
bleibt nur unter Mühen drin... mein Kreislauf fällt ins bodenlose. Wie soll ich unter diesen Umständen noch weitere fast
100Km laufen können... in Gedanken organisiere ich meinen Ausstieg: Transponder beim Chef des VP's abgeben und
mit der Start-Nr. als Fahrkarte nach Berlin reinfahren...den Weg kenne ich noch als ich hier als Touri unterwegs war.
War es das???
Doch da ist noch eine heftige Gegenwehr in mir - das sollte Dein letzter Mauerweglauf hier sein - willst Du Dich hier
von Deinem "Lieblingsläufle/Ultra" mit einem DNF verabschieden... und in meinem tiefsten Inneren ertönt eine Stimme:
nur wenn es gar nicht anders geht!
Also was tun - ich verspreche meinem erschöpften Körper: bis zum nächsten VP Krampnitz wird gegangen... dann schauen
wie's weitergeht, zur Not bis zum übernächsten VP, das ist dann einer der Wechselpunkte: Schloss Sacrow - wenn es
dann keine Besserung gibt... dann eben raus - so mein Notplan momentan!
Ich kippe den kleinen Rest Bier aus meinen Faltbecher weg, stecke in wieder an den Laufrucksack... und nun wird marschiert.
Erst vorsichtig los, später mal gucken was man mit "forcierten Gehen" erreichen kann... da geht es mir tatsächlich schon
etwas besser. Ich bin in Krampnitz angekommen und der Entschluss heißt: dabei bleiben! Ich will meinen Kreislauf auf
die Sprünge helfen und frage nach Kaffee, bis ich den bekomme, erstmal eine verdünnte Cola. Dann den fast heißen
Kaffee hinterher... zum Essen kann ich mich (wie üblich) nicht zwingen.
Ja, kann sein das ich meinen Kreislauf etwas geholfen habe... mein Magen ist quasi endgültig "ruiniert', d.h. ich muss bei
jedem Gel oder Getränk aufpassen das ich mich nicht übergeben muss... Essen sowieso unmöglich. Aber es geht irgendwie
weiter und auf dem Weg nach Schloss Sacrow komme ich immer wieder in den Laufschritt - fühlt sich gut an... und meine Mentalmonster ballen die Fäuste!
Am WP angekommen...hier ist viel los, Staffelwechsel, viele Läufer(innen) haben hier Ihre Pflichtausrüstung für die
Nacht deponiert. Bedeutet im wesentlichen: Reflektor-/Warnweste und Stirnlampe. Auch ich habe das hier im Dropbag,
Schuhe und Wechselklamotten bleiben drin, ich brauche sie nicht. Stirnlampe aufgesetzt, Isopulver in leere Flasche...ich
hantiere so ungeschickt das ich mir 2x Wasser über Dropbag bzw meine Füße schütte ...da kommt Klaus an, kurz hinter
mir... auch Ihm geht's nicht gut, aber wir werden uns demnächst öfter "über den Weg laufen" Da kommt der Rennarzt
Carsten Böhlke auf mich zu - ich kenne Ihn von LG Ultralauf... ist ein lustiger und dufte Typ. Ich erzähle kurz von meinem
"Fast-Ausstieg", er meint: gut gemacht... Du schaffst das. Er hilft mir noch bei der Warnweste und dem Laufrucksack...
ich bin jetzt ziemlich genau 12Std unterwegs - weiter geht's, jetzt Richtung Norden!
Irgendwo hier - den genauen VP weiß ich nimmer: Ich will grade wieder loslaufen, sortiere noch den Faltbecher an den
Rucksack - ein Läufer (fix und fertig) geht ein paar Schritte zur Seite, holt sein Handy raus und schreit fast rein:
Verfluchte Sch... ich kann nicht weiter, ich muss raus - schon wieder nicht geschafft... das ist doch zum "Haare ausraufen"-
Du musst mich abholen... sagt Er zu seinem Bekannten (oder wie auch immer) - viel zum Ausraufen hatte er nimmer auf
dem Kopf - doch dieses Bild habe ich mir gemerkt - und so entstand die Artikelüberschrift.
Beim VP Pagel & Friends gibt es immer gekochte Kartoffel, schon mehrfach freute ich mich darauf - heute nicht, mein
Magen ist wie verrammelt, so lasse ich das lieber, bin froh etwas verdünnter Iso bzw Cola, Gel geht z.Z. nicht. Setze mich
kurz hin, da kommt Klaus auch an und hat eine kl. Portion Nudeln ... beneidenswert, find ich! Ich verabschiede mich - am
nächsten VP Karolinenhöhe sind 100Km voll - ein kleiner Zwischenerfolg, mehr nicht.
Es dämmert bereits reichlich und tröpfelt auch schon gelegentlich - über eine kleine Abkühlung würde ich mich in der Tat
freuen, denn auch jetzt ist es noch schwül zur Abendzeit, doch es lässt noch auf sich warten... ich hoffe ja das es nicht zu
heftig wird, denn meine nächste Regenjacke ist doch einige Km ca 25 am Ruderclub Oberhavel entfernt.
Dann wird es Zeit die Beleuchtung anzuschalten... am VP immer aus, sonst werden die fleißigen Helfer geblendet- kurz
darauf beginnt es (in für mich vertretbaren Maß) zu regnen... dauert aber nur ca 30min, später nochmals 20min.
Ich laufe so gut es geht, ansonsten habe ich mir ein flottes Gehtempo zugelegt, sofern es die Straßenverhältnisse zulassen,
zudem empfinde ich die Sprachanweisungen der Komoot-App als recht hilfreich...vor allem in der Nacht (übrigens werden
auch immer die Km-Zeiten angesagt) - ich habe mir deswegen das Handy samt Powerpack in eine Bauchgürteltasche
deponiert - da kann ich fast alles verstehen. Von der Umgebung kriege ich jetzt kaum mehr was mit. Ich fixiere mich auf
dem Weg, auf meine Verfassung und gelegentlich auch mal einen Mitläufer(in) bzw Begleitfahrräder.
Mein nächster Fixpunkt ist der VP19 Grenzturm Nieder Neuendorf - dort sind dann 120Km erreicht. Wenn Du bei mir bist
hat Etze (der mit seiner Frau und Laufgruppe den VP betreut) gesagt - dann hast Du "nur noch "einen MA, Er wird mich
mit einen kühlen Bier erwarten, es gibt auch Suppe bei Ihm. Doch vorher versagt meine Technik - es kommen keine
Ansagen vom Handy, ich hole die Brille raus gucke nach...die Powerbank ist leer. Ich bitte eine Radfahrerin mit den
Ersatzakku aus dem Rucksack zu holen, bis dann das Handy wieder online ist - die App wieder läuft.. das dauert,
funktioniert irgendwann... dann wird schon das Licht meiner Kopflampe dünn. Kein Problem denke ich - ich habe Ersatz
im Rucksack... aber die vollgeladene Lampe will nicht - vermutlich ist ein Kabel locker.... was nun? Die Fahrradkontrollen
werden mich bald herausnehmen ... so ohne Beleuchtung - ich habe als allerletzte Reserve eine kl. Taschenlampe
eingepackt - die reicht sicherlich nicht bis zum Tageslicht... aber besser als nix - ich frage einen Läufer mit schöner
heller Stirnlampe ob ich bei Ihm laufen kann, aus nachvollziehbaren Gründen, zum VP hin oder wenn uns "fremde
Leute/Radfahrer" begegnen schalte ich eiligst meine Taschenlampe ein und halte sie hoch - so geht das... Man muss
eben einfallsreich sein - jetzt will ich das Ding auch ins Ziel bringen und nicht wegen Technikmangel aus dem Rennen
genommen werden! Aufkommende Schwächephasen werden sofort von meiner unbändigen moralischen Kraft
weggebügelt. Ich bin selbst überrascht welch enormer Finisherwille jetzt alle Unbilden geradezu "abprallen lässt"
Ich muss mich eben nunmehr an das Tempo "meines Beleuchters" halten - das klappt einigermaßen gut. Wir erreichen
"Etzes VP" - Er und seine Frau begrüßt mich erfreut, einen Schluck Bier nehme ich, die Suppe lehne ich dankend ab.
Also ab jetzt "nur noch" einen Marathon - wie Er es sagte... ein weiterer Zwischenschritt. Anschließend der große
letzte WP Ruderclub Oberhavel, hier fülle ich wieder meine Vorräte v.a. flüssige - Gels habe ich genügend dabei, aber
hier kriege ich mal wieder eins runter. Hier lasse ich meine Taschenlampe schön hell erstrahlen, ich habe schon früher
mal mitbekommen wie hier Teilnehmer wegen fehlender Beleuchtung rausgenommen wurden. Als ich dort rauslaufe
bin ich ca 18:45Std unterwegs und habe knapp 125Km überwunden, nun Richtung Osten (ein wenig noch nördlich). Mit
meinem derzeitigen Tempo brauche ich pro Km ca 10min - mal knapp darüber, auch mal einiges darunter - ich passe
mich an meinen Mitläufer an - später als es heller wird und Er auch langsamer versuche ich geringfügig schneller zu
werden - ich benötige seine Leuchthilfe ja nicht mehr.
Auch wenn es noch nicht wirklich hell ist - meine Aufnahmefähigkeit sehr begrenzt ist - hier erkenne ich Teilstrecken
des Oster-MA von Etze an den Tegeler Seen - ungeduldig erwarte ich so langsam in Berliner City einzutauchen, doch
das dauert länger als gedacht.... über Frohnau, Naturschutzturm, Oranienburger Chaussee und Lübars geht es nun
beim VP25 zum Bahnhof Wilhelmsruh... 151Km, das kann doch nicht wahr sein - immer noch über 10Km - und
doch ich komme voran - das hätte ich vor zig Std an der Meierei kaum für möglich gehalten.
Nun noch zum VP Mauerpark - hier war ich schon öfter mal zum Trempelmarkt ... einer der ganz großen. Dann
lese ich auf dem Schild, der nächste VP ist das ZIEL: Erika-Hess-Stadion ... lange 4,5Km trennen mich von dort
noch - doch jetzt weiß ich es - ich werde finishen - irgendwann nach 25Std, egal einfach nur ankommen! Auf dem
Weg zum Ziel werde ich tatsächlich noch etwas schneller und ich überhole einige Mitläufer(innen) - aber das spielt
nicht wirklich eine Rolle - irgendwo steht auf der Straße, der letzte KM Mauerweglauf, dann stehen schon Helfer
da: in 400Meter hast du es geschafft ... haben DIE das eben wirklich gesagt? Nehme ich, denke ich mir... dann
rein ins Stadion, ich werde angekündigt und muss noch den Bogen außen rum laufen... 200Meter...Jubel -
ich entdecke Klaus, wie Er mir die Faust entgegen reckt, Arme nach oben... eine Welle und rein über die Ziellinie...
HERRLICH!!!
Ich habe es geschafft, Medaille um den Hals - unglaublich - dabei war ich doch vor ca 15Std (ca 85Km) schon
draußen - mein Ultrawille, meine Mental-Monster haben es möglich gemacht zu finishen - vor lauter Glück grinse
ich wohl im Kreis. Nun versuche ich mich an der Gulaschsuppe und dem Finisher-Bier, beides gelingt. Klaus entdecke
ich leider nicht mehr, ich sammle meine Dropbags ein und ohne Umziehen gehe ich zum Shuttlebus und fahre mit
dem nächsten zum Hotel... schmeiße alles in die Ecke und dusche mir den 100Meilen-Schweiß und Dreck weg ...
viele Wund- und Scheuerstellen brennen wie verrückt - noch etwas Salbe drauf und ich stelle mir den Wecker
auf halbe Std vor der Siegerehrung unten im Saal. Ich kann fast 3Std schlafen, dann mit Finishershirt und Jeans
zur Siegerehrung runter. Hier erfahre ich ca 37% der etwas über 500 Einzelläufer(innen) haben das Ziel nicht
erreicht - konnten nicht in 30Std finishen... vermutlich lag die hohe Quote am schwülen Wetter.
Auch wenn es das erste Mal ohne Buckle abging - ich bin einfach sehr, sehr zufrieden und glücklich. Kurz danach
verabrede ich mich mit Klaus zum Kalorien auffüllen - nebenan im "Hofbräuhaus" - wir sitzen draußen mit bekannten
Läufern am Tisch, trinken eine Maß Bier und essen eine große, deftige Portion. Jetzt schmeckt es wieder und der
Hunger ist reichlich... als wir nach ein paar Stunden ins Hotel zurück kommen verabreden wir uns zum Frühstück
am Folgetag und ich brauche noch ein paar Std vorm Fernseher um runter zu kommen.
Mein Finish beim 4.Mauerweglauf - ich bin selig, bye, bye Mauerweglauf - das wird mein Letzter gewesen sein (voraussichtlich).
KeepThe Fire Burning - jetzt gilt es mehr denn je!
Roland
3x war ich bisher dabei - direkt nacheinander, von 2015 - 2017 beim "komfortabelsten aller 100Meilen-Läufe" -
so wird in Ultra-Kreisen gemunkelt... nun es ist wohl schon was wahres daran wenn man so die Bedingungen anderer
100Meiler vor Augen hat.
Es stellt sich nur die Frage: "Kann ein 100 Meilen Lauf auf irgendeine Art und Weise komfortabel sein?"
Anschließend musste ich aus gesundheitlichen Gründen 2x Startplatz abgeben und das böse "C" und mangelnde
Ausdauerfitness hinderten mich an weiteren Teilnahmen. Dieses Jahr wollte ich es nochmals wissen... das ich die
10 in 10 (Bad Blumau) leider nicht komplett absolvieren konnte versetzt mir (nicht nur moralisch) einen gehörigen
Dämpfer... mein Wiedereinstieg zeigte mir aber auch Moral und Kampfeswille sind intakt.
Also - Let's Do it!
Ich bin, wie immer am Freitag mit der Bahn angereist und wohne - wie sicherlich ca 95% aller Teilnehmer, sofern Sie nicht aus der Berliner Umgebung kommen, oder hier Bekannte haben bei denen Sie übernachten - im "Mannschaftshotel" H2/H4. Hier finden alle Veranstaltungen rund um den Lauf statt, auch Klaus läuft mir dabei erstmals über den Weg: Einchecken, Ausgabe Startunterlagen, Briefing und natürlich die große Pasta-Party (in mehreren Etappen) - dazwischen und dabei wird wie immer gefachsimpelt, geschnackt, geblödelt, Erfahrungen ausgetauscht ... und dergleichen mehr - und wenn es nur den Zweck hat sich von der Riesenaufgabe am Renntag abzulenken... oder wie auch immer.
Dazwischen packe ich meine 4 Dropbags: 3 für die gr. Wechselpunkte (hier wechseln die 4er-Staffelläufer u.a.) und 1 für's Ziel.
Die Nachtausrüstung (reflektierende Warnweste, Stirnlampe) wird für den 2.WP empfohlen, es sei denn man erreicht bereits
den 3. garantiert um 21Uhr. Die Pflichtausrüstung muss man dauerhaft bei sich führen: Rettungsdecke (Goldfolie), (Falt-)
Becher, mind. 0,5l Flüssigkeit in Trink-blase/flasche und ein eingeschaltetes Handy dessen Nr. man für die Erreichbarkeit
hinterlegen muss.
Diese Dinge finden sich alles in bzw an meinem Laufrucksack, dazu mehrere Gel, Powerbank da ich mit dem Handy (über
Komoot) auch navigiere, Ersatzpowerbank und Ersatzstirnlampe.
Auf die Dropbags verteile ich dann zusätzlich weitere Gels, Ersatz-socken/Slips, Blasenpflaster, Ersatzvaseline, Isopulver
für mein speziellen "Zaubertrank", auch mal Laufschuhe, Laufklamotten, 2x Regenjacke und ein paar kl. Handtücher.
Alles fein säuberlich verpackt auf die entsprechend beschrifteten Dropbags... die Materialschlacht war eigentlich nur
beim Spartathlon noch schlimmer. Wer sich da von Jemanden begleiten lässt hat es bedeutend einfacher. Hier bei diesem
Lauf ist Radbegleitung ab dem ersten Wechselpunkt (KM56) erlaubt.
Beim Briefing erfahren wir auch das sogar der Bundeskanzler diesen Wechselpunkt einen Besuch abstatten wird...
Mauerweglauf ist immer auch Gedenken und Politik!
Ich versuche bewusst nicht zu früh ins Bett zu gehen... das hat eh keinen Sinn bei mir - doch als ich gegen 23Uhr gerne
schlafen möchte klappt das nicht. Als um 4:15 mein Handyalarm losgeht habe ich bestenfalls 2,5Std geschlafen - kann
ich nun nicht ändern (war schon öfter so). Ein kurzes Frühstück, dann vorm Hotel auf den Bus warten der uns zum Start/Ziel
Erika-Hess-Stadion bringen soll. Doch so pünktlich geht das alles nicht, wie ich aus dem Vorjahr schon gehört habe. Ich
entdecke Udo wie Er auch auf den Bus wartet - immerhin kommt der dann mit "nur" 10min Verspätung.
Kurz darauf sind wir im Eisstadion angelangt, auf der zentralen Betonplatte sind die Tische und Bänke aufgebaut, der
Start befindet sich etwas oberhalb, gleich daneben. Nachdem ich meine Beutel abgegeben habe, bleibt noch etwas
Zeit mich zu "sammeln". Die Wettervorhersage: von den Temperaturen her halbwegs annehmbar - aber eine drückende
Schwüle wird erwartet und macht auch allen Teilnehmern zu schaffen... Abkühlung/Erfrischung ist für den Abend in
Form von Regen angekündigt. Meine Form könnte natürlich besser sein - meine Zuversicht auch. Ich weiß ich werde
heute alle meine physische und psychische Kraft brauchen, die in mir steckt... am besten etwas mehr noch. Meine
mentalen Monster kriegen heute mehr als genug zu tun - all das ist mir bewusst! Nun Roland - bitte mit positiver
Zuversicht an den Start - ich aktiviere meinen Track ... die Uhren auf "Start" und um 6Uhr... los geht die Sause...
Es geht im Uhrzeigersinn auf dem Mauerweg entlang, also zuerst südlich durch die Innenstadt. Wir müssen uns an
die Verkehrsregeln halten, somit an roten Ampeln stehen bleiben. Auf dem ersten Stück zum Checkpoint Charlie gibt
es eine Ausnahme, hier regelt die Polizei den Verkehr... wir dürfen sofort rüber. die 5,7Km bis dahin bin ich deutlich
unter 7min/Km. Zum 2.VP East Side Gallery 4,7Km sind es sogar unter 6:30min/Km. Die Stadt ist noch recht leer
und so lenkt - außer rote Ampeln - nicht viel vom Laufgeschehen ab. Ich stelle fest die Wegweisungen vom Handy
kommen noch zu leise bzw hier ist es zu laut - ich werde es später ändern. Die Wegweisung ist bisher hervorragend
und trägt dazu bei das ich fast bis Km30 ca 6:30min/Km laufen kann. Dann werden die Halts an den VP's auch länger.
Ein gefühlt "ewig langer" Abschnitt am Teltower Kanal ist eintönig weil schnurgerade, ansonsten ist natürlich alles dabei: Ausfallstraßen, Wohnstraßen, Wander-/Radwege z.T. übersät mit Wurzeln und Stolperfallen. Doch noch ist es relativ
einfach zu Laufen - die Wärme nimmt langsam zu. Der 1.MA geht locker unter 5Std. weg - das ist beruhigend.
Den 1.WP Sportplatz Teltow erreiche ich nach gut 6:30Std, hier brauche ich etwas zum Vorräte auffüllen. Da wir hier
schon das südlichste Stück erlaufen, geht es nun hauptsächlich Richtung Westen. Vom VP10 Königsweg sind es quasi
fast 7Km geradeaus zur Gedenkstätte Griebnitzsee... das ist nicht ganz einfach. Hier erlebe ich Seltsames: Ein Läufer
erreicht kurz hinter mir den VP, auf den letzten Metern reißt Er sich den Laufrucksack runter, Reißverschluss auf,
Zigarettenschachtel raus ... und zündet sich eine Fluppe an, setzt sich hin und qualmt - im Ziel beim Berlin-MA habe
ich sowas schon paarmal gesehen, aber mitten in einem Ultralauf?? Als ich das später Anderen erzähle, höre ich: den
habe ich auch gesehen - der hat auch da...oder dort gequalmt - das ist echt was Neues für mich!
Vorbei am Wannsee auf dem Weg Richtung Potsdam spüre ich aufsteigende Erschöpfung. Die Aussicht VP12
Brauhaus Meierei bei KM 76 mit leckeren Bier soll mich aufbauen - doch das will nicht gelingen, gefühlt schleiche
ich zum VP hin, als hätte mir Jemand den Stecker gezogen... so schnell kann es mit der Zuversicht vorbei sein....
Endlich komme ich an - eigentlich finde ich es dort klasse, war schon in meiner "mauerweglauflosen Zeit" als reiner
Touri dort... hat sich gelohnt!
Am VP falle ich sofort auf die Bank... eine bleierne, lähmende Erschöpfung macht sich in meinem Körper breit... kann
das der Schwüle geschuldet sein... oder ist es schlicht und ergreifend mangelnde Ausdauer? Vom Vorsatz hier 2-3
Becher Bier zu trinken bin ich "meilenweit" entfernt... ich sitze da, drücke mir zwei Salztabletten rein, ein Becher Cola
bleibt nur unter Mühen drin... mein Kreislauf fällt ins bodenlose. Wie soll ich unter diesen Umständen noch weitere fast
100Km laufen können... in Gedanken organisiere ich meinen Ausstieg: Transponder beim Chef des VP's abgeben und
mit der Start-Nr. als Fahrkarte nach Berlin reinfahren...den Weg kenne ich noch als ich hier als Touri unterwegs war.
War es das???
Doch da ist noch eine heftige Gegenwehr in mir - das sollte Dein letzter Mauerweglauf hier sein - willst Du Dich hier
von Deinem "Lieblingsläufle/Ultra" mit einem DNF verabschieden... und in meinem tiefsten Inneren ertönt eine Stimme:
nur wenn es gar nicht anders geht!
Also was tun - ich verspreche meinem erschöpften Körper: bis zum nächsten VP Krampnitz wird gegangen... dann schauen
wie's weitergeht, zur Not bis zum übernächsten VP, das ist dann einer der Wechselpunkte: Schloss Sacrow - wenn es
dann keine Besserung gibt... dann eben raus - so mein Notplan momentan!
Ich kippe den kleinen Rest Bier aus meinen Faltbecher weg, stecke in wieder an den Laufrucksack... und nun wird marschiert.
Erst vorsichtig los, später mal gucken was man mit "forcierten Gehen" erreichen kann... da geht es mir tatsächlich schon
etwas besser. Ich bin in Krampnitz angekommen und der Entschluss heißt: dabei bleiben! Ich will meinen Kreislauf auf
die Sprünge helfen und frage nach Kaffee, bis ich den bekomme, erstmal eine verdünnte Cola. Dann den fast heißen
Kaffee hinterher... zum Essen kann ich mich (wie üblich) nicht zwingen.
Ja, kann sein das ich meinen Kreislauf etwas geholfen habe... mein Magen ist quasi endgültig "ruiniert', d.h. ich muss bei
jedem Gel oder Getränk aufpassen das ich mich nicht übergeben muss... Essen sowieso unmöglich. Aber es geht irgendwie
weiter und auf dem Weg nach Schloss Sacrow komme ich immer wieder in den Laufschritt - fühlt sich gut an... und meine Mentalmonster ballen die Fäuste!
Am WP angekommen...hier ist viel los, Staffelwechsel, viele Läufer(innen) haben hier Ihre Pflichtausrüstung für die
Nacht deponiert. Bedeutet im wesentlichen: Reflektor-/Warnweste und Stirnlampe. Auch ich habe das hier im Dropbag,
Schuhe und Wechselklamotten bleiben drin, ich brauche sie nicht. Stirnlampe aufgesetzt, Isopulver in leere Flasche...ich
hantiere so ungeschickt das ich mir 2x Wasser über Dropbag bzw meine Füße schütte ...da kommt Klaus an, kurz hinter
mir... auch Ihm geht's nicht gut, aber wir werden uns demnächst öfter "über den Weg laufen" Da kommt der Rennarzt
Carsten Böhlke auf mich zu - ich kenne Ihn von LG Ultralauf... ist ein lustiger und dufte Typ. Ich erzähle kurz von meinem
"Fast-Ausstieg", er meint: gut gemacht... Du schaffst das. Er hilft mir noch bei der Warnweste und dem Laufrucksack...
ich bin jetzt ziemlich genau 12Std unterwegs - weiter geht's, jetzt Richtung Norden!
Irgendwo hier - den genauen VP weiß ich nimmer: Ich will grade wieder loslaufen, sortiere noch den Faltbecher an den
Rucksack - ein Läufer (fix und fertig) geht ein paar Schritte zur Seite, holt sein Handy raus und schreit fast rein:
Verfluchte Sch... ich kann nicht weiter, ich muss raus - schon wieder nicht geschafft... das ist doch zum "Haare ausraufen"-
Du musst mich abholen... sagt Er zu seinem Bekannten (oder wie auch immer) - viel zum Ausraufen hatte er nimmer auf
dem Kopf - doch dieses Bild habe ich mir gemerkt - und so entstand die Artikelüberschrift.
Beim VP Pagel & Friends gibt es immer gekochte Kartoffel, schon mehrfach freute ich mich darauf - heute nicht, mein
Magen ist wie verrammelt, so lasse ich das lieber, bin froh etwas verdünnter Iso bzw Cola, Gel geht z.Z. nicht. Setze mich
kurz hin, da kommt Klaus auch an und hat eine kl. Portion Nudeln ... beneidenswert, find ich! Ich verabschiede mich - am
nächsten VP Karolinenhöhe sind 100Km voll - ein kleiner Zwischenerfolg, mehr nicht.
Es dämmert bereits reichlich und tröpfelt auch schon gelegentlich - über eine kleine Abkühlung würde ich mich in der Tat
freuen, denn auch jetzt ist es noch schwül zur Abendzeit, doch es lässt noch auf sich warten... ich hoffe ja das es nicht zu
heftig wird, denn meine nächste Regenjacke ist doch einige Km ca 25 am Ruderclub Oberhavel entfernt.
Dann wird es Zeit die Beleuchtung anzuschalten... am VP immer aus, sonst werden die fleißigen Helfer geblendet- kurz
darauf beginnt es (in für mich vertretbaren Maß) zu regnen... dauert aber nur ca 30min, später nochmals 20min.
Ich laufe so gut es geht, ansonsten habe ich mir ein flottes Gehtempo zugelegt, sofern es die Straßenverhältnisse zulassen,
zudem empfinde ich die Sprachanweisungen der Komoot-App als recht hilfreich...vor allem in der Nacht (übrigens werden
auch immer die Km-Zeiten angesagt) - ich habe mir deswegen das Handy samt Powerpack in eine Bauchgürteltasche
deponiert - da kann ich fast alles verstehen. Von der Umgebung kriege ich jetzt kaum mehr was mit. Ich fixiere mich auf
dem Weg, auf meine Verfassung und gelegentlich auch mal einen Mitläufer(in) bzw Begleitfahrräder.
Mein nächster Fixpunkt ist der VP19 Grenzturm Nieder Neuendorf - dort sind dann 120Km erreicht. Wenn Du bei mir bist
hat Etze (der mit seiner Frau und Laufgruppe den VP betreut) gesagt - dann hast Du "nur noch "einen MA, Er wird mich
mit einen kühlen Bier erwarten, es gibt auch Suppe bei Ihm. Doch vorher versagt meine Technik - es kommen keine
Ansagen vom Handy, ich hole die Brille raus gucke nach...die Powerbank ist leer. Ich bitte eine Radfahrerin mit den
Ersatzakku aus dem Rucksack zu holen, bis dann das Handy wieder online ist - die App wieder läuft.. das dauert,
funktioniert irgendwann... dann wird schon das Licht meiner Kopflampe dünn. Kein Problem denke ich - ich habe Ersatz
im Rucksack... aber die vollgeladene Lampe will nicht - vermutlich ist ein Kabel locker.... was nun? Die Fahrradkontrollen
werden mich bald herausnehmen ... so ohne Beleuchtung - ich habe als allerletzte Reserve eine kl. Taschenlampe
eingepackt - die reicht sicherlich nicht bis zum Tageslicht... aber besser als nix - ich frage einen Läufer mit schöner
heller Stirnlampe ob ich bei Ihm laufen kann, aus nachvollziehbaren Gründen, zum VP hin oder wenn uns "fremde
Leute/Radfahrer" begegnen schalte ich eiligst meine Taschenlampe ein und halte sie hoch - so geht das... Man muss
eben einfallsreich sein - jetzt will ich das Ding auch ins Ziel bringen und nicht wegen Technikmangel aus dem Rennen
genommen werden! Aufkommende Schwächephasen werden sofort von meiner unbändigen moralischen Kraft
weggebügelt. Ich bin selbst überrascht welch enormer Finisherwille jetzt alle Unbilden geradezu "abprallen lässt"
Ich muss mich eben nunmehr an das Tempo "meines Beleuchters" halten - das klappt einigermaßen gut. Wir erreichen
"Etzes VP" - Er und seine Frau begrüßt mich erfreut, einen Schluck Bier nehme ich, die Suppe lehne ich dankend ab.
Also ab jetzt "nur noch" einen Marathon - wie Er es sagte... ein weiterer Zwischenschritt. Anschließend der große
letzte WP Ruderclub Oberhavel, hier fülle ich wieder meine Vorräte v.a. flüssige - Gels habe ich genügend dabei, aber
hier kriege ich mal wieder eins runter. Hier lasse ich meine Taschenlampe schön hell erstrahlen, ich habe schon früher
mal mitbekommen wie hier Teilnehmer wegen fehlender Beleuchtung rausgenommen wurden. Als ich dort rauslaufe
bin ich ca 18:45Std unterwegs und habe knapp 125Km überwunden, nun Richtung Osten (ein wenig noch nördlich). Mit
meinem derzeitigen Tempo brauche ich pro Km ca 10min - mal knapp darüber, auch mal einiges darunter - ich passe
mich an meinen Mitläufer an - später als es heller wird und Er auch langsamer versuche ich geringfügig schneller zu
werden - ich benötige seine Leuchthilfe ja nicht mehr.
Auch wenn es noch nicht wirklich hell ist - meine Aufnahmefähigkeit sehr begrenzt ist - hier erkenne ich Teilstrecken
des Oster-MA von Etze an den Tegeler Seen - ungeduldig erwarte ich so langsam in Berliner City einzutauchen, doch
das dauert länger als gedacht.... über Frohnau, Naturschutzturm, Oranienburger Chaussee und Lübars geht es nun
beim VP25 zum Bahnhof Wilhelmsruh... 151Km, das kann doch nicht wahr sein - immer noch über 10Km - und
doch ich komme voran - das hätte ich vor zig Std an der Meierei kaum für möglich gehalten.
Nun noch zum VP Mauerpark - hier war ich schon öfter mal zum Trempelmarkt ... einer der ganz großen. Dann
lese ich auf dem Schild, der nächste VP ist das ZIEL: Erika-Hess-Stadion ... lange 4,5Km trennen mich von dort
noch - doch jetzt weiß ich es - ich werde finishen - irgendwann nach 25Std, egal einfach nur ankommen! Auf dem
Weg zum Ziel werde ich tatsächlich noch etwas schneller und ich überhole einige Mitläufer(innen) - aber das spielt
nicht wirklich eine Rolle - irgendwo steht auf der Straße, der letzte KM Mauerweglauf, dann stehen schon Helfer
da: in 400Meter hast du es geschafft ... haben DIE das eben wirklich gesagt? Nehme ich, denke ich mir... dann
rein ins Stadion, ich werde angekündigt und muss noch den Bogen außen rum laufen... 200Meter...Jubel -
ich entdecke Klaus, wie Er mir die Faust entgegen reckt, Arme nach oben... eine Welle und rein über die Ziellinie...
HERRLICH!!!
Ich habe es geschafft, Medaille um den Hals - unglaublich - dabei war ich doch vor ca 15Std (ca 85Km) schon
draußen - mein Ultrawille, meine Mental-Monster haben es möglich gemacht zu finishen - vor lauter Glück grinse
ich wohl im Kreis. Nun versuche ich mich an der Gulaschsuppe und dem Finisher-Bier, beides gelingt. Klaus entdecke
ich leider nicht mehr, ich sammle meine Dropbags ein und ohne Umziehen gehe ich zum Shuttlebus und fahre mit
dem nächsten zum Hotel... schmeiße alles in die Ecke und dusche mir den 100Meilen-Schweiß und Dreck weg ...
viele Wund- und Scheuerstellen brennen wie verrückt - noch etwas Salbe drauf und ich stelle mir den Wecker
auf halbe Std vor der Siegerehrung unten im Saal. Ich kann fast 3Std schlafen, dann mit Finishershirt und Jeans
zur Siegerehrung runter. Hier erfahre ich ca 37% der etwas über 500 Einzelläufer(innen) haben das Ziel nicht
erreicht - konnten nicht in 30Std finishen... vermutlich lag die hohe Quote am schwülen Wetter.
Auch wenn es das erste Mal ohne Buckle abging - ich bin einfach sehr, sehr zufrieden und glücklich. Kurz danach
verabrede ich mich mit Klaus zum Kalorien auffüllen - nebenan im "Hofbräuhaus" - wir sitzen draußen mit bekannten
Läufern am Tisch, trinken eine Maß Bier und essen eine große, deftige Portion. Jetzt schmeckt es wieder und der
Hunger ist reichlich... als wir nach ein paar Stunden ins Hotel zurück kommen verabreden wir uns zum Frühstück
am Folgetag und ich brauche noch ein paar Std vorm Fernseher um runter zu kommen.
Mein Finish beim 4.Mauerweglauf - ich bin selig, bye, bye Mauerweglauf - das wird mein Letzter gewesen sein (voraussichtlich).
KeepThe Fire Burning - jetzt gilt es mehr denn je!
Roland